Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

(Unruhe Die LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die ganz Faulen werden dann Politiker!)

Also müssen wir doch grundsätzlich etwas verändern, damit vor allen Dingen in dem Bereich Handwerk und Mittelstand wieder mehr Ausbildung organisiert wird. Insofern müssen wir Beschäftigungsprogramme oder politische Programme ansetzen, damit das wieder wirksam wird.

Jetzt zu den über 50-Jährigen, wie die Realität aussieht: Wie viele Leute über 50 suchen krampfhaft nach Arbeit. Und jeder von uns, der mit der Realität in Verbindung steht, weiß, wie das ist. Da gibt es sogenannte Umschulungsmaßnahmen über die Arbeitsämter, von Zeit zu Zeit versetzt, dann ist man wieder arbeitslos. In unsäglichen Umschulungsunternehmen werden dann unsägliche Maßnahmen angeboten, die letzten Endes nicht zielführend sind,

um die gesamte Arbeitslosigkeit weiter zu reduzieren.

Und dann gibt es staatlich sanktionierte Arbeit, auch heute noch.

(Beifall CDU)

Da gibt es über 50-Jährige, das muss man sich mal vorstellen, die werden im öffentlichen Dienst beschäftigt, auf Friedhöfen zum Saubermachen von Wegen und Plätzen, dürfen kein Elektrogerät bedienen, müssen sich kniend, mit einem Messer bewaffnet durch den Friedhof auf den öffentlichen Wegen entlang bewegen, um dort das Gras zu entfernen. Diese Maßnahmen lehne ich grundsätzlich ab. Man muss sich vorstellen, über 50-Jährige dürfen keine Elektrogeräte bedienen. Da komme ich jetzt wieder auf Ihr Bildungsfreistellungsgesetz. Vielleicht könnten Sie da eine Schulung durchführen, dass in Zukunft bei den von Ihnen geplanten Beschäftigungsmaßnahmen die Leute geschult werden, wie man einen Rasenmäher oder Sonstiges bedient.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall CDU)

Kurzum, um die Ernsthaftigkeit dieses Themas noch einmal auf den Punkt zu bringen, nur durch eine gute wirtschaftliche Entwicklung kann Arbeitslosigkeit reduziert werden. Wir werden es nicht schaffen, Langzeitarbeitslosigkeit dauerhaft abzustellen.

(Beifall Abg. Gentele, fraktionslos)

Das wäre eine Illusion. Aber nur wenn sich eine starke Wirtschaft, ein starker Mittelstand begleitet durch logische Gesetze eines Parlaments entwickeln kann, dann kann sich die Arbeitslosigkeit abbauen. Das wünsche ich mir.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dann können Sie doch zustimmen!)

Da heute auch gesagt worden ist, auch von der Frau Leukefeld, dass die Wirtschaft hier ein wesentlicher Bestandteil ist, um die Arbeitslosigkeit abzubauen – und darüber sind wir uns sicherlich auch einig –, beantrage ich, die Anträge an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zu überweisen. Danke sehr.

(Beifall CDU, AfD)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Das kann ich nicht erkennen. Es ist keine Fortberatung des Sofortberichts im Ausschuss beantragt.

Damit kommen wir zur Ausschussüberweisung gemäß des Antrags der Fraktion der CDU. Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit und an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft beantragt.

Wir stimmen zunächst über die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einigen Gegenstimmen aus der AfD-Fraktion ist der Antrag an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit überwiesen worden.

Wir stimmen nun über die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei der Zustimmung der CDU-Fraktion ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft abgelehnt.

Wir stimmen nun über die Überweisung zu den Nummern II bis IV des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist bei der Mehrheit im Haus und den Gegenstimmen der Fraktion der AfD der Antrag an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit überwiesen.

Ich muss jetzt noch einmal nachfragen, Herr Wirkner: Soll der Antrag auch an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen werden? Gut. Dann stimmen wir jetzt über die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei der Mehrheit von Gegenstimmen ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir hatten uns geeinigt, den Tagesordnungspunkt 13 morgen als Erstes aufzurufen und deswegen kommen wir zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 14.

Bürger entlasten – Abbau der kalten Progression vorantreiben Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/693

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Herr Abgeordneter Kowalleck.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag sind wir hochaktuell.

(Abg. Wirkner)

Die CDU-Fraktion fordert die Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag auf, dass diese sich am Freitag im Bundesrat für den Abbau der kalten Progression einsetzt. Den Steuererhöhungen in Form der kalten Progression muss Einhalt geboten werden. Der Effekt der heimlichen Steuererhöhung entsteht, wenn die Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft der Arbeitnehmer nicht steigt. Durch den Tarifverlauf bei der Einkommenssteuer zahlen die Arbeitnehmer dann überproportional mehr Steuern.

Das Thema ist schon lange auf der politischen Tagesordnung der CDU. Bereits im Bundestagswahlkampf 2013 hatte sich die CDU dafür ausgesprochen, Entlastung durch den Abbau der kalten Progression zu schaffen. Der Bundestag hat sich am 18. Juni dieses Jahres für die entsprechenden Veränderungen im Steuertarif ausgesprochen. Morgen steht – wie gesagt – das Thema in der Länderkammer zur Abstimmung. Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, bereits ab dem 1. Januar 2016 den Abbau der kalten Progression voranzutreiben. Dazu soll alle zwei Jahre der Steuertarif der Preisentwicklung angeglichen werden.

Es muss endlich Schluss damit sein, dass die Lohnerhöhungen zum erheblichen Teil wieder aufgezehrt werden, weil der Gehaltsempfänger im Steuertarif automatisch nach oben rückt. Mit den von Bundesregierung und Bundestag beschlossenen Änderungen sollen die Steuerzahler vom kommenden Jahr an um rund 1,5 Milliarden Euro entlastet werden. Vorgesehen ist, den Steuertarif künftig alle zwei Jahre entsprechend der Inflationsrate anzuheben. Ohne diesen Schritt würden Lohnerhöhungen im Umfang der jährlichen Preissteigerungen praktisch nur an das Finanzamt durchgeleitet.

Die Mai-Steuerschätzung 2015 zeigt die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung. Diese äußert sich in weiter steigender Beschäftigung, wachsenden Einkommen der privaten Haushalte und eben auch stabilen Gewinnen der Unternehmen. Bis 2019 werden die Steuereinnahmen insgesamt um mehr als 100 Milliarden Euro auf 768 Milliarden Euro ansteigen.

Meine Damen und Herren, zukünftige Spielräume müssen genutzt werden, um auch den Bürgern einen Teil ihres Geldes zurückzugeben. Das geht am besten durch den vorgeschlagenen Abbau der kalten Progression. Die CDU-Fraktion fordert daher die Landesregierung auf, in der morgigen Sitzung des Bundesrats für die Abschaffung der kalten Progression einzutreten. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, AfD)

Das Wort hat Abgeordneter Pidde, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Bund wurde das Gesetz zur Aufhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags und des Kinderzuschlags auf den Weg gebracht. Unter Mitwirkung der SPD in der Großen Koalition in Berlin wurde der Gesetzentwurf erarbeitet und befindet sich jetzt in der Endfassung.

Durch die gute Mai-Steuerschätzung ist noch ein Fakt auf dieses Gesetz aufgesattelt worden, nämlich der Abbau der kalten Progression. Er ist in dem Gesetz verankert und beschlossen worden. Es kommt mir schon gouvernantenhaft vor, wenn die CDU jetzt mit einem Antrag, der hier vorliegt, kommt. Wir halten diesen Antrag für überflüssig, er ist ein bisschen Wind in einem inzwischen abgeräumten Thema.

Der Bundesrat wird das vorliegende Gesetz morgen beschließen. Der Finanzausschuss des Bundesrats hat das so empfohlen, deshalb habe ich auch überhaupt keinen Zweifel daran, dass es so kommen wird.

Meine Damen und Herren, der Bundesrat wird dieses Gesetz allerdings mit Bauchschmerzen beschließen. Trotz der Schuldenbremse wird wieder einmal ein Steuergesetz beschlossen, das die Einnahmen der Länder ohne die erforderliche Kompensation an einer anderen Stelle schmälert. Deshalb hat der Finanzausschuss des Bundesrats einen Entschließungstext erarbeitet, der morgen auch dem Bundesrat zur Annahme empfohlen wird. Dieser Entschließungstext rügt die fehlende Gegenfinanzierung und, Frau Präsidentin, ich zitiere mal aus dem Entschließungstext des Finanzausschusses des Bundesrats mit Ihrer Erlaubnis: „Der Verzicht auf Steuereinnahmen in der genannten Höhe erschwert die notwendige Konsolidierung der Länder- und Kommunalhaushalte.“ Genau das ist es, warum wir dem vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion nicht zustimmen werden.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Ist doch klar!)

Die Koalitionsfraktionen von Rot-Rot-Grün haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass steuerlichen Maßnahmen, die die Einnahmesituation des Freistaats Thüringen verschlechtern, nicht zugestimmt werden soll. Auch aus Gerechtigkeitsgründen ist es falsch, ohne finanzielle Kompensation diesen Weg zu gehen. In Absolutbeträgen werden gerade die Besserverdiener durch die vorgesehenen Änderungen am Einkommensteuertarif am stärksten finanziell entlastet. Die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich wird dadurch nicht kleiner.

Meine Damen und Herren, die Union nutzt Einmaleffekte, hier die steuerlichen Mehreinnahmen, die wir jetzt haben, und es gab in der Zeit, die ich im Landtag bin, in den 20 Jahren, schon zigmal ein Auf und Ab bei den Steuereinnahmen. Die Einmal

(Abg. Kowalleck)

effekte, jetzt die guten Steuereinnahmen, sollen genutzt werden, um dauerhaft Mindereinnahmen zu produzieren. Wenn aber mal die Steuereinnahmen wieder einbrechen, fehlen uns diese Gelder.

Da die Union immer wieder solche Vorschläge unterbreitet, sage ich, das hat System. Wir können noch zig Beispiele nehmen. Betrachten wir die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die gerade in der Diskussion ist. Wenn wir da Tacheles reden, wissen wir doch alle, dass der Soli nicht haltbar ist, nicht nur, weil es verfassungsrechtliche Einwendungen gegen eine zeitlich unbegrenzte Fortgeltung gibt. Der Soli ist den Menschen einfach nicht mehr vermittelbar. 25 Jahre nach der deutschen Einheit zahlen die Menschen 5,5 Prozent Zusatzsteuer, und das einfach in den Bundeshaushalt, ohne dass dafür eine Gegenleistung erbracht wird. Deshalb sage ich: Abbau des Soli ja! Aber auch in diesem Punkt brauchen wir eine volle Gegenfinanzierung. Diese Debatte sollten wir nutzen, um die Ungerechtigkeiten im Steuerrecht zu reduzieren oder zu minimieren. Eine der eklatantesten ist die Abgeltungssteuer. Sie beträgt in Deutschland niedrige 25 Prozent. Wir haben einen niedrigeren Steuersatz für die Kapitalerträge als für Einkommen aus Arbeit und das erhöht die Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Das ist widersinnig. Wer arbeitet, wer sich den ganzen Tag reinkniet, wer den Karren zieht, zahlt mehr Steuern als der, der nichts tut oder nichts zu tun braucht, wenn er nur genug Geld aus Aktiengewinnen erzielt.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Was wollen Sie nun?)

Dadurch, genau nach diesem Vorgehen werden die Reichen immer reicher, die Armen zahlen gar keine Steuern, aber die Mittelschicht trägt die ganze Hauptlast. Da wären Impulse von der Union gefragt, aber das gehen Sie nicht an.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Dann müssen Sie ja zustimmen!)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Altersvorsor- ge!)

Meine Damen und Herren, das gleiche Prinzip wie immer, das gleiche Prinzip bei der Union wie immer gilt auch für die Erbschaftsteuer. Gerade ist das Vererben von Betriebsvermögen geklärt worden. Die Union hat das Ganze so weit aufgeweicht, dass unterm Strich gar nicht mehr allzu viel übrig bleibt, unter dem Motto „Der Fortbestand der Unternehmen wird gefährdet“. Wenn man die neueste Umfrage unter den Unternehmen, die neueste Umfrage des Instituts für Wirtschaft anschaut, dann spricht das eine ganz andere Sprache. Das größte Problem sind weltwirtschaftliche Unsicherheiten. Wenn man aber fragt: Was belastet denn die Firmen am meisten? Da kommt: Energiekosten, Arbeitskosten,

die in Deutschland hoch sind. Das sind die Dinge, die die Unternehmen am meisten belasten. Ganz hinten in der Abstufung kommt nachher unter „ferner liefen“ steuerliche Belastungen. Die große Ungerechtigkeit, die hier vorliegt bei der Erbschaftsteuer, die weltweit eine der niedrigsten ist, ist die, dass die Deutschen ein gigantisches Privatvermögen von über 10 Billionen Euro aufgehäuft haben. Da sind die Reformvordenker von der CDU nicht zu sehen.