Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

setzentwurf in seiner 49. Sitzung am 20. September 2018, in der 55. Sitzung am 6. Dezember 2018, in der 60. Sitzung am 2. Mai 2019, in der 61. Sitzung am 10. Mai 2019 sowie in der 62. Sitzung am 6. Juni 2019 beraten und zwei schriftliche Anhörungsverfahren zu dem Gesetzentwurf gemäß § 79 Geschäftsordnung durchgeführt. Die Stellungnahmen im Anhörungsverfahren wurden an die Mitglieder des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit, die Fraktionen, die fraktionslosen Abgeordneten und die Landesregierung verteilt. Sämtliche Beratungsunterlagen wurden auch im AIS für alle Abgeordneten bereitgestellt.

Der Gesetzentwurf wird mit folgenden Änderungen angenommen – so lautet die Beschlussempfehlung:

Artikel 1 erhält folgende Fassung:

„Nach § 4 Abs. 2 des Thüringer Krankenhausgesetzes in der Fassung vom 30. April 2003 […], das zuletzt durch Artikel 31 des Gesetzes vom 6. Juni 2018 […] geändert worden ist, wird folgender Absatz 2 a eingefügt: ‚(2 a) § 6 Abs. 1 a Satz 1 KHG findet keine Anwendung. Das für das Krankenhauswesen zuständige Ministerium entscheidet im Einzelfall nach einer Prüfung von Qualitätsindikatoren und im Vergleich zu den an Thüringer Krankenhäusern angewendeten Standards der Strukturqualität, Behandlungsmethoden und Verfahren über die Aufnahme der planungsrelevanten Qualitätsindikatoren in den Krankenhausplan. Qualitätsindikatoren, die höhere Anforderungen an die praktizierten Behandlungsmethoden, Verfahren und angewendeten Standards der Strukturqualität stellen, sind nach einer Übergangsfrist von einem Jahr für die Krankenhäuser grundsätzlich in den Krankenhausplan aufzunehmen. Dabei ist die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung nicht zu gefährden. Der Krankenhausplanungsausschuss ist in den Prozess einzubeziehen.‘“

Wir bitten um Annahme des Gesetzentwurfs. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. Zu Wort hat sich Abgeordneter Zippel von der Fraktion der CDU gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es heißt ja, was lange währt, wird endlich gut. Dieses Gesetz ist dann wohl die berühmte Ausnahme von der Regel. Denn

ich will an dieser Stelle auch mal daran erinnern, warum es so lange gedauert hat. Die rot-rot-grünen Fraktionen und die Landesregierung waren und sind – so bin ich mir ganz sicher – bei diesem Thema immer noch heillos zerstritten. Sie haben sich bei diesem Thema in einem einzigartigen Prozess über Monate

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Niemals!)

Niemals, genau, Frau Ministerin, sehr gut. Das Lächeln habe zum Glück jetzt nur ich gesehen und nicht die Fraktionen, aber ich habe es gesehen. – gegenseitig blockiert, dass Sie es letztlich nur mit einem Kraftakt der Fraktionen geschafft haben, sich gegenüber dem Ministerium durchzusetzen und diesen Antrag jetzt so ins Haus einzubringen. Aber dieser Antrag liegt ja nun endlich vor.

Die CDU-Fraktion hat grundsätzlich Sympathie für diesen Antrag in seiner jetzigen Form. Aber – und das ist unser großes Problem bei der Thematik – ein Nebeneinander von planungsrelevanten Qualitätsindikatoren des gemeinsamen Bundesausschusses und die Facharztquote sehen wir äußerst kritisch. Man muss es so ehrlich sagen: Die Facharztquote hat sich als stumpfes Schwert erwiesen. Die Facharztquote entfaltet trotz gegenteiliger Behauptungen des Ministeriums keine Lenkungswirkung und der Beweis des Gegenteils steht aus. Es gibt einfach zu viele Ausnahmeanträge, zu viele Ausnahmeanträge wurden genehmigt. Das, was uns vorher groß angekündigt wurde, dass mit der Facharztquote das Schwert geschwungen wird und Maßnahmen ergriffen werden, hat sich alles nicht bewiesen. Manche Klinik – so sieht das Ergebnis aus – ist trotz Quote unterversorgt mit Fachärzten. Auch das war schon Thema im Ausschuss. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir hier ein stumpfes Schwert haben. Ärzte kann man eben nicht aus dem Hut zaubern, Quote hin oder her. Die Facharztquote ist kein geeignetes Planungs- oder auch Steuerungsinstrument.

Wir sollten uns an dieser Stelle auch grundsätzlich mal Gedanken machen, was denn Qualität im Krankenhaus bedeutet. Ich will es mal ganz platt formulieren: Die Patienten kommen gesünder aus dem Krankenhaus raus, als sie reingegangen sind. Das ist objektiv, das ist messbar. Die Facharztquote bringt nur zusätzliche Bürokratie, aber keinen realen Nutzen für die Patienten. Aus diesem Grund haben wir auch eine zweite schriftliche Anhörung beantragt. Verzeihen Sie mir das Eigenlob an dieser Stelle, aber es war gut, dass wir sie beantragt haben. Denn das Feedback der Betroffenen hat ge

(Abg. Stange)

zeigt, dass wir mit unserer Kritik absolut richtig lagen.

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, möchte ich kurz aus einigen der Zuschriften zitieren, denn daraus wird deutlich, wie die Experten und Vertreter hier argumentiert haben. So schreibt die Landeskrankenhausgesellschaft, dass „reine Struktur- bzw. Personalvorgaben […] ungeachtet des jeweils individuellen medizinischen Leistungsportfolios der Kliniken […] kein geeignetes Qualitätskriterium sind. Die [Thüringer Verordnung über Qualitäts- und Strukturanforderungen] ist […] kein geeignetes Instrument für krankenhausplanerische Zwecke. […] Nur die Bewertung der […] Leistungen […] im Hinblick auf das Ergebnis führt langfristig zu einer sachgerechten [Beurteilung] der Struktur- und Prozessabläufe. Genau diese werden aber durch die starren Personalvorgaben der ThürQSVO konterkariert.“ Und wir wollen dabei nicht stehen bleiben, auch der Verband der Privatkliniken hat sich geäußert – Zitat: Die „Facharztquote ist […] nachteilig und unpraktikabel für eine Reihe von Fachgebieten. Eine gleichzeitige […] Vorgabe von [Struktur und] Ergebnisqualität halten wir nicht für zielführend.“ Zudem gibt es „keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Wirkungen einer Facharzt[quote] auf die Ergebnisqualität“. Ich wiederhole das noch mal: Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung zu den Wirkungen einer Facharztquote auf die Ergebnisqualität. Rot-Rot-Grün zieht allerorten durchs Land und behauptet, das wäre das Nonplusultra. Der Beweis steht aus.

(Beifall CDU)

Die Kritik kam aber eben nicht nur von den Kliniken, wie Sie mir jetzt vorhalten könnten, wenn ich hier aufhören würde zu berichten – aber nein, es geht natürlich weiter. Die Kassenärztliche Vereinigung sagt: Ein „Nebeneinander [von] […] Facharztquote und Qualitätsindikatoren […] ist […] kritisch zu bewerten. […] Noch ist nicht [ab]zuschätzen, ob sich ggf. parallele Vorgaben […] gegenseitig ausschließen.“ Hört, hört! Dass ein Nebeneinander dafür sorgen könnte, dass sie sich gegenseitig ausschließen, wird von Rot-Rot-Grün vollkommen ignoriert.

Der nächste Punkt, Verband der Leitenden Krankenhausärzte – steht auch nicht im Verdacht jetzt ausschließlich nur für die Kliniken zu argumentieren –, Zitat: „Fachabteilungsbezug [der Facharztquote] spiegelt dabei nicht die aktuell fließenden Übergänge der einzelnen Leistungsbereiche der Krankenhäuser wider. Fehlanreize und disproportionale Personalbesetzungen, unabhängig von den erbrachten Leistungen sind die Folge. […] Eine Überregulierung begleitet von unverhältnismäßig zunehmenden Nachweis- und Dokumentations

pflichten sollte dabei unbedingt vermieden werden.“ Wir sehen bei diesem Bericht besonders, dass die Ärzte, die vor Ort am Patienten sind, eine große Sorge haben, dass die Facharztquote ihnen die Flexibilität nimmt und vor allen Dingen auch moderne Entwicklungen einfach auch verhindert, indem wir zum Beispiel auch die sektorenübergreifende Versorgung hier verhindern. Fließende Übergänge der einzelnen Leistungsbereiche werden nicht berücksichtigt.

Und wir machen weiter. Der Landkreistag hat sich auch geäußert und sagt klar und deutlich: „Eine Vermengung von […] Qualitätsindikatoren erscheint wenig zielführend.“ Die Landesärztekammer sagt, sie sehen „Nachteile bei einem Nebeneinander [von] […] Ergebnisqualität und der auf Strukturqualität zielenden Facharztquote […].“ Und jetzt kommt eine der schönsten Aussagen: Die Landesärztekammer befürchtet „eine[] nicht mehr durchdringbare[] Krankenhausplanung.“ Eine nicht mehr durchdringbare Krankenhausplanung ist genau das Ergebnis, was Sie erreichen mit dem Nebeneinander von nicht übereinbringbaren Qualitätsstandards, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Landesregierung.

Genau da liegt nämlich das Problem. Sie haben einen bürokratischen Wust geschaffen und werden ihn auch weiter vertiefen, der den Patienten nichts, aber auch überhaupt nichts bringt. Und welche Konsequenzen haben die Regierungsfraktionen aus den Beiträgen der Betroffenen gezogen, aus der Masse und breiten Spanne an Experten? Keine. Keine einzige Konsequenz haben Sie daraus gezogen, frei nach dem Motto „Augen zu und durch“. Ich frage Sie ganz ehrlich: Warum machen wir überhaupt Anhörungen und fragen die Betroffenen? Wir fragen die Betroffenen, was das Problem ist. Wenn Sie das vollkommen ignorieren, was die Anzuhörenden sagen. Ich bin erst seit fast fünf Jahren hier. Aber Sie müssen mir mal sagen: Haben Sie das früher ganz genauso gehandhabt, als Sie noch nicht in der Regierung waren, oder ist das so eine neue Entwicklung, die sich dann irgendwann einspielt, dass man die Anzuhörenden und das, was die Experten einem sagen, nicht anhört – und vor allem die gesamte Spanne an Leuten, die sich dazu äußert?

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Ihr habt das auch so gemacht!)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich als Fazit: Was Sie hier geliefert haben, das ist einfach viel zu wenig.

(Beifall CDU)

Deswegen haben wir unseren Änderungsantrag gestellt. Der Änderungsantrag greift nämlich die Kritik

der Betroffenen auf und wir sagen: die Qualitätsindikatoren des G-BA anstatt starrer Personalvorgaben. Jeder Experte, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt, sagt, das modernere Planungsinstrument sind nicht starre Personalvorgaben, sondern derartige Qualitätsindikatoren. Denn wichtig ist, „was hinten rauskommt“, um mal einen Altkanzler zu zitieren, nämlich dass Patienten bestmöglich behandelt werden, und zwar so, dass man die Qualität anhand von Indikatoren schwarz auf weiß nachprüfen kann. Und da ist es egal, ob das mit fünf, sechs oder vier Dreiviertelärzten geleistet wurde. Wichtig ist, dass der Patient gesünder ist als vorher. Wie die Krankenhäuser das umsetzen, sollten wir den Häusern und vor allem den Ärztinnen und Ärzten vor Ort bitte schön noch selbst überlassen.

Und daran muss ich auch noch mal erinnern: Wir waren diejenigen, die von Anfang an die Qualitätsindikatoren des G-BA präferiert haben. Wir waren diejenigen, die gesagt haben: Lasst uns doch auf die Vorgaben des G-BA warten. Aber nein, Rot-RotGrün musste wieder einmal vorpreschen und eine Facharztquote einführen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Das ist witzig!)

Herr Dr. Hartung, Sie waren da noch nicht im Hohen Haus vertreten, Sie können sich dazu noch nicht äußern.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Doch, war ich!)

Sie haben da noch für die AOK gearbeitet. Von daher würde ich mich an der Stelle nicht so weit aus dem Fenster lehnen.

(Beifall CDU)

Aber ich gebe zu, Sie waren einer derjenigen, die jetzt das Thema mit forciert haben, denn auch da jetzt der plötzliche Sinneswandel innerhalb der rotrot-grünen Fraktionen.

Herr Abgeordneter Zippel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hartung?

Zum Schluss, bitte.

Bitte.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Ihre Redezeit ist zu Ende!)

Und nun der plötzliche Sinneswandel. Die Qualitätsindikatoren des G-BA sind da und Rot-Rot-Grün will sie auch in Thüringen umsetzen. Aber anstatt das Sinnvolle zu tun und zu sagen, wir nehmen die G-BA-Indikatoren und schaffen dafür die Facharztquote wieder ab, sollen nun beide Vorgaben parallel existieren. Zwei parallele Systeme, bei denen die Fachleute Ihnen doch alle sagen: Das passt nicht zusammen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: War- um gibt es Fachärzte?)

Ich habe es doch vorgelesen. Es war eins zu eins aus den Stellungnahmen.

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Sie haben die Hälfte vergessen!)

Ich habe es deutlich zitiert. Das Nebeneinander wird kritisch gesehen, es wird sogar abgelehnt. Und deshalb meine Bitte: Geben Sie sich doch endlich mal einen Ruck, hören Sie auf die Leute und stimmen Sie unserem Änderungsantrag als sinnvolle Ergänzung zu Ihrem Änderungsantrag zu. Sie kennen das Ergebnis der Anhörung doch auch. Wir präsentieren Ihnen sozusagen diesen Antrag auf dem Silbertablett, Sie müssen nur noch zustimmen.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind so liebenswürdig!)

Außerdem wurde in der Anhörung deutlich, dass aus Sicht der Anzuhörenden längere Übergangszeiten notwendig sind. Deswegen beinhaltet unser Antrag außerdem die Verlängerung der Übergangsfrist auf zwei Jahre – auch eine Konsequenz aus der Anhörung. Auch hier würden wir Sie bitten, den Anzuhörenden zu folgen und diesen Vorschlag aufzugreifen. Es wurden dort drei Jahre vorgeschlagen, aber ich denke, mit einer Erweiterung auf zwei Jahre kommt man schon entgegen, nimmt man etwas Druck aus dem System und schafft aber genug Übergangszeit.

Lassen Sie uns also gemeinsam den Input der Experten wirklich ernst nehmen. Dieses unsinnige Nebeneinander von starren Personalvorgaben und G-BA-Qualitätsindikatoren muss beendet bzw. sollte gar nicht erst gestartet werden. Wir sollten die Chance für eine moderne Krankenhauspolitik nutzen und die Orientierung nicht an starren Quoten ausmachen, sondern an dem, was wirklich richtig ist: messbare Qualität, Qualität in unseren Krankenhäusern, Qualität für die Patientinnen und Patienten. Vielen Dank.

Jetzt gern noch die Zwischenfrage. Und, sehr geehrter Herr Hey, Sie haben gesehen, ich habe noch genug Zeit.

(Beifall CDU)

Bitte sehr, Herr Dr. Hartung.

Ja, Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass die Grundlage für die Arztquote im letzten Krankenhausgesetz gelegt worden ist, das vor etwas mehr als fünf Jahren in der letzten Legislatur verabschiedet worden ist, und dass Ihr Vorgänger Herr Gumprecht und ich gemeinsam dort vorn gestanden haben und genau diese Arztquote verteidigt haben? Wir haben sie durchgesetzt gegen Kritik usw., wir haben uns etwas dabei gedacht. Ist Ihnen das bekannt? Und zweitens: Können Sie meine Verwunderung verstehen, wenn jetzt die CDU in der Opposition diese Pirouette dreht?

Herr Dr. Hartung, das ist mir durchaus bewusst. Ist Ihnen aber auch bewusst, dass die Zeit seitdem vorangeschritten ist, dass Sie seitdem einige Jahre mehr auf dem Buckel haben – genauso wie ich –, dass wir seitdem moderne Krankenhausplanung haben, dass wir seitdem Experten haben, die sagen, die Zeit ist vorangeschritten, wir haben andere Instrumente? Wir haben seitdem den Gemeinsamen Bundesausschuss, der dort intensiv zusammensitzt. Die besten Experten – möchte ich sagen –, die wir in Deutschland zur Verfügung haben, haben sich dazu Gedanken gemacht und sagen: Ja, die Facharztquote hatte vielleicht ihre Zeit. Wir sind aber weiter vorangeschritten. Was Sie, Herr Kollege, mit diesem Antrag, aber auch mit dieser Nachfrage gezeigt haben, ist, dass Sie in dieser Zeit nicht mitgegangen sind, dass Sie an den alten Standards festhalten. Ich denke, es ist Zeit, sich dort weiterzuentwickeln. Vielen Dank.