Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Zuerst aber noch zu den direkten Justizthemen. Justizthemen deshalb, weil wir zur Gegenfinanzierung der von uns zur Aufnahme in den Haushalt beantragten kommunalen Dividende von 24 Millionen Euro auch Titelkürzungen im Justizhaushalt vorgeschlagen haben. Kommunale Dividende heißt, Landeszuweisungen für die Kommunen sollen 2015 ebenso hoch wie 2014 bleiben und dafür muss die Finanzausstattung der Kommunen um 24 Millionen Euro aufgestockt werden, was im Haushalt der Regierung eben nicht vorgesehen ist.

Für den Justizhaushalt will ich nur die großen Brocken bei den Einsparungen dafür erwähnen: zum Beispiel eine Kürzung des Titels 632 72 – Kosten der Unterbringung Gefangener in Justizvollzugsanstalten anderer Länder mit 1,12 Millionen Euro –, die sind aus unserer Sicht zu kürzen. Hier waren 2014 1,28 Millionen Euro angesetzt, ausgegeben worden sind 684.000 Euro, und jetzt sind für 2015 2,4 Millionen Euro angesetzt, eine offensichtliche Luftnummer. Die vorgesehene Erhöhung bei den Zuschüssen für den Verbraucherschutz nehmen wir mit 200.000 Euro wieder zurück, ebenso 100.000 Euro von 150.000 Euro

vorgesehener Erhöhung beim Titel 538 69 – Ausgaben für sonstige Dienstleistungen. Es bleiben dann in dem Titel immer noch mehr, als 2014 ausgegeben wurde. Schließlich als Beispiel noch eine Kürzung um 100.000 Euro beim Aufwuchs für Maßnahmenträger für berufliche Bildung der Gefangenen; das ist der Titel 671 73. Hier steht einem Ist 2014 von 272.000 Euro ein derzeitiger Ansatz von 400.000 Euro gegenüber. Auf die weiteren Kürzungsvorschläge gehe ich wegen der begrenzten Zeit nicht weiter ein. Nur als Beispiel noch 19.000 Euro Kürzung aus unserer Sicht für rechtswissenschaftliche Symposien. Da war bisher auch der Ansatz wesentlich niedriger. Das braucht man in dieser Höhe nicht. Wie gesagt, das sind im Einzelplan 05 vorgesehene Kürzungen von uns zur teilweisen Gegenfinanzierung der kommunalen Dividende von 24 Millionen Euro.

Damit kann ich dann direkt an einen uns sehr wichtigen Punkt für die Kommunen anschließen, an den von uns eingebrachten Antrag „Kommunen entlasten und Schuldentilgung erhöhen“. Wir beantragen, den Haushalt dahin zu ändern, dass ein neuer Titel im Kapitel 05 02 ein neuer Titel ausgebracht wird, der Titel 613 72 – Kommunale Entlastungspauschale – mit einem Ansatz von 26 Millionen Euro.

Wir sind damit beim Thema enorm ansteigender Aufwendungen der Kommunen im Asylbereich. Wir alle wissen, dass die Anzahl der Asylantragsteller stark zugenommen hat und noch weiter steigen wird. Das führt unbestritten auch zu höheren Aufwendungen für das Land, das den Kommunen Kosten nach der Flüchtlingskostenerstattungsverordnung zu ersetzen hat. Aber, das wissen wir auch alle, die sich im Asylbereich auskennen, damit waren bisher schon die Kosten der Kommunen nicht gedeckt. Durch die ansteigenden Asylbewerberzahlen steigen diese ungedeckten Kosten der Kommunen exorbitant an. Dabei verschärft die Landesregierung die Situation noch dadurch, dass sie erklärtermaßen ihre Abschiebepflichten nicht erfüllen will, sondern stattdessen den Bund um Geld bittet.

(Beifall AfD)

Ja, so ist es.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Polemisch!)

Und der Bund will hier auch tatsächlich helfen. Aber eben nicht dem Land, er will den Kommunen helfen, und zwar mit einer Entlastung von 500 Millionen Euro, die schon Gesetzesform hat und mit einer durch die Bundesregierung als Ergebnis des Asylgipfels vor ein paar Tagen zugesagten Verdoppelung dieses Betrags auf 1 Milliarde Euro. Damit sollen die Thüringer Kommunen im Asylkostenbereich mit insgesamt 26 Millionen Euro entlastet werden. Im Entwurf des Bundesgesetzes ist dazu Folgendes festgehalten – und ich darf daraus zitie

ren –: „Die Länder haben eine entsprechende Weitergabe der vom Bund erhaltenen Mittel an die Kommunen zugesagt, soweit die Kommunen Kostenträger bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern sind.“ Das findet sich in der Gesetzesbegründung unter V dem Wortlaut nach ebenso wieder. Deshalb fordern wir, dass diese am 11.12.2014 zwischen dem Bund und den Ländern getroffene Vereinbarung auch eingehalten wird und die Hilfe des Bundes direkt und ohne Kürzung an die Kommunen weitergereicht wird.

(Beifall CDU)

In der gemeinsamen Pressemitteilung von Thüringischem Landkreistag und Gemeinde- und Städtebund vom 16.06.2015 wird genau dies ebenso gefordert. Ganz richtig sehen die Verbände, dass nach dem Regierungshaushalt Folgendes passiert, und ich zitiere aus der Pressemitteilung des Thüringischen Landkreistags und des Gemeinde- und Städtebunds: „Dieser Zusage kommt der Freistaat Thüringen nicht nach, sondern verwendet diesen Betrag zur Verbesserung der eigenen Haushaltssituation.“ Genauso ist es im Haushalt auch vorgesehen. War das bisher bei 13 Millionen Euro schon unerträglich, wird es zum Skandal, wenn das Land auch noch die weiteren 13 Millionen Euro für sich vereinnahmen will. Was sind Vereinbarungen der Länder mit dem Bund noch wert, wenn sich Thüringen nicht daran zu halten gedenkt?

(Beifall CDU)

Aber es ist typisch für die Landesregierung und die Regierungskoalition, große Sprüche zu machen, wenn es um die menschenwürdige Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern geht. Andere Länder schaffen Fakten und leiten dieses Geld des Bundes eins zu eins an die Kommunen weiter, so zum Beispiel Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Rheinland-Pfalz.

(Beifall CDU)

Thüringen gibt keinen Cent an die Kommunen weiter. Landesregierung und Regierungsparteien benehmen sich hier wie ihre Kollegen in Griechenland. Zusagen werden einfach nicht eingehalten.

(Beifall CDU)

Man kann hier große Reden gegen Gemeinschaftsunterkünfte und für Einzelunterbringung halten und den erheblichen Aufwand, den Mehraufwand für die Kommunen dann schlicht negieren.

Herr Abgeordneter Scherer, der Abgeordnete Kuschel möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Wenn hinterher noch Zeit ist. Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund und die CDU-Fraktion sind sich völlig einig: Es gibt nicht nur den Anspruch der Kommunen auf Durchreichung der 26 Millionen Euro, es gibt die dringende Notwendigkeit hierzu, wenn wir dem Anspruch auf menschenwürdige Unterbringung und Betreuung gerecht werden wollen. Also, liebe Mitglieder der Koalitionsfraktionen, springen Sie über den Schatten und stimmen Sie für unseren Antrag und damit für die Flüchtlinge und Asylbewerber in unserem Land und lassen Sie nicht wahr werden, was Herr Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, sagte – und da darf ich ihn wieder zitieren –, er sagte: „Wir kennen leider die klebrigen Hände vieler Länderpolitiker.“

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ja, da kennt ihr euch ja aus! Ihr habt es ja selber gemacht!)

Nein, wir reden jetzt von euch, nicht von uns.

(Beifall CDU)

Wir reden von 26 Millionen Euro, die das Land für sich vereinnahmen will, obwohl es der Bund ausdrücklich für die Kommunen zur Verfügung gestellt hat,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So ein fachli- cher Quatsch!)

und dem das Land Thüringen auch zugestimmt hat und sich jetzt einen Teufel darum schert. Genau darüber reden wir.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist ein intellektueller Unfug, den Sie hier ver- anstalten!)

Wenn Sie schon am Springen sind, dann können Sie gleich noch mal springen und einen Missstand beseitigen, der für 2015 letztlich nichts kosten würde und auch danach jährlich nur ein paar Tausend Euro kostet. Wir hatten noch dafür gesorgt, dass die Justizwachtmeister vom einfachen Dienst in den mittleren Justizdienst eingestuft werden. Im Haushalt findet sich deshalb zu Recht im Stellenplan bei 05 04 die Streichung der Stellen im einfachen Dienst und der Ausweis von 187 Stellen in A 6 des mittleren Dienstes. Was dabei übersehen wird, ist, dass es jetzt keinerlei Stufung in diesem Bereich mehr gibt, das heißt, der bisherige Leiter einer großen Justizwachtmeisterei mit zum Beispiel 20 Beschäftigten wird zukünftig in derselben Gehaltsstufe entlohnt wie der gerade neu eingestellte Beschäftigte in der Wachtmeisterei. Zumindest für Leiter großer Wachtmeistereien wird dies ihrer Aufgabe und Verantwortung überhaupt nicht gerecht. Das ist nicht hinnehmbar. Wir bringen deshalb den

Antrag ein, im Einzelplan 05 Kapitel 05 04 Titel 422 01 nur sechs Stellen von den 187 Stellen in A 7 hochzustufen. Sechs Stellen, was zukünftig einen jährlichen Mehrbetrag von insgesamt, für alle sechs Stellen zusammen, nur rund 10.000 Euro ausmacht. Dies sollte überhaupt keine weitere Diskussion mehr nötig machen und es ist nur ein ganz kleiner Schatten, über den Sie da springen müssen. Aber an diesem Beispiel wird sich zeigen, wie ernst Sie es damit nehmen, gerade in den untersten Gehaltsgruppen für eine angemessene Entlohnung zu sorgen. Die namentliche Abstimmung wird Ihr Engagement oder eben auch Ihr Nichtengagement zeigen und das nach außen entsprechend dokumentieren. Danke schön.

(Beifall CDU)

Kann Abgeordneter Kuschel Ihnen jetzt noch eine Frage stellen?

Danke, Frau Präsidentin. Sie hatten in Ihren Ausführungen auf Sachsen-Anhalt verwiesen, das die Bundesmittel eins zu eins durchreicht. Können Sie sagen, wie hoch der Erstattungsgrad für die Zweckkosten der Unterbringung für Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu Thüringen ist?

Das kann ich Ihnen für Sachsen-Anhalt nicht sagen. Ich kann Ihnen mal für Thüringen sagen, dass das, was das Land Thüringen erstattet, im Moment so nicht ausreicht. Nämlich wenn ich gerade keine Gemeinschaftsunterkünfte haben will, sondern Einzelunterbringung präferiere,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wer hat es gemacht, Herr Scherer? Sie ha- ben es gemacht!)

dann führt das genau dazu, dass ich einen wesentlich höheren Aufwand habe. Das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Sie haben ja jetzt selbst einen Entschließungsantrag gestellt, die Flüchtlingskostenerstattungsverordnung zu ändern und mehr reinzuschreiben, gerade deshalb. Aber da reicht eben ein Entschließungsantrag nicht aus, da muss man dann auch Geld dafür auf den Tisch legen. Danke.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat die Abgeordnete Berninger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Scherer, jetzt haben Sie mich so richtig aufgebracht.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Ja, das glaube ich!)

Aber ich werde trotzdem an meinem Redemanuskript bleiben, aber auf das von Ihnen Gesagte zurückkommen.

Meine Damen und Herren, der Einzelplan 05 des Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz war eine Herausforderung nicht für die Koalition, sondern sicherlich auch für das Ministerium selbst. Es ist nicht allein die Umstrukturierung, die Neuzuordnung der Bereiche Flüchtlings- und Asylpolitik sowie des Verbraucherschutzes und auch nicht allein die gestiegene Zahl in Thüringen ankommender Flüchtlinge, die eine Herausforderung darstellten. Eine große Herausforderung hat uns auch die vorige Landesregierung hinterlassen, Herr Scherer, zum Beispiel mit dem Justizvollzugsgesetzbuch und dem darin richtig festgeschriebenen hohen Anspruch an Diagnoseverfahren, Resozialisierung und Entlassungsvorbereitung. Und diese Herausforderung ist mit dem heute vorliegenden Haushalt noch nicht gemeistert, meine Damen und Herren. Hier werden wir in Vorbereitung des Doppelhaushalts noch viele Anstrengungen unternehmen müssen, um dem Anspruch dieses Justizvollzugsgesetzbuchs gerecht werden zu können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine weitere Herausforderung haben uns das CDUgeführte ehemalige Innenministerium und auch die CDU-geführte Bundesregierung hinterlassen, nämlich dadurch, dass sehenden Auges unterlassen wurde, das Land als auch die Thüringer Kommunen auf die absehbar steigenden Flüchtlingszahlen vorzubereiten, meine Damen und Herren.

Die dritte Herausforderung ist, die Hinterlassenschaft einer bisher und über viele Jahre repressiven Flüchtlingspolitik trotz gestiegener Flüchtlingszahlen so zu verändern, dass Thüringen den Ansprüchen einer humanitär- und menschenrechtsorientierten Flüchtlings- und Integrationspolitik gerecht werden kann, so wie sich das Rot-Rot-Grün vorstellt und gestalten möchte.

(Beifall DIE LINKE)

Und da gehört die ehrliche Debatte zur Flüchtlingskostenerstattungsverordnung und der von Ihnen im letzten Sommer noch vorgenommenen Änderungen noch mit in die Debatte rein. Sie haben nämlich im letzten Sommer noch dafür gesorgt, dass die positive Tendenz zur dezentralen Unterbringung in Thüringen wieder umgekehrt werden sollte, indem eben die Investitionspauschalen nur für neu zu schaffen

(Abg. Scherer)

de Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung gestellt werden sollten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der CDUFraktion, es stimmt: Der Koalitionsvertrag ist mit dem Landeshaushalt 2015 noch nicht in Gänze umgesetzt. Aber wir gehen erste Schritte, vielleicht Schritte, die dem einen oder der anderen noch zu kurz erscheinen, dem Flüchtlingsrat Thüringen beispielsweise, der neuerdings mit seinen Forderungen sogar in den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände zitiert wird, ein noch vor zwei Jahren undenkbares Ereignis und ein Fortschritt, den ich unter anderem dem flüchtlingspolitischen Wirken der Koalition zuschreibe. Der Flüchtlingsrat Thüringen beispielsweise ist noch nicht zufrieden, wenn es um den Betreuungsschlüssel geht. Aber wenigstens stimmt bei unseren Schritten, die wir gehen, die Richtung und das ist das Neue an einer Debatte zum Thüringer Landeshaushalt.