Protokoll der Sitzung vom 24.08.2015

(Ministerpräsident Ramelow)

setzes stellt, muss unseren Schutz bekommen. Es kann keine Einordnung zwischen Menschen erster Klasse, zweiter Klasse oder dritter Klasse geben. Ein Rechtsstaat lebt davon, dass die rechtsstaatliche Zuordnung für jeden gilt.

Jetzt noch mal, lieber Herr Mohring: Sie haben das vorhin angesprochen, ich hätte mich in der Ministerpräsidentenkonferenz für Lager ausgesprochen, in denen Flüchtlinge aufgenommen werden, die anschließend nicht das Asylverfahren positiv abgeschlossen bekommen. Sie meinen damit sicherlich Albanien, Montenegro, Kosovo, Serbien, Mazedonien – das war jedenfalls mein Eindruck. Da darf ich Sie korrigieren. Ich habe mich nicht für solche Lager oder Zentren in Thüringen ausgesprochen. Auch die Landesregierung hat sich nicht dafür ausgesprochen. Ich habe lediglich einer Vereinbarung aller Ministerpräsidenten zugestimmt, dass der Bund vor der Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer selbst die Verfahren sortiert und prüft und zusagt. Das war die Vereinbarung, dass Menschen, die aus Montenegro, Albanien, Kosovo, Serbien, Mazedonien kommen, innerhalb von drei Monaten ihr Verfahren abgeschlossen haben. So war die Vereinbarung. Herr de Maizière nannte das die vier Clusterzentren, Sie können ihn ja nachher noch mal fragen. Diesem Protokoll oder dieser gemeinsamen Übereinkunft habe ich zugestimmt, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir den Menschen aus diesen Ländern Arbeitsvisa, Arbeitserlaubnisse erteilen müssten. Denn, meine Damen und Herren, wir reden über die Staaten am Rande von Europa, über die im Moment auf dem Landweg die größten Flüchtlingsströme kommen. Wie wollen wir denn von Montenegro erwarten und verlangen, dass sie unsere Außengrenze abriegeln, wenn wir ihnen gleichzeitig sagen, ihr seid aber ein Failed State und wir trauen euch ansonsten nicht über den Weg? Deswegen müssen wir uns entscheiden, was wir eigentlich wollen. Ich bin da auch nicht der Meinung, dass wir es akzeptieren sollten, was in Albanien oder im Kosovo los ist. Das ist nicht zu akzeptieren. Aber die Aufgabenstellung, die wir haben, ist nicht, dem kosovarischen Menschen zu sagen, du bist hier unerwünscht, geh zurück. Sondern wir müssen dem Kosovo sagen, dem Land, dem Staat Albanien sagen, wir sind bereit, mit euch partnerschaftlich eine Stabilität in euren Ländern aufzubauen und diejenigen, die dafür Ausbildung und berufsbegleitende Maßnahmen brauchen, bilden wir gern aus, und wir helfen, den Veränderungsprozess in den Heimatstaaten selbst kraftvoller anzulegen.

Da, meine Damen und Herren, bleibe ich mir treu: Ich habe immer gesagt, das ist Außenpolitik, das kann nur der Bund selbst machen. Deswegen war ich einverstanden, dass die vier Clusterzentren gebildet werden, wenn der Bund selbst die Verantwortung übernimmt, weil wir uns dann auf das konzentrieren können, was ich mir eigentlich am meisten

wünschen würde: Eine deutlichere Debatte, wie wir in diesem Bundesland Bürger, die aus welchen Gründen auch immer aus ihrer Heimat gekommen sind, aber hier sind, da sind, bei uns sind, unter uns sind, die wir als Teil unserer bürgerlichen Gesellschaft mit einladen wollen, dieses Land weiter voranzubringen. Da sind vorhin ja ein paar Zahlen genannt worden. Aktuell haben wir 5.000 Ausbildungsplätze leer. Diese Ausbildungsplätze stehen zur Verfügung. Die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern, die ich dafür ausdrücklich loben will, sind diejenigen, die im Moment ganz deutlich sagen: Helft uns, wie wir junge Menschen ansprechen können, damit sie in unsere Berufsbildungszentren kommen, indem sie in unsere Betriebe kommen. Das war, lieber Herr Heym, damals meine Debatte zu Rohr – nicht Kinder nach Rohr schicken, sondern Auszubildende nach Rohr schicken. Die Leitung von Rohr hat selbst den Antrag gestellt. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir jetzt in Rohr angefangen haben, die erste solcher Maßnahmen zu ergreifen. Die IHK in Erfurt hat ein ganzes Zentrum dafür, einen ganzen Stab eingerichtet, der nur damit beschäftigt ist, jungen Leuten, die Lust haben, Interesse haben, in einen Betrieb zu kommen, zu begleiten. Wir müssen uns mit Berufsschulen und mit Berufspraktika aufstellen, um denen die Neugier zu wecken. Da sagen uns die Betriebe: Bleiben die denn dann, wenn die ausgebildet sind? Da sage ich, dafür müssen wir sorgen, statt darüber zu debattieren, dass die, die da sind, möglicherweise, die einen sind gewünschter und die anderen sind ungewünschter. Nein, diese Menschen sind Menschen und diese Menschen sind unter uns und mit diesen Menschen sollten wir miteinander, deutlicher und schneller arbeiten. Ich bin bei Ihnen allen, die sagen, die Verfahren, die Prüfverfahren von acht Monaten sind unerträglich. Das ist in der Tat eine der schwierigsten Situationen. Der Durchschnitt in Suhl ist derzeit acht Monate Verfahrenslaufzeit. Das ist durch nichts zu akzeptieren.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, unsere Landesregierung hat dem Bundesamt für Migration angeboten, dass wir Beamte reaktivieren, also pensionierte Beamte ansprechen, einladen, ob sie sich vorübergehend mit einbringen, also wir haben Bedienstete, die Pensionäre sind, die bereit sind, so etwas mitzumachen – das BAMF hat es abgelehnt. Das muss ich dann alles nicht mehr verstehen. Ich muss diese bürokratischen Abläufe alle nicht mehr verstehen, bei dem der eine es auf den anderen schiebt. Deswegen, meine Damen und Herren, habe ich immer davon gesprochen, dass derjenige, der zuständig ist für die Erstaufnahmeverfahren, dann bitte auch die Gesamtverantwortung übernehmen soll. Deswegen wird es nicht an uns liegen, die Erstaufnahmezentren komplett an den Bund abzugeben, dann

(Ministerpräsident Ramelow)

kann er selbst verantworten, wie er die Verfahren beschleunigt. Oder wir machen eine Verantwortungsteilung, dann müssen wir auch eine Finanzteilung machen. Und dann brauchen wir eine Verfahrenszusage, dass unterhalb einer Drei-MonatsGrenze ein Mensch weiß, dass er sein Zertifikat hat.

Dann gibt es eine andere Geschichte, bei der ich das noch mal sehr deutlich sagen will: Wir brauchen eine Modernisierung unserer Rechtssysteme. Das Zuwanderungsrecht unserer Bundesrepublik Deutschland ist ein seit Jahren blockiertes Debattenthema, das nur ideologisch blockiert worden ist. Wir brauchen ein modernes Zuwanderungsrecht. Es ist mir neu, dass die AfD das erfunden hat. Diese Diskussion kenne ich noch, als Rot-Grün das erste Mal in die Bundesverantwortung kam und die große Hoffnung war, dass damit ein modernes Zuwanderungsrecht kommt und ein modernes Staatsbürgerrecht. Das moderne Staatsbürgerrecht ist damals in den Gesetzesgang gegangen. In Hessen gab es einen Wahlkampf. Da hat die CDU Wahlkampf gemacht, wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben. Ich habe das noch gut in Erinnerung.

(Beifall SPD)

Deswegen sage ich: Diese Form von Zuwanderungsrecht und Staatsbürgerrecht brauchen wir als Land für uns selbst. Das brauchen wir nicht ideologisch, das braucht auch nicht Rot-Rot-Grün, sondern die ganzen Fachleute, die sich mit Demografie beschäftigen, sagen: In den nächsten 20 Jahren fehlen der Bundesrepublik Deutschland 7 Millionen Menschen. Also ist die Frage: Wie gehen wir eigentlich damit um? Um es für Thüringen zu sagen: 5.000 freie Ausbildungsplätze, habe ich gesagt. Dieter Lauinger hat in der Regierungserklärung darauf hingewiesen. Alle Fachleute sagen, in den nächsten zehn Jahren fehlen 280.000 Facharbeiter in Thüringen. Wenn es nur 200.000 sind, wurscht, egal – 200.000. Warum fangen wir jetzt nicht an, diejenigen auszubilden, die dann die Facharbeiter sind, die wir dringend brauchen? Vor 20 Jahren haben uns die Lehrstellen gefehlt. Da haben wir darum gekämpft, mehr Lehrstellen. Das haben wir dann alles überbetrieblich gemacht. Das hat die alte Landesregierung gemacht. Die CDU hat damals viel Geld in die Erstausbildung investiert. Das war gut und richtig. Aber es war der Staat, der anstelle der Betriebe getreten ist, weil die Betriebe nicht die Menge ausgebildet haben, wie sie sie selbst gebraucht haben. Jetzt, 20 Jahre später, stellen wir fest, wir wissen, in zehn Jahren fehlen uns 280.000 Facharbeiter und wir haben 20.000 Menschen hier, bei denen wir sagen: Wie gehen wir damit um? Ich sage: Wann erkennen wir endlich, dass das 20.000 Menschen sind, die unter uns Schutz suchen, aber die für uns auch eine Chance bedeuten? Sie bedeuten eine Chance für

uns, uns zu öffnen, sie bedeuten eine Chance für uns, eine Bereicherung im Betrieb zu sein, und sie sind eine Chance für jeden in seiner Umgebung, der merkt, dass derjenige etwas will. Ja, lieber Herr Heym, ich kenne die Geschichte von der einen Familie aus Meiningen. ich kenne aber auch die Geschichte von der Roma-Familie in Neuhaus. In Neuhaus, neunköpfige Roma-Familie, der Vater ist Schreinermeister. Wir haben mehrfach für ihn gekämpft, dass er endlich eine Arbeitsgenehmigung kriegt. Drei Kinder von ihm sind in der Berufsausbildung. Er spricht fließend Deutsch und muss abgeschoben werden – er sollte abgeschoben werden, das war der lange Kampf. Der Kampf war, er sollte abgeschoben werden gemäß Dublin, also Dubliner Abkommen, weil er über ein anderes Land eingereist war. Dann sollte er einfach abgeschoben werden. Dann haben die Bürgermeisterin und ganz viele Betriebe von Neuhaus gesagt, wir kämpfen um diese Familie, wir lassen nicht zu, dass die geht, weil alle von denen mittlerweile sozialisiert in Neuhaus sind. Da kann ich nur sagen: Das ist die Erfolgsgeschichte.

Jetzt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir aber auch nicht die Augen verschließen vor Ladendiebstahl oder Vandalismus. Deswegen ist es mir eben auch nicht egal, wenn ich höre, dass da gerade 24 Straftaten von der Polizei ermittelt werden. Das kann man auch nicht akzeptieren. Das ist nicht zu dulden, weil wir kein Selbstbedienungsland sind. Auch wenn das ein Selbstbedienungsmarkt ist, ist es trotzdem nicht zum Einstecken und Mitnehmen. Auch das ist ein Teil dessen, was wir leisten müssen. Nur da, lieber Herr Heym, empfehle ich Ihnen ein intensives Gespräch mit der zuständigen Bildungsministerin. Die hat mir nämlich gesagt, dass die Schule, von der Sie erzählt haben, gerade eine Sprachklasse bekommen hat, dass man gerade dabei ist, das Thema dort aktiv anzugehen. Ich bestreite nicht, dass das so thematisiert wird. Ich bestreite nicht, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr dahin schicken. Das bestreite ich alles nicht. Das ist ein falscher Weg, aber ich verstehe emotional, dass Eltern erst einmal so entscheiden. Trotzdem muss es unsere Aufgabe sein, das Problem zu betrachten und dann zu sagen: Welches Klima herrscht da? Warum wird die Polizei nicht eingeschaltet? Wer wird bedroht? Wer kriegt das Handy weggenommen? Da mache ich auch nicht die Augen zu, dass natürlich eine bestimmte Form von Handeln und Agieren leichter erscheint, wenn man dem anderen etwas wegnimmt. Rütli-Schule lässt grüßen. Haben wir alle vergessen, das ist ein paar Jahre her. Da hat es ähnliche Situationen gegeben und es hat so lange gedauert, bis die Zuständigen bei der Rütli-Schule gehandelt haben. Also lassen Sie uns doch gegenseitig das Vertrauen haben und sagen, wir reden miteinander, wenn so etwas entsteht, damit wir von vornherein gegensteuern kön

(Ministerpräsident Ramelow)

nen. Dann wird man einfach sehen, was können wir tun, was können wir an Sozialarbeit leisten usw.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat vom Dezember an das Thema „Flüchtlinge“ in fast jeder Kabinettssitzung behandelt. Ich weiß gar nicht, ob eine Landesregierung jemals so häufig miteinander das Thema in den unterschiedlichsten Facetten behandelt hat. Wir haben jedes Mal gesagt, wir müssen noch mehr Kapazität leisten. Wir haben alle zusammen eine Vereinbarung. Das gesamte Thema „Kosten“ steht – so haben wir es genannt – vor der Klammer. Alles, was dort an Geld ausgegeben werden muss, wird nicht unter dem Aspekt betrachtet, ob man das Geld anders und weniger und geringer ausgeben kann. Trotzdem ist es so, dass die Fluchtgrößen und die Integrationsleistungen uns immer weiter fordern und fordern und fordern. Deswegen kommt es jetzt darauf an, welches Klima wir wechselseitig verabreden und wo wir eigentlich hinwollen.

Meine Damen und Herren, wenn wir Menschen einladen wollen, nach Thüringen zu kommen, und sie haben das Gefühl, dass Thüringen über Schlagzeilen definiert wird, die wir schon mal hatten: Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge, der Gewaltausbruch jetzt in Suhl auf dem Friedberg usw., alle diese Meldungen führen dazu – und in Mühlhausen haben wir die Situation, Wolfgang Fiedler hat Mühlhausen begrüßt, unsere Entscheidung begrüßt, er hat eine Presseerklärung abgegeben. Seine eigenen Leute vor Ort haben uns sofort in den Hintern getreten, haben gesagt, der hat keine Ahnung, Erfurt soll sich raushalten. Das war die Reaktion der eigenen CDU.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Das hält er aus!)

Wir sollten es zusammen aushalten. Denn in Mühlhausen versuchen wir gerade etwas ganz Neues. Wir versuchen dort, die Kreisverwaltung mit einziehen zu lassen, wir versuchen dort, die zentrale Aufnahmestelle mit einzurichten, und wir versuchen nebendran, die Berufsbildungseinrichtung dafür zu nutzen. Wir wollen, dass das Amtsgericht, wenn das leer gezogen ist, möglicherweise die Volkshochschule wird. Dann wird es ein Bildungs- und Integrationscampus und getrennt von diesem Teil entsteht das Industriegebiet an der Umgehungsstraße. Das ist die Voraussetzung, die wir für Mühlhausen jetzt geschaffen haben.

So ganz stressfrei ist das ja gerade nicht. Jeden Tag kommt da jemand und unterstellt, ihr macht da jetzt dieses oder jenes. Ja, meine Damen und Herren, ich gestehe, auch manchmal kann man in einer Verwaltung an eine Stelle kommen, da kann dann Wolfgang Fiedler sehr kraftvoll argumentieren. Da fühle ich mich dann unterstützt. Aber dann wird mir

gesagt – und ich will es einfach mal wiederholen: Die Görmar-Kaserne darf nicht bezogen werden, weil eine Brandmeldeanlage fehlt. Dann wird mir gesagt: Aber daneben dürfte ich Zelte aufstellen, denn in Zelten gilt das deutsche Brandschutzrecht nicht. Dann muss ich mal sagen: Als Ministerpräsident bin ich dann nicht bereit, solche Argumentationen zu akzeptieren. Also haben wir schon am 30. Juli das erste Mal diese Themen alle miteinander behandelt. Daraus entstanden ist die Taskforce. Die ist nicht erst in dem Moment entstanden, in dem ein Antrag der CDU eingereicht worden ist, sondern wir waren dabei, die Prozesse zu beschleunigen, weil wir einfach merken, dass selbst sechs gebundene Objekte noch nicht ausreichen, um die Aufgaben zu lösen. In diesem Zusammenhang war dann meine Empfehlung an die Zuständigen, wenn es irgendwie geht, dass diejenigen, die aus einem Fluchtland kommen und auf Flüchtlinge treffen, auf die sie herabsehen – auch das gibt es –, dass man das nicht zulassen darf, dass das Miteinander zu Eskalationen führt. Also wenn, wie in Sömmerda passiert, kosovarische junge Männer mit Stangen eritreische junge Männer verprügeln, ist das nicht zu akzeptieren, genauso wenig wie Lynchjustiz in Suhl akzeptiert werden kann. An all diesen Stellen kommt es aber darauf an, dass wir diesen Menschen eine Perspektive geben müssen. Da bleibe ich wieder bei all denen, die Suhl auf sich wirken lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer unter der Bedingung von Suhl mehrere Wochen darauf wartet, ob er überhaupt nur einen Hauch von einer Klarheit hat und anschließend in irgendeinen Bus steigt und die Unklarheit noch mit ihm reist, weil das BAMF bis heute nicht in Suhl eingezogen ist, da, lieber Herr Mohring, bin ich erstaunt über Ihren Antrag, dass wir doch endlich Suhl zum eigenständigen Erstaufnahmezentrum machen sollen. Ja, das wollen wir die ganze Zeit. Das ist Entscheidungsgrundlage dessen, was wir die ganze Zeit vorantreiben wollten. Aber dazu braucht man auch die Instrumentarien, damit es ein vollständiges Erstaufnahmezentrum wird. Aus Mühlhausen wollen wir das Gleiche machen, die gleiche Entscheidung, damit dort alle Abläufe an einem Ort so organisiert werden können, dass die Menschen am Ende ein Zertifikat haben und wissen, wohin die Reise geht und nicht eine Reise ins Ungewisse.

Da, meine Damen und Herren, würde ich mir jetzt wünschen, dass wir in der nächsten Etappe mehr über Chancen reden, mehr über Zuwanderung als Chance für uns alle, Flüchtlinge oder Flüchtlingsströme als Herausforderung an uns und nicht als Bedrohung. Aus diesem Grund habe ich die Kolleginnen und Kollegen des Kabinetts gebeten, dass wir noch in dieser Woche ein kommunales Spitzentreffen organisieren. Das wird am 26.08., um 14.00 Uhr, in der Staatskanzlei sein, wo die kom

(Ministerpräsident Ramelow)

munalen Spitzenverbände, Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund, eingeladen sind, damit wir über Sorgen, Nöte, Sichten, aber genauso auch über Integrationsleistungen und Zukunftsperspektiven reden. Da werden die Ministerien, die alle bei uns Verantwortung tragen, mit am Tisch sein, um die Hand zu reichen und zu sagen, lassen Sie uns die Aufgaben gemeinsam lösen.

Eine letzte Bemerkung sei mir gestattet: Wer Kontakt zur CDU-Bundesvorsitzenden hat, der möge sich bitte auch dafür starkmachen, dass nicht nur der SPD-Anteil der Bundesregierung, der da Papiere formuliert hat, hier gelobt wird, sondern tatsächlich die Bundesregierung das macht, was dringend notwendig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das vom Sonnendeck nicht wiederholen, aber ich würde mich freuen, wenn die Bundesregierung uns alle gemeinsam begleiten würde, damit Integration gelingen kann und die Flüchtlinge nicht zu einem Thema werden, bei dem sich die Gesellschaft und unsere Bürger nur noch in Angst und Schrecken verjagt sehen, weil sie nicht mehr einordnen können, wo eigentlich eine gute Entwicklung ist, wo eine weniger gute Entwicklung ist.

Damit die Dinge sich in eine bessere Richtung drehen, sollten wir uns mal daran erinnern, vor 25 Jahren, als friedlich die Grenze von den DDR-Bürgern überwunden wurde. Vor 25 Jahren waren meine westdeutschen Brüder und Schwestern zeitweise damit auch ganz schön überfordert. Ich habe in Gießen gelebt. Mein Büro war neben der Zentralen Aufnahmestelle. Ich erinnere mich an das Klima, das damals in Gießen war. Das möchte heute niemand mehr so genau wissen. Ich weiß aber, dass es damals eine große Chance für Deutschland als Ganzes war, diese Aufgabe, die damals gestellt war, gemeinsam zu lösen. Ich finde, das ist die Chance, das, was wir jetzt an Klima haben, auch als Herausforderung zu nehmen, nicht um das eine mit dem anderen zu vergleichen, sondern einfach zu sagen, Menschen sind Menschen und Menschen, die auf der Flucht sind, sollten zumindest den Schutzraum bei uns nutzen können. Wir sollten ihnen sagen, wenn ihr den Schutzraum ordentlich benutzt und euch in dem Schutzraum so bewegt, wie wir uns auch bewegen, dann können wir gut zusammenleben und dann lernen wir von euch und ihr lernt von uns. Was ich nicht möchte, ist, dass alles das, was an kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt stattfindet, in unseren Köpfen immer mehr Platz bekommt. Ich habe Angst vor einer Gesellschaft, in der wir nur noch von Stacheldrahtzäunen reden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Bevor wir in die Abstimmung zu den Anträgen eintreten, gibt es noch eine Wortmeldung. Es hat das Wort Abgeordneter Möller, AfD-Fraktion.

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen – also auch diejenigen, die sich nicht als solche angesprochen fühlen möchten –, ich hatte mich auch schon auf den Schluss der Debatte gefreut, aber dann hat Herr Ramelow gesagt, wir brauchen mehr Wissen. Da habe ich mir gedacht, recht hat er!

(Beifall AfD)

Wir haben heute einiges an Argumenten gehört, was gegen die Anerkennung weiterer sicherer Herkunftsstaaten spräche, vor allem was die Länder des Westbalkans anbelangt. Insbesondere wurde dabei auf die angeblich hohen Anerkennungsquoten der Schweiz Bezug genommen. Da haben wir uns mal schlaugemacht. Ich sage es mal so, Sie stehen ja nicht ganz allein, wenn Sie sagen, dass die Schweiz sehr hohe Anerkennungsquoten für Menschen aus dem Kosovo, aus Albanien und aus Serbien hat. Auch der linke „Tagesspiegel“ hat Ähnliches behauptet und hat gesagt, dass die Schweiz bis zu 41 Prozent der Asylantragsteller im Kosovo anerkennt und 11,7 Prozent der Albaner und 37 Prozent der Serben. Wir haben uns aber kundig gemacht beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, dort das Staatssekretariat für Migration, die haben uns ganz andere Zahlen genannt. Die ähneln erstaunlich stark den Zahlen in Deutschland, nämlich aus dem Kosovo 1,6 Prozent der Antragsteller, aus Albanien 0 und aus Serbien 2,4. So weit mal ganz sachlich die Wahrheit, wie es also wirklich aussieht.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Man höre und staune!)

Ich empfehle Ihnen, wenn Sie demnächst recherchieren, wie die Anerkennungsquoten in anderen Ländern aussehen, fragen Sie die doch einfach und lesen Sie nicht in irgendwelchen linken Tagesblättern ab. Danke schön.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich keine Wortmeldungen mehr, auch nicht von der Regierungsbank. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zu den Abstimmungen. Zunächst aber die Feststellung, dass ich keine Ausschussüberweisungen vernommen habe. Ich sehe auch keine Meldung, die diese begehrt, also ist keine Ausschussüberweisung beantragt.

(Ministerpräsident Ramelow)

Damit kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/918. Wer diesem seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen? Und die Stimmenthaltungen? Bei Stimmenthaltung des Abgeordneten Gentele, bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und AfD ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung zu dem Alternativantrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/928. Wer diesem seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Die Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus allen anderen Fraktionen dieses Hauses einschließlich des Abgeordneten Gentele. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung zum Alternativantrag der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/945. Wer diesem die Zustimmung erteilt, den bitte ich jetzt um

das Handzeichen. Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD. Die Gegenstimmen? Gegenstimmen aus den Reihen der CDUFraktion, der AfD und des Abgeordneten Krumpe. Stimmenthaltungen? 1 Stimmenthaltung vom Abgeordneten Gentele. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich schließe die gemeinsame Beratung zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 und schließe damit auch die heutige außerplanmäßige Sitzung des Thüringer Landtags. Ich gebe noch den Hinweis, dass die nächsten regulären Plenarsitzungen am 9., 10. und 11. September 2015 stattfinden.

Ende: 16.23 Uhr