Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das stimmt nicht, Herr Thamm, Sie haben sogar Ihre Hand bei der Abstimmung gehoben!)

Anders kann ich die von Rot-Rot-Grün am 21. März veranlasste Prüfbitte gegenüber den Spitzenverbänden jedenfalls nicht einstufen, zumal die eingeräumte Frist nicht einmal eine Woche betrug und

überdies die Koalition die Beschlussempfehlung des Ausschusses gleichwohl auf den Weg brachte.

Herr Abgeordneter Thamm, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Dittes?

Dies grenzt schon fast an Rechtsbeugung, alles nur um ein Vorhaben auf Biegen und Brechen so schnell wie möglich umzusetzen. Dementsprechend kritisch und ablehnend fiel dann auch die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände vom 26. März, diese Woche, aus. Hierzu erlaube ich mir verkürzt zwei Zitate, Frau Präsidentin: Der Gemeinde- und Städtebund und der Thüringische Landkreistag erachten die vom Innen- und Kommunalausschuss – also von Rot-Rot-Grün – gesetzte Anhörungsfrist von weniger als vier Tagen als unangemessen kurz. – Und ein weiteres und abschließendes Zitat: Die kommunalen Spitzenverbände bitten Sie um Mitteilung, wie eine ordnungsgemäße und vor allem rechtmäßige Anhörung in diesem Gesetzgebungsverfahren gewährleistet werden kann. – Die Ausführungen machen mehr als deutlich, dass das parlamentarische Verfahren durch die Koalition hier ohne Not und völlig unnötig beschleunigt wird und zugleich elementare parlamentarische Abläufe negiert werden. Ungeachtet der mit dem Gesetzentwurf eigentlich beabsichtigten Intention, nämlich der Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse, sehen wir hier die Gefahr, dass das Gesetz bereits aus formalen Gründen zum Scheitern verurteilt ist, sollte das parlamentarische Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Das bedeutet nach unserer Auffassung zwingend, das Gesetz noch einmal an den Innenausschuss zu überweisen und eine fristgemäße Anhörung zu beschließen. Dass hierdurch der von Rot-Rot-Grün gewünschte Termin des Inkrafttretens nach hinten rückt, kann und darf nicht das Kriterium für eine heutige Entscheidung sein. Insoweit empfehle ich dringend die Lektüre der Stellungnahme der Spitzenverbände.

Ich möchte aber an dieser Stelle noch einmal betonen: Wir als CDU-Fraktion sind nicht von Grund auf gegen den Gesetzentwurf. Wir begrüßen vielmehr die Diskussion zur Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen. Auch stehen wir der Tendenz, möglichst wenig Menschen von der Möglichkeit zu wählen auszuschließen, positiv gegenüber, denn Demokratie lebt von der Mitgestaltung und der Beteiligung möglichst aller Glieder der Gesellschaft. Wir kritisie

ren aber die Vorverlegung des Inkrafttretens des Gesetzes und die Vorgehensweise, die unnötigerweise an den Tag gelegt wurde, um diesen Termin um jeden Preis zu halten. Es wird Sie daher nicht verwundern, dass meine Fraktion den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 22.03. ablehnen wird. Wir beantragen die Rücküberweisung an den Innenausschuss. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordnete Marx das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir scheinen ja in der letzten Zeit irgendwie in verschiedenen Sitzungen gesessen zu haben. Noch mal: Worum geht es? Wir wollen den Wahlrechtsausschluss für Behinderte beseitigen, der bisher an den Tatbestand der Vollbetreuung anknüpft. Wenn für jemanden eine gesetzliche Vollbetreuung bestellt ist, war er bisher vom Wahlrecht ausgeschlossen. Das ist ein formales Kriterium, das – wie es auch bei der Einbringung schon gesagt wurde, aber ich möchte es trotzdem hier auch noch einmal kurz wiederholen, um auch zu zeigen, wie wichtig es ist, dass wir das heute entscheiden – ungerecht und auch unsachgemäß war. Denn wir haben viele Behinderte, die, weil sie familiär oder vollstationär betreut werden, gar nicht unbedingt eine formelle Vollbetreuung haben und wir haben auch Vollbetreuung in Bereichen, wo reine körperliche Behinderungen vorliegen, aber die Betroffenen sehr wohl geistig sehr gut in der Lage sind, politische Dinge einzuschätzen und auch selbst eine Wahlentscheidung zu treffen. So war es auch ein langer Wunsch vieler Behindertenverbände, der Betroffenen selber, aber eben auch ein Gebot der Menschlichkeit, der Humanität und der demokratischen Grundrechte in unserem Land, dass wir gesagt haben, wir wollen diese Menschen nicht länger mit diesem formellen Erfordernis vom Wahlrecht ausschließen. Es ist richtig, es hat jetzt im Rahmen der Anhörung bzw. im Rahmen der Letztberatung im Innenausschuss in der letzten Woche noch einmal eine Änderung gegeben, die sich darauf bezogen hat – und so weit stimmen wir jetzt noch überein –, dass es im Januar dieses Jahres eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben hat. Es hatte jemand gegen die entsprechenden Regelungen auf Bundesebene geklagt und das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt – wie auch wir hier inhaltlich alle schon gesagt ha

ben –, dass ein solcher Wahlrechtsausschluss verfassungswidrig ist. Und jetzt wird es wichtig, dann hat das Bundesverfassungsgericht aber auch gesagt, wegen des fundamental wichtigen Wahlrechts, weil es eines der wichtigsten Rechte in unserem Land ist, dass sich jeder Bürger an freien Wahlen beteiligen können muss, um seine Willensbildung kundzutun, um eine Regierung zu bilden und die Staatsmacht zu legitimieren, deswegen gibt es keine Übergangsfrist. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon oft gemacht, wenn es festgestellt hat, eine Regelung ist verfassungswidrig, hatte es gesagt, der Gesetzgeber hat jetzt Zeit bis zum Zeitpunkt X – ein Jahr, zwei Jahre, bis Ende des Jahres –, verfassungskonforme Regelungen zu schaffen. Das hat das Gericht jetzt ausdrücklich nicht gemacht und festgelegt, dass die entsprechende Regelung ab sofort nichtig, das heißt nicht existent ist.

Deswegen haben wir hier in Thüringen die Situation, auch wenn wir formell bei der Kommunalwahl ein eigenes Wahlrecht haben, aber eine wortgleiche Formulierung – so sehen das auch die Betroffenen und auch viele Juristen –, dass wenn jetzt nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Mensch, der bisher vom Wahlrecht ausgeschlossen war, Ende Mai in unseren Wahllokalen aufschlägt, egal ob zur Kommunalwahl oder zur Europawahl, ihm oder ihr das Wahlrecht nicht verweigert werden darf. Würde man dies dennoch tun – so die Einschätzung vieler Juristen –, wäre das ein Wahlanfechtungsgrund. Deswegen – nur deswegen – haben wir uns Gedanken darüber gemacht, dass es sozusagen nicht zu rechtfertigen ist, dieses Inkrafttreten unseres Gesetzes weiter nach hinten zu verschieben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es war nicht so – da haben wir eine verschiedene Realitätswahrnehmung –, dass das Ministerium – was wir gebeten hatten, das rechtlich zu prüfen – gesagt hat, das birgt unheimliche rechtliche Risiken in sich, wenn ihr das Inkrafttreten vorverlegt. Das Ministerium hat vielmehr gesagt, es gibt bei beiden Lösungen rechtliche Risiken. Das eine juristische Risiko – habe ich hier schon gesagt –: Wenn jemand kommt und darf formell noch nicht wählen, kann er eventuell die Wahl anfechten. Das andere Risiko: Für die andere Lösung, die das Ministerium uns pflichtgemäß auch mitgeteilt hat, war die Frage, schaffen wir das noch mit der Umsetzung, wird das eventuell schwierig, die Wählerverzeichnisse, die ja schon überall erarbeitet werden, noch rechtzeitig vor der Europa- und Kommunalwahl zu ergänzen.

(Abg. Thamm)

Wir hatten dann abzuwägen und haben uns in unserem Ausschuss dazu entschieden, zu sagen, dieses Grundrecht auf freie Wahl und auf Teilnahme an der Wahl, wo das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, die Verbote sind nichtig, ab sofort, keine Übergangsfrist, ist uns so wichtig, dass wir der Verwaltung diese Arbeit aufbürden wollen, weil wir ansonsten die große Gefahr sehen, dass jemand, der wählen möchte und am Wahltag in ein Wahllokal kommt und abgewiesen wird, die Wahl anfechten könnte. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen das sofortige Inkrafttreten.

Wir haben seit zwei Tagen auch noch einen prominenten Zeugen für unser Vorgehen. Das ist der Landtag in Niedersachsen. Denn der Landtag in Niedersachsen hatte auch ein Gesetz in der parlamentarischen Beratung, das das Gleiche vorsah wie bei uns, nämlich den Ausschluss von Wahlrechts- oder die Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen. Der Landtag von Niedersachsen hat vorgestern entschieden, sein Gesetz sofort in Kraft treten zu lassen, das heißt für die Europawahl; sie haben zwar keine Kommunalwahl, aber die Wählerverzeichnisse sind ja weitgehend identisch. Das heißt, die Verwaltungen dort stehen jetzt auch vor der gleichen Herausforderung. Aber diese Herausforderung wird im Land Niedersachsen bewusst auch von der Mehrheit des Landtags so gewollt und gestemmt.

Interessant für uns hier in unserem wunderschönen Land Thüringen ist, dass dort von einer Anzahl betroffener Wählerinnen und Wähler von 10.000 ausgegangen wird. Nach unserer Kenntnis gibt es in Thüringen Betroffene – ich weiß jetzt nicht die exakte Zahl, es sind rund 730. Das Innenministerium hat, glaube ich, die präzise Zahl. Hey Leute, Kolleginnen und Kollegen, verehrte Menschen und Mitmenschen, da wird es ja wohl möglich sein für unsere Verwaltung, entsprechende Wählerverzeichnisse noch mal zu überarbeiten bzw. Ergänzungen der Wählerverzeichnisse herzustellen, damit wir das, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat – sofort müssen diese Menschen das Wahlrecht bekommen, weil es keine Rechtfertigung gibt, dass es ihnen vorenthalten wird –, gewährleisten können.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Jetzt noch mal zur zweiten Realitätswahrnehmung, die offenbar unterschiedlich ist. Am letzten Donnerstag, als wir endgültig die Beschlussempfehlung beraten haben, haben wir – für das Plenum heute hatten wir ja ohnehin eine Anhörung, zu einem anderen Thema, und die kommunalen Spitzenverbände waren dort zu Gast. Der Ausschussvorsitzende wird sicherlich selbst gleich noch mal dazu als in

nenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke Stellung nehmen. Der Kollege Dittes hat ausdrücklich die Spitzenvertreter der kommunalen Verbände gefragt, ob sie mit einer Anhörung zu diesem Gesetz bis zum Mittwoch dieser Woche einverstanden sind. Das war die Frist, die wir gemeinsam gesetzt haben. Er hat dieses Gespräch geführt. Herr Kollege Dittes hat uns das dann auch mitgeteilt, dass Beratungsergebnis war, dass die kommunalen Spitzenverbände gesagt haben: Ja, wir sind einverstanden mit dieser Frist. – Das ist ja eine relativ einfache Frage, nämlich: Sehen wir unsere Verwaltung als in der Lage an, die Wählerverzeichnisse noch entsprechend zu ergänzen oder nicht? Also da braucht man nicht vier Wochen Prüffrist. Dann ist in der Tat eine Antwort gekommen, dass man gesagt hat: Na ja, einfach wird es nicht oder wir sehen da auch Probleme.

Wir haben uns dennoch jetzt für diese Beschlussempfehlung hier entschieden, weil wir es eben als viel problematischer ansehen, ob eine Behörde vielleicht rechtzeitig das Wählerverzeichnis korrigiert hat. Vielleicht mag es die eine oder andere vielleicht wirklich nicht hinkriegen oder macht den einen oder anderen Fehler, aber ich bin davon überzeugt, dass unsere Behörden auch dem Wahlrecht sich so stark verpflichtet fühlen, dass die meisten es hinbekommen werden, das Wählerverzeichnis zu ergänzen. Und dann wird das Risiko minimiert, was das Schlimmste für uns wäre, dass nämlich am Tag der Wahlen im Mai jemand im Wahllokal steht und abgewiesen wird, weil er fälschlich nicht im Wählerverzeichnis geführt wird. Und dass er nicht mehr im Wählerverzeichnis geführt wird und nicht wählen kann, das ist nach unserer Überzeugung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeschlossen und auszuschließen. Deswegen müssen wir uns da alle gemeinsam anstrengen und deswegen bitte ich auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU noch ausdrücklich um Zustimmung auch zu dem Datum des Inkrafttretens, sofort. Was Niedersachsen kann, können wir doch schon lange. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Stange das Wort.

(Abg. Marx)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne!

Ja, Herr Thamm, wir haben den Gesetzestext geändert. Ja, wir haben die neue Bewertung nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ernst genommen und darum haben wir die Inkraftsetzung des Gesetzes nach vorn gezogen. Ich denke, das ist Bürgerpflicht gewesen,

(Beifall DIE LINKE)

auch Bürgerpflicht vor dem Hintergrund, dass am letzten Dienstag in der Zeitung zu lesen war, dass der VdK, ein großer Verband, der sich für die Menschen mit Behinderungen einsetzt, ausdrücklich gefordert hat, dass dieser Gesetzentwurf bereits zu den Kommunalwahlen 2019 gilt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Fordern können die alles – es muss rechtssicher sein!)

Und das ist einfach der Punkt, warum der Gesetzentwurf und das Inkrafttreten auch heute hier zur Diskussion stehen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, um was geht es? Ich will es einfach noch einmal sagen. Es geht um 781 Personen in Vollbetreuung und 77 Personen in gesetzlicher Unterbringung in Thüringen – so die Zahlen, die uns im Moment vorliegen – die mit der jetzt zum Abschluss stehenden Gesetzesvorlage nun endlich wieder ein Wahlrecht bekommen bzw. zurückbekommen. Zugegeben, in Bezug auf die Insgesamtanzahl der Thüringerinnen und Thüringer, die zur Wahl stehen, circa eine Millionen Bürgerinnen und Bürger, ist das eine sehr, sehr kleine Zahl und trotzdem – das habe ich bereits in der ersten Lesung zum Gesetzentwurf formuliert – rechtfertigt diese kleine Zahl nicht, weiterhin diese Bürgerinnen und Bürger von Wahlen auszuschließen. Wahlrecht ist Menschenrecht und das möchte ich immer wieder an der Stelle noch einmal – auch für Die Linke – formulieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt in Artikel 29 ausdrücklich, dass auch Wahlrechtsausschlüsse nicht mehr nötig sein dürfen. Wir haben am 26. März, also diese Woche, in Deutschland zehn Jahre Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention begangen. Diese zehn Jahre verpflichten – und das sage ich an der Stelle immer und immer wieder – das Land Thüringen, aber auch die Kommunen aktiv zum Handeln. Mit dem aktiven Handeln wird der heute zur Rede stehende Gesetz

entwurf seine volle Wirkung entfalten. Wir gehen davon aus, werte Kolleginnen und Kollegen, dass das Nachteilsausgleichsgebot zugunsten behinderter Menschen in Artikel 2 Abs. 2 der Thüringer Verfassung uns dieses Handeln wirklich aufgezwungen hat und aufzwingt. Lassen Sie uns also an der Stelle nicht weiter darüber orakeln, ob es vielleicht verfassungsrechtlich nicht konform war, so wie es Herr Thamm gesagt hat, sondern lassen Sie uns lieber handeln, dass diese verfassungsrechtliche Pflicht, dass Menschen, die bisher vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, endlich wählen dürfen! Das ist, denke ich, der Punkt, um den es heute geht.

Werte Kolleginnen und Kollegen – Frau Marx hat es bereits formuliert –, im Moment haben wir drei unterschiedliche Kategorien von Bürgerinnen und Bürgern, wenn es um das Thema „Wählen“ geht. Wir haben auf der einen Seite die Bürgerinnen und Bürger, die unter keiner gesetzlichen Betreuung stehen, aber wo die Familienangehörigen eine Vollmacht haben und sie betreuen. Diese Vollmacht hat auch dazu geführt, dass natürlich diese Bürgerinnen und Bürger zur Wahl gehen oder sie eine Briefwahl machen konnten. Wir haben auf der anderen Seite gesetzlich Betreute, die nicht in Vollbetreuung sind. Auch diese durften zu den zurückliegenden Wahlen immer ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen. Und wir haben die von mir bereits erwähnten 781 Bürgerinnen und Bürger, die unter einer gesetzlichen Vollbetreuung stehen und in den letzten Jahren immer von Wahlen ausgeschlossen waren. Nun soll mir mal jemand erklären, warum genau diese Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen werden. Ich denke, es ist gut und richtig, dass sich das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Wochen dazu ganz stark artikuliert und diese Wahlrechtsausschlüsse wirklich per Gesetz verboten hat, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn ich sage noch mal: Wahlrecht bedeutet, die Möglichkeit der Mitbestimmung zu haben. Und diese Möglichkeit, werte Kolleginnen und Kollegen, sollte allen Menschen ab einem bestimmten Alter wirklich gegeben werden. Und ich sage auch – da sind wir unterschiedlicher Auffassung –: Das Wahlalter könnte meiner Meinung nach bei Landtagswahlen auch schon bei 16 Jahren liegen. Das ist noch nicht so, aber das ist ein Punkt,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

über den man perspektivisch auch reden muss. Wir haben jetzt das Wahlalter 16 Jahre bei Kommunalwahlen als ersten Schritt auf kommunaler Ebene,

auf Landesebene wird sich sicherlich in einer neuen Legislatur auch diesbezüglich noch etwas tun.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich will wirklich noch mal bekräftigen, dass wir diesen Abwägungsprozess – auf der einen Seite, ob es machbar ist, ob die Kommunen es hinbekommen, diese Wählerverzeichnisse zu ändern, und auf der anderen Seite, ob die Bürgerinnen und Bürger, die bisher vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, vielleicht auch ihren Weg gehen und gegen diesen Wahlrechtsausschluss gesetzlich vorgehen werden – durchgeführt und uns dafür entschieden, mit dem vorgezogenen Inkrafttretungstermin des Gesetzentwurfs eine klare Ansage zu machen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen zur Kommunalwahl Ende Mai den Weg zum Wahllokal gehen können. Wir gehen davon aus, dass wir somit auch auf der rechtlichen Seite sind.

Ich gehe auch davon aus, dass der Innenminister – und Staatssekretär Götze wird das sicher auch so ins Haus mitnehmen – alles tun wird, dass eventuell im Raum stehende Hürden geklärt werden, dass es Handreichungen für die Kommunen gibt, dass sie natürlich auch die Handreichungen so formulieren, dass den Bürgerinnen und Bürgern noch mal erklärt wird, welche Schritte sie zu gehen haben, um in die Wählerverzeichnisse aufgenommen zu werden. Ich denke schon, dass das Innenministerium und damit die Mitarbeiter im Innenministerium auch einen politischen Auftrag hier vom Landtag erhalten und dass es keine weiteren Diskussionen an der Stelle gibt.

Und ich will auch an der Stelle noch mal formulieren: Ich finde es unsäglich, wenn immer wieder davon gesprochen wurde, auch in den zurückliegenden Monaten, dass vielleicht eine bestimmte Gruppe von Menschen gar nicht in der Lage ist, ihren politischen Willen zu artikulieren. Doch, jeder kann seinen politischen Willen artikulieren

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zur Hilfe dieser Artikulation gibt es Assistenz. Die haben wir bereits in unterschiedlicher Art auf den Weg gebracht. Auf der einen Seite gibt es für Menschen, die hochgradig sehbehindert sind, oder blinde Menschen die Wahlschablonen. Es gibt die Möglichkeit der Assistenz und es gibt die Möglichkeit bei Briefwahl, dass es eine Assistenz gibt, wenn Bürgerinnen und Bürger Briefwahl durchführen. Das kann auch bei den Menschen gemacht werden, die zurzeit unter Vollbetreuung stehen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, im Namen der Fraktion Die Linke, aber auch im Namen von RotRot-Grün bitten wir um die Zustimmung zu diesem

Gesetzentwurf, damit er für diese 781 Personen plus die 77 Personen in gesetzlicher Unterbringung auch noch für die Kommunalwahlen in diesem Jahr gilt. Dafür werbe ich. Recht herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Stange, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Meißner?