Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne und am Livestream, ich bitte zunächst um Nachsicht für mein verspätetes Erscheinen. Das hatte Gründe, die ich jetzt hier nicht näher erläutern möchte.
Die CDU-Fraktion hat heute ein weiteres Änderungsgesetz zum Thüringer Feiertagsgesetz eingebracht. Warum wir dies tun, hat zwei Gründe. Zum einen sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass der 8. Mai nicht alleine im jetzigen Thüringer Feiertagsgesetz stehen sollte, zum Zweiten haben wir gern aufgegriffen, was der Ministerpräsident in der letzten Plenarsitzung gesagt hat. Er hat uns nämlich aufgefordert – uns alle – eine Initiative zu ergreifen, weitere Gedenktage in das Feiertagsgesetz aufzunehmen.
Ich möchte aber zunächst die Gelegenheit nutzen, rückblickend nochmals den aktuellen Stand der parlamentarischen Beratungs- und Beschlusslage darzulegen. Aber der Reihe nach und damit zunächst zum Inhalt unseres Gesetzentwurfs.
Nach wie vor halten wir daran fest, den Gesetzestitel zu ändern. Mit der beantragten Änderung der Überschrift in „Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetz“ entspräche dies dann auch dem Umstand, dass sich hier neben den gesetzlichen Feiertagen auch eine ganze Reihe von weiteren Gedenktagen wiederfinden.
Zu den neu ins Gesetz aufzunehmenden Gedenktagen im Einzelnen: Der 18. März steht für die ersten allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen in der DDR im Jahr 1990. Mit diesen Wahlen hatte die friedliche Revolution 1989/1990 in der DDR ihr erstes, das politische System tiefgreifend und grundsätzlich veränderndes Ziel erreicht. Der Tag verweist zugleich auf den ersten umfassenden Versuch, mit der Revolution von 1848/49 in ganz Deutschland eine verfassungsgebende Nationalversammlung und Demokratie durchzusetzen. Der 18. März gilt als das bedeutendste Datum der Märzrevolution von 1848.
Wiederum soll der 17. Juni in Erinnerung an den gescheiterten Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur werden. Er steht gleichermaßen für die Forderung nach freien Wahlen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wiedervereinigung wie die blutige Niederschlagung des Volksaufstands durch die SED und die sowjetische Besatzungsmacht in der DDR. Es handelte sich um den ersten in einer ganzen Reihe politischer Aufstände in dem von der Sowjetunion kontrollierten Ostmitteleuropa.
Nun zum 25. Oktober: Der 25. Oktober gehört als Tag der Verfassung und des Landtags bereits seit vielen Jahren zur politischen Gedenk- und Erinnerungspraxis in Thüringen, ist jedoch bisher nicht gesetzlich geregelt. Er erinnert an die Verabschiedung der Verfassung des Freistaats Thüringen auf der Wartburg und damit an den entscheidenden Akt zur demokratischen Ausgestaltung der Landesstaatlichkeit im deutschen Bundesstaat.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist allgemein bekannt, alle von mir jetzt angeführten Gedenktage hätten wir als CDU-Fraktion bereits beim bestehenden Feiertagsgesetz gern im Gesetzestext wiedergefunden. Bereits in der 29. Sitzung warben wir hierfür intensiv um Ihre Zustimmung. Das Ergebnis ist allerdings ebenso bekannt. Leider scheiterte unser Werben an der rot-rot-grünen Stimmenmehrheit. Neu in unserer heutigen Vorlage ist nunmehr die Aufnahme des 9. November.
Sehr geehrte Damen und Herren, der 9. November steht wie kein anderer Tag für die an Aufbrüchen und Abgründen reiche deutsche Demokratiegeschichte. An einem 9. November wurde 1848 der Paulskirchenparlamentarier Robert Blum standrechtlich erschossen, riefen Philipp Scheidemann 1918 die Republik und Karl Liebknecht eine sozialistische Räterepublik aus, putschten 1923 Ludendorff und Hitler in München, inszenierten 1938 die Nationalsozialisten die Novemberpogrome
Damit zum Stand der parlamentarischen Beratungs- und Beschlusslage. Ich denke, es macht Sinn, an dieser Stelle nochmals eine kurze Zusammenfassung der letzten Plenarsitzung vorzunehmen. Die Medien berichteten im Anschluss von einer hitzigen Debatte um den Gedenktag 8. Mai. Dieser Auffassung, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, kann ich mich allerdings nur zum Teil anschließen. Abgesehen von einzelnen nicht sachdienlichen Debattenbeiträgen und Zwischenrufen fand ich die Diskussion jedenfalls im Kern offen, konstruktiv und auch zielführend, wenngleich das Endergebnis allerdings nicht unseren Vorstellungen entsprechen konnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen dargelegten unterschiedlichen Standpunkten zeichnete sich aber in der Debatte deutlich erkennbar, und das fraktionsübergreifend, ab, neben dem vermeintlich singulär zu betrachtenden 8. Mai eben auch weitere Gedenktage aufzunehmen.
Dieser breite Konsens ist aus meiner Sicht positiv und lässt mich hoffen, die von uns vorgeschlagenen Gedenktage gesetzlich doch noch zu normieren. Der 9. November übrigens wurde von Herrn Ministerpräsidenten ausdrücklich neben dem 17. Juni, neben dem 18. März und neben dem 25. Oktober ins Gespräch gebracht. Im Übrigen – das will ich hier auch noch mal ganz deutlich sagen – teile ich ganz und gar nicht die Auffassung eines Abgeordneten dieses Hauses, der sich noch im letzten Plenum offenbar einer angeblichen Gedenktagsinflation ausgesetzt sah. Sehr geehrte Damen und Herren, ganz im Gegenteil, die von uns eingebrachten und geschichtlich wegweisenden Gedenktage verdeutlichen in der Gesamtschau das historische Ringen um einen freiheitlichen und demokratischen Verfassungsstaat. Damit wird Geschichte auch begreifbar und erfahrbar gemacht.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend und abschließend greife ich gern noch mal die Bitte des Ministerpräsidenten auf. Als es im letzten Plenum um die weitere Aufnahme von Gedenktagen ging, hat er Folgendes gesagt – und ich bitte um Zustimmung, dass ich das zitieren darf –: „Meine Bitte“ – sagte Ministerpräsident Ramelow – „an die Parlamentarier ist: […] nicht nur reden, sondern eine gemeinsame Entscheidung vorbereiten.“ Das haben wir als CDU-Fraktion gern getan. Unser Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. In diesem Sinne beantrage ich die Überweisung an den zuständigen Innen- und Kommunalausschuss. Ich freue mich auf die dortigen Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne und auch diejenigen, die am Livestream zugeschaltet haben! Die CDU-Fraktion hatte ursprünglich einen anderen Änderungsantrag vorgelegt, den wir hier gern inhaltlich debattiert hätten und zu dem wir
auch sehr gern bereit gewesen wären, im Innenausschuss in die inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen.
Manchmal tut es gut, zuzuhören, und ich glaube, gerade der CDU angesichts ihres neuerlich vorgelegten Änderungsantrags tut es mehr als gut, zuzuhören.
Der neu vorgelegte Änderungsvorschlag der CDUFraktion führt zumindest bei einigen Abgeordneten meiner Fraktion dazu, dass wir a) kein Interesse mehr haben, diesen Antrag zu verweisen und b) diesen inhaltlich auch nicht diskutieren wollen.
Ich möchte Ihnen kurz erklären, woran das liegt. Sie nennen es Heuchelei, dass ich sage, dass einige Abgeordnete meiner Fraktion diesem Antrag keine Verweisung mehr erteilen können, und ich erkläre Ihnen das: Sie haben nämlich unter Artikel 1 Nr. 2 beantragt: „(5) Der 9. November ist der Tag der demokratischen Selbstbesinnung.“ So eine Geschichtsvergessenheit, die die CDU hier offenbart, ist schändlich, ist wirklich schändlich.
Der 9. November 1938 ist – dass die AfD lacht, ist mir klar, dass die CDU da mitschmunzelt, zeigt umso mehr, wie geschichtsvergessen Sie hier sind – der Tag der Reichspogromnacht.
Es ist der Tag, an dem die Diskriminierung der Juden überging in die Verfolgung, die letztlich in der Schoah, der industriellen Massenvernichtung, endete. Diesen 9. November als einen Tag der demokratischen Selbstbesinnung zu erklären, ist fatal und ist – ehrlich gesagt – so was von ahistorisch, dass zumindest ich der Verweisung nicht mehr zustimmen werde, weil ich das für schändlich halte, gerade angesichts der aktuellen Aufmärsche, die wir hier in Thüringen haben,
angesichts der Debatten, die die AfD lostritt, angefangen damit, dass man 70 Jahre danach nicht mehr darüber reden müsste usw. usf. Sie steigern aber Ihren Antrag noch, indem Sie in der Begründung zum 9. November schreiben, warum Sie diesen als Gedenktag mit aufnehmen wollen, dass am 9. November 1938 die Nationalsozialisten die Novemberpogrome „inszenierten“. Sie inszenierten die
Novemberpogrome! Ich weiß nicht, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, welche sprachlichen Fehler Sie da begehen oder welche Einordnung inhaltlicher Art Sie vornehmen. Ich möchte Ihnen für den Fall, dass Sie es nicht wissen, zumindest kurz erklären, woher „inszenieren“ kommt, für was „inszenieren“ steht, nämlich vom griechischen Skene, für das Einrichten und die öffentliche Zurschaustellung eines Werks oder einer Sache oder auch, um es Ihnen mit dem Duden vielleicht noch mal von der Bedeutung her zu erklären: Ein Stück beim Theater technisch und künstlerisch vorbereiten. Und das erklären Sie zum 9. November 1938 – eine Inszenierung. Eine Inszenierung, bei der 400 Menschen ermordet wurden, in den Suizid getrieben wurden, bei der mehr als 1.400 Synagogen in Brand aufgingen und im Anschluss Tausende Geschäfte jüdischer Menschen in Deutschland zerstört und vernichtet wurden. Das ist so beschämend von Ihnen, das ist wirklich beschämend. Der 9. November 1938 gehört in dieser Darstellung definitiv nicht in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ und ich bin der Überzeugung, dass Bodo Ramelow, unser Ministerpräsident, auch diese Vermischung von historischen Daten, die letztlich an eine ahistorische Erinnerungskultur glauben lässt, nicht gemeint hat, als er uns hier anriet, doch den 9. November möglicherweise mit als einen Gedenktag aufzunehmen. Ich glaube, dass er eher im Sinne Ihres Nordhäuser Oberbürgermeisters gesprochen hat. Dr. Klaus Zeh hat sich nämlich zu dem am nächsten Montag anstehenden Neonaziaufmarsch geäußert und hat ganz klargemacht: Ein Aufmarsch genau an jenem Tag, an dem wir an den Beginn der Verfolgung und systematischen Ermordung der 6 Millionen europäischen Juden am 9. November erinnern, ist geschmacklos und anmaßend. – Und geschmacklos ist zumindest auch Ihre Erklärung, warum Sie den 9. November 1938 in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ aufnehmen wollen.
Wissen Sie, ich hätte gerne mit Ihnen über die Notwendigkeit eines Gedenktags für die Opfer der SED-Diktatur gesprochen. Ich halte das, was in der DDR unter der SED-Diktatur mit vielen Menschen passiert ist, für schlimm und für so schlimm, dass wir es wirklich dringend möglich machen müssen, hier in Thüringen einen Gedenktag für diese einzurichten, um deren Geschichten zu hören, ihre Geschichten zu erzählen und die Geschichte weiterzugeben an Jugendliche von heute,
für die die DDR oftmals gar nicht mehr in dem Bewusstsein vorhanden ist, wie es zumindest unter anderem die Familie von Matthias Domaschk betrifft, wie es aber auch den Bundesbeauftragten Roland Jahn betrifft oder auch jemanden, der selten
öffentlich genannt wird, Thomas Kretschmer, ein Holzbildhauer, der in DDR-Zeiten zu viereinhalb Jahren Haft, zum Teil Isolationshaft, verurteilt wurde und das nur, weil er ein Batiktuch mit dem Aufdruck „Sprecht polnisch“ per Post an seine Freunde und Bekannten verschickte.