Das ist die Kontinuität, die Sie in der Bildungsentwicklung in Thüringen eingefordert haben. Es ist eine Schande, dass Sie Bildungswissenschaftler, dass Sie Praktiker, dass Sie die Eltern- und Schülervertreter hier so in Bausch und Bogen drücken und sagen: Ihr könnt es nicht, ich weiß es besser. Herr Tischner, legen Sie Ihr Novizentum ab und kommen Sie endlich hier in der Realität an!
Sie sprechen, Herr Tischner, von einer Sexualisierung im Bildungsplan. Nun weiß ich, dass die CDU es mit meiner Gewerkschaft – mit der GEW – nicht so hat. Deswegen zitiere ich gern meinen Kollegen vom tlv, mit dem ich mich neulich unterhalten habe.
Ich habe ihn darauf angesprochen, inwiefern der tlv tatsächlich eine grundlegende Bildung und eine neutrale Ausrichtung in der Bildung und Erziehung im Sexualbereich wünscht. Da hat er gesagt, das ist überhaupt nicht die Frage. Das war ein Grundschullehrer, ein Grundschulleiter. Das ist überhaupt nicht die Frage, sagt er, denn das ist mitten in unseren Schulen. Wenn wir das nicht aufgreifen, wozu wir im Übrigen verpflichtet sind, dann tun wir weder den Schulen und schon gar nicht den Schülern und Schülerinnen in ihrer Entwicklung einen Gefallen.
Wenn wir nicht aufklären, wenn wir sie nicht begleiten auf ihrem Lebensweg, dann versündigen wir uns. Und dann können Sie Ihre ideologische Keule gern stecken lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute kommt also dieser Antrag der CDU in einer gewissen Ergänzung von einer Fraktion rechts von Ihnen zur Aussprache. Sie beantragen darin die Berichterstattung im Ausschuss und die Evaluation des Bildungsplans bis 10. Wir haben uns – das hatten Sie schon gesagt – mittlerweile in zwei Ausschusssitzungen, im Juni und September 2015, mit diesem Thema beschäftigt. Nun kann die CDU diese Berichte …
Nun kann die CDU diese Berichterstattung durchaus noch als ergänzungsfähig ansehen. Das könnte ich mir sogar vorstellen. Aber Sie wollen mehr, Sie wollen eine Evaluierung. Werte Kolleginnen und Kollegen, da erlauben Sie mir, dass ich Sie frage: Mit welcher Zielsetzung – das steht nämlich gar nicht drin – wollen Sie denn die Evaluierung? Was ist denn angebracht? Wollen Sie die Evaluierung über die Länder? Da sage ich: Was wollen Sie denn evaluieren? Der Bildungsplan gilt nur in Thüringen! Wollen Sie den in Thüringen anhand der Kompetenzen, die da drinstehen? Da sage ich Ihnen: Ja, das können Sie gern machen. Nur müssen Sie auch die entsprechende Zeit lassen. Sie müssen natürlich den Bildungsplan über die entsprechende Schullaufbahn hinaus bzw. bis zum Ende der Schullaufbahn erst mal wirken lassen und dann können Sie vergleichen. Das greift also nicht.
Ihre zweite Forderung richtet sich darauf, dass die Landesregierung den neuen Bildungsplan 0 bis 18 veröffentlicht, und zwar bis zum 31. Oktober.
Heute haben wir den 6. November, wenn ich das richtig sehe. Nun kann man Ihre Ungeduld, Ihre Vorfreude in der Vorweihnachtszeit auf den Bildungsplan verstehen und nachvollziehen. Sie haben schon zitiert, dass Sie sich durchaus mit ihm beschäftigt haben. Wozu also nach zwei Ausschussberatungen und nachdem Sie zur Kenntnis genommen haben, dass er im Netz veröffentlicht ist, dass die Grundlagen dort drinstehen, wozu also bitte schön die Vorstellung?
Das ist auch richtig so, weil er im Moment nach der Abstimmung, nach der fachwissenschaftlichen Abstimmung erst mal im Ministerium bearbeitet wird. Die Ministerin hat zugesagt, dass er noch in diesem Herbst kommt, und zwar veröffentlicht wird.
Sie haben eben, Herr Tischner, auch die Frage aufgemacht, inwiefern wir eine Wertschätzung derer vornehmen, wenn wir hier einfordern, dass das, was vorliegt, doch bitte schön jetzt erst noch mal zur Diskussion gestellt werden soll, und zwar ergebnisoffen. Da frage ich Sie – Sie haben auch irgendwann einmal, wenn ich das richtig sehe, Politik studiert –, ob Sie schon mal etwas vom deutschen korporatistischen Modell gehört haben. Wir sind zwingend darauf angewiesen und es ist ein großer Schatz, dass uns die Gesellschaft, dass uns Wissenschaft, dass uns Verbände begleiten und beraten. Genau das ist hier passiert. Nun kommen Sie an und sagen, ja, gut, es ist alles schön und gut, was ihr uns da sagt, aber wir müssen es nicht unbedingt ernst nehmen, weil unser Weltbild ein anderes ist als das, was die Wissenschaft, was die Praktiker derzeit ausführen. Das kann man so machen, aber ich frage Sie, Herr Tischner: Wie oft wollen Sie denn dieses Spiel spielen? Was meinen Sie denn, wie oft Sie da noch Menschen, die das überwiegend ehrenamtlich machen, an den Tisch bekommen, damit sie Politik beraten und Politik mit unterstützen?
In Ihrem Modell ist das deutsche korporatistische Modell, was wir gut pflegen sollten, sehr schnell tot. Davor warne ich und ich sage auch, es bringt uns keinen Erkenntnisgewinn, wenn Sie uns noch mal Ihre Weltsicht erklären.
Nun noch einmal zum dritten Punkt, wo ich etwas prinzipieller werden will. Ich sprach davon, dass unsere Vorgängerregierung – an der Sie übrigens beteiligt waren – 2011 ein wissenschaftliches Konsortium zusammengerufen hat, um für Thüringen
einen Bildungsplan 0 bis 18 als Weiterentwicklung des vorhergehenden Bildungsplans zu schreiben. Ich habe schon ausgeführt, wer daran alles beteiligt war. In dem Fachbeirat waren natürlich auch Schüler und Eltern vertreten, Verbände und Gewerkschaften und auch Akteure der Kirchen – auch die schätzen Sie nicht wert –, der Jüdischen Landesgemeinde, der Umweltverbände ebenso wie der Landessportbund und der Landesjugendhilfeausschuss tätig. In der letzten Phase evaluierten zwölf Kitas, zehn Grundschulen, neun Förderzentren – Sie haben immer gesagt, wie wichtig Ihnen das gegliederte System ist –, 30 weiterführende Schulen, zwei freie Schulen, elf berufsbildende Schulen, 17 außerschulische Bildungseinrichtungen sowie Vertreter von Erwachsenenbildung, Stiftungen, Sportvereinen und Trägern der Kinder- und Jugendhilfe den Bildungsplan 0 bis 18. Die würden das zukünftig alle gar nicht mehr machen, weil sie sagen, ja, das ist schön, wenn wir das hier mal evaluiert haben, mal angewandt haben, aber die Politik interessiert es nicht. Eine Breite, die ihresgleichen sucht. Ich denke, wir alle zollen den beteiligten Wissenschaftlern und Praktikern sowie den Gruppenvertreterinnen und -vertretern Respekt und Dank für ihre erbrachte Arbeit.
Was wir am Ende in der Hand halten, sind die Ergebnisse der Arbeit der Thüringer Fachöffentlichkeit, meine Damen und Herren, und nichts mehr und nichts weniger.
Wichtig ist, dass die komplette Erarbeitung seitens der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kompetenz unter Beteiligung der Praxispartner ohne die Vorgaben und Einflüsse der politischen Ebene realisiert worden ist. Dies macht den Bildungsplan nach meiner Ansicht besonders stark und wird die Thüringer Bildungslandschaft bereichern und Thüringen bundesweit weiter nach vorn treiben.
Dann, meine Damen und Herren der CDU, soll nach Ihrem Vorschlag der Landtag, nachdem der Entwurf vorliegt, daherkommen, sich kurz bedanken und das Ganze in drei Regionalkonferenzen – oder wie vielen auch immer – ergebnisoffen zur Debatte stellen. Was heißt denn das? Heißt das, dass per Akklamation bei jeweiliger Stimmungslage und mache nach aktuellem Meinungsbild entschieden werden soll, ob das, woran Wissenschaft, woran gesellschaftliche Akteure und Praktiker jahrelang gearbeitet haben, tragfähig ist?
Sie das dann zukünftig auf den Marktplätzen aus? Ich zitiere den früheren Thüringer Kultusminister Herrn Prof. Goebel, CDU, in seiner Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Bärwolff vom 1. März 2007 in Bezug auf den Bildungsplan 0 bis 10: „Der Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre liegt zurzeit in einer Erprobungsphase vor und wird mit 111 Praxispartnern auf seine Praxistauglichkeit geprüft.“ Genau dasselbe machen wir jetzt auch oder es ist gemacht worden. „Dabei soll festgestellt werden, ob der Plan handhabbar, das heißt sprachlich verständlich und ausreichend praktikabel ist. Parallel dazu werden von Wissenschaftlern Expertisen zum vorgelegten Text eingeholt, die sicherstellen, dass die erziehungswissenschaftlichen Grundlagen, die aktuellen entwicklungs- und lernpsychologischen Wissensbestände, aber auch die Ansprüche der Fachwissenschaften für eine förderliche Gesamtentwicklung der Kinder in altersgerechter und entwicklungsspezifischer Form adäquate Berücksichtigung finden.“ Was – bitte schön – machen wir anders als der CDU-Bildungsminister seinerzeit? Was – bitte schön – machen wir anders, was – bitte schön – kritisieren Sie?
Wenn wir so vorgehen würden, wie Sie vorschlagen, wäre das inhaltlich meiner Meinung nach völlig unangemessen und würde einen erheblichen Vertrauensverlust der Politik bei allen bedeuten, die sich in der breiten, fachöffentlichen Diskussion der letzten Jahre an der Erarbeitung des Bildungsplans beteiligt haben. Ich hoffe und appelliere an Sie: Erkennen Sie selbst, dass das so nicht geht!
Lassen Sie mich abschließend sagen: Berechtigt ist der Anspruch der Fraktion, umfassend und zeitnah nach der Endabstimmung informiert und über einen Diskussionsprozess beteiligt zu werden. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, es kann genau hier im Bildungsausschuss beraten werden, nicht in offener Feldschlacht und nicht auf den Marktplätzen, wie Sie es gern hätten, sondern im konstruktiven Austausch über Ziele, Inhalte und erste Erfahrungen mit dem Bildungsplan 0 bis 18 Jahre. Dies zu tun, steht uns frei. Gern, Herr Tischner, diskutieren wir mit Ihnen alle Einzelheiten. Natürlich wird es auch weiter eine fachöffentliche Debatte zu den Inhalten des Bildungsplans 0 bis 10 und 0 bis 18 Jahre geben, die ihre Foren haben wird. Dem Antrag in Drucksache 6/1052 können wir aus den eben dargestellten Gründen nicht zustimmen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Abgeordnete, meine sehr geehrten Gäste auf der Tribüne und Zuschauer im Internet! Der ursprüngliche Antrag der CDU zum Bildungsplan enthält einen sinnvollen Satzteil, nämlich unter Punkt 2 des Antrags die Forderung, den Entwurf des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 18 Jahre bis zum 31. Oktober 2015 zu veröffentlichen. Die Neufassung spricht nun vom 1. Dezember. Wir halten fest, es ist November und nichts, gar nichts ist bis jetzt passiert.
Mit den Forderungen aus den Nummern 1 und 3 des Antrags und den pseudobürgerlichen Wortwolken der CDU in der Begründung des Antrags können wir jedoch nichts anfangen. Da wir inzwischen gelernt haben, dass die Regierung alles andere als zügig arbeitet, enthält unsere Neufassung den 31. Dezember als Veröffentlichungsdatum.
Die Landesregierung hat angekündigt, den aktuellen Entwurf des Bildungsplans im Herbst zu veröffentlichen. Es wird Zeit, der Geheimniskrämerei ein Ende zu setzen und den Entwurf endlich herauszurücken. Die Blätter sind gefallen, es ist offenkundig Herbst, es ist nichts passiert. Vielleicht haben Sie den nächsten Herbst gemeint. Wir wollen wissen, was Sie geschrieben haben, nicht mehr und nicht weniger. Deswegen haben wir unseren Alternativantrag gestellt, der genau diese Forderung enthält, die auch zuvor schon von uns so erhoben wurde.
Zum Vorwurf, wichtige Dinge von öffentlichem Interesse auf dem Marktplatz diskutieren zu wollen, der hier von der Linken kam, möchte ich anmerken, dass auf dem Marktplatz in der Regel mehr gesunder Menschenverstand vorhanden ist als in manchen Gremien, die über Wohl und Wehe unserer Kinder in unserer Zukunft entscheiden.
Wir wollen wissen, was Sie in diesem Bildungsplan geschrieben haben, nicht mehr und nicht weniger. Deswegen verlangen wir die unverzügliche Veröffentlichung.
Zu den pseudobürgerlichen Wortwolken im CDUAntrag möchte ich Folgendes ausführen: Es geht dabei um den CDU-Wunsch nach einer Evaluation des Bildungsplans für Kinder bis zehn Jahre und die Behauptung, der CDU-Fraktion sei besonders daran gelegen, die Öffentlichkeit in einen Dialogund Diskussionsprozess zum Thüringer Bildungsplan einzubeziehen. In unserer mittlerweile einjährigen parlamentarischen Tätigkeit haben wir gelernt, dass die Altparteien häufig Dinge tun, die mit dem Bürgerwillen nicht übereinstimmen. Deswegen gibt es von den Altparteien initiierte Veranstaltungen, die auf dem Papier angeblich der politischen Wil
lensbildung dienen, in der Praxis aber ganz andere Ziele verfolgen. Beispielsweise beruft man Anhörungen ein, nicht unbedingt, weil einen die Vorstellungen der Anzuhörenden interessieren, weil man aus ihren Erfahrungen schöpfen, seine vorgefertigte Meinung überdenken und eventuell revidieren wollte. Nein, in erster Linie dienen diese Veranstaltungen dazu, sich am Ende auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, wir haben dazu sogar eine Anhörung gemacht. Wenn es eine mündliche war, kann man hinzufügen, und nicht nur eine schriftliche, sondern „sogar“ eine mündliche. Man beruft Anhörungen ein, nicht weil man zuhören will, sondern weil man sich selbst darstellen will; im Vordergrund steht die Selbstbeweihräucherung.
Wir als AfD-Fraktion lehnen diesen Missbrauch der parlamentarischen Instrumente ab, die in der von Ihnen angewandten Weise ihrem Zweck als Mittel zur Verwirklichung des Volkswillens nicht mehr dienen können. Dieser Missbrauch der Öffentlichkeit hat der CDU jahrelang in Thüringen zu Wahlerfolgen verholfen, was bei denjenigen, die diese Schaufensterpolitik durchschaut haben, zu großer Politikverdrossenheit geführt hat. Statt fortwährend und unisono die große Anzahl der Nichtwähler zu bedauern, sollten wir diese Heuchelei verurteilen und ihr ein Ende setzen. Was es bringen soll, dass die Thüringer Landesregierung den Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre evaluiert, ist mir angesichts der ideologisch verblendeten, familienfeindlichen sogenannten Gleichstellungspolitik der Landesregierung ein Rätsel. Um nur ein Beispiel aus dem Koalitionsvertrag zu nennen: Die Familie hat kein eigenes Kapitel, sondern ist ein Unterpunkt von ingesamt 14 Unterpunkten des Kapitels Soziales, Gleichstellung, Lebensweisen. Drei weitere Unterpunkte des Kapitels sind Frauen- und Gleichstellungspolitik, Gleichstellung aller Lebensweisen, Beauftragte/Antidiskriminierungsstelle. Ein Punkt für die Familie, drei Punkte für die Gleichstellung, wobei anzumerken ist, dass der Punkt Frauen- und Gleichstellungspolitik für sich alleine schon fast doppelt so lang ist wie der Punkt Familie. Den Thüringer Bildungsplan haben die regierungstragenden Fraktionen in ihrem Koalitionsvertrag nur ein einziges Mal erwähnt. Ein besonderer Schwerpunkt wird in dieser Erwähnung darauf gelegt, dass der Bildungsplan unter Berücksichtigung der Gleichstellung von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität überarbeitet werden soll. Das heißt, alles andere ist für Rot und Grün zweitrangig. Das Ergebnis einer Evaluation ist also von vornherein klar. Die Landesregierung wird sagen, wir brauchen mehr sexuelle Aufklärung, also wahrscheinlich so etwas wie „BRAVO“ für Vorschulkinder und mehr Gender Mainstreaming, und das am besten so früh wie möglich. Die CDU wird sich diese Evaluation anschauen und sagen: Na ja, ganz so extrem wür
den wir das vielleicht nicht machen, aber grundsätzlich machen wir da schon mit. Das würde sie wahrscheinlich nicht laut sagen, sondern wieder unter pseudobürgerlichen Nebelworten verstecken.