Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

Hausfrauen leisten auch Arbeit. Vielleicht kommen wir auch irgendwann mal mit einem bedingungslosen Grundeinkommen dazu, das auch abzusichern.

(Beifall und Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das wäre ja mal was!)

Es ist aber noch nicht so weit.

(Beifall AfD)

Es ist individuelle Arbeit, die geleistet wird, das wird jetzt gesellschaftlich noch nicht bezahlt. Das wäre mal eine gute Idee. Wenn wir das vorschlagen, bin ich auf die Debatte gespannt.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Wir haben das schon vorgeschlagen!)

Ja, die Debatte haben wir auch geführt.

Lassen Sie mich noch mal was zu dem Thema „Langzeitarbeitslose“ sagen. Es ist schon viel gesprochen worden, das Klischee des arbeitsunwilligen und passiven Langzeitarbeitslosen ist weit verbreitet, aber es stimmt eben so nicht. Ich darf Sie vielleicht an der Stelle noch mal an den ThüringenMonitor und die dort dargelegte Stigmatisierung von Langzeitarbeitslosen erinnern, denn in der Abwertung einer Skala, die dort entwickelt wurde, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nach Heitmeyer, ist bei der Befragung im Thüringen-Monitor die stärkste Abwertung bei Langzeitarbeitslosen mit 53 Prozent. Das heißt, die stehen in der Negativbewertung in der Öffentlichkeit an erster Stelle. Was können die Menschen dafür, frage ich. Sicherlich hat das etwas damit zu tun, dass permanent Ausgrenzung und Diskriminierung gerade dieser Bevölkerungsgruppe erfolgt und eben auch Angst geschürt wird, denn niemand möchte in die Situation kommen, langzeitarbeitslos und Bezieher von Hartz IV zu sein. Dabei ist tatsächlich wenig bekannt über den Lebensalltag und auch die Potenziale von langzeitarbeitslosen Menschen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, ich bin froh, dass jetzt eine Studie des sozialwissenschaftlichen Instituts der evangelischen Kirche diese Lücke füllen wird, denn Langzeitarbeitslose haben eine Reihe von Ressourcen und die müssen wir auch in der arbeitsmarktpolitischen Förderung beachten. Ich will es noch mal ganz deutlich sagen, man sollte Menschen nicht von ihren Defiziten her denken, sondern von ihren Stärken.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft Menschen mit Behinderung genauso wie Flüchtlinge, die hierher kommen, genauso wie

Langzeitarbeitslose, wie Junge und Ältere. Wir haben doch alle die Erfahrung gemacht, dass Menschen, wo die Arbeit passt, die sie gern machen, wo das einfach zusammengeführt wird – Arbeit und der Mensch mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten und seinem Wollen –, dass es dann auch funktioniert. Ich will die Zahl noch mal wiederholen: Von den etwa 30.000 Langzeitarbeitslosen sind 17.000 zwei Jahre und länger arbeitslos, 10.000 drei Jahre und länger und mehr als 3.000 Menschen sind länger als drei Jahre arbeitslos. Das muss nicht sein! Das hat auch die Regionaldirektion für Arbeit immer gesagt und deswegen ist auch dieses Programm in Abstimmung mit der Regionaldirektion für Arbeit entstanden, sowohl das LAP als auch dieses neue Programm, diese Initiative zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Ich darf vielleicht Kay Senius hier noch mal zitieren, der sagte: „Die Langzeitarbeitslosigkeit fordert uns seit Jahren und wir stellen zunehmend eine Verfestigung fest. Wir haben Langzeitarbeitslose, die uns die Wirtschaft seit Jahren nicht abnimmt. Auch unser Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätigt, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen keine Langzeitarbeitslosen einstellen würden.“ – Er bedankt sich in dem Zusammenhang bei der Landesregierung für dieses Programm. Und ich würde ganz öffentlich auch den Dank an den Kollegen Senius und an seine Kollegen in der Regionaldirektion und die Menschen, die in den Jobcentern sitzen, zurückgeben.

(Beifall DIE LINKE)

Denn er hat recht, wir sind in einer sozialen Verantwortung gegenüber den Betroffenen und wir wollen denjenigen, die arbeiten möchten, auch ein Stück ihrer Würde wiedergeben, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Da geht es nicht in erster Linie um Beschulung, Frau Holzapfel. Die älteren Langzeitarbeitslosen jenseits der 50, das sind über 12.000, von denen wir hier reden. Frau Herold, da haben Sie recht, 500 sind da ein Tropfen auf den heißen Stein, das soll auch nur der Einstieg in das Programm sein, in diesem Jahr. Das soll ja weitergehen. Aber den älteren Langzeitarbeitslosen, die Berufserfahrung und eine eigene Berufsbiografie haben, immer ihre Arbeitslosigkeit vorzuhalten und die jenseits der 55 noch in irgendwelche Qualifizierungsmaßnahmen zu schicken, die Ihnen dann in der Wirtschaft doch nichts nützen, das ist doch wirklich vergeudetes Geld. Deswegen denken wir – und so werden wir das ja jetzt auch tun –, dass es richtig ist, eine Doppelstrategie zu fahren, betroffenen Langzeitarbeitslosen konkret ein Angebot zu machen und die Arbeit, die in der öffentlichen Daseinsvorsorge, in der Gemeinwohlarbeit derzeit auch mangels finanzieller Mittel in den Kommunen, in den Landkreisen nicht

geleistet wird, das eben zusammenzubringen. Ich bin da sehr hoffnungsvoll. Es wird nicht gelingen, alles gleich in sozialversicherungspflichtiger Arbeit zu machen. Wir sagen auch, das Mindeste ist der Mindestlohn für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Aber uns ist eben auch sehr wichtig die Freiwilligkeit – ich habe das schon betont und will das noch mal begründen: Freiwilligkeit heißt, von vornherein sanktionsfrei. Darüber könnte man jetzt länger reden, da gibt es aktuelle Entscheidungen, da liegt einiges beim Bundesverfassungsgericht. Ich will Ihnen nur sagen, in einer Antwort – das war auch die Meldung des heutigen Tages – auf eine Kleine Anfrage unserer Bundestagsfraktion wurde dargelegt, dass in den vergangenen sieben Jahren 1,5 Milliarden Euro Arbeitslosengelder nicht bereitgestellt wurden durch Sanktionen und 20.000 junge Menschen zeitweise sogar völlig ohne entsprechendes Arbeitslosgengeld II geblieben sind. Nun, die Ministerin hat die vier Säulen vorgestellt. Da kann man ja auch noch mal nachlesen, steht ja auch alles im Netz drin. Ich weiß, dass die Richtlinie gegenwärtig erarbeitet wird.

Meine Bitte zum Schluss ist, jetzt wirklich die Richtlinie sehr schnell auf den Weg zu bringen. Da gucke ich auch die Finanzministerin an. Da muss ja im Finanzministerium, wenn das dann alles beraten ist, auch noch das Okay gegeben werden. Ich hoffe, dass wir ab 01.09. dann diese Richtlinie haben und wir könnten jetzt schon überall mal gucken, wo gibt es denn Bereiche der Gemeinwohlorientierung, wo solche Arbeitsstellen geschaffen werden können. Ich weiß, dass viele in Projekten, in Einrichtungen schon drauf warten, beispielsweise laufen bei der Suhler Tafel gegenwärtig gerade drei EinEuro-Jobs aus, es wäre also schön, wenn wir da einen nahtlosen Übergang kriegen würden, dass dann hier die Hilfe gegeben wird. Ich halte es für ganz wichtig, dass die Regionalbeiräte in den Prozess mit einbezogen werden, dass wir also miteinander das auf den Weg bringen: mit den Kommunalpolitikern, mit den Landräten, den Bürgermeistern, aber auch mit den Jobcentern. Auf die Jobcenter kommt meines Erachtens eine große Verantwortung zu, tatsächlich niemanden hier zu zwingen, sondern dafür zu werben, dass das interessante Stellen sind. Wir wollen es auch längerfristig gestalten, vor allen Dingen für die älteren Arbeitnehmer, damit es eben auch einen würdigen Übergang in die Rente gibt und dass wir diesen Passiv-AktivTransfer durchsetzen, das heißt also, die Verzahnung von Mitteln. Ich sage es mal: Arbeitslosengeld II, Kosten für Heizung und Unterkunft plus Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Wenn man die zusammenführt, gibt es einen guten Lohn für geleistete Arbeit. Da müssen die Kollegen von der CDU, wenn sie denn wollen, ein bisschen Druck beim Bund machen. Außerdem kommt ja irgendwann die Bundestagswahl 2017, ich glaube, da kann man auch noch mal ein bisschen schieben,

dass endlich diese Korrektur in der Bundeshaushaltsordnung vorgenommen wird und dass das auch möglich ist, was alle Parteien bis hin zur CDU oder auch Wohlfahrtsverbände fordern.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich denke, man könnte noch weiter diskutieren, um vielleicht auch noch weitere Fragen auszuräumen. Deswegen würde ich mich dem Antrag von Frau Pfefferlein namens meiner Fraktion gern anschließen, beide Anträge an den Sozialausschuss zu verweisen und dort weiter zu diskutieren. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Herr Abgeordneter Wirkner, CDU-Fraktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, werter Herr Präsident, meine Damen und Herren Minister, links- und rechtsseitig, vor allem werte Gäste! Wie ich sehen kann, sind einige Rentner unter uns und ich kann nur hoffen, dass sie ihre Arbeitswelt schon hinter sich haben, ansonsten würden sie heute sicherlich Angst haben müssen um die Zukunft, bei dem, was sie hier hören,

(Beifall AfD)

aber keine Sorge, so schlimm wird es nicht. Aber ich habe nun mal wieder die Aufgabe, fast wie immer zum Schluss zu sprechen

(Beifall CDU)

und ich möchte mich mit diesem Thema „Arbeit und Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit im Besonderen“ noch einmal beschäftigen. Es gibt zwei Anträge, die hier im Parlament zu diskutieren sind. Zum einen der Antrag der CDU-Fraktion, der sich damit beschäftigt, bestehende Landesarbeitsprogramme zu überprüfen auf ihre Wirksamkeit und eventuell Vorschläge zu unterbreiten, diese auszuweiten bzw. dort zu reduzieren, wo es möglich ist. Zum Anderen gibt es den Antrag von Rot-Rot-Grün, ein grundsätzlich neues Landesarbeitsmarktprogramm zu installieren und öffentlich beschäftigte Arbeit zu finanzieren. So weit, so gut. Das zur grundsätzlichen Geschichte.

Nun unterscheiden wir uns ja beide voneinander, dass die auf der einen Seite sagen, das sind wir, die sozialste Einrichtung ist ein Unternehmer, der Arbeitsplätze schafft und erhält,

(Beifall CDU, AfD)

und die andere Seite ruft immer mehr nach staatlicher Beschäftigung. Da muss ich Ihnen sagen, da

(Abg. Leukefeld)

mit habe ich schon über viele Jahre hinweg meine großen Probleme. Wenn man diese staatlichen Arbeitsmarktprogramme in der Praxis realisiert und sieht, was sich da abspielt, da muss ich immer wieder dazu sagen, das Wichtigste und die wichtigste Aufgabe ist, und das ist eigentlich die originäre Aufgabe dieses Plenums, dieses Landtags, Rahmenbedingungen zu schaffen durch Gesetzeswerke, die Mittelstand, Handwerk und Wirtschaft fördern, damit Menschen in Arbeit kommen, und zwar in dauerhafte Arbeit, tariflich entlohnt werden können und keine Transferleistungen vom Staat dazu führen, dass die Menschen von Maßnahme zu Maßnahme, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer weiter hingetröstet werden und zum Schluss mit einer Mini-Rente ins Rentenalter eintreten. Das kann nicht Sinn und Zweck der Politik sein und das darf auch nicht Sinn und Zweck des Thüringer Landtags sein.

(Beifall CDU, AfD)

Deswegen sage ich Ihnen – und das ist auch meine persönliche Überzeugung –, Wirtschaft und Mittelstandspolitik, das ist der beste Garant dafür, dass in einem Land Menschen in sichere Arbeitsplätze gelangen. Da habe ich jetzt, und das muss ich jetzt mal ganz ehrlich sagen und hier noch einmal ganz deutlich zum Ausdruck bringen, im letzten halben Jahr wirklich meine Bedenken, ob wir da auf dem richtigen Weg sind. Ich möchte Sie mal an einige unsägliche Gesetzeswerke des letzten halben Jahres erinnern, die sich letzten Endes nur negativ auf Mittelstand, Handwerk und auf Industrie auswirken. Da beginne ich mit unserem Antrag von vor circa einem halben Jahr „Vorzeitige Evaluierung des Vergabegesetzes“. Wir wollten, dass die Vergabegesetzgebung auf den Prüfstand kommt, vereinfacht wird, damit mehr vor allen Dingen kleine mittelständische Betriebe Zugang zu öffentlichen Aufträgen haben und dieser Moloch von Verwaltungsaufwand bei Ausschreibungen eingeschränkt wird.

(Beifall CDU, AfD)

Rot-Rot-Grün hat abgelehnt! Wir wollten, dass der Meisterbonus eingeführt wird. Warum? Wir haben es, wie bei den Langzeitarbeitslosen auch, mit vielen Jugendlichen zu tun, die keine Ausbildung mehr finden, weil es immer weniger Meister gibt und ohne Meister keine Berufsausbildung. Von Rot-RotGrün wurde der Meisterbonus abgelehnt!

Wir wollten das Mindestlohngesetz begleiten über eine Bundesratsinitiative, dass dieses Verwaltungswerk, dieser bürokratische Moloch entschärft wird. Gott sei Dank gab es in der Bundespolitik noch vernünftige Politiker, die das mit begleitet haben.

(Beifall CDU, AfD)

Von Rot-Rot-Grün wurde es im Landtag Thüringen abgelehnt!

Und nun das Bildungsfreistellungsgesetz!

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wurde von Schwarz abge- lehnt!)

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ab fünf Angestellten zusätzlich eine Woche Bildungsurlaub, durchschnittlicher Urlaub bei über 50-Jährigen in ordentlichen Betrieben 30 Tage im Jahr, zusätzlich noch eine Woche, sind 35 Tage – sieben Wochen von der Arbeit fernbleiben, wenn das Wirtschaftsförderung sein soll und Arbeitsplatzförderung, wage ich das zu bezweifeln.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Arbeit- nehmerförderung!)

(Unruhe DIE LINKE)

Ich komme dann noch einmal auf Ihr Bildungsfreistellungsgesetz zurück.

Jetzt wollen wir noch einmal analysieren: 30.000 Langzeitarbeitslose, da gibt es natürlich auch viele Jugendliche und vor allen Dingen viele über die 50 Jahre hinweg. Und bei den Jugendlichen gibt es welche, die wollen gar nicht mehr, das ist die Praxis, das kann ich auch mit Fug und Recht behaupten, das ist aber nicht die Mehrheit. Es ist nicht die Mehrheit. Die Mehrheit will einen ordentlichen Ausbildungsplatz und eine ordentliche Zukunft. Wo bitte schön sollen sie ausgebildet werden, wenn es in Zukunft keine Meister mehr gibt?!

(Unruhe DIE LINKE)

Also: Was machen die Jugendlichen? Sie verfallen in Deutschland dem Akademikerwahn und gehen ab der 5. Klasse aufs Gymnasium, machen eine Gymnasiumausbildung, gehen danach an die Hochschule. Und 30 Prozent der Hochschüler verlassen die Hochschule vor dem ersten Prüfungsakt wieder.