Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

Von vorrangiger Bedeutung in dem von der CDUgeführten Bundesregierung auf den Weg gebrachten Gute-KiTa-Gesetz sind vier Handlungsfelder: ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel, bedarfsgerechte Angebote, Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte sowie die Stärkung der Kindergartenleitung. Die Länder können frei entscheiden, für welche der insgesamt zehn Handlungsfelder die Bundesmittel eingesetzt werden. Soweit keine der vier vorgebrachten Handlungsfelder umgesetzt werden, müssen die Länder allerdings mit dem Bund diese Sachen besonders begründen. Dass daher als kosmetische Maßnahme eine Änderung des Betreuungs- als auch Personalschlüssels durch das Gesetz zur Änderung der Thüringer Kindertagesbetreuung stattfindet, verwundert insoweit nicht. Die Maßnahmen bleiben weiter hinter dem zurück, was eigentlich in Thüringen erforderlich wäre.

Laut einer Bertelsmann-Studie müssen in Thüringen insgesamt 8.000 zusätzliche Erzieherinnen eingestellt werden, um den empfohlenen Betreuungsschlüssel zu erreichen. Die Praxis in den Thüringer Kindergärten ist derzeit, das 16 Drei- bis Vierjährige durch eine Erzieherin betreut werden. Es fehlt schlichtweg am Personal. § 16 Abs. 2 Nr. 4 des Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetzes erachtet indes die notwendige Anzahl geeigneter pädagogi

scher Fachkräfte als gewährleistet, wenn eine pädagogische Fachkraft zeitgleich regelmäßig nicht mehr als zwölf Kinder im Alter zwischen dem vollendeten 3. und vor Vollendung des 4. Lebensjahres betreut. Nun soll aber in dem neuen Gesetz durch § 16 Abs. 2 Nr. 5 für 14 Kinder zwischen dem vollendeten 4. und vor Vollendung des 5. Lebensjahres eine pädagogische Fachkraft zur Verfügung stehen. Nach der derzeitigen Rechtslage sind das 16 Kinder pro pädagogische Fachkraft, also Erzieherin. Woher wollen Sie für diese neuen Vorhaben das erforderliche Personal nehmen? Vorgaben, die von vornherein nicht einzuhalten sind, sind bloße Makulatur und die braucht es nicht. Bevor nicht einzuhaltende Zahlen qua Gesetz festgelegt werden, sollten Sie flächendeckend über Maßnahmen, um den Erzieherberuf attraktiver zu machen, nachdenken.

(Beifall CDU)

Als CDU-Fraktion haben wir im Februar vergangenen Jahres einen Antrag zur Erzieherausbildung eingebracht. Mit diesem sollte die Landesregierung aufgefordert werden, zu der aktuellen Personalsituation in den Thüringer Tätigkeitsbereichen von Erzieherinnen und Erziehern in Thüringen sowie zu Ausbildungsplatzkapazitäten und Ausbildungsmodalitäten zu berichten sowie eine Expertenkommission zur Umstrukturierung der Erzieherausbildung in Thüringen einzurichten. Diesen Antrag haben Sie, verehrte Damen und Herren Abgeordnete von Rot-Rot-Grün, leider abgelehnt. Unbeirrt hiervon haben wir uns im Dezember 2018 für eine Reform der Erzieherausbildung ausgesprochen. Wir wollen unter anderem die Erzieherausbildung durch die Möglichkeit einer dualen Ausbildung ergänzen, um den Beruf gerade für junge Menschen attraktiver zu machen. Eine insgesamt fünfjährige Ausbildung, bei der in vielen Fällen auch noch Schulgeld gezahlt werden muss, ist unserer Ansicht nach nicht mehr zeitgemäß. In der Plenarsitzung am 26. September 2018 hat selbst die geschätzte Kollegin Frau Astrid Rothe-Beinlich erklärt, die Erzieherausbildung in Thüringen muss attraktiver werden.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deswegen ist sie Teil un- seres Gesetzes!)

Mit Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Erzieherausbildung gehen Sie, werte Damen und Herren von Rot-Rot-Grün, nur stiefmütterlich um.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir machen den Einstieg in die praxisintegrierte Ausbildung!)

Nichts anderes lässt sich als Schluss ziehen, dass Sie diese Mittel aus dem Gute-KiTa-Gesetz nur für Modellprojekte im Grunde genommen auf den Weg

bringen wollen, um diese praxisintegrierte Erzieherausbildung in den Fokus zu nehmen. Modellprojekte sind ein bloßer Tropfen auf den heißen Stein. Am Ende ist Ihnen egal, ob und wie sich die Betreuungs- und Personalschlüssel umsetzen lassen. Sie werden im Falle der Nichtumsetzung wie gewohnt mit dem Finger auf die Träger der Kindergärten im Freistaat zeigen.

(Beifall CDU)

Wie üblich ist zu erwarten, dass auch in Zukunft den Bürgermeistern und Kommunen der Schwarze Peter zugeschoben wird.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So ist das nämlich!)

Ein weiteres beitragsfreies Kindergartenjahr trägt nicht zur Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte bei. Eine Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung wird nicht erreicht. Es braucht dieses weitere beitragsfreie Kindergartenjahr schlichtweg nicht. Wer über wenig Einkommen verfügt, bezahlt in aller Regel auch jetzt schon geringe Beiträge oder ist von der Beitragszahlung befreit.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Haben Sie sich das auch selbst durchgelesen?)

Am Ende ist den Eltern, insbesondere auch den Kindern im Freistaat nicht geholfen, wenn der Kindergarten zwar kostenfrei, dafür aber marode und personell schlecht ausgestattet ist.

(Beifall CDU)

Ich rate Ihnen, werte Damen und Herren von RotRot-Grün, mit Eltern, Erziehern und Trägern der Kindergärten ins Gespräch zu kommen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind im Gespräch!)

In diesem Falle würden Sie erkennen, dass es wesentlich dringlichere Probleme gibt – ich sage es hier noch einmal, die mehrfach angesprochene Gewinnung von qualifizierten Fachkräften ist wesentlich wichtiger – als das von Ihnen avisierte Wahlgeschenk der Beitragsfreiheit. Ich erspare mir an dieser Stelle auch noch auf die bauliche Situation vieler Kindergärten im Freistaat einzugehen. Bedenken sollten Sie zudem, dass ein beitragsfreies Kindergartenjahr auch vollständig gegenüber den Kommunen ausfinanziert sein muss.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl, das ist es nämlich!)

Dies werden wir im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport sicher noch umfänglich diskutieren müssen. Insbesondere gilt es, in der Anhörung zum Ge

setzentwurf die Interessen der Betroffenen wahrzunehmen und vor allen Dingen von Rot-Rot-Grün auch ernst zu nehmen. Auch auf die handwerklichen Fehler der letzten Änderungen zum Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetz einzugehen, erspare ich mir hiermit. Es spricht ja schon für sich, dass der Entwurf des sogenannten Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens in Artikel 4 Nachbesserungen und redaktionelle Änderungen des Kindertagesbetreuungsgesetzes enthält.

Als CDU-Fraktion können wir uns bessere Maßnahmen vorstellen, um die mit den Bundesmitteln bezweckte Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung zu erreichen. Dazu zählt etwa eine kostenlose Vollverpflegung in den Thüringer Kindergärten. Damit Kinder, nicht wie schon oft gesehen und auch berichtet, vor einer leeren Brotdose sitzen oder täglich nur Toastbrot essen müssen. Wenn die Kinder im Freistaat und nicht ein Wahlgeschenk Ihr Anliegen wäre, würden Sie uns mit in die Diskussion einbeziehen und über die Sinnhaftigkeit eines weiteren beitragsfreien Kinderjahres diskutieren.

(Beifall CDU)

Soweit die Kinder im Freistaat Ihnen wichtig wären, würden Sie mit uns über die Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte diskutieren und entsprechende Maßnahmen flächendeckend in die Wege leiten. Am Ende geht es Ihnen nur um den Machterhalt auf dem Rücken unserer Kinder im Freistaat.

(Beifall CDU)

Anschließend möchte ich noch einmal auf die Bertelsmann-Studie zu sprechen kommen. 67 Prozent der befragten Thüringer Eltern wären bereit, einen höheren Beitrag zu zahlen, wenn dafür die Qualität in den Kindergärten verbessert wird.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hört, hört – zwei Drittel!)

Dies sollte Ihnen zu denken geben. Wir werden im Bildungsausschuss weiter auf diese Dinge eingehen und wir werden mit Ihnen darum streiten.

Werte Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende noch Folgendes feststellen: Es ist ein Irrweg, den Sie mit diesem Gesetzentwurf gehen. Gutes zu tun, ist in der Regel nicht vorwerfbar, es ist sogar löblich, nur Gutes zu tun, um die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat zu blenden und wichtigere, für Familien und Gesellschaft nachhaltige Investitionen zu unterlassen, bedeutet, dass Sie als Koalitionsfraktionen nicht verantwortungsvoll und nachhaltig sind. Die von der Bertelsmann Stiftung definierten personellen Defizite in den Betreuungsrelationen in

den Thüringer Kindergärten habe ich benannt. Hinzu kommt, dass Tausende Kinder in Thüringen im Hinblick auf ihre Verpflegung in den Kindergärten nicht hinreichend versorgt werden, das gilt übrigens auch in den Grundschulen. Die Bausubstanz vieler Kindergärten aber auch Grundschulen ist desaströs. Ich verweise nur auf die Wilhelm-BuschGrundschule, hier Luftlinie, wo jetzt vor Kurzem die Sporthalle geschlossen werden musste wegen der Baumängel und der Sportunterricht draußen stattfinden soll als Maßnahme der Schulverwaltung. Diese Dinge müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das Gute-KiTa-Gesetz, das CDU und SPD in der Bundesregierung gemeinsam auf den Weg gebracht haben, soll die Qualität der Betreuung in den Kindergärten wesentlich verbessern. Nur am Rande kann das Gesetz dazu dienen, die ohnehin schon gestaffelten Beitragsbelastungen der Eltern hinsichtlich sozialer Leistungsfähigkeit noch zu verbessern. Die Vorgehensweise der Landesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen – ein weiteres beitragsfreies Kinderjahr einzuführen –, geht an den Intentionen der Bundesregierung und der zuständigen Ministerin vorbei.

(Beifall CDU)

Diese Fehlleitung der mit dem Gute-KiTa-Gesetz dem Land zur Verfügung gestellten Bundesmittel mag gerade noch rechtlich zulässig sein, doch fachlich-pädagogisch und sozialpolitisch ist es definitiv der falsche Weg.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Es ist hervorragend!)

Den Intentionen des Gute-KiTa-Gesetzes nicht zu folgen, die Qualität in den Thüringer Kindergärten nachhaltig zu verbessern und dann stattdessen die nun einmalig zur Verfügung stehenden Bundesmittel über das Land zu verstreuen, ist ein schwerer politischer Fehler.

(Beifall CDU)

Sie tun es, um ihre Ausgangsposition bei den anstehenden Wahlen zu verbessern. Sie tun es wider besseres Wissen, Sie handeln populistisch. Wobei mit Nachdruck festzustellen ist, dass linker Populismus auch Populismus ist. Er unterscheidet sich vom Populismus der anderen politischen Lager in keiner Weise. Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, an den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Innenausschuss. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Wolf, Fraktion Die Linke, das Wort. Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass nach dem Tagesordnungspunkt der Tagesordnungspunkt 2 aufgerufen wird.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, sehr geehrte Schülerinnen und Schüler – nehme ich mal an – hier auf der Tribüne, vor allen Dingen, sehr geehrte Frau Grosse-Röthig, sehr geehrter Herr Michael Richter von der Landeselternvertretung, die heute auch hier im Haus sind! Ich freue mich sehr, dass Sie uns hier zum Tagesordnungspunkt zuhören.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie waren auch vorhin schon da und werden sich vielleicht fragen: Ist das heute das Plenum der alternativen Fakten durch die CDU?

(Beifall DIE LINKE)

Was wir vorhin gehört haben und auch das jetzt wieder hat beispielgebenden Charakter dafür, wie in einem Wahljahr Fakten aus Anträgen und Gesetzesinitiativen verbogen werden, sodass sie in ein CDU-Weltbild passen, aber ganz sicher nicht in die Realität von Tausenden Thüringerinnen und Thüringern, die davon betroffen sind und für die wir als rot-rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen Politik machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Friedrich Fröbel – unser Kindergartenvater hier aus Thüringen – sagte einmal,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Dann sagen Sie nicht immer „Kita“, sondern „Kindergar- ten“!)

bei der Erziehung muss man etwas aus dem Menschen herausbringen, nicht in ihn hinein. Wir als Regierungsfraktion mit unserer Landesregierung...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist auch unsere Landesregierung, nicht nur eure!)

Das stellen wir einmal fest, Kollege, dass das auch Ihre Landesregierung ist. Sehr gut.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)