Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie auf der Wiese das Gras suchen, Herr Brandner, da werden Sie wahrscheinlich bei frischem Gras vollkommen verzweifelt versuchen, das anzuzünden. Das ist der erste Punkt. Und berauschende Wirkungen werden Sie da sicherlich auch nicht feststellen können. Ich glaube, gerade weil Sie vorhin den Aufruf gemacht haben, seriöse und konstruktive Zwischenrufe zu machen, da fällt auch dieser wieder ziemlich raus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir ganz kurz – damit zeitlich noch genug Platz für Herrn Tischner bleibt –, noch einmal auf einen Punkt einzugehen. Werner Pidde hatte das schon andiskutiert. Die CDU hat sich hier gerühmt, was sie jetzt alles anders machen würde, was sie viel besser machen würde. Erstens reduzieren Sie das Haushaltsvolumen, das Sie in der Höhe so kritisiert haben, überhaupt nicht. Das Zweite, das finde ich wirklich krass: Sie sagen, es muss mehr getilgt werden, und zwar 124,5 Millionen Euro mehr in die Tilgung. Das wäre wichtig. Wenn man jetzt fragt, womit Sie das finanzieren, dann rechnen Sie den Menschen in Thüringen die Steuern hoch. Im Prinzip sagen Sie, die Thüringer sollen mehr Steuern zahlen, damit wir unsere Haushaltsgeschenke, die wir hier wieder haben, besser verteilen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen, und ich gehe davon aus, die gesamte Koalition, will eine solche Finanzpolitik nicht, in der man sagt, wenn wir nicht genug Geld haben, dann heben wir einfach nur den Wert bei der Steuereinnahme und sagen, das wird schon passen und am Ende hat man dann nach 24 Jahren 16 Milliarden Euro Schulden – das ist Ihre Haushaltspolitik, die machen wir nicht weiter mit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir gehen einen neuen Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich würde gern an der Stelle abbrechen, um Herrn Tischner noch hinreichend Platz zu machen, nicht dass es heißt, ich hätte jetzt extra lange geredet.

Herr Abgeordneter Adams, Sie haben noch 10 Minuten Redezeit.

Gut, dann machen wir jetzt erst einmal die Fragen; vielleicht brauchen wir dafür länger.

Herr Abgeordneter Tischner.

Vielen Dank, Herr Adams, dass Sie mir die Zeit einräumen. Wir wären ein gutes Team, nicht nur bei den freien Schulen.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe eine Nachfrage. Sind Sie gewillt mir zuzustimmen, dass die Altersstruktur der Thüringer Lehrerschaft erst in den letzten Jahren zum Problem geworden ist, dass erst in den letzten Jahren die Kolleginnen und Kollegen in Masse in den Ruhestand gehen, weil nämlich momentan – ich sage mal – die zweite Generation der Lehrer nach dem Krieg in den Ruhestand geht und dass dieses Problem seit fünf Jahren existenziell größer wird? Gehen Sie auch mit, Herr Adams, dass das FloatingModell, das die CDU damals eingeführt hat, verhindert hat, dass tausendfach Lehrer in Thüringen entlassen werden mussten?

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Herr Tischner, sind Sie sich bewusst, dass das biologisch bedingt ist?)

Zunächst einmal stimme ich Ihnen zu, dass die Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen älter geworden sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass man seit den 90er-Jahren keine ordentliche Planung gemacht hat,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

denn es war vollkommen klar, dass man, wenn man keine jungen Lehrer einstellt, dort irgendwann einen überalterten Lehrkörper hat.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil das jetzt ins Niedliche gebracht wird und ich das so eigentlich nicht stehen lassen will: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen heute ziemlich genau, wie viele Polizistinnen und Polizisten, wie viele Lehrerinnen und Lehrer wir neu einstellen müssen, um gegenzusteuern. Genau das ist das, was wir Ihnen vorwerfen, das ist genau das, was wir jetzt machen. Wir beginnen jetzt mit dem Mehreinstellen von Lehrerinnen und Lehrern. Das ist das, was die CDU bisher nicht getan hat. Wenn Sie jetzt wieder damit kommen, dass es der Herr Matschie gewesen ist: Wir alle sind doch nicht seit dem ersten Tag in diesem Parlament. Wir alle wissen doch genau, wie der Finanzminister Voß das Bildungsministerium von Herrn Matschie rangenommen hat. Da war kein Spielraum mehr gewesen. Aber diese Koalition stattet das Ministerium mit hinreichenden Mitteln aus, um solche Wege zu gehen bei den freien Schulen, bei den Lehrern. Wir werden gute Wege gehen, niemals einfach, aber wir werden einen guten Weg gehen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wir wer- den sehen!)

Das Wort hat Abgeordneter Jens Krumpe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete, liebe Bürger! Thüringen hat eine Aufgabe. Thüringen muss bis zum Jahr 2020 eine Ausgabenreduzierung zwischen 450 und 950 Millionen Euro erreichen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand.

Durch das Auslaufen des Solidarpakts II reduzieren sich die Einnahmen bis 2020 um circa 830 Millio

(Abg. Adams)

nen Euro. Eine weitere Einnahmereduzierung ergibt sich aus den verringerten Korb-II-Mitteln wie etwa der Wirtschafts- und Städtebauförderung sowie verringerten EU-Fördermitteln in Höhe von 20 Prozent für die Periode 2014 bis 2020. Eine Vollkompensation der Einnahmeausfälle durch Steuermehreinnahmen ist bei der Annahme eines gleichbleibenden Konjunkturniveaus wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu erwarten.

Es besteht also die Aufgabe, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die die Ausgabenseite auf die erkennbare Einnahmeentwicklung des Landes anpassen. Eine wirksame Maßnahme ist die Tilgung, denn nur getilgte Schulden kosten dauerhaft keine Zinsen mehr. Dank der letzten Amtshandlung des ehemaligen Finanzministers ist die Tilgungsrate im vorliegenden Haushaltsgesetz zufriedenstellend.

Eine weitere wirksame Maßnahme ist es, eine Strategie zu entwickeln, um den größten Posten im Haushalt, nämlich die Landesverwaltung einschließlich ihres Personals, an die Einnahmeentwicklung des Landes anzupassen. Allein das Verwaltungspersonal schlägt mit über 25 Prozent des Landesbudgets zu Buche. Um die Landesverwaltung zu verschlanken, sind hierfür zwei wichtige Änderungen im Haushaltskonzept durchzuführen. Erstens: Die avisierte Zielvorgabe von 8.800 einzusparenden Stellen liegt deutlich unter der Mindestvorgabe von 11.000 Stellen, damit wir im Vergleich zu den westlichen Flächenländern auf ein ähnliches Verhältnis zwischen Einwohneranzahl und Landesbediensteten kommen. Zweitens: Anscheinend glaubt die Landesregierung, dass sich der kostenintensive Verwaltungsapparat allein mit dem Personalabbau verschlanken lässt. Liebe Kollegen, das ist ein Irrglaube. Der Personalabbau muss logischerweise mit einer Aufgabenkritik und im Weiteren mit der Notwendigkeitsüberprüfung von Schriftformerfordernissen, der Bürokratiekostenmessung sowie der Darstellung der zeitlichen und finanziellen Erfüllungsaufwände zur Umsetzung einer gesetzlichen Norm einhergehen. Am Ende muss eine zielführende Struktur- und Prozessoptimierung von Verwaltungsaufgaben stehen, die die Informationstechnologie als elementaren und strategisch wichtigen Bestandteil des Verwaltungskerngeschäfts mit einbezieht.

(Beifall AfD)

Die 2014 erarbeitete IT-Strategie bietet eine solide Grundlage für eine Prozessoptimierung, aber sie wird weder umgesetzt noch fortgeschrieben. Es gibt noch nicht einmal einen IT-Beauftragten der Landesregierung. Ich hätte tatsächlich erwartet, dass wir heute hier einen Einzelplan mit allen zukünftig zentral gesteuerten IT-Maßnahmen für die notwendige Verwaltungstransformation in die vernetzte Welt in unserer Hand halten. Fehlanzeige. Stattdessen wird weitergemacht mit Klein-Klein, also mit

kleinen und großen Insellösungen in den Ressorts statt einer zentralen integrativen und ressortübergreifenden IT-Steuerung.

Beispiel: Das Finanzministerium ist zuständig für EGovernment, allerdings ohne sichtbare und nennenswerte Ideen, Aktivitäten oder Ergebnisse. Das Ministerium für digitale Gesellschaft ist gemessen an dessen Zuständigkeit seinen Namen nicht wert und die Staatskanzlei kümmert sich mit einem Juristen aus dem Umweltministerium an der Spitze um Verwaltungsmodernisierung.

Was bei Klein-Klein mit viel mehr politischer Priorisierung am Ende rauskommt, wurde auf der diesjährigen „CeBIT“ deutlich: Thüringen präsentierte sich mit einer antiquierten Software namens Geoproxy, welche noch nicht einmal die Mindestanforderung der an sie gestellten Anforderungen erfüllt – siehe Drucksache 6/310.

Meine Damen, meine Herren, hier verpuffen Synergien und hier verpuffen auch Steuermittel und das nicht zu knapp. Ich werde meine Zustimmung zum Haushaltsgesetz davon abhängig machen, ob mein Änderungsantrag für die Vorbereitung eines zukünftigen zentralen Steuerungsgremiums für den ITEinsatz in der Landesverwaltung eine Zustimmung erfährt oder nicht. Vielen Dank.

(Beifall AfD; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Für die Fraktion Die Linke hat Herr Abgeordneter Kuschel das Wort – 18 Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der bisherigen Debatte sind einige Aussagen getroffen worden, insbesondere vom Vertreter der CDU, die eine Erwiderung unumgänglich machen, einfach damit die Öffentlichkeit, die hier diese Debatte verfolgt, sich auch ein objektives Bild der Lage machen kann,

(Beifall DIE LINKE)

abwägen kann, was tatsächlich geschehen ist. Herr Kowalleck war offenbar in den Ausschusssitzungen nur körperlich anwesend.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Vollkom- men, vollkommen!)

Deswegen hat er die dortigen Debatten nicht verfolgt oder er hat sie bewusst ausgeblendet. Beides ist für einen Finanzpolitiker nun nicht gerade ein Aushängeschild.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Als wenn Sie ein Aushängeschild für dieses Haus wären! Gucken Sie sich mal selber an!)

(Abg. Krumpe)

Meine Damen und Herren, der erste Punkt, der hier immer wieder diskutiert wird: höhere Tilgung. Ist es tatsächlich volkswirtschaftlich und auch finanzpolitisch von Wert, in der jetzigen Situation eine höhere Tilgung von Schulden in Erwägung zu ziehen? Denn wir müssen uns mit der Tatsache beschäftigen, wenn wir mehr tilgen – das geht –, welche Konsequenzen damit verbunden sind. Da wir auf der Einnahmeseite nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten haben, müssen wir auf der Ausgabenseite andere Prioritäten setzen. Das heißt, eine höhere Tilgung hat zwangsläufig weniger Investitionen oder weniger öffentliche Leistungen zur Folge. Da ist die Frage: Wollen wir das? Ich hatte gerade von konservativen Finanzpolitikern erwartet, dass sie diesen Zusammenhang erkennen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Den haben wir!)

Wir verschieben letztlich die Schuld in unser Anlagevermögen, in die Straßen, in die Gebäude und dergleichen. Dort wird es nicht billiger, weil jeder weiß, mit jedem Jahr steigen die Investitionskosten von ganz allein. Das heißt, wer heute beim jetzigen Zinsniveau letztlich Fiskalschulden abbaut, baut in dem Anlagevermögen höhere Schulden auf. Das ist doch verantwortungslos. Das würde im Privathaushalt keiner machen. Kein Mensch würde das tun, Sie würden das privat niemals tun, was Sie hier von uns als Landtag verlangen. Volkswirtschaftlich völlig daneben und fiskalisch, fiskalpolitisch ein Offenbarungseid, weil erneut deutlich wird, dass die CDU vielleicht viel kann, aber Finanzpolitik nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass Rot-Rot-Grün mehr tilgt, als die Zahlen zum Ausdruck bringen. Wir müssen nämlich mit Ihren Altschulden umgehen und diese abbauen. 20 Millionen Euro für Pilz, das ist Schuldentilgung. Die haben Sie uns hinterlassen. Oder das Sondervermögen Wasser/Abwasser, das sind Ihre Schulden, die müssen wir abfinanzieren. Das ist nichts anderes als eine Schuldentilgung. Sie dürfen also nicht nur das Schuldenkonto betrachten, sondern das Ergebnis Ihrer Gesamtpolitik. Ich komme im kommunalen Bereich noch einmal dazu. Die Gesamtsituation, die Sie uns hinterlassen haben, ist eine komplizierte. Und jetzt wollen Sie uns einfach die Möglichkeiten nehmen, Schritt für Schritt aus diesem Fiasko herauszukommen. Sie werden Verständnis haben, dass wir in diese Falle nicht hineintappen, sondern wir wollen weiter gestalten. Ich glaube, es ist eine hohe Leistung, denn es hat keiner den Linken oder dieser Koalition zugetraut, dass wir einen Haushaltsentwurf ohne Schulden vorlegen. Das hat uns keiner zugetraut und das ist ein hoher Wert.

(Unruhe CDU)