Protokoll der Sitzung vom 24.08.2015

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Mohring hat auch kritisiert, dass Minister Lauinger

nicht mit den Menschen vor Ort reden würde. Ich weiß, dass Herr Lauinger sehr viel mit den Menschen redet. In den ersten Wochen seiner Amtszeit – und das hat noch kein CDU-Innenminister bisher gemacht – ist Herr Lauinger auf ein Fußballfeld gegangen. Das war voll, es war voll mit Menschen, die Antworten wollten, und er hat sich dem gestellt. Ich weiß gar nicht, wie viele CDU-Mitglieder sich hinter den Minister gestellt und gesagt haben, das ist aber beachtlich – das ist aber beachtlich, dass das jemand macht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Heute hier einzufordern, dass mehr mit den Bürgern gesprochen wird, finde ich, ehrlich gesagt, nicht ganz ehrlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere wenn man beachtet, wie es zur Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl gekommen ist. Ich glaube mich daran erinnern zu können, in einer Nacht- und Nebelaktion an einem Wochenende ist das eingeführt worden. Die Leute wussten nichts, die Stadtverwaltung war nur kurzfristig informiert worden, ganz kurzfristig. Und dann waren die Leute einfach da. Das heute Herrn Minister Lauinger – der überall rumläuft und überall dafür wirbt bei den Stadträten, in den Kreistagen, Leute, lasst uns hier ein Konzept machen, lasst uns hier eine Erstaufnahmeeinrichtung einrichten, immer in der Diskussion – vorzuwerfen, ist einfach nur scheinheilig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich Ihren Antrag anschaut und dem Debattenbeitrag von Herrn Mohring gut folgt, dann fragt man sich: Was war eigentlich das Ziel? War das Ziel, im Thüringer Landtag mal in einer großen Breite bundespolitische Themen zu diskutieren oder war es einfach der Wunsch, „populär“ mit „Populismus“ zu verwechseln? Wer wie Herr Mohring das deutsche Rechtssystem versus die Scharia stellt und so argumentiert, dass das im Augenblick die Frage hier in Thüringen wäre, ist ein Populist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer der rot-rot-grünen Landesregierung ein eigenes rot-rot-grünes Bleiberecht unterstellt, das es so nicht gibt, meine sehr verehrten Damen und Herren, der ist ein Populist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das kann doch nicht sein, was Sie sich hier vorn erlau- ben!)

Diese Aufzählung, meine sehr verehrten Damen und Herren, könnte ich noch fortführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, worüber reden wir? Wir reden über eine ganz besondere Situation. Das hat auch Herr Mohring offensichtlich erkannt und eine Quelle zitiert: 60 Millionen Flüchtlinge außerhalb ihrer Länder. Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es nicht mehr so viele Vertriebene gegeben. Und Sie versuchen, den Menschen in Thüringen zu erklären, dass das eine Frage ist, wie die Landesregierung darauf reagiert. Es ist eine enorme Herausforderung für Europa, es ist eine enorme Herausforderung für die Bundesrepublik Deutschland und es ist eine enorme Herausforderung für Thüringen. Diese Landesregierung stellt sich dem. In Thüringen kann kein Mensch etwas dafür, dass es diese Flüchtlinge gibt. Wir können nur etwas dafür, wenn wir sie nicht aufnehmen und ihnen Obdach geben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist so, dass wir auch darüber reden müssen, wenn wir hier tatsächlich etwas ändern wollen, dann brauchen wir eine faire Weltwirtschaft und wir brauchen eine Entwicklungshilfe. Da ringen wir immer wieder darum, wenn wir eine Entwicklungshilfe einfordern, die der Kraft in der Bundesrepublik entspricht, eine Entwicklungshilfe einfordern, die den Menschen vor Ort hilft, die Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich hatte den Eindruck, als Herr Herrgott geredet hat, dass es hier in ganz besonderer Weise um eine Differenzierung gehen soll. Herr Mohring hat diese Differenzierung auch eingefordert, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Grünen widersetzen uns der Differenzierung in echte, gute Flüchtlinge, die, wie Herr Herrgott formulierte, ein nachgewiesenes Bleiberecht hätten,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die Flüchtlinge, die dieses Recht nicht haben. Wer in dieses Land kommt, ist ein Flüchtling und hat ein Recht auf das Asyl.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen Sie angesichts der Situation in Albanien entscheiden, ob es ein nachgewiesener Fluchtgrund ist, wenn – so haben es das Auswärtige Amt und auch der Kommissar für Menschenrechte des Europarats festgestellt – es in Albanien ein hohes Maß an Korruption, organisiertes Verbrechen und eine Kultur der Straflosigkeit und fehlende Implementierung der vorhandenen Regelwerke gibt? Das Auswärtige Amt berichtet ferner über erhebliche gesellschaftliche Diskriminierung von Roma und Ägyptern. Diese würden nicht nur gesellschaftlich ausgegrenzt, sondern seien auch Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis. Wer vor so etwas flieht, vor einem nicht vorhandenen Rechtsstaat, meine sehr verehr

ten Damen und Herren, der hat unseren Schutz nötig. Ich möchte nicht, dass das ausdifferenziert wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube auch, dass das Ziel des Antrags der CDU vielmehr, wie schon gesagt, eine bundespolitische Debatte war. Fünf ihrer neun Forderungen sind bundespolitische Forderungen, zweimal geht es um eine schnellere Abschiebung. Das war auch hier im Plenum schon Thema. Ich bin Herrn Minister Lauinger sehr dankbar, dass er das deutlich gesagt hat. Thüringen hält sich ganz klar an die Rechtsnormen zur Abschiebung. Wir setzen Bundesrecht um.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ja, leider!)

Nichts anderes. Und Sie wollen das kritisieren? Das wollen Sie anders haben? Da staune ich aber, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da staune ich.

Dann haben Sie noch einen Vorschlag gemacht, der die Bürokratisierung erhöht, indem Sie nämlich nicht das Geld austeilen und den Leuten die Chance geben, sich zu integrieren, weil sie damit einkaufen gehen, weil sie sich erkundigen, wo ich was am besten kriege, und mit in die Gesellschaft kommen, weil Sie sie nämlich ausgrenzen und stigmatisieren wollen mit Gutscheinen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Als Quintessenz, als Einziges, worüber man reden kann, Sie aber keinen Vorschlag haben, ist Ihre Forderung, dass wir den Kommunen helfen müssen. Ja, das werden wir tun, meine sehr verehrten Damen und Herren, das werden wir tun nach Kraft und Möglichkeit dieser Landesregierung.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD:... Also nicht!)

(Unruhe CDU)

In Ihrem Antrag steht nichts über eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge, so, wie es Herr Herrgott in seiner Einbringungsrede versucht hat, uns darzustellen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Hilfreich wäre gewesen, wenn auch die Vertreterinnen der CDU im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern einen Fakt sehr deutlich machen: Wir haben in der Zeit von 2009 bis 2015 – das ist also nicht irgendwann – in Thüringen 121.000 Menschen verloren. Wenn man das über den Daumen gepeilt durch sechs Jahre teilt, dann sind das 20.000 Menschen im Jahr. Meine sehr verehrten Damen und Herren, erstmals in diesem Jahr werden wir also in Thüringen offensichtlich ein Nullsaldo bei der Wanderung haben. Wir werden nicht mehr weniger.

(Unruhe CDU)

Es sollte ein Punkt und Anlass der Freude sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir nicht mehr schrumpfen.

(Unruhe AfD)

Es ist – da stehen wir Grüne ganz an der Seite des Ministerpräsidenten, Ihre Aufteilung in Flüchtlinge und diejenigen, die Sie gern haben wollen, machen wir nicht mit.

(Unruhe AfD)

Wir sind daran interessiert, dass jeder, der als Flüchtling hierherkommt, wenn wir es schaffen, denjenigen, der als Flüchtling nach Thüringen kommt, zu einem Thüringer zu machen, dann haben wir etwas für dieses Land gewonnen und die vielen Aspekte, warum das wichtig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir hier in der Debatte schon gehabt.

(Unruhe AfD)

Vor einem Jahr haben wir der Ereignisse des Jahres ‘89, meine sehr verehrten Damen und Herren, gedacht. Und auch wenn Herr Mohring meint, das dürfe man nicht, doch, ich glaube, es ist vollkommen richtig, in dieser Situation, in der viele unserer Landsleute hier aus Thüringen, welcher Grund es auch immer war, in die Bundesrepublik geflohen sind, 26 Jahre später das bitte nicht zu vergessen, was wir da an Solidarität erfahren haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen Mut und Tatendrang und nicht Lager der Hoffnungslosigkeit, sehr geehrter Herr Mohring. Ich war entsetzt über diese Formulierung, die Sie da gefunden hatten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf lange Sicht brauchen wir eine faire Weltwirtschaft, eine gute Entwicklungszusammenarbeit, wir brauchen legale Möglichkeiten, nach Europa und nach Deutschland zu kommen. Wir brauchen derzeitig einen Landtag, der eine Landesregierung unterstützt bei einer außerordentlichen und außerordentlich schwierigen Situation. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen die Kommunen an unserer Seite und deshalb eine gute Kommunikation und eine gute Ausstattung der Kommunen, damit sie auch ihre Aufgaben erfüllen können.

Ein Viertes ist mir sehr wichtig. Wir haben so viele Menschen in diesem Land, die gern helfen wollen. Wir brauchen eine Koordination – das steht ja auch in unserem Antrag – der Menschen, die gern helfen wollen. Sehr geehrter Herr Höcke, es sind viel mehr, als Ihnen lieb ist, die sagen: Herzlich willkommen hier in Thüringen! Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bevor ich nun die Rednerliste aus den Reihen der Abgeordneten weiterhin abarbeite, habe ich zwei Wortmeldungen aus den Reihen der Landesregierung. Zunächst erteile ich Herrn Prof. Hoff, Chef der Staatskanzlei, das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, der SPD-Fraktionsvorsitzende hat sich in einer sehr respektablen Rede an eine Fraktion rechts außen gewandt und davor gewarnt, wie eine bestimmte Kommunikation laufen kann. Seine Befürchtungen sind, glaube ich, übertroffen worden.

(Beifall DIE LINKE)

In der Rede des AfD-Fraktionsvorsitzenden ist kein einziges Wort über die Situation der Flüchtlinge und die Fluchtursachen geredet worden.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Was?)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Haben Sie nicht zugehört? So was!)

Hätten Sie nach dem Anfang, die Anerkennung für die Polizistinnen und Polizisten, die hier im Freistaat ihre Arbeit leisten,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das macht ja sonst keiner mehr!)

aufgehört, wäre die Rede passabel gewesen. Was Sie stattdessen taten, war parteipolitische Instrumentalisierung der Flüchtlinge. Ich zitiere: „Die merkelnde Kanzlerin“, „der Zwerg Mohring“ – das waren die Themen, über die Sie geredet haben. Sie haben behauptet, dass demokratische Fraktionen aus Ihren Anträgen abschreiben würden. Ich habe die Formulierung bewusst so gewählt. Was Sie dann gemacht haben, ist, antiamerikanische Verschwörungstheorien darzustellen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)