Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren der CDUFraktion, es stimmt: Der Koalitionsvertrag ist mit dem Landeshaushalt 2015 noch nicht in Gänze umgesetzt. Aber wir gehen erste Schritte, vielleicht Schritte, die dem einen oder der anderen noch zu kurz erscheinen, dem Flüchtlingsrat Thüringen beispielsweise, der neuerdings mit seinen Forderungen sogar in den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände zitiert wird, ein noch vor zwei Jahren undenkbares Ereignis und ein Fortschritt, den ich unter anderem dem flüchtlingspolitischen Wirken der Koalition zuschreibe. Der Flüchtlingsrat Thüringen beispielsweise ist noch nicht zufrieden, wenn es um den Betreuungsschlüssel geht. Aber wenigstens stimmt bei unseren Schritten, die wir gehen, die Richtung und das ist das Neue an einer Debatte zum Thüringer Landeshaushalt.

Aus den Reihen Ihrer Fraktion zum Beispiel publizierte Pressemitteilungen wie letzte Woche zur finanziellen Absicherung der psychotherapeutischen Behandlung traumatisierter Flüchtlinge halte ich in diesem Zusammenhang für nicht qualifiziert, sondern für reine Profilierungspolemik, gerade wenn Sie von einer Abgeordneten kommt, die jetzt zwar nicht im Raum ist, die ich aber ansprechen möchte, die den repressiven Kurs jahrelang gern mitgetragen hat – Frau Meißner nämlich.

(Beifall DIE LINKE)

Ich halte das für eine Profilierungspolemik auf dem Rücken der betroffenen Menschen, die Ihnen in den Jahren Ihrer Regentschaft eben nicht – lange nicht – so wichtig waren, wie Sie das jetzt vorgeben. Und ich kann Ihnen versichern: Wir werden auch in diesem Punkt unseren Koalitionsvertrag erfüllen.

Das unterschiedliche Verständnis seitens der Regierungskoalition auf der einen und der CDU-Fraktion auf der anderen Seite in Fragen der Resozialisierungsfunktion des Strafvollzugs und der Nachbetreuung wird am genau gegensätzlichen Umgang mit dem Mittelansatz für die Bewährungs- und Straffälligenhilfe deutlich, meine Damen und Herren. Während Rot-Rot-Grün nach Signalen aus der Praxis wegen des ungedeckten Bedarfs und nicht zu bewältigenden Arbeitsandrangs gegenüber dem Haushaltsansatz 2014 deutlich Mittel aufgestockt hat – nämlich auf 500.000 Euro –, schlägt die CDU vor, die Mittelaufstockung wieder um mehr als die Hälfte, nämlich um 100.000 Euro zurückzufahren. Hier empfehle ich Ihnen, Herr Kowalleck oder auch Herr Scherer, sich mal mit den Mitgliedern Ihrer Fraktion in der Strafvollzugskommission zu unterhalten und ernst zu nehmen, was die Abgeordneten

Floßmann, Lehmann und Schulze über den Stand der Umsetzung des Justizvollzugsgesetzbuchs zu berichten wissen, und wie notwendig die Straffälligenhilfe gebraucht wird, meine Damen und Herren.

Dass Aus- und Weiterbildung bzw. Qualifizierung auch und gerade während der Haft ein wichtiger Baustein für eine langfristig wirksame Resozialisierung sind, müsste nach der ausgiebigen Fachdiskussion um das Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch eigentlich auch bei der CDU angekommen sein, zumal die damit befassten Fachpolitiker, wie zum Beispiel Herr Scherer, keine Neulinge in der CDU-Fraktion sind. Dennoch soll – so die CDU – wie in Zeiten früheren Verwahrvollzugs ausgerechnet am Mittelansatz für diese Bildungsmaßnahmen gespart werden. Wir lehnen das ab.

Ähnlich ist es mit dem Änderungsantrag zu den Therapiekosten im Rahmen der Bewährung, und das, obwohl sicherlich auch der CDU bekannt ist, dass immer mehr straffällig gewordene Menschen auch ein Sucht- oder Drogenproblem haben bzw. darin in nicht wenigen Fällen auch eine Ursache der Straffälligkeit liegt.

Noch ein kurzer Blick auf den Teilbereich des Verbraucherschutzes. Hier will die rot-rot-grüne Koalition neben der bereits durch das Ministerium im Entwurf vorgenommenen Aufstockung bei den Zuschüssen für den Verbraucherschutz die Verbraucherinsolvenzstellen finanziell stärken, mit dem Blick auf ihre Präventionsfunktion zum Beispiel, aber auch mit dem Blick auf die langen Wartezeiten bei den Beratungsstellen, die wir für problematisch halten.

Was den CDU-Änderungsantrag zur sogenannten kommunalen Entlastungspauschale betrifft, habe ich hier mal den Duden bemüht, um nichts Falsches zu behaupten und mir einen Ordnungsruf von der Präsidentin einzuhandeln. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, ist reiner Populismus. Ich zitieren aus dem Duden: „Populismus ist eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen.“

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Das hören die Kommunen gern!)

Und genau das ist es, was Sie mit diesem Antrag machen und was auch die kommunalen Spitzenverbände machen. Sie nehmen eine Dramatisierung der politischen Lage vor. „Dramatisierung“ im Duden übrigens: „etwas aufregender, schlimmer oder bedeutungsvoller darstellen, als es eigentlich ist“, es ist also ein Synonym für Lügen.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Das zu hö- ren, freut sie bestimmt!)

„Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern“ so lautet der genaue Titel des Gesetzes, aufgrund dessen Thüringen für 2015 und 2016 13 Millionen Euro vom Bund erhält.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: 26!)

Sie wissen erstens genau, dass Thüringen bereits 95 Prozent der Mittel an die Kommunen durchreicht, dass spitz abgerechnet wird. Und Sie wissen genau, dass der Titel – das haben Sie weggelassen, Herr Scherer – aufgrund der Finanzierungspolitik von – ich meine – vier Bundesländern, darunter nämlich der Freistaat Thüringen, die bereits den Großteil der Mittel weiterreichen, deswegen im Bundesrat geändert wurde und der Zweck des Gesetzes nun im Titel als „Entlastung von Ländern und Kommunen“ benannt ist. Sie stellen die Lage also aufregender und schlimmer dar, als sie eigentlich ist, und zwar um die Gunst der Massen, nämlich der Kommunen und auch der besorgten Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen, und zwar im Hinblick auf Wahlen. Damit fischen Sie auch in Reihen, in denen Sie meines Erachtens nicht fischen sollten. Wenn Sie ehrlich wären, dann hätten Sie direkt nach der Berichterstattung des Ausschussvorsitzenden Herrn Abgeordneten Reinholz, der heute Morgen berichtet hat, die Mittel würden an die Kommunen weitergereicht, diesen Antrag zurückziehen müssen.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Ich denke nicht daran!)

Meine Damen und Herren, zu den rassistisch motivierten Änderungsanträgen von der rechtspopulistischen Seite – hier musste ich nicht nachschlagen – hier im Plenarsaal muss ich tatsächlich zugeben,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Kein Ord- nungsruf?)

dass ich verwundert bin darüber, dass nicht einmal versucht wurde, die rassistische und menschenverachtende Motivation dieser Anträge zu verschleiern, sondern dass Sie das tatsächlich als Begründung so deutlich formuliert haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich kann nur davor warnen, dass,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wir sind nicht rassistisch, Sie sind einfach doof!)

fänden diese und die dahinterliegende menschenverachtende Ideologie …

Herr Brandner, bis jetzt habe ich mich schwer zurückgehalten. Es war in den allgemeinen Ausführungen. Ordnungsrufe gibt es, wenn eine Person

persönlich angegriffen wird, und den kriegen Sie jetzt, Herr Brandner, weil Sie gesagt haben, die Abgeordnete Berninger ist „doof“.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Dabei blei- be ich auch!)

Und das war auch eine ganz objektive Lüge, muss man sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Abgeordnete, Entschuldigung. Herr Abgeordneter Brandner, ich verwarne Sie, wenn Sie heute, an diesem Tag noch mal diesen Jargon hier anwenden, verweise ich Sie des Saales.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur davor warnen, dass, fänden diese und die hinter diesen rassistischen Änderungsanträgen liegende menschenverachtende Ideologie in Thüringen eine Mehrheit, uns dies teuer zu stehen käme. Thüringen verlöre nicht nur seine Menschlichkeit, Thüringen verlöre auch seine Zukunft.

Ich möchte am Ende meiner Rede noch einen Dank an Herrn Minister Lauinger und Frau Staatssekretärin Dr. Albin und auch die Ministerinnen Dr. Birgit Klaubert und Heike Werner loswerden für den vorgelegten Haushaltsplanentwurf, aber auch für die lösungsorientierte Debatte zu unseren, gerade auch den flüchtlingspolitischen Änderungswünschen. In diesen Dank schließe ich die Haushälter der Koalitionsfraktionen sehr gern mit ein.

Meine Damen und Herren, es ist noch nicht alles umgesetzt, was mir persönlich und sicherlich auch meinen flüchtlingspolitischen Kolleginnen der Koalition am Herzen liegt, aber für den Doppelhaushalt 2016/2017 bin ich sehr optimistisch. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion der SPD hat sich die Abgeordnete Lehmann zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, meine Vorrednerin hat es bereits gesagt. Die Erstellung dieses Haushalts war eine Herausforderung und trotzdem möchte ich noch mal sagen, dass der vorgelegte Haushaltsentwurf

(Abg. Berninger)

ein deutlicher Schritt zur Verbesserung in der Migrations- und Justizpolitik ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ich würde das gern an einigen Beispielen ausführen. Zum Beispiel ist uns die Modernisierung der Justiz ein ganz zentraler Punkt. Wir werden in dem Bereich neue Investitionen vornehmen, unter anderem zum Beispiel zur Verbesserung und zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs. Das ist ein wesentliches Ziel, das wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, dass wir bis 2020 flächendeckend elektronischen Rechtsverkehr möglich machen wollen. Dafür werden wir in Fachanwendungen investieren, damit neue Hard- und Software gekauft wird und hier auch Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger erzielt werden können.

Wir wollen außerdem, und das ist ein anderes Beispiel, gemeinsam mit den Kollegen in Sachsen eine JVA in Zwickau aufbauen, weil das auch ein Beispiel dafür ist, wie man Justizvollzug modernisieren kann, aber auch ein Beispiel dafür, wie länderübergreifende Kooperationen sinnvoll gemacht werden können. Wir wollen damit einen Beitrag dazu leisten, dass Thüringen eine zukunftsfähige Justiz hat.

Eine besondere Herausforderung in dem Haushaltstitel ist allerdings, und da sind wir uns – glaube ich – einig, die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Das hat zum einen damit zu tun, dass wir einen Anstieg der Flüchtlingszahlen haben und damit eben schlicht und ergreifend auch mehr Mittel notwendig sind, weil wir Menschen, die aufgrund von Krieg, von Folter, von Diskriminierung, von Ausgrenzung ihre Heimat verlassen müssen, hier ihr Recht auf Asyl gewähren wollen und weil wir ihnen Schutz geben wollen, solange sie das brauchen, und wir sie hier willkommen heißen wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Zu einer Willkommenskultur gehört es eben auch, dass wir Menschen ausreichend und gute Unterbringung und Betreuung ermöglichen müssen, und dass hier Investitionen notwendig und richtig sind, das ist ja zumindest für einen Großteil der Abgeordneten hier im Saal unstrittig.

Ein Teil der Wahrheit ist, dass es auch deswegen so ein großes Thema ist, weil das in den vergangenen Jahren vom CDU-geführten Innenministerium schlicht und ergreifend nicht ernst genug genommen und vernachlässigt wurde und weil wir hier jetzt aufarbeiten müssen, was in den vergangenen Jahren versäumt wurde.

(Beifall DIE LINKE)

Nichtsdestotrotz haben wir einige Änderungsanträge zum Haushalt und darauf würde ich jetzt gern noch mal eingehen, denn die Mehrausgaben, die wir aus dem Flüchtlings- und Asylbereich zum Beispiel haben, nutzen wir momentan überwiegend

zum Ausbau von Infrastruktur zur Unterbringung. Das hat zunächst erst mal gar nicht so furchtbar viel mit Qualität zu tun, sondern einfach damit, dass wir mehr Flüchtlinge unterbringen müssen und damit auch mehr Plätze zur Verfügung stellen müssen. Uns ist aber auch wichtig, dass es qualitative Verbesserungen in der Flüchtlingsarbeit gibt. Deswegen wollen wir zum Beispiel 500.000 Euro mehr für die Verbesserung des Betreuungsschlüssels für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Hier wurde sich heute schon mal relativ abfällig über diese Personengruppe geäußert. Ich möchte an der Stelle noch mal sagen, dass die eine ganz wichtige Arbeit gerade in der Flüchtlingsbetreuung übernehmen und dass wir in der Absenkung des Betreuungsschlüssels von eins zu einhundert, der möglicherweise immer noch nicht sachgerecht ist, aber eben eine deutliche Verbesserung zum bisherigen Stand, einfach einen wichtigen Punkt sehen und dass wir uns auch genau deswegen dafür eingesetzt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen außerdem eine Stärkung der Beratungsund Netzwerkarbeit, indem wir zum Beispiel den Thüringer Flüchtlingsrat mit zusätzlichen 90.000 Euro einbringen. Wir wollen außerdem, dass wir eine stärkere Förderung in der dezentralen Unterbringung durch die Veränderung der Investitionspauschale erreichen können. Das ist ein Anfang von dem, was wir machen wollen. Es ist sicherlich noch nicht alles. Das wird in den kommenden Haushaltsberatungen auch noch mal eine Rolle spielen. Ich möchte aber noch mal sagen, dass der Migrationsbereich ein sehr, sehr sensibler Bereich ist, auch wenn wir über den Haushalt sprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob jede Parlamentarierin und jeder Parlamentarier hier in diesem Hohen Haus das verstanden hat.