Protokoll der Sitzung vom 27.02.2019

Das, meine Damen und Herren, ist eine Schande und es ist Ihre Schande.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie sind die Schande für diese Demokratie!)

Deshalb muss der Verfassungsschutz von der Spitze her neu reorganisiert werden. Er muss endlich wieder an Recht, Gesetz und demokratische Grundregeln gebunden werden.

(Beifall AfD)

Hierzu ist in erster Linie eine Neubesetzung der Amtsspitze durch Personen erforderlich, die dieser Aufgabe fachlich und persönlich gerecht werden können. Bei Herrn Kramer ist dies nicht der Fall. Das war bereits bei seiner Amtseinführung klar. Nicht einmal die Qualifikationsmerkmale des Verfassungsschutzgesetzes erfüllt er. Ihm fehlt, wie wir alle wissen, die Befähigung zum Richteramt. Dass diese Qualifikation aus gutem Grund gefordert wird, das lässt folgende skurrile Selbsteinschätzung von Herrn Kramer erkennen. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin. Er sagt: „Wir sind kein politisches Instrument, wir bewegen uns ausschließlich auf dem Boden und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags.“ Nein, Herr Kramer. Spätestens seit gestern, seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, weiß ganz Deutschland, wie falsch Ihre Aussage ist.

(Beifall AfD)

Wenn Sie die geforderte Qualifikation besessen hätten, wäre Ihnen das auch klar gewesen, bevor Sie Ihren Auftraggebern oder Ihren Reflexen nachgegeben haben und maximal öffentlichkeitswirksam in einer großen Pressekonferenz die kleinste Oppositionspartei im Thüringer Landtag zum Prüffall erklärten und so eine Kampagne starteten, die einzigartig ist. Dann wäre Ihnen klar gewesen, dass man den Verfassungsschutz nicht als Konkurrentenschutz für die schwindsüchtige SPD missbrauchen darf, deren Parteibuch Sie haben.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ja, richtig!)

(Beifall AfD)

Das Parteibuch hat auch der Innenminister, der zuständig ist. Jeder Jurist hätte Ihnen das sagen können. Ich gehe auch davon aus, dass es im Haus des Verfassungsschutzes einen Juristen gibt. Die Fakten sprechen also eine klare Sprache. Sie handelten gegen Recht und Gesetz. Sie haben gemeinsam mit dem Innenminister in einzigartiger Weise versucht, den Ihnen unterstehenden Inlandsgeheimdienst als Waffe gegen eine Oppositionspartei einzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: So geht es nicht weiter!)

(Beifall AfD)

Ich kann mich ganz genau an den Moment erinnern, als das bekannt geworden ist. Ich stand in Vacha auf dem Marktplatz und war fassungslos. Ich

(Abg. Dittes)

war wirklich hilflos. Ich stand wirklich hilflos da und habe gedacht: Das kann nicht wahr sein, dass hier die Verfassung so gebrochen wird, indem man versucht, öffentlichkeitswirksam eine Oppositionspartei für verfassungswidrig und für tot zu erklären, indem man sie zu einem Prüffall erklärt, den es öffentlichkeitswirksam so gar nicht geben darf.

(Beifall AfD)

So ging es nicht nur mir. Ich kann Ihnen das aus vielen Gesprächen mit Thüringer Bürgern sagen. Ungeachtet aller Unterschiede, erinnert dieser Missbrauch des Amts für Verfassungsschutz viele Thüringer an die Praxis der Staatssicherheit in der DDR – ungeachtet aller Unterschiede, wohlgemerkt. Ja, es gibt Unterschiede, Herr Maier, es gibt Unterschiede.

Noch etwas ist mir in dem Zusammenhang wichtig zu sagen, weil in der Zeitung oft viel Unsinn steht. Also, Herr Maier, Herr Kramer, Sie sind für uns keine Hassfiguren, obwohl Sie den Verfassungsschutz in dem Fall parteipolitisch missbraucht haben. Also, das ist falsch, was da in der Presse geschrieben wird. Aber – was ich Ihnen sagen muss – Sie haben unsere ohnehin schon geringen Erwartungen noch mal enttäuscht. Und Sie haben der Demokratie Schaden zugefügt.

(Beifall AfD)

Ich weiß nicht, ob die Regierungskoalition das Gespür besitzt, dass ihr Amtschef für Verfassungsschutz mittlerweile völlig unglaubwürdig geworden ist. Ich meine, wie soll man mit so einem Urteil umgehen und mit so einem Gutachten des Bundestags? Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Kramer oder Herr Maier, bereit sind, für dieses angerichtete Desaster die politische Verantwortung zu tragen. Jeder Arbeitnehmer da draußen wüsste, mit welchen Konsequenzen er im Falle eines solchen Fehlers rechnen müsste.

(Beifall AfD)

Aber wenn Sie die Konsequenzen nicht ziehen, dann tut es eben am Ende der Wähler oder dann hat in diesem Fall ein Thüringer Verfassungsgericht das letzte Wort. Danke.

(Beifall AfD)

Danke schön. Als Nächste spricht Abgeordnete Marx von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn von allen oder von mehreren Seiten Kri

tik am Amt für Verfassungsschutz kommt, dann scheint es doch ein Ausweis für die Qualität der Arbeit des Amts zu sein.

(Beifall SPD)

Also, auf jeden Fall nicht, dass er sich in der einen oder anderen Richtung einseitig verhält. Ja, Herr Walk, ich habe mich auch gewundert, warum Sie diese Aktuelle Stunde wählen. Es sind ja wirklich alte Kamellen und Herr Dittes und ich, wir sind hier seit 2014 kampferprobt. Wir haben damals, wie Herr Dittes schon gesagt hat, in den Koalitionsverhandlungen gegenübergesessen und Herr Dittes hat gesagt, wir wollen den Verfassungsschutz nicht mehr. Wir als Sozialdemokraten haben gesagt – ich habe gesagt –, wir wollen ihn schon, wir behalten ihn auch und dann müssen wir mal darüber reden, wie wir hier trotzdem zueinanderkommen. Und dann haben wir die Formulierung und eben die Verabredung getroffen, die Sie in unserem Koalitionsvertrag auf der Seite 85 und folgende finden, und das, wie gesagt, seit 2014. Deswegen ist die Frage oder steht es auch schon drin, dass man ungeachtet der Unterschiede der Einschätzungen der Parteien eben dazu kommt, dass das Amt für Verfassungsschutz erhalten bleibt, allerdings eben auch in gewissen Feldern einer Prüfung zu unterziehen ist, die sich – und das haben Sie ja auch selbst mit unterstrichen – auch aus den Fehlern und Versäumnissen ergeben haben, die im Fall des NSU unstreitig begangen worden sind. Sie bzw. Kollege Dittes haben dann noch mal gesagt, dass es natürlich auch in der Rechtswissenschaft Menschen gibt, die sagen, das Amt für Verfassungsschutz müsste man nicht unbedingt beibehalten. Er hat sich auf den von mir sehr verehrten Prof. Baldus berufen. Prof. Baldus – das wäre etwas, was man in einer Fachdebatte einfach mal fachlich, sachlich miteinander austauschen könnte, fernab einer politischen Polemik – hat eben gesagt, das Amt für Verfassungsschutz könnte in der allgemeinen Polizeiarbeit aufgehen, weil er, Herr Baldus, die Voraussetzung für das sogenannte Trennungsgebot – die Trennung des Amts für Verfassungsschutz und der allgemeinen Polizei, die nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Untergang des Nazireichs eingeführt worden ist – heute nicht mehr als gegeben ansieht. Prof. Baldus sagt in entsprechenden Aufsätzen, die er dazu geschrieben hat oder in Interviews, dass er meint, dass die Polizei so demokratisch kontrolliert und verfasst ist, dass sie quasi diese nachrichtendienstlichen Mittel, die heute dem Amt für Verfassungsschutz vorbehalten sind, und diese politische Vorfeldkontrolle auch ausüben könnte, ohne sich der Gefahr oder dem Verdacht aussetzen zu müssen, dass sich da eine jeweilige Regierung dieser Polizei als verlängertem Arm bedienen kann. Das

(Abg. Möller)

ist die wissenschaftliche Debatte. Das ist jetzt natürlich fernab dieser populären Denkweise, die Sie hier wieder an den Tag gelegt haben, zu sagen, wir unterstützen das Amt nicht ausreichend. Wie gesagt, die Garantie steht im Koalitionsvertrag. Wir garantieren es auch. Ich persönlich bin nach wie vor für die Beibehaltung des Trennungsgebots und deswegen – im Gegensatz zu meinem linken Koalitionspartner – für die Beibehaltung des Amts für Verfassungsschutz. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, bei einer Abschaffung des Amts für Verfassungsschutz die nachrichtendienstliche Vorfeldermittlung, gerade im Bereich des politischen Extremismus, der Polizei zu übertragen, zumal es dort dann keine parlamentarische Kontrolle mehr geben würde und das, denke ich, ist sehr wichtig. Nach wie vor sollte es für uns alle auch ein entscheidendes Momentum sein

(Beifall SPD)

zu überlegen, ob diese selbstständige Konstruktion des Amts für Verfassungsschutz nicht doch die sinnvollere Lösung ist. Für mich ist sie das nach wie vor. Das ist ganz sachlich – und deswegen jetzt hier ohne Schaum vorm Mund und für Sie ganz uninteressant, denn es ist eine sachliche Auseinandersetzung – meine Entgegnung auf den Kaffee, den Sie hier heute noch einmal aufwärmen wollten. Natürlich muss das Amt für Verfassungsschutz, solange es da ist, auch ordentlich arbeiten können und dafür versuchen wir selbstverständlich die Voraussetzungen herzustellen. Da unterstützen wir auch den Präsidenten Kramer, den ich hier auch noch einmal gegen die Anwürfe von ganz rechts in Schutz nehmen möchte. Er macht seine Arbeit ordentlich.

(Beifall SPD)

Und Herr Möller, weil Sie jetzt noch einmal gesagt haben, er würde die fachlichen Voraussetzungen nicht erfüllen,

(Beifall CDU)

Ihnen als Jurist sind die Voraussetzungen und die Unterschiede einer Soll- und einer Muss-Vorschrift – also, ob jemand, der ein Amt besetzt, Volljurist sein muss oder nur soll – bestens bekannt; auch das brauche ich nicht weiter zu vertiefen. Vielleicht haben Sie in der nächsten Aktuellen Stunde was Aktuelleres. Wir werden trotz unserer Meinungsunterschiede weiterhin das Amt für Verfassungsschutz in seiner Arbeit unterstützen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht Abgeordneter Adams, Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag! Die AfD ist ein Prüffall des Verfassungsschutzes, alle wissen das, Sie ärgert das. Im Übrigen ist es auch folgerichtig, weil Björn Höcke die Greueltaten der Schoah relativiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Und wer behauptet, 100 Prozent gewaltfrei zu sein und wie Frau Muhsal und Herr Brandner in der politischen Auseinandersetzung nicht nur einmal Bilder mit Waffen postet, dem darf man durchaus nicht trauen und da muss man genau hinschauen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und glauben Sie mir, der Thüringer Verfassungsschutz und der Verfassungsschutz insgesamt, kümmern sich um wesentliche und wesentlich wichtigere Dinge als nur um die AfD.

(Beifall SPD)

Und es ist wieder einmal unglaublich bezeichnend, Herr Möller, dass Sie die Debatte selbst referenziell nur auf sich beziehen. Die AfD lebt wirklich in der Traumwelt, dass die Welt sich um sie drehen würde. Wachen Sie auf, kann man nur hoffen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde der CDU, das haben schon viele gesagt, ist eine tradierte Form der politischen Auseinandersetzung hier im Thüringer Landtag. Wir haben das schon oft gehabt. Ich erinnere daran, wie viele Jahre – das weiß ich gar nicht genau – die CDU verhindert hat, dass Die Linke mit in der Parlamentarischen Kontrollkommission sitzen und dort ihre parlamentarische Aufgabe wahrnehmen kann. Die Vorwürfe waren immer die gleichen. Neu scheint zu sein, dass Sie glauben, die Koalition damit auseinanderbringen zu können. Damit fehlen Sie aber, und das wissen Sie auch, Herr Walk.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ich habe die SPD gelobt!)

Sie werfen – und da werde ich langsam aber auch sauer – dieser Koalition vor, dass die Sicherheit hier in schlechten Händen sei. Sie werfen uns vor,

(Abg. Marx)

dass wir nicht genug für die Sicherheit tun würden. Das ist ja der Grundvorwurf, den Sie hoffen, über die Medien transportieren zu können. Da bin ich sehr sauer und sage eine Sache sehr deutlich: Dieser Vorwurf ist ein Witz angesichts dessen, was diese Koalition mit beiden dafür zuständigen Ministern im Bereich der Polizei, im Bereich der Staatsanwaltschaften und im Bereich der Gerichte geleistet hat und vorzeigen kann. Das kann man nachlesen, das ist da. Die Menschen sind eingestellt und es ist mehr Arbeit unter dieser rot-rot-grünen Koalition geleistet worden. Deshalb löst sich Ihr Vorwurf, der hinter diesem ganzen tradierten Schlagabtausch stehen soll, in nichts auf. Die Sicherheit ist bei Rot-Rot-Grün in guten Händen. Das wissen alle, meine sehr verehrten Damen und Herren.