Protokoll der Sitzung vom 05.07.2019

(Abg. Worm)

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das war ein Zitat aus dem Grundgesetz!)

Und wenn man das ernst nimmt, was Sie zum Schluss sagen, dann müsste man Ihren Satz fortsetzen mit: Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Enquetekommission zu Rassismus ersatzlos abgeschafft wird. Beides ist mit der Fraktion der Linken und auch den Koalitionspartnern nicht zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

„Eigentlich haben wir gedacht, dass wir in den letzten vier Jahren […] schon alles erlebt hätten, was man erleben kann, was es betrifft, […] mit Unterstellungen zu arbeiten.“ Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat, leicht verkürzt, weggelassen habe ich die Worte „durch die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen“ und die Worte „Einschätzung gegenüber den Landesbediensteten“. Mit diesem Satz leitete der Abgeordnete Geibert seine Dringlichkeitsbegründung in der 145. Plenarsitzung ein.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Zu Recht!)

Der Antrag der CDU-Fraktion „Befähigung und Eignung als ausschlaggebende Kriterien für den öffentlichen Dienst erhalten. Geplante Studie ,Vielfalt entscheidet Thüringen‘ stoppen“ und Ihr Gebaren um diese Studie „Vielfalt entscheidet Thüringen“ ist das beredte Beispiel dafür, dass eine Oppositionspartei jedwede Contenance und Verantwortung vermissen lässt und nur darauf aus ist, den politischen Mitbewerber zu diskreditieren, Menschen aufzuwiegeln und Beschäftigte zu verunsichern, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Das kennen Sie ja aus Ihrer Vergangenheit!)

Der Antrag unterstellt, die Landesregierung plane, Landesbedienstete zu kontrollieren und die Einstellungskriterien an ethnischer und sexueller Orientierung auszurichten. Von „Ausforschung von Ethnie, von sexueller Orientierung“ der Bediensteten ist die Rede, und das gipfelt in der Unterstellung, die Vorgesetzten sollten mit den konkreten Daten arbeiten oder – so Herr Geibert im Mai hier im Plenum – die „ethnische und sexuelle Orientierung [würde dann] darüber entscheiden, ob man fähig ist, eine Aufgabe wahrzunehmen oder nicht“, und zwar ohne dass Leistung, Eignung und Befähigung berücksichtigt wurden. Alle entgegengesetzten Beschwichtigungsversuche, Erklärungsversuche, Informationen, die es aus der Thüringer Staatskanzlei gegeben hat, werden einfach ignoriert und es wird so getan, als wären die nicht vorhanden

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Er hat doch gar nicht dazu gesprochen!)

oder als würden wir lügen. Weiter wurde behauptet, Methode und Sinnhaftigkeit der Studie seien fragwürdig, der Datenschutz sei nicht gewährleistet, und die Anonymität und Freiwilligkeit der Studie wurden in Frage gestellt. Es wurde gesagt, der Hauptpersonalrat habe sich gegen die Studie ausgesprochen, der Landesdatenschutzbeauftragte sei nicht einbezogen worden – alles wider besseres Wissen, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das waren Zitate!)

Ich sagte es schon im Mai, als ich gegen die angebliche Dringlichkeit des Antrags gesprochen habe: Das Schreiben an den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zur Prüfung der Befragung ging Ende März an das Haus des Herrn Dr. Hasse und am 9. April 2019 hat es ein Gespräch mit Mitarbeiterinnen des Herrn Dr. Hasse gegeben. Auch der Hauptpersonalrat ist einbezogen worden, er hat sogar Vorschläge zur Erweiterung der Fragen gemacht.

Auch die große Verwunderung über und die Abwehr gegen die Studie, die eine wichtige Vorarbeit für die Umsetzung des Diversity-Management-Konzepts darstellt, welche die Fraktion der CDU mal wieder äußert, ist reine Show, eine Wahlkampfshow, die dem Ansinnen des Monitorings von Diversitätsdaten null gerecht wird, meine Damen und Herren. Diese Verwunderung ist nur gespielt. Bereits 2018 hat die Staatskanzlei in der EnqueteKommission zu Rassismus über den Beschluss zum Diversity Management im Rahmen des Personalentwicklungskonzepts berichtet. Dass die Studie „Vielfalt entscheidet Thüringen“ seit August 2018 konzipiert und erarbeitet wird, darüber wurde die Enquetekommission im Februar 2019 ausführlich schriftlich unterrichtet, auch darüber, dass Citizens For Europe als Projektträger mit der Durchführung beauftragt ist.

Ja, es handelt sich um die bislang größte und umfassendste geplante Studie zu Diversitätsdaten. Das, meine Damen und Herren, ist aber nicht negativ, sondern positiv zu bewerten. Thüringen wird damit Vorreiter, was das Monitoring und die Analyse betrifft, um Diskriminierungen auszumachen und öffentliche Verwaltung so gestalten zu können, dass Diversität nicht benachteiligend wirkt, meine Damen und Herren.

Ich möchte noch zwei, drei Dinge aus dem Zwischenbericht der Enquetekommission zitieren. Erstes Zitat: „Ausgehend von der Annahme, dass es sich beim Rassismus um das Zusammenspiel von

komplexen Elementen handelt, die gleichzeitig oder auch unabhängig auftreten können: individuell, kommunikativ, imaginativ (Gefühle/Befürchtungen), sowie strukturell oder gar institutionell, so können sowohl Polizistinnen und Polizisten als Personen als auch die Polizei als Struktur und Institution betroffen sein. Jedoch muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Datenlage mager ist und empirische Studien kaum vorhanden sind – das gilt sowohl für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt als auch für das Bundesland Thüringen.“ Das steht auf Seite 229 ff. des Zwischenberichts.

Nächstes Zitat: „Das Fehlen differenzierter Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten behindert nicht zuletzt eine menschenrechtskonforme Rechtsfolgenabschätzung.“, zu finden auf Seite 243 des Zwischenberichts.

Nächstes Zitat: „Um strukturelle Diskriminierung zu vermeiden, müssen behördliche Praktiken in Thüringen analysiert werden. Diese sind ggf. an die CERD- und ECRI-Empfehlungen anzupassen. […] Wichtig ist es zudem, diskriminierende Regelungen und Novellierung abzuschaffen – bzw. müssen Regelungen angepasst werden, die für bestimmte Gruppen diskriminierend wirken.“, Seite 262 des Zwischenberichts.

Letztes Zitat: „Die größte Hürde besteht darin, dass zusammenlaufende Monitorings über alle Ressorts und über alle Verwaltungsebenen hinweg fehlen. So lässt sich die Situation von Betroffenen, die Rassismus und Diskriminierung im Behördenkontext erfahren, nicht ausführlich beschreiben und erfassen. Nicht möglich ist es daher auch, noch zu ergreifende Maßnahmen fachgerecht zu beurteilen. Das gilt für Rassismus und Diskriminierung innerhalb der Behörden sowie für den Umgang der Behörden mit der Gesellschaft.“, Seite 260 f.

Alle diese Zitate stammen aus dem Zwischenbericht der Enquetekommission. Das erste, das mit der Polizei, hat die CDU-Fraktion selbst formuliert. Die drei anderen hat die CDU in ihr Sondervotum übernommen, aus dem, was in der Enquetekommission mehrheitlich beschlossen wurde. Und wie wir aus dem Redebeitrag des Kommissionsvorsitzenden, Herrn Tischner, aus dem Plenum im Mai, glaube ich, wissen, wurden jene Passagen in das CDU-Sondervotum übernommen, die Konsens zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU sind. Es ist also Konsens, dass die Datenlage mager ist. Es ist Konsens, dass eine Analyse gebraucht wird, damit greifbare Maßnahmen entwickelt werden können, um Diskriminierung auch in den Behörden abzubauen. Es wird also auch aufseiten der CDU durchaus die Notwendigkeit der Datenerhebung anerkannt, zumindest in Texten, von denen Sie offen

bar annehmen, dass sie keiner weiter liest. Wenn es aber dann an die Umsetzung des Monitorings, der Analyse geht, damit Diversity Management in Verwaltung konkret werden kann, dann wird das nicht nur unterschlagen, sondern die größten Geschütze dagegen aufgefahren. Und jeder weiß, was hinter Ihrem „das ist ethnische Ausforschung“ steckt – eine Diskreditierung insbesondere der linksgeführten Staatskanzlei als Stasibehörde. Das ist so durchsichtig, wie es unwürdig ist, Herr Geibert und sehr geehrte Damen und Herren der CDUFraktion, zumindest für eine demokratische Opposition, die diesen Namen verdient.

Ich will noch mal auf das Eingangszitat zurückkommen: „Eigentlich haben wir gedacht“, meine Damen und Herren, „dass wir in den letzten vier Jahren [...] schon alles erlebt hätten“, was Unterstellungen betrifft, aber das Gezeter und die Skandalisierung dieser Studie übertrifft so einiges. Opposition geht anders, meine Damen und Herren der CDU.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Herold von der AfD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kollegen, Damen und Herren, Zuschauer im Netz, was haben sexuelle Vorlieben in einem Personalentwicklungskonzept zu suchen? Das fragt sich nicht nur die CDU, das fragen wir uns auch. Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz regelt ganz unmissverständlich, dass sich alle personellen Entscheidungen in diesem Land im Sinne der Bestenauslese am Leistungsprinzip und dort an den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu orientieren haben. Das geplante Unterfangen der Thüringer Landesregierung indes sieht vor, eine groß angelegte Umfrage unter den 20.000 Landesbediensteten zu starten mit dem Ziel, ein sogenanntes Diversitätskonzept zu erarbeiten. Erfragt werden sollen dabei sensible Daten und intime Details aus dem Leben der Mitarbeiter. Die Studie sei unter anderem die Grundlage für ein Personalentwicklungskonzept der Landesregierung, welches für das Jahr 2025 vorgesehen ist. Ich frage mich an dieser Stelle zum einen, ob man nicht in den letzten viereinhalb Jahren mit Personalgesprächen zu ähnlichen Erkenntnissen hätte kommen können.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Im- mer diese schöne Analyse, man, man, man!)

(Abg. Berninger)

Zum anderen frage ich mich, warum die Landesregierung glaubt, dass ihr Wirken im Jahr 2025 für Thüringen überhaupt noch maßgeblich sein könnte.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Und da- rüber hinaus!)

Die Teilnahme an der Umfrage sei freiwillig. Mir erscheint dieses Ansinnen insgesamt allerdings als zudringlich und respektlos.

Wen hat die Landesregierung nun mit dieser sogenannten Studie – Chefsache des Ministerpräsidenten übrigens – beauftragt? Beauftragt wurde eine NGO namens „Citizens For Europe“, eine gemeinnützige, zivilgesellschaftliche Organisation, die aber gern Steuermittel nimmt,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie nehmen ja auch Steu- ermittel!)

ein Sozialunternehmen, das Diversität, Solidarität und Demokratie fördern möchte und eine inklusive und partizipative Gesellschaft auf lokaler und europäischer Ebene anstrebt. Gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung hat Citizens For Europe den Aktionsfonds ViRaL ins Leben gerufen: Vielfalt stärken, Rassismus bekämpfen, Lokal engagieren! ViRaL unterstützt zum Beispiel so sinnige politische Stadtrundgänge gegen Rechtsextremismus, das Bündnis „Kandel gegen Rechts“ – beim Engagement gegen Messermorde

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist doch eine tolle Sache!)

findet man dieses Bündnis leider vergebens –

(Beifall AfD)

und bietet rassismuskritische Weiterbildungen und Ermächtigungsworkshops an. Sie versteckt sich hinter dem sinnfreien englischen Begriff „Empowerment-Workshops“. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass immer dann, wenn politische Akteure zu Fremdsprachen greifen, sie nicht in der Lage sind oder sich nicht so recht trauen, ihr Anliegen auf Deutsch zu formulieren, denn dann könnte der eine oder andere es klarer verstehen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das verstehen Sie nicht, was?)

(Unruhe DIE LINKE)

Citizens For Europe unterhält enge Beziehungen zum Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt. Das sind alles linke gesellschaftsklempnerische Spielwiesen.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gebotene politische Neutralität solch einer Studie kann man hier schon getrost infrage und in Zweifel stellen. Wissenschaftliche Unvoreingenommenheit und Objektivität sind hier nicht gegeben. Wir fragen uns, was wirklich dahintersteckt. Was verfolgt die Landesregierung mit ihrem Diversitätskonzept? Wie auch mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes – Einführung der paritätischen Quotenregelung gibt die Landesregierung zu erkennen, dass sie unser ganzes Gemeinwesen auf andere Grundlagen stellen möchte. Die Stellen in der Thüringer Landesverwaltung sollen scheinbar in Zukunft nicht mehr nach den eingangs benannten Kriterien der Eignung und Befähigung besetzt werden, sondern vielmehr nach dem Grundsatz der Gleichheit oder der Gleichverteilung aus Sicht von Rot-Rot-Grün. Das bedeutet aber nicht gleiches Recht für gleiche Personen bzw. nicht, dass alle Menschen vor dem Gesetz hier gleich sind, sondern proportionale Gleichheit. Dahinter verbirgt sich das Konzept der ständischen Repräsentation, also dass bestimmte Bevölkerungsgruppen quasi spiegelbildlich oder proportional auch in öffentlichen Organen im Verwaltungsapparat vertreten sein sollen. Wie sonst ist es zu erklären, dass in einem 20-seitigen Fragebogen neben dem Geschlecht Fragen zu sexuellen Orientierungen, der ethnischen Herkunft, dem Grad etwaiger Behinderung, verschiedensten Krankheiten oder danach, ob sie ost- oder westdeutsch sozialisiert sind, gestellt werden? 30 Jahre nach der Wende spielt das nicht nur im Feuilleton oder auf Facebook eine Rolle, sondern eine Landesregierung stellt die Frage, ob man ost- oder westdeutsch sozialisiert ist. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der aus dem Westen kommt,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der weiß wahrscheinlich genau darum, um die Unterschiede!)

und da kommen solche völlig sinnfreien Fragen. Das ist eine Rückentwicklung. Das längst überrundete Modell einer ständischen Gesellschaft, die die Gesellschaft als Ansammlung von Gruppen versteht, die dann mit Gruppenrechten versehen werden, soll hier wieder zum Leben erweckt werden.

(Beifall AfD)

Übrigens ist auch das ein Projekt, was mich fatal an „DDR 2.0“ erinnert. Das erklärt vielleicht auch die zugrunde liegende Methodik dieser Studie, die vom Ministerpräsidenten in Auftrag gegeben wurde, an den Personalräten vorbei, am Datenschutzbeauftragten des Landes vorbei, den ich übrigens heute hier schmerzlich vermisse.

Die CDU-Fraktion fordert mit diesem Antrag, die geplante Studie zu stoppen. Diesem Wunsch werden wir uns natürlich anschließen. Allerdings ist das leider nur noch bedingt möglich, denn der Presse und auch den Berichten des Staatsministers war zu entnehmen, dass die Berliner Forscher von dieser NGO bereits Fördermittel für das Projekt erhalten haben – und nicht etwa wenig, sondern mittlerweile mehr als 300.000 Euro.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Wo- her wollen Sie das wissen?)

Unklar ist, selbst wenn dieses Prestigeobjekt nicht weiterverfolgt werden würde, was mit dem geflossenen Steuergeld passiert und in welcher Form die bisher erhobenen Daten und Materialien genutzt werden. Darauf haben wir bisher keine wirklich befriedigende Antwort bekommen. Wir fordern hier weiterhin Aufklärung und Klarheit. Vielen Dank.