Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

die in Deutschland hoch sind. Das sind die Dinge, die die Unternehmen am meisten belasten. Ganz hinten in der Abstufung kommt nachher unter „ferner liefen“ steuerliche Belastungen. Die große Ungerechtigkeit, die hier vorliegt bei der Erbschaftsteuer, die weltweit eine der niedrigsten ist, ist die, dass die Deutschen ein gigantisches Privatvermögen von über 10 Billionen Euro aufgehäuft haben. Da sind die Reformvordenker von der CDU nicht zu sehen.

Meine Damen und Herren, die Forderung nach Kompensation ist also mehr als gerechtfertigt. Sie ist eine Frage der Gerechtigkeit, aber auch aus finanziellen Gründen für den Freistaat ganz wichtig. Wir haben die Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung und wir bekommen sie durch das Grundgesetz ab 2020. Wir nehmen keine neuen Kredite auf; das hat die vorherige Regierung in den letzten Jahren nicht gemacht und die Koalition, die jetzt die Regierung stellt, hat das im Koalitionsvertrag festgehalten und wird das auch so vollführen. Wir müssen uns aber noch genauer als früher überlegen, welche Maßnahmen sind geboten, welche sind sinnvoll und auch, welche sind gerecht. Die steuerlichen Entlastungen, die hier praktiziert werden, stehen in direkter Konkurrenz zu anderen Maßnahmen und Investitionen, die wir gern für die Bevölkerung leisten wollen. Wenn man auf Einnahmen verzichtet, bleibt am anderen Ende weniger Geld für andere Dinge übrig, übrigens auch für die von der CDU immer wieder geforderte höhere Tilgung von Schulden. Dafür darf man nicht auf der anderen Seite die Einnahmen wegstreichen. Meine Damen und Herren, ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Pidde. Als Nächster hat das Wort der Kollege Huster aus der Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auch zum Antrag der CDUFraktion sprechen. Der Antrag beginnt in I damit, dass der Landtag feststellen soll, dass die Steuerbürgerinnen und Steuerbürger dem Staat im Jahr 2015 insgesamt 666 Milliarden Euro zur Verfügung stellen werden. Meine Damen und Herren, wir können ja gern feststellen, dass wir in gewisser Weise die Prognose der Steuerschätzung zur Kenntnis genommen haben. Wie viel Steuereinnahmen am Jahresende aber tatsächlich eingegangen sind, das können wir wohl nach gerade mal der Hälfte des Jahres nicht feststellen. Zu den weiteren Implikationen hat Herr Dr. Pidde, denke ich, zu Recht Ausführungen gemacht.

(Abg. Dr. Pidde)

Zu Punkt II, finde ich, ist Ihnen Ihr Text völlig misslungen. Ich darf den Satz noch mal kurz zitieren: „Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat für die Abschaffung der kalten Progression durch Gegenfinanzierung der sich durch die MaiSteuerschätzung 2015 ergebenden Steuermehreinnahmen ab 1. Januar 2016 einzutreten.“ Das ist alles ungenau formuliert. Im Bundesrat steht morgen gar nicht die Abschaffung der kalten Progression zur Abstimmung, sondern ein Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergelds und des Kinderzuschlags. Wenn Sie so wollen, ist es ein Gesetz, mit dem die Wirkung der kalten Progression kompensiert bzw. abgemildert werden soll, die kalte Progression selbst jedoch nicht abgeschafft wird.

Der Gesetzentwurf im Bundesrat, auf den Sie sich beziehen, ist teilweise gut, etwa bei der Anhebung des Grundfreibetrags und bei der Erhöhung des Kindergelds. Aber es gibt eben keine Kompensation der Einnahmeausfälle der Länder und Kommunen. Ich sage einmal, an dieser Stelle hätte eine kleine Erhöhung des Spitzensteuersatzes völlig genügt – ein Argument, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum wir für eine Enthaltung morgen im Bundesrat plädieren werden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Huster. Als Nächste hat Abgeordnete Schulze für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne, vor den Bildschirmen, die CDU möchte Steuergerechtigkeit.

(Zwischenruf Abg. Berninger, Abg. Dr. Sche- ringer-Wright, DIE LINKE: Seit wann?)

(Beifall CDU)

Das ist der erste Punkt, den wollen wir jetzt mal hier feststellen.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Beifall AfD)

In welcher Form Sie hier Ihre Meinung darüber äußern, ob die kalte Progression abgeschafft werden sollte oder nicht, das wundert mich schon sehr, denn, sehr geehrte Damen und Herren, das ist gar nicht Ihr Geld. Das Geld verdienen die Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerinnen in unserem Land.

(Beifall AfD)

Dieses Geld erkämpfen sie sich durch Lohnerhöhungen und diese Lohnerhöhungen wollen sie am

Ende auch in der Tasche haben und möchten sich mindestens das Gleiche kaufen können wie vorher. Das bedeutet, wir haben bei der kalten Progression hier folgenden Effekt: Der Nominallohn steigt, aber der Reallohn, die Kaufkraft derjenigen, die jeden Tag in die Geschäfte gehen, ja, der ist entweder niedriger oder die Inflation hat ihn total aufgefressen. Das jetzt erst einmal vorneweg.

Herr Dr. Pidde, zu Ihnen, bevor ich mit meiner Ausführung beginne: Wenn Sie etwas gegen diese Entscheidungen haben,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es hat doch keiner was dagegen!)

die der Bundestag zusammen mit der SPD getroffen hat, also die CDU und SPD vereinbart haben, dann sagen Sie doch einfach, dass Sie keine Steuererleichterungen für die Bürger haben möchten. Das können Sie gern tun. Die Fraktion Die Linke hat uns das jetzt schon gesagt, also bitte schön, die Entscheidung steht Ihnen morgen frei. Wir kämpfen dafür, dass den Bürgern wenigstens der Betrag zukommt, der durch diese kalte Progression abgezogen wird, den sie jeden Tag im Laden mehr ausgeben für Lebensmittel, für Energie und Sonstiges.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben Sie jetzt gemerkt?)

Dieser Inflationsausgleich soll bitte schön bei den Menschen bleiben.

Jetzt lassen Sie mich mal noch zwei oder drei Sätze zu den letzten Haushaltsdebatten sagen, denn so hatte ich, meine Damen und Herren, mir das eigentlich gedacht. In der letzten Sitzung konnten wir von einem Abgeordneten der Fraktion Die Linke hören: „Sie können doch einen Haushalt nicht nur auf der Ausgabenseite betrachten. Das machen Sie doch zu Hause auch nicht, sondern Sie betrachten auch die Einnahmeseite.“ Nun, das machen auch die Steuerzahler bei uns in Deutschland und in Thüringen. Weiter: „Man braucht kein großer Finanzexperte zu sein, um zu erkennen, dass der Landeshaushalt auf der Einnahmeseite anwächst, ohne dass wir hier im Landtag etwas tun müssen.“ Schön, habe ich mir gedacht. Wenn wir dafür hier nichts tun – nebenher gesagt: Ich bin da eigentlich nicht Ihrer Meinung, vom Nichtstun wird nämlich nichts. Eine erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, in Thüringen und eine weiter steigende Beschäftigung, wachsende Einkommen der privaten Haushalte und stabile Gewinne der Unternehmen – das hatten wir vorhin schon einmal gehört –, meine Damen und Herren, das äußert sich durch eine ordentliche Politik, durch eine wirtschaftskompetente Politik. Wer diese guten Rahmenbedingungen im Bund und in Thüringen dafür geschaffen hat, ist wohl auch klar ersichtlich. Wenn man jetzt diese Aussage vom Nichtstun noch mal

(Abg. Huster)

weiterdenkt, aber ich denke mir mal, davon gehen wir heute nicht aus.

Der Haushalt wächst, sagten Sie, durch Landesanteil an der Umsatzsteuer, weil die Konjunktur gut läuft, allgemeine Preisentwicklung, weil jede Preisentwicklung letztlich auf die Umsatzsteuer durchschlägt, der Landesanteil an der Einkommensteuer. Nun, es ist wirklich eine gute Entwicklung. Da kann man sich für Deutschland und Thüringen freuen.

Den Steuerzahlern können wir jetzt auch was zurückgeben, indem wir nämlich die kalte Progression auch ein Stückchen abmildern und aufgrund des Steuerprogressionsberichts, der dieses Jahr das erste Mal im Bundestag vorgelegt wurde und der in diesem morgigen Gesetz mit verankert ist, dass dies alle zwei Jahre neu überprüft werden soll. Ich denke mir mal, da können sich die Steuerzahler in Thüringen und in Deutschland freuen.

Die Prognose für 2016 bis 2019 aus der Steuerschätzung haben wir vorher bei den Vorrednern auch schon gehört. Die sagt: 7,8 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen, insgesamt 691 Milliarden Euro und für 2019 768 Milliarden Euro. Da bin ich der Meinung, wir können den Steuerzahlern in Deutschland und in Thüringen ein Stück zurückgeben. Ein Stück zurück bedeutet die Abmilderung auch der kalten Progression.

In dem vorliegenden Gesetz, das morgen zur Abstimmung steht, gibt es natürlich noch viele andere Entlastungen, Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger: über 5 Milliarden Euro. Ich denke mir, das ist ein gutes Gesetz und dem sollte auch zugestimmt werden. Ich werbe heute hier dafür, dass Sie alle diesem zustimmen, dass morgen im Bundesrat die Regierung beauftragt wird. Frau Taubert als Finanzministerin, ich denke mir mal, Sie wissen, dass die Bürger diese Steuerentlastung verdient haben.

Unser Antrag „Bürger entlasten – Abbau der kalten Progression vorantreiben“ hat mit den Menschen aus Thüringen zu tun. Mit jedem Prozent, was die Bürger und Bürgerinnen mehr an Einkommen erhalten, zahlen sie mehr Steuern, das ist logisch und richtig. Aber die Preissteigerungen bleiben außen vor und fließen nicht in diese Berechnung mit ein, wie ich eingangs schon genannt habe. Sollen die Bürger nun etwas mehr im Portemonnaie haben? Ja oder Nein? Also ich bin und wir als CDU-Fraktion sind der Meinung, sie sollten das haben.

Lohnerhöhungen, die allein höhere Preise ausgleichen, sollen künftig in der Geldbörse der Arbeitnehmer im Bund und in Thüringen landen. Das freut uns, das wollen wir mit dem Antrag erreichen. Was uns ganz besonders gefreut hat, dass sogar der Vizekanzler Gabriel von der SPD gesagt hat: Jawohl, der Aufschwung soll bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen. Starke Wirtschaft,

stabiler Arbeitsmarkt, solide Finanzen – was spricht dagegen, ein Stück abzugeben?

Am morgigen Freitag wird die Bundesregierung, der Bundestag, ein Gesetz im Bundesrat zur Abstimmung stellen, wo sich alle Bürgerinnen und Bürger, denke ich mal, ein Stück darüber freuen können. Der Grundbetrag wird erhöht, das Kindergeld, der Kinderfreibetrag und ein Entlastung auch in den progressiven Steuerbereichen.

Sehr geehrte Frau Finanzministerin, ich bitte Sie, auch dem Herrn Ministerpräsidenten Ramelow auszurichten, dass selbst der Bund der Steuerzahler der Meinung ist, dass diese Progression abgemildert werden sollte und dass es für die Zukunft diesen Inflationsausgleich geben muss. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Schulze. Jetzt kommt der Kollege Adams von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, die kalte Progression ist seit Jahren schon ein Problem. Das ist nichts, was jetzt gerade neu gekommen ist. Offensichtlich war es notwendig, dass die SPD an der Bundesregierung beteiligt ist, um hier endlich auch mal eine Lösung voranzubringen. Insofern schließe ich mich den Worten

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Da ha- ben Sie gerade nicht richtig zugehört, Herr Adams!)

(Heiterkeit CDU)

von Herrn Pidde an. Der Bundesrat wird das morgen, am Freitag, beschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist alles auf dem Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es bedarf Ihres Antrags nicht und darum werden wir ihn auch ablehnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere, meine sehr verehrten Damen und Herren, das haben meine Vorredner aus der Koalition auch schon deutlich gemacht, deswegen nicht, weil Sie unter Punkt I etwas beschließen lassen wollen, nicht nur wie es Kollege Huster gerade sagte, wo Sie gar nicht wissen können und gar nicht beeinflussen können, ob es kommt. Sie wollen einfach einen statistischen Wert aus dem Mai beschließen. Noch dazu kommt, dass es ein Wert ist, der sich auf die Bundesebene bezieht und da dem Thüringer Landtag jegliche Kompetenz fehlt, hier irgendwelche Beschlüsse fassen zu können, meine

(Abg. Schulze)

sehr verehrten Damen und Herren. Ebenso gut könnten wir beschließen, dass ab Samstag Hochsommer sei.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Das würde ich gern tun!)

Aber es würde ebenso erfolglos sein oder sozusagen im Off landen wie dieser Beschluss, den uns die CDU hier vorgelegt hat.

Zweitens: Sie sagen, wir sollen eine strukturelle Änderung, die in den nächsten Jahren immer wieder wirken wird, mit einem Einmaleffekt aus diesem Jahr kompensieren. Das ist nicht möglich und unverantwortlich, so etwas vorzuschlagen. Auch deshalb werden wir Ihrem Punkt II nicht zustimmen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)