Protokoll der Sitzung vom 27.02.2019

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Nein? Wieso nicht?)

Im Übrigen, sehr geehrte Damen und Herren, Ausgangspunkt für die von mir zitierten Aussagen war die wiederholt, also nicht zum ersten Mal artikulierte Forderung des Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes nach mehr Personal insbesondere im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Minister Maier hat sich dieser Forderung in anderer Form

(Ministerin Siegesmund)

dann auch angeschlossen. Ich finde es aber außergewöhnlich und bemerkenswert, dass der Präsident zugleich der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass seine Forderung nach mehr Personal offenbar nur mit einer neuen Regierung nach der Landtagswahl umzusetzen sei. Das ist in der Tat sehr erstaunlich. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Ich will aber noch mal, sehr geehrte Damen und Herren, auf Kollegen Hey eingehen – er telefoniert gerade – und will bemerken, dass ich mich darüber gefreut habe, dass Sie sich als Parteivorsitzender auch klar hinter den Verfassungsschutz gestellt haben

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Fraktionsvorsitzender!)

und vehement für den Fortbestand der Behörde eingetreten sind. Und die Kollegin, die gleich dahinter sitzt, die innenpolitische Sprecherin Frau Dorothea Marx, hat es noch drastischer formuliert und hat gesagt, wir stehen klar hinter dem Verfassungsschutz – das hat sie wörtlich gesagt –

(Beifall CDU)

und zudem müsse, auch das wieder wörtlich, ein Ausbluten

(Beifall CDU)

der Behörde verhindert werden. Deutlicher kann man es nicht sagen.

Fakt ist, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Amt braucht mehr Personal. Fakt ist auch, die Arbeitsfähigkeit des Amts ist auch nach meiner Einschätzung nicht mehr uneingeschränkt gewährleistet. Ich erlaube mir insoweit, auf den Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission vom 23. Juni letzten Jahres hinzuweisen. Bereits dort wurde die Sorge geäußert, ob der Thüringer Verfassungsschutz seine verfassungsrechtlichen Aufgaben noch wahrnehmen kann.

Übrigens kann uns ein Blick in das von Rot-Rot geführte Brandenburg helfen. Dort wird aktuell der Verfassungsschutz vom SPD-geführten Innenministerium, Herr Minister Maier, gleich um 27 Stellen, also um ein Drittel, verstärkt. Die Personalstärke ist ähnlich wie bei uns, daran können wir uns ein Beispiel nehmen. Ich will auch sagen, warum das für Thüringen wichtig ist.

Ich habe mir hier zehn Gründe notiert, die ich benennen will: islamistischer Terrorismus mit circa 200 Islamisten hier bei uns im kleinen Thüringen. Was machen wir eigentlich mit den IS-Rückkehrern – die Medien haben es ja heute aufgegriffen –, die dann irgendwann nach Thüringen zurückkehren?

Wir haben Gefährder im niedrigen zweistelligen Bereich, wir haben Rechts- und Linksextremismus auf hohem Niveau, Ausländerextremismus und terroristische Straftaten sind auf einem Rekordniveau. Wir sind trauriger Spitzenreiter im Bund bei der Reichsbürgerbewegung, wir sind trauriger Spitzenreiter bei den Rechtsrockkonzerten, wir haben das Problem der Spionage, wir haben das Problem der Cyberangriffe und auf V-Leute verzichten wir auch. Deswegen ist es doch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, völlig absurd, in dieser Situation bei der aktuellen Bedrohungslage auf den Verfassungsschutz verzichten zu wollen.

Ich fasse zusammen: Meine Fraktion steht für einen starken, für einen wirksamen Verfassungsschutz. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den dortigen Mitarbeitern

(Beifall CDU)

und ich rufe der Koalition von Rot-Rot-Grün den letzten Satz zu: Stellen Sie sich an die Seite von Kollegin Marx, an die Seite von Kollegen Hey, stärken Sie den Verfassungsschutz, fallen Sie dem Verfassungsschutz nicht in den Rücken und – vor allen Dingen – lassen Sie Ihren Minister nicht im Regen stehen! Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als Nächster spricht für die Fraktion Die Linke Abgeordneter Dittes.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Walk, heute früh meldete der MDR: Die CDU setzt die Koalition heute mit einer Aktuellen Stunde unter Druck.

(Beifall CDU)

Ich habe mich schon heute früh gefragt, was Sie damit meinen, und im Prinzip bin ich nach Ihrer Rede nicht wirklich schlauer geworden. Sie verkaufen hier angeblich eine neue Erkenntnis, dass Die Linke den Verfassungsschutz überwinden, abschaffen möchte. Jetzt will ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten: Da kommen Sie 28 Jahre zu spät. Bereits 1990 hat die damalige PDS in ihrem Bundestagswahlprogramm genau diese Forderung formuliert

(Beifall DIE LINKE)

und wenn Sie auf 2016 verweisen, dann will ich Sie auch an das Jahr 2012 erinnern,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Vielleicht hätten Sie es mal lesen sollen!)

(Abg. Walk)

als die linke Fraktion hier in diesen Landtag einen Gesetzentwurf zur Beratung eingebracht hat, mit dem das Landesamt für Verfassungsschutz als Geheimdienst abgeschafft wird, was im Übrigen auch durch Professor Baldus, SPD-Mitglied und Verfassungsrichter in Thüringen, in einem öffentlichen Beitrag als verfassungsrechtlich zulässig charakterisiert worden ist. Insofern verkaufen Sie nun wirklich nichts Neues, aber vielleicht waren Sie der Meinung, dass Sie mit dieser Aktuellen Stunde die SPD unter Druck setzen würden, und das haben Sie ja auch versucht, indem Sie auf die Kollegin Marx verwiesen haben.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Weil das ver- nünftig ist!)

Ich kann Ihnen sagen, auch da kommen Sie zu spät, denn 2014 haben wir uns – Frau Marx lächelt schon – auch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen schon intensiv mit genau dieser Position auseinandergesetzt und im Koalitionsvertrag verankert – und da will ich zitieren –: „Die Koalition verständigt sich – im Bewusstsein der unterschiedlichen Positionen hinsichtlich der Notwendigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz […] –, das Landesamt weiter grundlegend zu reformieren und dessen Tätigkeit klar an den Grundrechten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten.“ Genau das machen wir auch in dieser Koalition.

Wir sind als Linke vertragstreu, wir setzen den Koalitionsvertrag um, aber das heißt doch nicht, dass wir unsere grundlegende Position, die dahinter steht, aufgeben, während Sie die ganze Zeit hier ein politisches Bohei organisieren und sogar erklären, dass eine Behörde mit 100 Bediensteten nicht arbeitsfähig sei. Heute haben Sie sich sogar hinreißen lassen, sich in der Zeitung zitieren zu lassen, dass Die Linke schon die Abschaffung betreibt. Das ist leider nicht der Fall, das will ich zugeben, aber wir diskutieren natürlich weiter und da möchte ich Sie einladen: Das Thüringer Innenministerium veranstaltet am 6. Mai ein Symposium, wo genau die Fragen der Notwendigkeit, Grenzen und Gefahren des Verfassungsschutzes diskutiert werden, und ich lade Sie auch ein, sich mit Argumenten in diese Debatte einzubringen. Das haben Sie hier auch in dieser Aktuellen Stunde nicht gemacht.

Das ist auch kein geeignetes Mittel, in 5 Minuten hier einen wirklich argumentativen Austausch zu führen, aber darum geht es Ihnen auch gar nicht, sondern Ihnen geht es um eine politische Skandalisierung. Und wenn Sie immer auf das Personal verweisen, dann will ich Ihr Augenmerk mal in das Bundesland Ihrer CDU-Parteivorsitzenden lenken:

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Wir sind in Thüringen!)

Während ihrer Ministerpräsidentschaft zwischen 2014 und 2018 wurden dort die Stellen des Landesamts für Verfassungsschutz um 10 Prozent reduziert. Ich möchte mich sehr gern an Ihr Aufschreien erinnern, ich kann das nicht vernehmen.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Dann stocken wir es gemeinsam auf!)

Aber da Sie mich aus dem MDR-Interview zitieren, wo es im Übrigen nicht um das Amt für Verfassungsschutz in Thüringen ging, sondern um die Institution des Geheimdiensts als Verfassungsschutz an sich, will ich Sie zumindest einladen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Ich habe einen, wie ich finde, relativ ausführlichen Aufsatz geschrieben, der auf meiner Internetseite veröffentlicht ist. Lesen Sie den, schreiben Sie eine Erwiderung dazu und dann treten wir tatsächlich in den argumentativen Austausch über die Rolle und die Bedeutung des Verfassungsschutzes.

Ich will zum Abschluss noch etwas anderes sagen, weil eben genau diese Diskussion in 5 Minuten nicht zu führen ist. Herr Walk und auch Herr Mohring – der ist gerade rausgegangen –, Ihnen scheint hier die Bekämpfung der Verfassungsfeinde besonders am Herzen zu liegen. Für das Bundesamt für Verfassungsschutz, eben auch eine der Behörden, die Sie unbedingt stärken wollen, gilt dabei – ich zitiere –: „Neben der Fremdenfeindlichkeit bilden auch der […] Antisemitismus sowie der Geschichtsrevisionismus unverzichtbare Ideologieelemente für die überwiegende Mehrheit der deutschen Rechtsextremisten. Diese Ausrichtung geht nach wie vor oft mit einer Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus oder dessen Repräsentanten einher.“ Gemessen daran, Herr Walk, wäre es für den Verfassungsschutz – im wirklichen Wortsinne verstanden – zwingend notwendig gewesen, dass sich ein CDU-Landesvorsitzender öffentlich positioniert, wenn sich ein politischer Verantwortungsträger Ihrer Partei offenkundig in die Reihen derer stellt, die die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und die Verbrechen des Nationalsozialismus vergessen lassen wollen, und praktisch alles verschweigt und damit relativiert, was den Alliierten-Bombenangriffen vorausging und letztlich Ursache für diese war.

(Zwischenruf Abg. Floßmann, CDU: Das hat er gar nicht gesagt!)

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ich habe mich klar dazu geäußert!)

Da habe ich Ihr Engagement, da habe ich Ihren Einsatz für die Demokratie, für die demokratische Gesellschaft vermisst.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das wäre tatsächlich ein stärkerer Beitrag zur politischen Glaubwürdigkeit gewesen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Als Nächster spricht Abgeordneter Möller von der AfD-Fraktion.

(Unruhe CDU)

Ich bitte doch um Ruhe und keine Zwiegespräche, sondern Konzentration auf den Redner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, ich will jetzt diesen Privatstreit zwischen Linke und CDU nicht weiterführen, wer wie wo zum Verfassungsschutz steht und wie man das behandeln muss. Ganz kurz zur Klarstellung: Natürlich müssen aus Sicht der AfD Bestrebungen, die die Verfassungsordnung angreifen, bekämpft werden. Soweit das Amt für Verfassungsschutz diesem Zweck dient, hat es seine Berechtigung und auch die Unterstützung der AfD.

(Beifall AfD)

Aber, in Thüringen wird der Verfassungsschutz genau diesen Anforderungen nicht gerecht, denn er wird von der Landesregierung missbraucht, um politische Konkurrenz zu bekämpfen und unbequeme Meinungen mundtot zu machen. Wer in Thüringen seit vier Jahren den Mut aufbringt, Kritik an Kernelementen Ihrer Politik öffentlich zu äußern, wer gewaltfrei einen Gegenentwurf zu Multikulti wagt, der muss in Thüringen nicht einmal dreißig Jahre nach der Wende wieder mit der Verfolgung durch den Inlandsgeheimdienst rechnen und in der Folge mit dem Verlust seines Jobs und der sozialen Ächtung.

(Beifall AfD)

Das, meine Damen und Herren, ist eine Schande und es ist Ihre Schande.