Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

Aber machen Sie es nicht am Beitrag für den Kindergarten fest.

Um was geht es denn noch? Es geht um Stigmatisierung. Wir hören häufig das Argument: Hartz-IVBezieher bezahlen sowieso nichts. Ja, stimmt. Aber diese Kinder und deren Eltern müssen immer wieder zum Amt gehen. Diese Kinder und ihre Eltern müssen einen Gutschein im Sportverein vorlegen, damit sie überhaupt mitmachen können. Was macht das dann mit Kindern und mit dieser Gesellschaft? Es ist eine mindestens Zwei-Klassen-Gesellschaft auch schon im Kinderbereich, das kann ja keiner wollen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie stellen sich hier hin, ohne Idee, ohne irgendeinen Fakt und behaupten, dass Beitragsfreiheit, die Verbesserung des Betreuungsschlüssels, die Verbesserung der Ausbildung mit PiA, all das, was wir gerade tun, dass das nichts sei, was wir für diese Kinder tun. Wir haben endlich die Herdprämie abgeschafft, damit die Kinder wieder in den Kindergarten gehen,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Eine ganz schlimme Entscheidung!)

und damit das Kindergartenjahr finanziert. Und noch mal: Wir denken auch an die Kinder, wenn sie zu Hause sind. Wir haben einen zusätzlichen Feiertag geschaffen, damit Familien auch wieder mehr Freizeit füreinander haben.

(Unruhe CDU)

Meine Damen und Herren, etwas Mäßigung, bitte.

Und wer hier von Wahlgeschenken spricht,

(Unruhe CDU)

war nicht da draußen. Der weiß nicht, wie es den Leuten geht. Der weiß nicht, wie es Familien zum Beispiel in Erfurt geht.

(Unruhe CDU)

41 Prozent der Haushalte in Erfurt verdienen als Haushalt 2.000 Euro. Und jetzt erzählen Sie mir

nicht, dass eine Beitragsentlastung von 1.500 Euro diese Familien nicht entlastet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Frau Astrid Rothe-Beinlich, bitte schön.

Ich glaube, wir haben alle verstanden, warum Herr Tischner noch mal hier vorkommen musste und keine Frage stellen konnte, weil es keine Frage war. Ich will trotzdem noch mal was zur Problematik der fehlenden Kindergartenplätze sagen, weil wir alle wissen, wer dafür zuständig ist, die Kindergartenplätze zu schaffen. Das sind die Kommunen.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Denen Sie das Geld wegnehmen!)

(Unruhe CDU)

Ich bin selbst Stadträtin in Erfurt und ja, ich weiß um die Zahl der fehlenden Kindergartenplätze. Raten Sie mal, warum wir als Stadträtinnen und Stadträte mit den Trägern zusammensitzen und genau überlegen, wie wir möglichst schnell mehr Kindergartenplätze schaffen können.

(Beifall DIE LINKE)

Und ja, der Minister hat es vorhin gesagt: 1.300 Plätze wurden neu geschaffen. Aus unserer Sicht braucht es hier ein Zusammenwirken aller Ebenen: Kommune, Land und Bund. Es ist absurd, dass wir ein Kooperationsverbot in der Bildung haben, das bis heute mit gravierenden Auswirkungen für die Kommunen wirkt, nämlich dass der Bund nicht direkt unterstützen darf.

(Unruhe CDU)

Machen Sie sich auf Bundesebene endlich für die Abschaffung des Kooperationsverbots in der Bildung stark!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre auch ein echter Schritt dahin, die Kommunen zu unterstützen, mehr Kindergartenplätze zu schaffen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Kommunen besser finanziell ausstatten!)

Das kann ich an dieser Stelle nur so deutlich sagen. Und noch mal, lieber Herr Tischner: Auch Ihre Empörung hier vorn kann nicht darüber hinwegtäu

schen, dass Sie keinen einzigen sachlichen Antrag zur Verbesserung der Qualität in den Kindergärten eingereicht haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ich bin froh, dass Sie nicht gegen dieses Gesetz stimmen, aber ich finde es schon ein Stück weit unehrlich, mit Enthaltung zu zeigen, dass Sie leider keine Haltung in dieser Frage haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ein Schwachsinn!)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Keine Ah- nung!)

Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht seitens der Parlamentarier. Bitte schön, Herr Minister Holter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, meine Damen und Herren, ich möchte als Erstes etwas zu den fehlenden Betreuungsplätzen sagen. Ob in der Kinderkrippe, im Kindergarten oder auch im Grundschulbereich haben wir es aktuell mit anderen Statistiken zu tun als vor zwei/drei Jahren – es hat sich verändert. Konkret seit 2015 hat sich die Situation verändert, denn die kommunale Bedarfsplanung an Plätzen in der Kindertagesbetreuung hat irgendwelche Grundlagen in der Vergangenheit, teilweise in den Jahren 2014/2015. Dann ist das alles auf der Basis der Zahlen von 2017 und 2018 aktualisiert worden.

Wir freuen uns alle darüber, dass mehr Kinder geboren werden – toll, richtig, darüber kann man doch auch nur glücklich sein. Wir freuen uns – nicht alle – darüber, dass wir Zuzug haben. Es kommen Familien mit Kindern hierher, die aus Fluchtgebieten kommen, die hier aufgenommen werden, zumindest von Rot-Rot-Grün mit offenen Armen aufgenommen werden. Von anderen Fraktionen kann ich das so nicht sagen. Aber auch sie gehören zu unserer Gesellschaft und sie haben eine Kindertagesbetreuung verdient, denn alle Kinder, ob deutscher oder ausländischer Herkunft, haben gleiche Chancen hier im Freistaat Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Hennig-Wellsow)

Dann gibt es noch Familien, die nach Thüringen kommen, weil die Eltern hier Arbeit gefunden haben. Die Fachkräfteproblematik steht nun mal an, und wenn dann sowohl aus Frankreich, Spanien oder Rumänien, Polen und anderswoher aus der Europäischen Union Familien herkommen, deren Eltern hier Arbeit gefunden haben, dann bringen sie in der Regel Kinder mit – kleine, die in den Kindergarten gehen, größere, die in die Grundschule gehen, und noch größere, die in die anderen Schulen gehen. Das ist doch gut so, das ist doch eine Bereicherung für den Freistaat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir uns doch nicht darüber wundern, dass sich die Grundlage für die Planungen – ob in den Grundschulen, in den Schulen generell oder eben in den Kindergärten – auf einmal geändert haben. Dann kann man den Kommunen vorwerfen, was ich nicht mache: Eure Kita-Bedarfsplanung entspricht nicht mehr der Realität. Es wäre ja auch falsch, das zu machen, weil sich die Ausgangsbasis geändert hat. Ich weiß, dass die Kommunen sehr verantwortungsvoll damit umgehen und ihre Bedarfsplanung für Kindertagesbetreuungsplätze auch entsprechend anpassen werden. Aber – das wissen jetzt die Kommunalen, die Stadträte und die Kreisräte – da gibt es Prozedere und da muss man entsprechend reagieren.

Dann haben wir noch eines, da hat sich etwas in der Gesellschaft geändert: Viele junge Familien drängen in die Städte, aus gutem Grund, weil sie Arbeit, Familie, Freizeit möglichst kompakt auf einem Fleck haben wollen. Damit ist ein Mehrbedarf in den Kinderkrippen und Kindergärten, aber auch in den Grundschulen zu verzeichnen. Darauf müssen wir als Gesellschaft konkret reagieren: Da werden neue Kindergärten gebaut, da werden auch zusätzliche Plätze in Grundschulen geschaffen. Das gehört dazu, und das kann man – glaube ich – jetzt niemandem hier vorwerfen, das sind Entwicklungen, auf die wir als Gesellschaft insgesamt reagieren müssen. Das ist Punkt 1.

In Punkt 2 möchte ich etwas zu der Frage der Beitragsfreiheit sagen – Susanne Hennig-Wellsow ist schon darauf eingegangen –: Die Debatte um die zweite Novelle des Kindertagesbetreuungsgesetzes Thüringen hat sich zu einer gesellschaftspolitischen Debatte hier und heute in diesem Saal entwickelt, und ich finde, das ist gut so. Damit wird deutlich, welche Partei und welche Fraktion wofür steht. Ich möchte noch mal sagen, warum wir als Koalition und auch konkret ich als Mitglied der Linkspartei – ich will das jetzt ganz bewusst mal parteipolitisch machen – für Beitragsfreiheit stehen: Das ist für

mich eine gesellschaftspolitische Frage. Beantworten Sie mir einmal die Frage, warum ein Schulbesuch die Eltern nichts kostet, warum ein Studium die Eltern oder diejenigen, die studieren, nichts kostet und warum wir in der frühkindlichen Bildung auf einmal von den Eltern Geld nehmen. So war es in der Vergangenheit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist für mich ein Widerspruch in sich. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass frühkindliche Betreuung und Bildung von Anfang an beitragsfrei sein muss. Dass man das nicht auf einen Schlag hinbekommt, dass es da keinen Urknall gibt, das, glaube ich, versteht sich von selbst. Die Rednerinnen und Redner der Koalition haben das noch einmal deutlich gemacht. Wir sind da sehr wohl, Frau Rosin, in einem Dialog mit allen Beteiligten herangegangen. Natürlich sind einige damit nicht einverstanden, dass wir den Weg der Beitragsfreiheit gehen, weil sie noch mehr Geld zur Qualitätsverbesserung haben wollen. Das habe ich vorhin deutlich gemacht: Das ist deren Position und deren Interesse, welche sie vertreten. Am Ende haben aber alle gesagt: Jetzt haben wir eine Verabredung. Kollege Wolf hat dargestellt, wie die Prozente sind, wie viel Geld wofür eingesetzt wird. Diese Verabredung wird getragen. Deswegen ist Beitragsfreiheit mehr als Familien zu entlasten. Es ist ein gesellschaftspolitisches Konzept.

(Beifall DIE LINKE)

Dieses gesellschaftspolitische Konzept, meine Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, steht am 27. Oktober zur Wahl. Darum geht es, welcher Kurs in Thüringen gefahren wird – selbstverständlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt haben verschiedene Rednerinnen und Redner – auch ich – in der ersten Rede auf die Entscheidung des Bundes Bezug genommen. Als im März 2018 dann die Bundesregierung gebildet war, brachte der Koalitionsvertrag zum Ausdruck: Ja, wir wollen Qualitätsverbesserung in den Kindertageseinrichtungen. Das Gute-KiTa-Gesetz heißt eigentlich Gesetz zur Qualitätsverbesserung in der Kindertagesbetreuung und bezieht sich übrigens auch auf die Kindertagespflege. Es war sofort klar.