Protokoll der Sitzung vom 09.05.2019

Wenn Sie dieses Ziel ernsthaft verfolgen, werden wir das auch unterstützen. Wir sehen natürlich bei diesem Gesetzentwurf auch Kritik, keine Frage. Allerdings, wenn ich Herrn Geibert so höre, dann habe ich so ein bisschen den Eindruck – Herr Geibert, die Kritikpunkte, die Sie anführen, manche sind berechtigt, manche sind doch eher an den Haaren herbeigezogen. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, Sie wollen damit für die Presse und für die Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen: Wir sind für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Und nach hinten: Eigentlich sind wir es nicht.

Eigentlich sind Sie doch gar nicht für die Straßenausbaubeiträge. Sie waren jahrzehntelang Bremser bei der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Das ist im Grunde genommen schon immer CDUPolitik gewesen und ich glaube, auch in den Reihen der Koalition gab es einige, die die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gerne weiter aufrechterhalten hätten, die aber nun – wie gesagt – durch die AfD unter Zugzwang gesetzt worden sind und insofern haben wir doch etwas Gutes erreicht.

(Beifall AfD)

Vielleicht noch mal kurz zur Gerechtigkeitsdebatte. Ich sage es mal so: Die Straßenausbaubeiträge führen dazu, dass bei uns im ländlichen Raum die Grundstücke, die ja durch die Entvölkerung schon teilweise entwertet sind, noch mal entwertet werden. Wenn Sie beispielsweise ein Haus haben, das haben Sie von der Oma geerbt, das ist 30.000 Euro wert und dann müssen Sie plötzlich Straßenausbaubeiträge von 5.000 bis 10.000 Euro zahlen, da wissen Sie, was Ihr Grundstück noch wert ist. Das kauft Ihnen auch keiner mehr ab, wenn Sie es loswerden wollen. Das ist also eine Ungerechtigkeit. Die wird durch die Aufhebung der Straßenausbaubeiträge beseitigt.

(Beifall AfD)

Im Übrigen mussten bisher die Anleger mit den Straßenausbaubeiträgen eine Leistung bezahlen, die nicht nur von ihnen, sondern von der Allgemeinheit in Anspruch genommen worden ist, denn die Zuwegung zu den Grundstücken nutzt eben nicht ausschließlich nur den Anliegern. Also auch das ist ein Gerechtigkeitsaspekt – weil die Gerechtigkeit für Herrn Geibert ja so eine große Rolle spielt. Nicht zum Schluss ist ein ganz wesentliches Argument,

was für die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen spricht, der wirklich gewaltige Aufwand für Verwaltung und Rechtsdurchsetzung. Ich glaube, es gibt nur wenige Themen in der öffentlichen Verwaltung, die derart stark zu Rechtsstreitigkeiten und zu Unfrieden und zu Rechtsfragen führen, die immer wieder aufs Neue geklärt werden müssen, wie die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Auch das ist ein Punkt, wo eine effiziente Verwaltung natürlich sagt, das können wir uns doch sparen, dafür kann man doch Steuergelder einsetzen. Und es ist natürlich auch eine Frage der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Gerade wenn Sie den ländlichen Raum stärken wollen, ist die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ein sehr wichtiger, entscheidender Beitrag dazu.

(Beifall AfD)

Das Ganze kann man natürlich versuchen, immer wieder mit Scheinargumenten zu hinterfragen. Also beispielsweise die Frage, die Sie, Herr Geibert, aufgeworfen haben, ob der Sofortzahler, der den Bescheid bekommt und sofort gezahlt hat, gegenüber dem Protestierer bestraft wird. Das kann man natürlich so sehen. Aber ich sage Ihnen mal eins: Das ist ein seit Jahrzehnten geltender Grundsatz des deutschen Verwaltungsrechts. Derjenige, der gegen einen Bescheid Widerspruch einlegt – das ist der Protestierer –, wird unter Umständen, wenn der Bescheid dann geändert wird, bessergestellt als derjenige, der sofort bezahlt hat. Das ist der deutsche Rechtsstaat, so tickt er nun mal. Ich sage es Ihnen ganz offen: Die Gerechtigkeitsaspekte, die Sie hier angeführt haben, sollten wir uns mal bei anderen Gesetzen zu Gemüte führen. Ich sage Ihnen mal eins: Im BGB – im großen, tollen BGB, jeder schätzt es – kommt das Wort „Gerechtigkeit“ in über 2.000 Paragrafen nicht einmal vor.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Haben Sie schon einmal was von Privatautonomie ge- hört?)

Warum wohl? Weil Recht, mit dem man einen Staat ordnet, oft eben leider nicht zur Einzelfallgerechtigkeit führt – das lernt jeder Jurastudent schon im ersten Semester.

Wie gesagt, auch wir haben einige Kritikpunkte. Der wesentlichste Kritikpunkt am Gesetzentwurf ist sicherlich, dass die Freistellung von Straßenausbaubeiträgen an eine Regelung geknüpft ist, die an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht knüpft. Wenn also die sachliche Beitragspflicht für ausgebaute Straßen bis zum 31.12.2018 entstanden ist, dann gilt noch die alte Rechtslage. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass dieses Gesetz faktisch fast ausschließlich für die Zukunft wirkt.

Das heißt, alle, die sich bisher angestrengt haben, die auch mit ihrem zivilen Engagement in den zahlreichen Bürgerinitiativen überhaupt ermöglicht haben, dass wir heute hier stehen und über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge sprechen, all die sind im Grunde gekniffen, denn nach diesem Gesetzesentwurf müssen sie weiter zahlen. Da sehen wir den stärksten Kritikpunkt und wir werden uns im Rahmen der Ausschussarbeit und hier im Plenarsaal dafür starkmachen, dass diese Regelung abgeändert wird, dass man also auch durchaus eine rückwirkende Aufhebung der Straßenausbaubeiträge erreicht. Denn ich behaupte mal, auch für diese Altfälle wird es keinen Rechtsfrieden geben, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Dazu ist diese Rechtslage zu umstritten und bietet zu viele Möglichkeiten, auch immer wieder Klage zu erheben. Das tut der Verwaltung nicht gut, das tut dem sozialen Frieden in den Gemeinden nicht gut. Deswegen sind wir dafür, diese Regelung zeitlich zu einem Zeitpunkt vorzuverlagern, der nicht erst am 31.12.2018 einsetzt.

(Beifall AfD)

Insofern werden wir uns auf die Ausschussarbeit freuen und natürlich auf den Rest der Debatte. Danke schön.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. Es spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Abgeordneter Adams.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag! Wir diskutieren heute bzw. bringen ein das Zehnte Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes. Egal, von wem eingebracht, egal, mit welcher Mehrheit beschlossen, behaupte ich, dass alle Vorgängergesetze – nämlich alle neun Gesetze vorher – ein Ziel hatten, nämlich Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, fairen Interessenausgleich, faire finanzielle Belastungen für alle zu schaffen. Das war immer Ziel jedes Einzelnen. Das ist auch diesmal so.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da muss ich erst einmal klopfen!)

Deshalb hoffe ich – und bin mir auch sicher, Herr Kollege Fiedler –, dass dieses Gesetz ein weiterer Schritt dafür ist,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da bin ich mir auch sicher!)

hinzukommen, den ständigen Streit in der Kommune vor Ort – und das ist dann immer die Bürgermeisterin und der Bürgermeister gegen einen großen Teil ihrer Bevölkerung, der Wohnbevölkerung in der Gemeinde, die den Konflikt austragen musste – diesen Konflikt zu beenden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Geibert, es ist die Frage, was gute Politik ist. Ist es gute Politik, aus Sorge vor dem Problem lieber nichts zu tun? Oder ist gute Politik, auch den Mut zu haben, eine Entscheidung zu treffen und einen weiteren Schritt in die Zukunft – von der wir alle noch nicht wissen, wie sie aussieht – zu gehen? Rot-Rot-Grün ist der Meinung, dass Letzteres, nämlich der mutige Schritt in die Zukunft, gute Politik ist, und die machen wir.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke – und das darf und muss man an diesem Tag auch sagen – arbeitet seit 10/15 Jahren daran, diese Beiträge abzuschaffen. Ich persönlich bin nie davon überzeugt gewesen, dass dieser ganz persönliche, besondere Vorteil für die Einzelne und den Einzelnen tatsächlich besteht. Die SPD war immer Teilnehmer der Debatte – kritisch, hinterfragend: Ja, geht das auch? Wie will man das denn machen? Aber sie hat sich immer der Debatte gestellt und ist letztlich auch mit dabei, jetzt einen Lösungsschritt zu gehen.

Herr Geibert, Sie als CDU müssen sich das annehmen, dass Sie immer auf der Bremse standen, immer von verfassungsrechtlichen Unmöglichkeiten gesprochen haben und nur der Druck von Ihrer Basis – gut, dass Herr Kellner jetzt gerade da ist, der ja vor etwas mehr als einem Jahr angefangen hat, immer wieder öffentlich zu sagen, diese Beiträge gehören abgeschafft.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das hat er gesagt, und da hat sich Herr Scherer angeschlossen. Sie sind alle durchs Land gezogen und haben gesagt, wir wollen das abschaffen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Herr Fiedler will es auch, oder?)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich habe es doch noch gar nicht erwähnt!)

Herrn Fiedler wollte ich mir bis ganz zum Schluss aufheben.

(Abg. Möller)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Und er nimmt meine Sprechzettel von 1994!)

Unser sehr geachteter Herr Kollege Fiedler von der CDU-Fraktion hat das auch gesagt.

(Beifall DIE LINKE)

Und es ist eher kein Ruhmesblatt, dass Mike Mohring und die gesamte CDU unglaublich lange gebraucht haben, um einzusehen, dass man diesen Schritt jetzt gehen muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht in diesem Gesetz darum, Bürgerinnen und Bürger endlich von der Sorge „Was passiert eigentlich mit mir, werde ich das bezahlen können, wenn die Straße vor dem Haus gemacht wird?“ zu entlasten. Das waren hohe Belastungen, die oft an diejenigen weitergegeben werden mussten, die das Haus erben. Das war dann keine Freude mehr, das weiterzugeben, sondern mit großer Sorge belastet. Es war auch immer eine große Sorge der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, wenn ich die Straße jetzt machen lasse, muss ich meine Anwohner beteiligen. Ich will mich mit denen nicht anlegen, ich will das eigentlich nicht von denen verlangen, aber ich habe keine andere Chance, ich muss es tun. Dieses Gesetz entlastet auch unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, diese oft harten und in die Mitte der Gemeinde zielenden Debatten jetzt beenden und sich das Geld gern vom Land holen zu können. Die Beiträge der Kommune – der Eigenanteil – wird nicht vom Land übernommen, den wird die Kommune auch weiterhin selbst tragen müssen. Das ist vielleicht wichtig, weil mich danach viele Bürgerinnen und Bürger gefragt haben.

Wir schaffen diese Beiträge mit dem Gesetz, wenn es so am Ende auch durch die zweite Lesung gehen wird, zum 01.01.2019 ab. Das bedeutet auch – und das muss hier deutlich gesagt werden –, Thüringerinnen und Thüringer werden für alle Maßnahmen, die vor dem 31.12.2018 beendet worden sind, noch einen Bescheid bekommen. Das ist nicht der böse Wille Ihrer Bürgermeisterin und Ihres Bürgermeisters, wenn das geschieht, sondern das ist eine logische Folge. Wir haben lange – Herr Geibert hat das auch gesagt – darüber nachgedacht, ob wir auch dieses Problem noch lösen, die Bürgerinnen und Bürger davon auch noch entlasten können. Allein, wir haben keinen rechtssicheren Weg dafür gefunden. Das muss man sich eingestehen und sagen, wenn wir es rechtssicher haben wollen – und das ist das Wichtigste bei einer solchen Regelung, dass alle im Land wissen, wie es jetzt in Zukunft läuft –, dann muss man in diesen sauren Apfel beißen. Es wird kein böser Wille dieser Landesregierung sein und es ist kein böser Wille Ihrer Bürger

meisterin und Ihres Bürgermeisters, wenn Sie in den nächsten vier Jahren noch einen Bescheid für die Maßnahmen bekommen, für die bis zum 31.12. die sachliche Beitragspflicht entstanden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist ganz sicher ein gutes Gesetz, allein schon deswegen, weil es eine intensive Debatte der Koalitionsfraktionen mit dem Gemeinde- und Städtebund und auch eine intensive Debatte mit der Oppositionsfraktion der CDU gegeben hat. Wir haben zusammen gerungen, wir haben zusammen nach Lösungen gesucht. Das, was hier heute vorliegt, ist das Beste, auf was wir uns einigen konnten, und das Beste, was wir Ihnen nach einer langen Prüfung vorschlagen können.

Ich finde, es ist vollkommen in Ordnung, wenn die CDU als Oppositionsfraktion noch mal darauf hinweist, dass sie frühere Gesetze viel schlechter fand, und damit zwei Drittel der Rede füllt. Das ist absolut in Ordnung. Aber am Tag der zweiten Lesung, Herr Geibert, wird sich auch Ihre Fraktion entscheiden müssen, welche Position sie einnimmt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mutig in die Zukunft oder zaghaft nicht handeln? Dazu rufe ich Sie auf.

Wir werden diesen Prozess begleiten, wir wollen diesen Prozess gestalten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass für dieses Gesetz das ewige Gesetz des Parlaments gilt: Kein Gesetz kommt so in den Landtag, wie es hinterher herauskommt. Wir werden sicherlich daran noch weiter arbeiten müssen. Dafür wollen wir es an unseren Ausschuss überweisen und dort die Anhörung durchführen, in der wir die Spitzenverbände, betroffene Gemeinden, Sachverständige hören werden. Dann wird auch dieses zehnte Gesetz, glaube ich, ein guter Schritt in die Zukunft Thüringens sein. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Danke schön. Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Kuschel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße auch die Verbandsvertreter vom Gemeinde- und Städtebund. Danke, dass Sie der Debatte folgen. Dann können Sie gleich die Positionen der Fraktionen in Ihre Gremien tragen. Sie werden sicher unbestritten auch bei der Anhörung eine wichtige Rolle spielen. Also herzlichen Dank.

(Abg. Adams)

Die Rechtssicherheit ist ein Kriterium, woran sich jeder Gesetzentwurf orientiert. Weil hier manche Redner darauf eingegangen sind, will ich es auch noch mal betonen: Auch Die Linke ist dafür, dass immer rechtssichere Gesetzentwürfe diesen Landtag erreichen und dann auch verabschiedet werden. Da gibt es keinen Unterschied. Einen Unterschied gibt es dort, wie man möglicherweise die Rechtssicherheit im Vorfeld einer Gesetzesverabschiedung bewertet.