Ich habe viele Jahre in Gera gearbeitet, ich weiß, wo die Wohnungen stehen. Stadtentwicklung ist nur möglich, wenn man das gemeinsam aus einer Hand macht, denn das bei dieser Größenordnung einzeln zu verscherbeln, lohnt sich, wie gesagt, nicht. Ich finde, dieser Schritt geht in die richtige Richtung. Verwunderlich ist schon, weil das ja im April und, wie gesagt, Mai auch noch mal in der Presse war – der Oberbürgermeister war mehrmals zu diesem Thema beim MDR zu sehen –, dass das in den Haushaltsberatungen gar keine Rolle gespielt hat. Wenn Sie da noch mal nachgefragt hätten, wo wir denn das Geld hernehmen, weil es ja in der Presse stand, das hätte mich dann nicht gewundert.
(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Jetzt sind wir schuld, dass die Landesregierung nicht informieren will, oder was?)
Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, Sie haben nie nachgefragt. Nie! Sie machen das jetzt zum Wahlkampfthema. Aber, liebe Bürgerinnen und Bürger, wir stehen an Ihrer Seite, und wir finden diesen Schritt richtig. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren, am 22. Juni twitterte Herr Bodo Ramelow auf seinem Kanal: „In Gera entziehen wir 5.000 Wohnungen den Spekulanten und holen sie zurück in öffentliches Eigentum. Die Verhandlungen sind heute erfolgreich abgeschlossen worden. Das ist konkrete Politik für die Menschen.“ Man fragt sich: War das nun der Minis
terpräsident, der diese Nachricht verkündete, oder die Privatperson? Wen bezeichnet er verächtlich als Spekulanten? Etwa die Käufer, die Immobiliengesellschaft Benson Elliot, die damals die 74,9 Prozent Anteile an der WBG Elstertal aus der Insolvenzmasse gekauft hatte nach einer EU-weiten Ausschreibung des Insolvenzverwalters, der froh war, einen Käufer für den Anteil an den damals circa 7.000 Wohnungen gefunden zu haben? Warum kam es eigentlich zur Insolvenz? Ist das Land etwa mitschuldig?
Die Stadtwerke Gera kamen durch die Energiepolitik der Altparteien in Schieflage und mussten nach einer Kraftwerkshavarie eine bilanzielle Abschreibung vornehmen, welche zur Insolvenz geführt hat. Damals sollte der Verkauf der Wohnungen 30 Millionen Euro einspielen, um das fehlende Geld bei den Stadtwerken einzuspielen, doch der Stadtrat verhinderte den Verkauf und wollte lieber einen Kredit über 30,5 Millionen Euro aufnehmen. Doch das Land hat mit seinem Landesverwaltungsamt den Kredit mit dem Verweis auf die schwierige finanzielle Lage der Stadt nicht genehmigt. So kam es, wie es kommen musste: im Juni 2014 die Insolvenz. Was ist das doch für eine tolle konkrete Politik für den Menschen, Herr Ramelow, die er da beschreibt. Toll gemacht!
Am 24. Juni 2019 berichtete die „Ostthüringer Zeitung“ über den Kauf eines Immobilienpakets in Höhe eines höheren zweistelligen Millionenbetrags. Dabei geht es um den Kauf der Anteile der GWB Elstertal Geraer Wohnungsbaugesellschaft mbH. Diese sollen jetzt neu in Landeseigentum übergehen. Der Kauf ist bereits verhandelt. Auch der Stadtrat von Gera hat bereits am Donnerstagabend in einer Sondersitzung zugestimmt, dass weitere Anteile in Höhe von 19,1 Prozent von der Stadt Gera an das Land verkauft werden, damit das Land nun erstmalig uneingeschränkte Handlungsmehrheit über die verbliebenen Wohnungen hat. Dieser Verkauf über die verbliebenen Wohnungen soll quasi laut Mitteilung der OTZ wohl etwa 10 Millionen Euro einspielen. Der MDR berichtet aber von einem Stadtratsbeschluss, wonach 15 bis 20 Millionen Euro vom Land dafür fließen sollen – alles ohne vorher die gewählten Abgeordneten bzw. die Ausschüsse zu informieren.
Gera ist nicht von Wohnungsnot geplagt wie etwa Jena oder die Landeshauptstadt Erfurt. Eine Stadt wie Gera – so wunderschön sie auch ist – ist eben nicht von Immobilienspekulanten heimgesucht. Bei
der Menge an frei stehenden Wohnungen – ich habe da mal fix nachgeschaut in einem Immobilienportal, über 570 Wohnungen sind sofort zu mieten oder 78 günstig zu kaufen, ein Umstand, den übrigens auch der Landesrechnungshof so sieht und der der Landesregierung eigentlich bekannt sein sollte.
Wenn wir – wie am 28.06. geschehen – im zuständigen Haushalts- und Finanzausschuss hierzu Fragen haben, so wurden diese von den gewählten Parlamentariern von Rot-Rot-Grün verweigert. Selbst auf massive Nachfrage im Ausschuss erwiderte die Finanzministerin sinngemäß nur, dass man zu einer Stellungnahme im Moment nicht bereit sei. Was für ein Skandal!
Laut dem Ministerpräsidenten sind die Verhandlungen mit den britischen Eigentümern in Millionenhöhe bereits abgeschlossen. Dennoch erfährt man von der Landesregierung nichts über die essenziellen Rahmenbedingungen zu diesem Kauf, weder über den Zustand der Wohnungen noch den Reparaturrückstau und die damit verbundenen Kosten. Sogar den aktuellen Leerstand der GWB Elstertal will man uns nicht mitteilen, so lag er doch beim Verkauf im Sommer 2016 an den Investor bei circa 20 Prozent. Dieser hatte durch Investitionen mehrerer Millionen Euro und durch den Verkauf von Wohnungen den Leerstand auf 10 Prozent halbiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Ministerpräsident von Rot-Rot-Grün hat mal einfach so nach Gutsherrenart entschieden, in Gera mal eben circa 5.000 Wohnungen zu kaufen. Ist dies die von Ihnen so oft zitierte Transparenz gegenüber dem Volk und dem Parlament?
Die fehlt nämlich hier. Ist dies die versprochene Nachhaltigkeit einer rot-rot-grünen Landesregierung, muss man sich fragen. Ihr Handeln ist einer Landesregierung unwürdig und erinnert mehr an das Wirken, als Ihre Partei noch SED hieß, Herr Kuschel.
Wann gedenken Sie denn nun, das Parlament zu informieren, nachdem Sie bereits seit Monaten verhandelt haben? Im vorliegenden Fall wird wohl zu befürchten sein, dass die Immobilien in Gera weit über dem Wert gekauft wurden. Der Presse sind Summen von 70 Millionen Euro zu entnehmen.
Auch ist zu entnehmen, dass weitere Millionen zu investieren sind, und das alles ohne Beteiligung des Parlaments. Was ist das für eine intransparente rot-rot-grüne Regierung, die das Geld der Steuerzahler verprasst? Wenn Sie uns weiter hinters Licht führen wollen, wird die AfD-Fraktion dies bei der nächsten Gelegenheit in einem Untersuchungsausschuss zum Thema machen,
wie Sie mit Steuergeld Gewinne für Investoren zahlen. Sie haben bereits 2014 und 2016 die Möglichkeit gehabt, die Insolvenz abzuwenden und die Wohnungen/Anteile günstiger zu erwerben. Sie werden auch dafür im Herbst die Quittung bekommen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste und Zuhörer auf der Tribüne und am Livestream, sehr geehrter Herr Vonarb!
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, ich muss schon sagen, die Einreichung dieser Aktuellen Stunde mit dem Titel „Intransparenz von Immobiliengeschäften der Landesregierung in Gera“ ist für mich eine Überraschung gewesen – deswegen, weil Sie zunächst versucht haben, das Thema im letzten Haushalts- und Finanzausschuss auf die Tagesordnung zu setzen und zu hinterfragen. Ich sage „versucht haben“, weil das sehr umfangreiche Berichtsersuchen kurzfristigst von Ihnen eingereicht worden ist – für alle Zuschauer, das heißt deutlich nach Ablauf der Fristen, die unsere Geschäftsordnung vorsieht –, weswegen es nicht behandelt worden ist.
Das bedeutet natürlich andererseits, dass in der nächsten regulären Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses Ihre Anfrage auf der Tagesordnung stehen wird und somit da Ihre umfangreichen Fragen und Ihr Berichtsersuchen beantwortet werden.
Also es gibt einen Kalender, da stehen alle Sitzungen drin. In dieser Ausschusssitzung können wir dann über Kaufpreis, Wertermittlung, Finanzierung und Beihilfefragen detailliert nachfragen und debattieren. Zur Ehrlichkeit gehört, dass Sie den Antrag nicht fristgerecht eingereicht haben. So ist es – Punkt!
Nun zur Sache selber: Die Landesregierung entspricht lediglich einem Wunsch der Stadt Gera nach Unterstützung. Wir begrüßen ausdrücklich den Kauf der Anteile der Wohnungsgesellschaft Elstertal durch das Land mit dem Auftrag/dem Ziel einer späteren Rekommunalisierung dieser Gesellschaft. In diesem Zusammenhang erinnere ich an § 1 Zweites Wohnbaugesetz, in welchem die Wohnungsförderung als öffentliche Aufgabe für Bund, Länder und Kommunen festgeschrieben worden ist. Nichts anderes hat die Landesregierung getan. Wenn die CDU-Opposition im Landtag etwas debattieren möchte oder gar wie die AfD-Fraktion skandalisieren – was ich nicht teile –, dann bitte auch das Nichthandeln des ehemaligen Finanzministers Voß, als er die Gelegenheit hatte, die Wohnungsgesellschaft zu erwerben. Es gilt zu bedenken und abzuwägen, dass Gera ohne die Wohnungsgesellschaft Elstertal über keinen eigenen kommunalen Wohnungsbestand mehr verfügt.
Eine Stadt wie Dresden, die sich 2006 ihres kommunalen Wohnungsbestands entledigte, hat aus ihren Fehlern gelernt und jetzt eine neue kommunale Wohnungsgesellschaft gegründet. Warum? Weil es am Ende die kommunalen und die genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen sind, die den Stadtumbau vorantreiben, die den sozialen Frieden einer Stadt herstellen und die ihren Bürgern Wohnungen zu leistbaren Mieten anbieten. Um es deutlich zu sagen: Ob eine Wohnung für einen Mieter bezahlbar und damit leistbar ist, hat nur sekundär etwas mit der nominellen Gesamtmiete zu tun. Viel wichtiger ist das verfügbare Familieneinkommen des Mieters bzw. das Renteneinkommen. Es macht mir große Sorgen, dass für viele Mieter die monatliche Wohnkostenbelastung mit dem Eintritt in das Rentenalter sprunghaft ansteigt, und das auf über 30 oder 40 Prozent ihrer Rente.
Wenn wir jetzt eine Wohnungsgesellschaft mit dem Ziel der Kommunalisierung erwerben, nehmen wir auch den 5.000 Mieterhaushalten die Angst vor unberechtigten Mieterhöhungen oder Kündigungen. Der Rückkauf ist somit nicht nur ein guter Tag für die betroffenen Mieter, sondern auch für die Stadtentwicklung und für ganz Gera. Ganz persönlich begrüße ich als Vertreter des Deutschen Mieterbunds Thüringen den Einstieg des Landes ausdrücklich. Ich bin überzeugt davon, dass die Landesregierung hier richtig gehandelt hat. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass die Landesregierung hier auch die richtigen Maßstäbe angelegt hat und auch davon, dass sie alle Kommunen Thüringens gleichbehandelt.
Wir stehen hier nicht allein. Ich möchte auf den Direktor des Verbands der Thüringer Wohnungswirtschaft verweisen, der betont, dass alle seine Erfahrungen gezeigt haben, dass eine Stadt wie Gera gut beraten ist, über eine eigene kommunale Wohnungsgesellschaft zu verfügen, denn nur ein kommunales Wohnungsunternehmen bietet ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten, um die sozialen Aufgaben einer Kommune am Wohnungsmarkt auch zu erfüllen.
Ebenso positiv bewertet der Direktor des VTW Frank Emrich den notwendigen Mitteleinsatz des Landes. Also bleibt abschließend festzuhalten, dass die Landesregierung nicht nur pragmatisch, sondern auch richtig gehandelt hat. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank erst mal an die CDU für den Titel. Über Wohnungspolitik zu sprechen, ist immer gut. Ich möchte auch ganz klar sagen, dass wir als Bündnis 90/Die Grünen für eine kommunale Wohnungspolitik stehen. Wir stehen dafür, dass kommunale Gesellschaften, Genossenschaften auf dem Wohnungsmarkt aktiv sind. Ich war selbst im Stadtrat in Weimar acht Jahre lange im Aufsichtsrat einer kommunalen Gesellschaft. Als ich in den Stadtrat gekommen bin, gab es folgende Debatte: Da ging es darum – und es hat viele motiviert, sich dort zu engagieren, auch mich –, dass in Weimar die kommunale Wohnungsbaugesellschaft verkauft werden sollte. Das war damals eine Idee von CDU und Weimarwerk. Es ging darum, nach
dem damals noch positiv gesehenen Vorbild von Dresden den kommunalen Haushalt, –also sozusagen auch die Verschuldung von Weimar durch die Kulturstadtanleihe –, mit einem Schlag die Kulturstadtanleihe abzulösen, durch den Verkauf Geld zu akquirieren, Weimar schuldenfrei zu machen und dann eine glänzende Zukunft vorauszusehen. Es gab allerdings drei, vier Querulanten, Abgeordnete der CDU-Fraktion, und die haben mit uns zusammen, mit den Abgeordneten von der SPD und mir damals als Grünem, den Antrag eingebracht, dass das nicht geschehen soll. Sonst wäre diese Wohnungsbaugesellschaft verkauft worden. Solche Diskussionen gab es damals in vielen Städten und ich bin sehr froh, dass die Parlamentarier in den Stadträten oder in den Kreistagen das gerade nicht gemacht haben.