Protokoll der Sitzung vom 24.08.2015

Wir werden drittens ein Konfliktmanagement in den Erstaufnahmestellen etablieren, damit eine friedliche Lösung aufkommender Streitigkeiten ermöglicht wird. Wir werden viertens die Integration verbessern. Das Geld, das wir heute dafür investieren, sparen wir morgen. Wir wollen fünftens als Landesregierung Anreize für die Zivilgesellschaft setzen, damit private Unterkünfte und private Patenschaften die Aufnahme in den Kommunen entlasten. Wir werden sechstens auch weiterhin konsequent auf die Einhaltung des bestehenden Rechts achten und bei schweren Verstößen Sanktionen bis zum Verlust des Aufenthaltsrechts verhängen. Für mich, das habe ich auch immer und immer wieder gesagt, gibt es keine Abstriche am geltenden Recht. Dies muss allen klar sein.

(Unruhe CDU)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden weiterhin

(Unruhe AfD)

nicht aufregen, ganz ruhig bleiben – das Sicherheitskonzept für Suhl noch einmal überarbeiten. Ich habe selbst immer gesagt, dass es für die Integration von großem Vorteil ist, wenn ein solches Gelän

(Minister Lauinger)

de frei zugänglich ist. Die Vorfälle am Donnerstag haben gezeigt, dass wir uns sicherlich zusammen mit Polizei und Rettungskräften noch einmal Gedanken über das Sicherheitskonzept in Suhl machen müssen.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das ist doch albern! Man muss sich nur an die gel- tenden Regeln halten!)

In Anbetracht der Prognosen zur Entwicklung der Flüchtlingszahlen, der Überbelegung der vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen und der Auslastung der bestehenden Unterbringungskapazitäten in den Kommunen werden derzeit weitere Notmaßnahmen geprüft. Hierzu zählt auch, die Verfügbarkeit landeseigener Immobilien zu überprüfen und die Frage, ob wir dort Containerstandorte errichten. Herr Herrgott, seien Sie versichert, es gibt noch mehr Container als die, die Frau Schweinsburg geordert hat. Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich, ich würde auch das nicht gegeneinander ausspielen. Es geht um die Unterbringung von Flüchtlingen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mir persönlich ist es genauso lieb, wenn Frau Schweinsburg die Menschen, die in ihre kommunale Verantwortung kommen, dort unterbringt, als wenn ich das mache. Mir ist jeder, der ein Dach über dem Kopf hat, lieber, als jeder, der in einem Zelt schlafen muss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um insoweit aus vergaberechtlicher Sicht schnell handeln zu können, hatte die Landesregierung bereits im April dieses Jahres im Rahmen einer Änderung der einschlägigen Verwaltungsvorschrift befristete Vereinfachungen des Vergaberechts geschaffen. Damit sind im Rahmen gewisser Wertgrenzen beschränkte Ausschreibungen oder freihändige Vergaben möglich, die zu einer erleichterten Durchführung des Vergabeverfahrens führen.

Eine weitere große Herausforderung, die sich in den nächsten Wochen stellen wird, ist die Versorgung und Unterbringung unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher. Diese Kinder und Jugendlichen werden durch die Jugendämter in Obhut genommen, denn sie bedürfen aufgrund ihrer besonderen Situation einer besonderen Betreuung. Derzeit sind in Thüringen etwa 145 unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche untergebracht. Voraussichtlich zum 1. Januar 2016 könnte sich diese Zahl deutlich erhöhen, denn eine geplante Gesetzesänderung sieht vor, diese jungen Menschen künftig nach dem Königsteiner Schlüssel auf alle Länder zu verteilen. Auch hierauf bereitet sich die Landesregierung intensiv in enger Zusammenarbeit mit den Thüringer Jugendämtern vor und schafft kurzfristig geeignete Clearingeinrichtungen

und Plätze in Nachfolgeeinrichtungen der Erziehungshilfe.

Um Ihnen die Dimension dieser Aufgabe zu verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, von heute auf morgen müssten mehr als 1.000 Thüringer Kinder und Jugendliche ihre Familien verlassen und in Kinderheimen betreut werden. Die steigende Zahl von ausländischen unbegleiteten Kindern und Jugendlichen ist nicht nur eine Herausforderung für die Jugendhilfe bezüglich der Schaffung geeigneter Einrichtungen und Plätze und Strukturen, sondern hat auch unmittelbare Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Das Jugendministerium ist mit den kommunalen Spitzenverbänden, den 23 Jugendämtern der kreisfreien Städte und Landkreise und den freien Trägern der Jugendhilfe im Gespräch, um den auf uns zukommenden Herausforderungen gerecht zu werden. Das Clearingverfahren wird in erlaubnispflichtigen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 45 SGB VIII entsprechend des Jugendhilfestandards durchgeführt. Die Leistungen in einer Clearingeinrichtung für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche sind gegenüber den Leistungen einer normalen stationären Einrichtung der Erziehungshilfe aufwendiger und wirken sich somit auf den Personalschlüssel und auf das Entgelt aus. Die Jugendamtsleiterinnen sind derzeit mit unterschiedlicher Intensität in Gesprächen mit den Trägern von Einrichtungen der Erziehungshilfe in ihren Gebietskörperschaften, um zu eruieren, welche Möglichkeiten es gibt, Platzkapazitäten in bestehenden Einrichtungen zu nutzen bzw. welche Platzerweiterungen geschaffen werden müssen. Für die Initiierung dieser Platzkapazitäten werden vom Land Mittel in Höhe von 7.500 Euro pro Platz bereitgestellt. Dafür stehen bereits 1 Million Euro in 2015 zur Verfügung. Alle Jugendamtsleiter und -leiterinnen bereiten sich darauf vor, rechtzeitig Plätze für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche zur Erfüllung der Quote für ihren Landkreis vorzuhalten. Hierzu bedarf es nicht nur der Kostenerstattung gegenüber den Trägern der Einrichtungen für die Unterbringung und Betreuung dieser Kinder und Jugendlichen, sondern auch der Finanzierung der Fachkräfte in den Jugendämtern sowie Vormünder und Mitarbeiterinnen der Allgemeinen Sozialen Dienste und der Wirtschaftlichen Jugendhilfe. Diese Fachkräfte sind zusätzlich erforderlich, um den zugewiesenen hohen Fallzahlen an unbegleiteten ausländischen Kindern gerecht zu werden.

Wie ist die Situation in den Thüringer Kommunen? In gleichem Maße dringlich ist für die Landesregierung die Unterstützung der Landkreise und kreisfreien Städte. Mit nur geringer Zeitverzögerung werden spätestens ab September diese dramatisch angestiegenen Zahlen von Juli in den Kommunen ankommen. Das Gesetz erlaubt – das wissen Sie alle – eine maximale Dauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von drei Monaten. Das heißt: Selbst wenn

(Minister Lauinger)

das Land eine Verteilung auf die Kommunen aussetzen wollte, ist dies rechtlich nicht möglich. Spätestens ab September kommen diese dramatisch angestiegenen Zahlen auch in den Landkreisen und Kommunen an. Innerhalb der ersten Hälfte dieses Jahres haben die Kommunen bereits 2.800 neue Unterbringungsplätze geschaffen, davon 60 Prozent dezentral. Das ist eine große Leistung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings – und da brauche ich nicht herumzureden – werden den Kommunen hierzulande, wie im Übrigen in allen Bundesländern, auch noch deutlich größere Anstrengungen abverlangt werden. Die derzeit bestehenden 10.600 Plätze werden bei Weitem nicht ausreichen. Die Thüringer Landesregierung wird die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgaben bestmöglich unterstützen. Schon jetzt fördert das Land jeden Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft mit 7.500 Euro. Allein in den ersten sieben Monaten 2015 wurden rund 4.000 Anträge für die Schaffung solcher Plätze gestellt. Zeitnah wird die Investitionspauschale auch für die dezentralen Unterbringungsplätze eingeführt werden. Außerdem wird die Sozialbetreuungspauschale noch im Herbst 2015 angehoben, um den Kommunen die Einstellung weiterer Sozialarbeiter und Flüchtlingsbetreuer zu ermöglichen. Darüber hinaus wird die Landesregierung die Kommunen auch im Bereich der gestiegenen Verwaltungskosten erheblich finanziell unterstützen. Im Jahr 2016 sollen den Kommunen zusätzliche Mittel für die Verwaltungsaufgaben der Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung gestellt werden. Dies ist im entsprechenden Gesetzentwurf zur Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs über den Mehrbelastungsausgleich des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes vorgesehen. Zudem erhalten die Kommunen im Übrigen weit mehr als die vom Bund zur Verfügung gestellten finanziellen Flüchtlingshilfen in Höhe von 26 Millionen Euro für die Jahre 2015 und 2016. Den Kommunen werden die mit der Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen verbundenen notwendigen Kosten pro Flüchtling und Monat entsprechend dem in Thüringen geltenden Kostenerstattungssystem erstattet. Die ansteigenden Flüchtlingszahlen werden mithin bei der Erstattung an die Kommunen eins zu eins entsprechend nachgezeichnet. Im Jahr 2014 wurden circa 47 Millionen Euro für Flüchtlinge ausgegeben. Für das Jahr 2015 wurden nach den Zahlen des Bundesamts von uns rund 79 Millionen Euro veranschlagt. Aktuell liegen wir bei den bereits getätigten Ausgaben in der Größenordnung von 66 Millionen und werden bis zum Jahresende angesichts der aktuellen Prognose deutlich im dreistelligen Bereich landen. Ich weise an dieser Stelle nochmals darauf hin: Das Land und nicht nur das Land Thüringen, sondern sämtliche Bundesländer agieren damit am

Rande der finanziellen Belastungsgrenze. Wenn es mit der Weitergabe der 26 Millionen Euro des Bundes an die Kommunen getan wäre, dann hätte die Finanzministerin, Frau Taubert, eine Sorge weniger. Wir werden den Thüringer Kommunen am Jahresende 2015 im Verhältnis zu 2014 deutlich mehr als diese 26 Millionen zur Verfügung gestellt haben. Allein die Ausreichung der Investitionspauschale für Gemeinschaftsunterkünfte für das Jahr 2015 wird aufgrund der stark gestiegenen Inanspruchnahme durch die Kommunen die vonseiten des Bundes für dieses Jahr in Aussicht gestellten finanziellen Hilfen bei Weitem übersteigen. Daher wird sich diese Landesregierung weiterhin vehement zusammen mit den anderen Ländern für eine weitergehende strukturelle und dauerhafte finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen einsetzen. Dies werden wir als Gemeinschaft der Länder gegenüber dem Bund deutlich machen. Wenn die Zahl der Flüchtlinge rapide steigt, ist eins sicher: Umso mehr müssen wir uns für eine echte Integration der Menschen in Thüringen einsetzen. Sprachkurse, Kita-Plätze, soziale Betreuung – an allen Stellen sind Landesregierung und Kommunen hier gefragt. Das Land fördert zurzeit jährlich etwa 30 Integrationsprojekte. Unterstützt werden hierdurch insbesondere Projekte, die von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und gemeinnützigen Vereinen durchgeführt werden und vor allem auf eine sprachliche Förderung der Zuwanderer sowie eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind.

Denn Sprache ist der Schlüssel zur Welt, wie schon vor langer Zeit Wilhelm von Humboldt feststellte, und damit der Schlüssel für eine erfolgreiche und selbstbestimmte Integration in unsere Gesellschaft und nicht zuletzt in unseren Arbeitsmarkt. Hierfür wurden bislang jährlich 500.000 Euro aufgewandt. Die Landesregierung hat diesen Ansatz für 2015 bereits auf 732.000 Euro erhöht und beabsichtigt, ihn für den folgenden Doppelhaushalt weiter zu erhöhen. Gerade weil Sprache eine so große Bedeutung insbesondere auch für Kinder und Jugendliche im Hinblick auf ihre Bildungschancen hat, werden in Thüringen seit dem laufenden Schuljahr sogenannte Sprachklassen etabliert. Hier werden die drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen intensiv sprachlich gefördert, um ihnen die Teilnahme am Regelunterricht zu erleichtern. Im berufsbildenden Bereich werden ab dem Schuljahr 2015/2016 spezifische Berufsvorbereitungsangebote mit erhöhtem Deutschanteil angeboten. Darüber hinaus werden die vom Institut für Interkulturelle Kommunikation aus Erfurt durchgeführten Erstorientierungskurse in den Landesaufnahmeeinrichtungen in Eisenberg und Suhl weiterhin angeboten und aus Landesmitteln finanziert. Diese Erstorientierungskurse werden täglich in Eisenberg und Suhl sowie in den künfti

(Minister Lauinger)

gen weiteren Aufnahmeeinrichtungen sowohl Kindern als auch Erwachsenen angeboten. Die Kurse bieten eine rasche Erstorientierung und vermitteln Basissprachkenntnisse und gesellschaftliches und kulturelles Basiswissen. Sie werden von den Flüchtlingen aller Altersklassen mit großem Engagement und Wissensdurst angenommen.

Schließlich begrüßt die Landesregierung die nunmehr in Planung befindliche und seit Langem geforderte Öffnung der Integrationskurse des Bundes auch für die Gruppe der nach den Gesetzen nicht teilnahmeberechtigten Asylbewerber und Geduldeten.

Integration kann nicht gelingen ohne Integration in den Arbeitsmarkt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hierfür ist das bei der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung eingerichtete „Welcome Center Thuringia“ ein wichtiges Bindeglied zwischen Land und Wirtschaft. Ebenso ist die Gemeinsame Erklärung zur Festlegung von Qualitätsstandards bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte, die von Politik, Wirtschaft, Verbänden und der Arbeitsverwaltung in Thüringen unterzeichnet wurde, eine wichtige Arbeitsgrundlage. Zur Beschleunigung und Verbesserung der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit hat das Migrationsministerium bereits im Frühjahr 2015 eine entsprechende Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Vertretern der betroffenen Fachminister, der Wirtschaft, der Verbände und der Arbeitsverwaltung in Thüringen eingerichtet. Kurzfristige Ziele sind die Stärkung von Netzwerkstrukturen, das Angebot fester Beratungstage in den Landesaufnahmestellen durch die zuständigen Arbeitsagenturen und die Erfassung der Qualifikation und Sprachkenntnisse der Asylbewerber bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Darüber hinaus wurde bereits ein Willkommenspaket entwickelt, das Informationen zu Ausbildung und arbeitsmarktrelevanten Themen anbietet, welches ab Herbst dieses Jahres in den Landesaufnahmeeinrichtungen verteilt wird. Zudem tritt ebenfalls im Herbst 2015 die Richtlinie für das „Landesarbeitsprogramm Arbeit in Thüringen“ in Kraft, wodurch auch Projekte zur Unterstützung der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit gefördert werden.

Ganz besonders begrüßt die Landesregierung die Initiativen der Wirtschaft, die darauf abzielen, geeigneten und interessierten Asylbewerbern möglichst frühzeitig eine Perspektive für den Einstieg in den Thüringer Arbeitsmarkt zu eröffnen. Ich habe es selbst festgestellt, als ich in Apolda die dortige Volkshochschule besucht habe, die Sprachkurse für Asylbewerber anbietet, dass es inzwischen in Thüringen so weit ist, dass verschiedene Arbeitgeber dort angerufen und gesagt haben, dass sie den

Kurs für bestimmte Flüchtlinge bezahlen wollen, weil sie schlicht und ergreifend nicht warten können, bis nach einem Anerkennungsverfahren, das teilweise ein Jahr oder noch länger dauert, diese Menschen das Recht auf einen Sprachkurs haben.

Derzeit prüft mein Haus zusammen mit verschiedenen weiteren beteiligten Ministerien im Rahmen einer Machbarkeitsstudie eine vom Ministerpräsidenten und der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, ausdrücklich befürwortete Initiative der Thüringer Bauwirtschaft. Das integrierte Konzept „Berufliche Beratungs- und Entwicklungsagentur für Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge in die Thüringer Bauwirtschaft“ zielt auf eine Ausbildung von Asylbewerbern für eine Tätigkeit in der Thüringer Bauwirtschaft ab. Die eigentliche Herausforderung neben der Prüfung der asylrechtlichen Fragen wird die Koordinierung einer Vielzahl unterschiedlicher Fördertöpfe zur Realisierung dieses Projekts sein. Die Bundesagentur für Arbeit hat in Aussicht gestellt, im Rahmen des Möglichen ihren Beitrag dazu zu leisten, dies insbesondere mit Blick auf die Sprachförderung, die Qualifizierung und die Förderung am Arbeitsplatz, und steht uns als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Auch Ideen und Initiativen aus dem Bereich Gesundheitswesen und Pflege werden wir entsprechend aufnehmen und prüfen. Zudem startet das Landesverwaltungsamt die Initiative zu einem beschleunigten Anerkennungsverfahren, auch mit dem Ziel der Einbeziehung von Flüchtlingen mit medizinischen und sozialpädagogischen Berufen in die Flüchtlingsbetreuung.

In diesem Zusammenhang sei an die Adresse derjenigen, die versuchen, hier Ängste zu schüren, klar gesagt: Durch die berufliche Integration von Asylberechtigten und Flüchtlingen verschlechtern sich die Ausbildungschancen für die Jugendlichen in Thüringen nicht. Auch in diesem Jahr ist die hohe Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze erschreckend. Die Thüringer Wirtschaft ist händeringend auf der Suche nach Arbeitskräften. Zur Einordnung des Arbeitskräftebedarfs gestatten Sie mir, auf die Fachkräftestudie „Fachkräfteperspektive Thüringen 2025“ Bezug zu nehmen. Es wird darin eingeschätzt, dass insbesondere durch altersbedingte Renteneintritte von Beschäftigten in Thüringen bis zum Jahr 2025, also in den nächsten zehn Jahren, ein Arbeitskräftebedarf von insgesamt 280.000 Personen besteht. Auch der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte in Thüringen seit 2010 auf der Grundlage des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet ist dabei lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Danach wurden EU-Arbeitsgenehmigungen in 2011 in 252, 2012 in 319, 2013 in 502 und 2014 lediglich in 15 Fällen erteilt. Für Drittstaatsangehörige wurde eine Zulassung zum Thüringer Arbeitsmarkt in 2010 für 659 Personen und

(Minister Lauinger)

von da an absteigend bis 2014 mit 448 Zulassungen erteilt. Das alles macht deutlich: Wir brauchen die Flüchtlinge, die heute herkommen, dringend als Arbeitskräfte und Nachbarn von morgen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Asylbewerber müssen deutlich schneller als bisher Rechtssicherheit über ihren Aufenthaltsstatus erlangen. Denn Flüchtlinge mit sicherem Aufenthaltsstatus können dann schneller in die Kommunen verteilt und schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. An dieser Stelle ist allein der Bund in der Pflicht.

(Unruhe CDU, AfD)

Dieses Land kann an keiner einzigen Stelle das Verfahren für Asylbewerber beschleunigen. Die Landesregierung unterstützt selbstverständlich die längst überfälligen Bemühungen des Bundes, die Bearbeitung von Asylanträgen zu beschleunigen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Abschie- bungsdefizit des Landes! Abschiebung ist Sache des Landes!)

Die Thüringer Landesregierung hat hierzu dem Bundeskanzleramt den Vorschlag übermittelt,

(Unruhe AfD)

zur schnelleren Bearbeitung von Asylanträgen das schriftliche Verfahren auszuweiten. Dies sollte insbesondere für Personen aus Herkunftsländern gelten, deren Asylanträge zu fast 100 Prozent positiv beschieden werden, wie etwa bei Flüchtlingen aus Syrien. Im Übrigen ist es Aufgabe des Bundes, für beschleunigte Asylverfahren zu sorgen.

(Unruhe CDU)

Wenn Sie jetzt ganz konkret nach Thüringen schauen, wurde bereits im Frühjahr dieses Jahres in der Landeserstaufnahmestelle die Voraussetzung dafür geschaffen, dass das Bundesamt dort einziehen kann. Ich persönlich habe mit dem Bundesamt gesprochen und es hieß, es wird noch im Laufe des Frühjahrs passieren. Inzwischen haben wir August und das Bundesamt ist immer noch nicht eingezogen. Nach neuesten Zahlen und Angaben soll es im Oktober einziehen. Wissen Sie, was das für Thüringen bedeutet? Dass wir im Moment jeden Flüchtling, der in der Erstaufnahme untergebracht ist, ganz egal, wo die im Land ist, nach Hermsdorf fahren müssen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um ihm dort seine gesetzlich vorgesehene Anhörungsmöglichkeit zu verschaffen. Wie viel einfacher wäre es für uns, wenn diese Menschen, die in Suhl wohnen, über den Hof gehen, in das Küchengebäude, und dort beim Bundesamt ihre Anhörung machen könnten! Alle Versuche, beim zuständigen

Bundesinnenminister dafür einzutreten, dass dieses Bundesamt und diese Mitarbeiter endlich hierherkommen, waren bisher erfolglos. Ich hätte mir gewünscht, dass sie erfolgreich wären. Von daher bin ich auch immer wieder entsetzt, wenn sich ein Bundesinnenminister hinstellt und sagt: Wir müssen das Asylverfahren beschleunigen. Es ist allein seine Kompetenz, dies zu tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Sie haben aber auch gar nichts verstanden!)