Protokoll der Sitzung vom 01.10.2019

Ich erinnere auch daran, dass unser Fraktionsvorsitzender Mike Mohring auf ganz perfide Art und Weise die gleichen Morddrohungen erhalten hat, dass der zweite Kopfschuss seiner wäre. Und ich muss sagen, deutlicher kann man es nicht sagen, was in der rechten Szene unterwegs ist. Ich kann wirklich nur alle hier in diesem Hohen Haus auffor

dern – aber nicht nur hier im Haus, sondern die ganze Gesellschaft –, dagegen anzugehen. Wir können das nur gemeinsam schaffen, mit der Gesellschaft, dass sich so etwas nicht wiederholt und dass wir letztendlich den Rechtsextremismus eindämmen und wieder da hinführen, wo sie hingehören, nämlich hinter Schloss und Riegel, wenn sie letztendlich Taten begehen.

(Beifall im Hause)

Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ja, ich komme zum Schluss.

Wir sind auch der Auffassung, dass ein weiterer Untersuchungsausschuss nicht erforderlich ist, aber wir sollten natürlich auch nicht vergessen und daran denken, die Arbeit nicht aufzugeben. Mit dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses 6/1 ist das nicht beendet. Ganz im Gegenteil, ich denke, die Arbeit fängt erst an, und da muss es andere Möglichkeiten und Gremien geben, womit man effektiver arbeiten kann, die letztendlich auch zum Erfolg führen.

Ich hoffe und wünsche, auch im Hinblick auf die Angehörigen, dass wir wirklich Klarheit bekommen, was da passiert ist, und dass wir letztendlich auch erfahren, wer dahintersteckt und welche Strukturen es gibt, damit wir die bekämpfen können. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es spricht jetzt für die Fraktion Die Linke Frau Abgeordnete KönigPreuss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Wir gedenken der Opfer der Mordanschläge des Nationalsozialistischen Untergrunds: Enver Şimşek, getötet am 9. September 2000 in Nürnberg; Abdurrahim Özüdoğru, getötet am 13. Juni 2001 in Nürnberg; Süleyman Taşköprü, getötet am 27. Juni 2001 in Hamburg; Habil Kılıç, getötet am 29. August 2001 in München; Mehmet Turgut, getötet am 25. Februar 2004 in Rostock; İsmail Yaşar, getötet am 9. Juni 2005 in Nürnberg; Theodoros Boulgarides, getötet am 15. Juni 2005 in München; Mehmet Kubaşık, getötet am 4. April 2006 in Dort

(Abg. Kellner)

mund; Halit Yozgat, getötet am 6. April 2006 in Kassel; Michèle Kiesewetter, getötet am 25. April 2007 in Heilbronn.

Unser Beileid gilt den Hinterbliebenen. Wir stehen an Ihrer Seite und an der Seite derer, die bei den Attentaten am 23. Juni 1999 in Nürnberg, am 19. Januar 2001 sowie am 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln getötet werden sollten, die dabei und bei weiteren Überfällen verletzt wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss 6/1 hat sich nach Kräften bemüht, dem Aufklärungsversprechen gerecht zu werden. Wir haben im ersten Untersuchungsausschuss der vergangenen Legislatur festgehalten, dass auch künftig unser gemeinsames Engagement der Bekämpfung des Rassismus und der Zurückdrängung der extremen Rechten in allen Formen gilt und dass wir uns dafür einsetzen, dass auch künftig im Freistaat Thüringen alle Anstrengungen unternommen werden, um die Verbrechen des NSU und die Tatbeiträge ihrer Unterstützer und Unterstützerinnen aufzuklären, und dass diese Aufklärung nicht haltmacht vor den Sicherheitsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben von der Vorsitzenden, Frau Marx, aber auch meinem Vorredner, Herrn Kellner, jetzt einiges an Kritik am Innenministerium gehört. Ich will den Fokus nicht auf das setzen, was uns vom Innenministerium an Akten zur Verfügung gestellt wurde oder nicht, aber ich will den Zuhörerinnen und Zuhörern vielleicht erklären, um was es dabei geht. Es sind Akten, die maximal 1 Prozent der Akten umfassen, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen. Und die bisherigen 99 Prozent sind von den Untersuchungsausschussmitgliedern in ihrer Gesamtheit nicht gelesen worden. Sich hier vorn hinzustellen und das Innenministerium derart massiv zu kritisieren, ist nicht gerecht angesichts des Versagens, das auch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses mitzutragen haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit mehr Motivation, mit mehr Engagement und mit mehr Herzblut wäre es uns gelungen, weitere Punkte aufzuklären und wir hätten intensiver zusammenarbeiten können. Das ist – und ich bin bestimmt die Letzte, die nicht jede Möglichkeit nutzen würde, das Innenministerium zu kritisieren – nicht angemessen angesichts dessen, was wir in den viereinhalb Jahren an Möglichkeiten hatten und auch was an Aufklärung geleistet wurde. Nichtsdestotrotz sage ich, auch der Untersuchungsaus

schuss 6/1 ist in seinem Anspruch, alles aufzuklären, gescheitert.

Ich will auf ein paar Punkte, die Frau Marx in ihrer Einführungsrede dargestellt hat, etwas detaillierter eingehen. Ich will auch erklären, warum wir als Untersuchungsausschuss zu der Feststellung kommen, dass die Morde hätten verhindert werden können. Das ist keine nur vom Untersuchungsausschuss aufgestellt Theorie, sondern das ist ein Fakt. Von August 1998 bis September 1998 wurde das Handy von Thomas M., ehemals Starke, überwacht. In den Akten, die wir im Untersuchungsausschuss haben, sind Teile der SMS, die damals eingingen und ausgingen, noch enthalten. Thomas Starke ist einer der Hauptunterstützer des untergetauchten NSU-Kerntrios gewesen. Die Kontakte reichen zurück bis in die Mitte der 90er-Jahre. Der Sprengstoff, der von den dreien bereits in Jena in unterschiedlichen Ebenen in Form von Sprengstoffkoffern, in Form von Briefbombenattrappen, die an die Lokalzeitung gingen, verteilt wurde, stammte von Thomas Starke. Dessen Handy wird ein halbes Jahr nach Untertauchen der drei überwacht und auf diesem Handy geht folgender SMS-Verkehr ein: „Könnten wir Waschmaschine, Herd, Tisch u. a. für unsere ‚neue Wohnung‘ borgen? Verkaufen kannst du es dann ja immer noch. Max.“ Max ist nicht irgendwer. Max ist derjenige, bei dem Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in den ersten Wochen und Monaten ihres Untertauchens leben. Starke antwortet auf diese SMS: „Waschmaschine ist verkauft. Herd geht nicht, muss bei Wohnungsabnahme da sein, Tisch geht. Was noch? Erkläre mal genauer.“ Und wiederum Burkhardt antwortet: „Alles, was man für Wohnung braucht, z. B. Töpfe, Besteck, Kühlschrank, Campingherd. Meine Waschmaschine muss erstmal herhalten, meine Matratzen gehen mit. Max.“ Starke fragt nach: „[...] Wo bekommst du eine Wohnung?“ Und Burkhardt antwortet: „Nicht am Telefon.“ Und Starke bestätigt das, indem er sagt: „Habe ich nicht gemeint. Richtig Treffen. [...]“ Wenn man diese SMS damals ausgewertet hätte, wäre man darauf gekommen, dass gerade eine Wohnungseinrichtung und eine Wohnung für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe organisiert werden. Es gibt aber weitere SMS. Es gibt mehrere SMS in diesen Protokollen, die uns noch vorliegen. Auch hier geht die SMS diesmal von Thomas Starke an Max: „Bist du beim Grillen vom Geburtstagskind? Alles Gute von mir, du weißt Bescheid, [...].“ Max antwortet: „Aber, aber Verwarnung. Probst hatte doch gestern schon. [...]“ Es ist richtig, dass Probst, ein weiterer Unterstützer, am Tag vorher Geburtstag hatte. Wer allerdings an dem Tag, als die SMS eingeht, Geburtstag hat, ist Uwe Mundlos. Auch das hätte man bei Auswertung der damaligen SMS feststellen

können. Mit Auswertung hätte man festgestellt, wo die drei sich aufhalten, bei wem sie sich aufhalten, und man hätte sie dort festnehmen können. Das ist nicht erfolgt. Das ist nicht erfolgt durch die Polizei. Das ist aber auch nicht erfolgt durch andere Informationen, die dem Thüringer Verfassungsschutz vorlagen, dem Sächsischen Verfassungsschutz vorlagen, dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorlagen, dem Brandenburger Verfassungsschutz vorlagen. So kommt der Untersuchungsausschuss folgerichtig dazu, zu sagen, dass dem Thüringer VS Informationen über Geldbeschaffung für die drei vorlagen, der Thüringer VS selbst Geld für die Unterstützung der drei gegeben hat, dass dem Thüringer VS aber auch Informationen vorlagen, dass die drei sich ab 1998 bewaffneten, dass sie vorhatten, diese Waffen auch einzusetzen und dass sie Erkenntnisse hatten, wo die drei sich aufhalten. Ebenso wussten sie, wer sie unterstützt und aus welchem ideologischen Umfeld die Unterstützerinnen und Unterstützer kommen, dem militanten „Blood&-Honour“-Spektrum mit dem bewaffneten Arm „Combat 18“. Dass das Prinzip „Quellenschutz vor Strafverfolgung“ oder, um es konkreter zu machen, „Quellenschutz vor Opferschutz“ und die mangelnde Auswertung, die mangelnde Analyse, die mangelnde Informationszusammenstellung am Ende dazu beigetragen haben, dass zehn Menschen getötet werden konnten, dass die Möglichkeiten, die vorhanden waren, es zu verhindern, nicht genutzt wurden, ist für mich nur damit erklärbar, dass es keine wirkliche Kenntnis in den damaligen Sicherheitsbehörden über die Strukturen der rechten Szene gegeben hat und über die Gefährlichkeit und dass insbesondere keine Kenntnis über die Ideologie der rechten Szene vorhanden war. Hätte man die Ideologie richtig bewertet und erfasst und sie nicht nur als Theorie verstanden, sondern endlich festgestellt, dass aus dieser Ideologie eben Taten folgen, hätte man gegebenenfalls das „Blood-&-Honour“-Netzwerk in Thüringen und auch in Sachsen detaillierter unter die Lupe genommen und dort genau diejenigen festgestellt, die man suchte.

„Blood & Honour“ schreibt ganz offen in einer Veröffentlichung: „Wir sind bestrebt, die weiße Rasse zu erhalten und Zuwachs zu schaffen, so also unseren Kindern, oder anders ausgedrückt unseren Nachkommen, eine weiße Zukunft, in einer weißen Welt übergeben zu können, oder ihnen wenigstens den Weg dahin bereiten.“ In derselben Ausgabe, so weiß man heute, schreibt Uwe Mundlos aus dem Untergrund heraus. Frau Marx hat schon darauf hingewiesen, dass man in der Garage 1998 eine Ausgabe eines dieser „Blood-&-Honour“-Magazine gefunden hat. Durch die damaligen Polizeibehörden ist erklärt worden – und übrigens auch durch

den Rechtsextremismusexperten des Bundeskriminalamts, der hinzugezogen wurde –, das sei alles nicht relevant. Und genau diese Fehl-Erkenntnis führt dazu und hat dazu beigetragen, dass die Ideologie nicht gesehen wurde oder nicht gesehen werden wollte und dass eben in der Konsequenz die Umsetzung dieser gar nicht erfasst werden konnte.

Wir haben im letzten Untersuchungsausschuss im Nachgang vollkommen richtig festgestellt, dass das Problem Rassismus heißt. Das Problem heißt aber nicht nur Rassismus, sondern das Problem heißt auch, die mörderische Ideologie der White Supremacy, der weißen Vorherrschaft, die mit rassistischen Taten und mit rassistischen Aktivitäten versucht, diese Gesellschaft vom Kopf auf den Fuß zu stellen, die Demokratie abzuschaffen und die dafür sowohl Vertreter und Vertreterinnen der Parlamente, aus Polizei, aus anderen Behörden als Feindbild markiert, aber eben auch Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen, die vermeintlich nicht deutsch wären. Wenn es uns nicht gelingt, endlich zu erkennen, dass diese Ideologie maßgeblich verantwortlich ist und dass diese Ideologie übrigens nicht nur in der eindeutig extremen Rechten vorhanden ist, sondern mittlerweile ihre Verbindungen zur sogenannten neuen Rechten zieht und dort Feuer bekommt für die Umsetzung der Taten, dann wird es uns nicht gelingen, derartige Morde wie die des NSU zukünftig zu verhindern.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um Ihnen nur ein Beispiel zu bringen, dass es eben nicht nur um die Vergangenheit geht: Seit gestern findet in Chemnitz der Prozess gegen die mutmaßlich rechtsterroristische Gruppierung „Revolution Chemnitz“ statt. Der Prozess wird über 70 Tage dauern, er ist bis April 2020 angesetzt. Diejenigen, die dort angeklagt sind, planten und beabsichtigten Menschen umzubringen, weil sie eine andere Hautfarbe haben, weil sie aus der mörderischen Ideologie angeblich nicht hierher gehören und weil sie bereit sind, diese Ideologie auch in die Tat umzusetzen. Unterstützung erfahren derartige Gruppierungen wie „Revolution Chemnitz“ eben auch durch eine Partei, die mittlerweile in fast allen Parlamenten vertreten ist. Es ist endgültig an der Zeit für eine komplette Ausgrenzung, Stigmatisierung, nicht nur der extremen Rechten, sondern auch der AfD,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wenn wir wollen, dass Rassismus und White Supremacy endgültig abgeschafft und durch uns beendet werden können. Danke schön.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Für die SPD hat Frau Abgeordnete Pelke das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ganz besonders, liebe Angehörige und Opfervertreter! Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie heute hier sind und die Diskussion verfolgen. Und ich darf Ihnen eins versprechen: Wir werden nicht vergessen, wir werden weiter aufarbeiten.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einige wenige Sätze noch kurz zu Herrn Kellner, der noch mal das Thema der Zeugen angesprochen hat, die sich teilweise nicht erinnern wollten. Ich will Ihnen noch mal ganz deutlich an dieser Stelle sagen: Die Beweggründe dafür, dass sich jemand nicht erinnern will und nicht aufklären will, müssen aufgearbeitet werden. Und es muss nachgefragt werden, warum es so ist. Das hat bitte nichts mit einem Generalverdacht gegen alle Behördenvertreter zu tun, wo es viele gab, die mithelfen wollten. Das noch mal zur Klarstellung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten möchte ich mich den Dankesworten der Vorsitzenden Marx anschließen und auch all denen danken, die sie bereits aufgelistet hat. Und ich möchte mich auch noch mal bei den Fraktionskolleginnen und -kollegen, insbesondere von Rot-RotGrün und der CDU, bedanken, also bei den demokratischen Parteien.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als ich 1994 hier in diesem Landtag meine Arbeit begonnen habe, war unter anderem Rechtsextremismus schon damals mein Thema, speziell im Jugendbereich. Und es gab damals auch schon ganz schlimme Entwicklungen. Keiner konnte aber damals ahnen, was noch an furchtbaren Verbrechen offenkundig wird. Und so war es dann schlussendlich auch notwendig, dass in der vergangenen Legislaturperiode der Untersuchungsausschuss 5/1, NSUUntersuchungsausschuss, eingerichtet worden ist und wir uns hier mit der Aufarbeitung und mit den Fragen, was denn geschehen war und warum was geschehen war, beschäftigt haben.

Es war dann auch notwendigerweise eine richtige Folgeentscheidung, den Untersuchungsaus

schuss 6/1 einzurichten. Dankenswerterweise hat das dieser Landtag getan, weil die Ergebnisse des letzten Untersuchungsausschusses 5/1 Defizite aufgezeigt haben und die Möglichkeit von Kooperationen der rechtsextremen Szene mit der organisierten Kriminalität nahelegten. Diese Facetten waren aber nicht durch den damaligen Einsetzungsbeschluss abgedeckt. In den Untersuchungen des ersten Ausschusses wurden die Mängel im Einsatz von menschlichen Quellen offenbar. Daher wurde formal der weitere Untersuchungsausschuss nötig, um eben diese Zusammenhänge zu beleuchten. Davon unabhängig bin ich aber auch persönlich der Auffassung, dass die Aufarbeitung einer Fortsetzung bedurfte, denn die Todesumstände am 4. November 2011 und der schnelle Abtransport des Wohnmobils haben nicht nur bei mir Zweifel aufkommen lassen, ob denn die Behörden tatsächlich nach Vorschrift vorgegangen sind oder eben andere Erwägungen eine Rolle spielten. Dafür sprachen auch verschiedene Aussagen couragierter Polizeibeamter, die ihr Wissen dem Untersuchungsausschuss offenbart haben. Daneben gab es auch durch journalistische Recherchen Hinweise auf Unterstützerstrukturen. Denn die von der Generalbundesanwaltschaft vertretene These, nur die drei Personen, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, seien verantwortlich für die Taten, hat nicht in die ersten Ergebnisse des Ausschusses gepasst, nach denen eine deutlich engere Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen, rechtsextreme und kriminelle, wahrscheinlich war.

Jetzt am Ende der Untersuchungsausschussarbeit hat sich die Notwendigkeit auch bestätigt. Die Aufarbeitung des 4. November, die in dem Zusammenhang durchgeführten polizeilichen Maßnahmen und die Ermittlungen waren mit Fehlern behaftet, die nicht nur das Handeln einzelner Personen betreffen, sondern eben auch strukturelle Defizite in der polizeilichen Arbeit aufzeigten. Statt einer durchgängigen Tatortarbeit gab es Phasen mit teils langen Pausen und dazu mit unterschiedlichem Personal. Und statt auf die Expertise der eingesetzten Beamten vor Ort zu hören und das BKA mit einzubeziehen, wurde der Tatort wie eine Trophäe behandelt und nach außen abgeschottet.

Ebenso war die Arbeit des Verfassungsschutzes hinsichtlich der Beobachtungsobjekte aus der rechten Szene und der organisierten Kriminalität geprägt von unzureichender Verknüpfung der verschiedenen beschafften Informationen und stattdessen einem Schubladendenken. Einzelinformationen wurden nicht zu einem zusammenhängenden Bild zusammengefügt, es fehlte schlicht an einer tiefer gehenden Analyse der jeweiligen Erkenntnisse.

(Abg. König-Preuss)

Deswegen noch mal ein Satz zum Thema „Verfassungsschutz“. Wir Sozialdemokraten stehen nun nicht gerade im Verdacht, den Verfassungsschutz abschaffen zu wollen, aber es muss doch klar festgestellt werden: Wenn verschiedenste Personen vor sich hin arbeiten, einen Bericht verfassen, ihn möglicherweise auch noch unterschreiben lassen und dann legt jeder den jeweiligen Bericht in irgendeine Schublade und es wird überhaupt nichts zusammengeführt, was möglicherweise ein Gesamtbild erkennen lassen würde, dann kann es auch zu keinen Erkenntnissen kommen. Ich glaube, das ist auch das, was Kollegin König-Preuss eben gesagt hat. Dann ist eben die Frage, inwieweit eine solche Arbeit notwendig ist oder ob da nicht anders strukturiert werden müsste.

Im Untersuchungsausschuss 6/1 wollten wir Aufklärung wegen des Abtransports des Wohnmobils, wir wollten Aufklärung wegen der Todesumstände von Michèle Kiesewetter. Wir wollten aber vor allem wissen, wie es sein konnte, dass trotz der vielen menschlichen Quellen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 13 Jahre lang im Untergrund unentdeckt verschwinden und ihre Taten planen und durchführen konnten.

Tino Brand war eine der treibenden Kräfte in der rechtsextremen Szene. Er war V-Person des Landesamts für Verfassungsschutz. Es bestand der begründete Verdacht, dass nicht nur dieser in die Unterstützung des Untertauchens involviert war und die Thüringer Beamten davon Kenntnis hatten oder hätten haben können und diesen Erkenntnissen nicht nachgingen.

Aus all diesen Gründen ist für mich, für meine Fraktion und ich denke auch für Rot-Rot-Grün der Fall NSU lange noch nicht aufgeklärt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Untersuchungsausschuss 6/1 hat gezeigt, dass der Einsatz von V-Personen und menschlichen Quellen im Polizei- und Verfassungsschutz Probleme aufwirft, angefangen bei rechtlichen Grundlagen, auf denen ein solcher Einsatz fußt bis hin zum tatsächlichen Einsatz. Das ist Auftrag und Verpflichtung für die nächste Legislatur, hier tätig zu werden.

Wir haben leider auch feststellen müssen, dass Kooperationen zwischen den Behörden und der Informationsaustausch innerhalb der betreffenden Behörde selbst nicht den Stand hatten, den wir uns in unserer Zeit wünschen würden, weil zum Beispiel Informationen nicht mit anderen relevanten Informationen des betroffenen Bereichs verknüpft wurden und so – ich hatte es eben schon angesprochen – kein komplettiertes Gesamtbild entsteht. Da

mit werden eben Beamte nicht in die Lage versetzt, adäquat eine Gefahreneinschätzung oder gar Gefahrenabwehr abzugeben bzw. aufzubauen.

Bei all dem, was festgestellt worden ist, konnten wir trotzdem nicht gänzlich aufklären. Wir sind an Grenzen geraten und wir brauchen andere Bedingungen, um weiter aufzuklären. Dass es gemeinsame Empfehlungen von den demokratischen Fraktionen in dem Bericht gibt, darüber bin ich sehr froh, aber es gab auch weitere Empfehlungen der anderen Fraktionen. Ich will mich auf die Empfehlungen der Abgeordneten von Rot-Rot-Grün noch mal kurz konzentrieren.

Wir haben unter anderem auch noch mal festgehalten, dass die Auswertung von Altfällen ein wesentlicher Punkt ist. Der Thüringer Landtag hat am 9. November 2018 eine wissenschaftliche Überprüfung von sieben in zivilgesellschaftlichen Statistiken als rechts motiviert geführten Tötungsdelikten sowie zweier weiterer Todesfälle durch die Landesregierung erbeten, um die Anpassung der Statistik staatlich anerkannter Todesopfer rechter Gewalt in Thüringen vorzunehmen. Wir empfehlen an dieser Stelle – und das auch ganz deutlich – eine zügige Umsetzung dieses Beschlusses und die Vergabe des Prüfauftrags noch in diesem Kalenderjahr.