Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Adams, vielen Dank. Der Abgeordnete Kießling für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Vorsitzender, werte Abgeordnete, vorhin wollte ich noch zu den ganzen Zuschauern auf den Rängen sprechen, aber da oben sind noch zwei, wie ich sehe, vielleicht noch an den Livestream das Hallo! Wir haben jetzt schon viel gehört. Herr Dr. Pidde, ich bin ja ganz enttäuscht, dass Sie sagen, Sie werden dem Vorschlag nicht zustimmen, die kalte Progression abzuschaffen, denn eigentlich ist doch die SPD die Partei der Arbeiterklasse und eigentlich müsste doch die SPD ein Interesse daran haben …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann lesen Sie doch mal den An- trag! Ist doch Quatsch, was Sie hier erzäh- len!)

Ja, Herr Adams, ich weiß, Sie wollen auch ablehnen, die Linke will ablehnen, kalte Progression soll beibehalten werden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das ist nur unnütz, lesen Sie doch mal!)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir können doch trotzdem mal kurz klären, was die kalte Progression ist, vielleicht erkläre ich es mal kurz.

Was ist die kalte Progression? Sie tritt auf, wenn unser progressiver Steuertarif nicht mehr mit der Inflation mitwächst. Die Güter werden durch Inflation teurer, viele Gehälter werden bei diesem Anstieg angepasst, doch leider werden einige Gehälter

eben nicht an die Inflation angepasst. Das heißt jedoch auch, dass die Gehaltszuwächse mit einer höheren Einkommensteuer besteuert werden. Zwar wächst das Gehalt in realen Zahlen, doch man kann sich davon weniger kaufen. Das haben die beiden Vorredner auch schon entsprechend ausgeführt. Schließlich sind die Dinge teurer geworden im Leben und der Gehaltszuwachs wird durch die Besteuerung gemindert. Gerade bei höheren Inflationsraten kommt es hier zu großen Verlusten bei realem Wert des Gehalts. Unterm Strich frisst die kalte Progression einen Großteil der Lohnerhöhung der Bürger auf.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist bekannt!)

Genau. Das streiten Sie auch nicht ab, das ist schön.

Lange schon führt der Bund der Steuerzahler nun seinen tapferen Kampf gegen die kalte Progression. Dies muss mal lobend erwähnt werden, liebe Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Nicht immer sah der Kampf nach einem Erfolg aus. Das Versprechen des Abbaus der kalten Progression kann mit einer Odyssee verglichen werden. Vielleicht muss ich mal ausführen, Herr Adams, Sie sagten vorhin gerade, endlich ist die SPD mal an der Regierung, jetzt wird es was, aber nein, schon 2011 wollte Schwarz-Gelb – nicht SPD, SchwarzGelb – die kalte Progression abbauen, scheiterte aber an einer rot-rot-grünen Bundesmehrheit. Darüber sollte man vielleicht mal nachdenken. Das CDU-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 hat zwar den Abbau der kalten Progression versprochen, aber im Koalitionsvertrag mit der SPD stand letztendlich nichts davon. Man hatte sich wohl versprochen. Es brauchte eine SPD im chronischen Umfragetief und einen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, der auf der Suche nach Themen war, um das Thema 2014 wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Die Bundeskanzlerin ruderte Anfang 2014 zurück, und sah die Prioritäten ganz woanders. Später schickte sie auch Kanzleramtsminister Altmaier vor, um so die innerparteiliche Debatte zu beenden. Schön ist es deshalb, dass das Thema wieder auf der Tagesordnung ist. Man kann es aber erst glauben, dass die kalte Progression wirklich abgebaut ist, wenn der Bürger es schwarz auf weiß auf seinem Lohnzettel sieht und entsprechend mehr Geld im Portemonnaie hat und die Odyssee wirklich beendet wurde. Laut Herrn Schäuble soll dies nun Anfang 2016 der Fall sein. Ich möchte noch mal darauf hinweisen – in meinen Reden zum Haushalt hatte ich ja mehrfach darauf hingewiesen –, dass wir die Einnahmesituation gerade des Thüringer Haushalts nicht zu positiv einschätzen sollten oder das eins zu eins übernehmen sollten, denn hier tun sich, wie auch die Vorredner schon

(Abg. Adams)

gesagt haben, Lücken auf, die uns hier in Thüringen dann betreffen werden. Das ist erst einmal eine sehr gute Nachricht, wie gesagt, dass die kalte Progression abgebaut werden soll. Es ist jedoch sehr unscharf. Schaut man sich das geplante Gesetz im Wortlaut an, ergeben sich Fragen. Schnell sieht man, dass es sich um ein halbherziges Gesetz handelt. Der Plan, die kalte Progression alle zwei Jahre zu prüfen und dann zu entscheiden, ob der Inflationsausgleich an den Bürger zurückfließen soll, gibt dem Volk eine Unsicherheit und führt zu weiterem Unverständnis. Man hat ja vorhin von Herrn Dr. Pidde gehört, dass quasi die Koalition besser der Meinung wäre, was mit dem Geld anzufangen ist, als das Volk selbst. Das ist schon schlecht, dass Sie hier dem Bürger absprechen, selber über sein Geld besser entscheiden zu können als die Regierungskoalition hier in Thüringen.

Dieses Unverständnis bei der Einkommensteuer ist geradezu historisch. So hat Albert Einstein bereits gesagt, Zitat: „Am schwersten auf der Welt zu verstehen ist die Einkommensteuer.“ Umso wichtiger ist es, dem Bürger ein einfaches System vorzulegen, das nicht zusätzlich belastet. Die Prüfung der Steuersätze alle zwei Jahre erzeugt nur eine zusätzliche parlamentarische Arbeit im Bundestag und führt die Bundespolitik in Versuchung. Die Versuchung besteht nämlich darin, dass man bei der Prüfung zu einem negativen Ergebnis kommt und die kalte Progression fortwirken lässt, so wie wir auch gerade jetzt bei den Vorschlägen unserer Regierungskoalition gehört haben, dass sie fortwirken soll. Die Bundesregierungsparteien SPD und CDU wollten sich ein Hintertürchen offenhalten, um die versteckte Steuererhöhung, was die kalte Progression ja in Wirklichkeit ist, die Realeinnahmen des Staates zu erhöhen. Das finden wir von der AfD aber nicht akzeptabel. Der Bürger hat ein Recht darauf, an seinen Lohnerhöhungen entsprechend auch Teilhabe zu haben, und zwar ohne diese Kürzung durch Steuern. Die Entlastung von der kalten Progression muss automatisiert werden. Halbseidene Lösungen bringen uns hier nicht weiter und erinnern mehr an eine Symbolpolitik als an ein entschlossenes Handeln. Ich sage Ihnen, was die einzige wahre Entlastung für die Steuerzahler ist, nämlich die jährliche Anpassung der Steuertabelle an die Inflation. Doch ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Schritt in die richtige Richtung, weshalb wir dem Antrag der CDU zustimmen werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine weiteren Redemeldungen vor. Jetzt frage ich noch mal die Landesregierung. Herr Kowalleck will reden, dann bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon enttäuschend, wenn man sieht, wie sich hier die Koalitionsfraktionen winden, nur um diesem Antrag nicht zuzustimmen.

(Beifall CDU)

Das müssen Sie erst mal den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Thüringen erklären, was Sie hier für eine Nummer abliefern.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dann erklären Sie es uns und wir verstehen es!)

Und dann Äpfel mit Birnen zu vergleichen, Herr Dr. Pidde, das geht an dieser Stelle überhaupt nicht.

(Beifall CDU, AfD)

Da kann ich Ihnen auch nur noch mal die Ausführungen des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler empfehlen, Herrn Reiner Holznagel, ich darf zitieren: „Es war höchste Zeit für diese steuerlichen Entlastungen. Wir haben lange dafür gekämpft, dass die Inflation bei der Einkommensteuer berücksichtigt wird. Jetzt müssen der Steuertarif und der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende regelmäßig an die Lebenshaltungskosten angepasst werden. Der Staat hat schon viel zu lange von der kalten Progression profitiert.“ Wir als CDU-Fraktion sagen, Sie sind in der Pflicht, unsere Initiative zu unterstützen, im Bundesrat morgen zu unterstützen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen.

(Beifall CDU, AfD)

Wenn Sie dies nicht machen, dann müssen Sie das auch erklären und hier an dieser Stelle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, wie das Herr Dr. Pidde gemacht hat. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass Gelder dann an anderer Stelle nicht zur Verfügung stehen. Wir treten hier dafür ein, dass …

Herr Kowalleck, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams. Würden Sie die zulassen?

Erst mal möchte ich die Redezeit nutzen, Herr Präsident. Danke schön.

Bitte.

Wir treten hier dafür ein, dass die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen auch die finanziellen Mittel er

(Abg. Kießling)

halten, die wir hier einfordern. Wenn Sie hier sagen, das ist nicht gerecht, dann haben Sie nicht recht und dann müssen Sie das auch klar begründen und sich nicht einfach an Blasen entlanghangeln. Das ist nicht der richtige Weg, sondern der richtige Weg ist, hier klar zu sagen: Wir entlasten die Thüringerinnen und Thüringer.

(Beifall CDU, AfD)

Herr Adams hatte noch eine Frage.

Herr Adams, bitte.

Herr Kowalleck, ich würde Ihnen gern viele Fragen stellen, aber würden Sie mir zwei beantworten? Frage 1 zu Nummer I des CDU-Antrags: Ist es richtig, dass die CDU hier beschließen lassen möchte, dass eine bestimmte Steuersumme in diesem Jahr nach Schätzung der CDU und des Sachverständigenrats in diesem Land wirklich ankommen wird? Ist das der Inhalt Ihrer Nummer I?

Herr Adams, wir haben uns in unserem Antrag an Fakten orientiert, die haben wir dargelegt, aber Sie haben hier klargemacht, dass Sie …

Jetzt würde ich gern meine zweite Frage stellen.

Darf ich antworten, Herr Adams?

Herr Adams, Entschuldigung. Es gibt noch eine Antwort auf Ihre Frage und wenn die Antwort gegeben ist, dann können Sie gern eine zweite Frage stellen unter der Voraussetzung, dass der Kollege sie zulässt. Sie sind noch beim Antworten. Bitte, Herr Kowalleck.

Sie haben hier dargelegt und klargemacht, dass Sie die Thüringerinnen und Thüringer und auch die Bundesbürger nicht entlasten wollen und das haben wir so zur Kenntnis genommen.

(Beifall CDU, AfD)

Es gibt eine weitere Frage. Herr Kowalleck, lassen Sie die zu? Ich gehe davon aus.

Herr Adams.

Herr Kowalleck, ist es nicht richtig, dass der Thüringer Landtag nicht beschließen kann, welche Steuereinnahmen auf der Bundesebene getätigt werden? Und zweitens, ist es nicht richtig, dass der Thüringer Landtag nicht feststellen kann, wie viele Steuern eingenommen werden, sondern nur, wie hoch die Steuerschätzung ist?

Herr Adams, da wiederhole ich mich. Wir haben uns hier an den Fakten orientiert, die haben wir in dem Antrag dargelegt, und Sie haben fadenscheinige Argumente herangezogen, um morgen im Bundesrat der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger nicht zuzustimmen. Das nehmen wir hier so zur Kenntnis und das nehmen auch die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen zur Kenntnis.