Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Zwölftes Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1349 ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen waren, dieses Gesetz in erster und unmittelbar danach in zweiter Beratung zu absolvieren.

Für die Begründung des Gesetzentwurfs hat sich Abgeordneter Blechschmidt zu Wort gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes werden Änderungen in das Gesetz eingefügt, die die logistische Abwicklung der Übernachtungsbedarfe der Abgeordneten und die finanziellen Ausgleiche der Kosten dafür regeln.

Bisher hat der Landtag in einem durch das Land von der Stadt angemieteten Objekt in der Nähe des Landtags, im Haus der Abgeordneten, Übernachtungsmöglichkeiten für die Abgeordneten zur Verfügung gestellt. Wie wir alle wissen, sind im Haus der Abgeordneten bis auf Weiteres nun minderjährige unbegleitete Flüchtlinge untergebracht. Die Notwendigkeit war und ist immer unstrittig gewesen. Dies hat auch die unverzügliche und schnelle Reaktion der Abgeordneten zur Räumung der Zimmer gezeigt. Dafür nochmals von dieser Stelle aus vielen Dank. Nun könnte man die Frage stellen: Ist dann überhaupt noch eine Anpassung des Abgeordnetengesetzes auf die neue Situation nötig? Ist es denn notwendig, für die Übernachtungsmöglichkeiten von Abgeordneten gesetzliche Vorsorge zu treffen? Dazu ein doppeltes Ja, sowohl mit Blick auf die rechtlichen Vorgaben als auch auf die tatsächliche Situation. Artikel 54 Abs. 3 der Thüringer Verfassung lautet, ich zitiere: „Für die wirksame Mandatsausübung sind die erforderlichen Mittel bereit

(Abg. Dr. Pidde)

zustellen.“ Darunter fallen Übernachtungsmöglichkeiten wie bisher im Haus der Abgeordneten, die derzeit nicht zur Verfügung stehen. Auch können wir uns der Tatsache nicht entziehen, dass Thüringen ein Flächenland ist, wenn auch kein großes. Daraus folgt, dass für viele Abgeordnete die Pendelwege zum und vom Landtag doch erheblich sind. Hierzu kommt, dass es gerade bei terminlichen Verpflichtungen, die in die sogenannten Tagesrandlagen hineinreichen, schwierig ist, eine passende bzw. überhaupt noch eine Verbindung an den Heimatort zurück zu bekommen. Dass Pendeln unter schwierigen Bedingungen belastend ist, auch hinsichtlich der notwendigen Regeneration für die Berufstätigkeit, ist durch Praxisstudien an verschiedensten Tätigkeitsbereichen hinlänglich bekannt und bewiesen. Nicht unerwähnt lassen sollte man auch mit Blick auf wechselnde Jahreszeiten die Begriffe „Winter“, „Schnee“, „schwierige Straßensituation“. Daher sollten den Mandatsträgern weiterhin Übernachtungsmöglichkeiten am Sitz des Landtags zur Aufrechterhaltung und Gewährleistung der Funktionstätigkeit des Landtags im Allgemeinen und der mandatsbezogenen Tätigkeit der Abgeordneten im Konkreten geboten werden, in der Annahme, dass sich Bürgerinnen und Bürger gut ausgeschlafene und hellwache Abgeordnete bei der Arbeit wünschen.

Meine Damen und Herren, noch einen kurzen Blick auf den Inhalt der neuen Regelungen des Abgeordnetengesetzes: Es wird in § 6, in dem es schon jetzt um verschiedene Aufwandsentschädigungen für Abgeordnete zur Abdeckung ihres Mandatsaufwands bzw. ihrer Mandatskosten geht, ein neuer Absatz 4 eingefügt. Er sieht vor, dass Abgeordnete, so sie mehr als 20 Kilometer entfernt vom Landtag wohnen, einen pauschalisierten Kostenzuschuss bis zu einem Höchstbetrag erhalten. Sind die tatsächlichen Kosten niedriger, werden nur diese ersetzt, denn laut Neuregelung erfolgt die Kostenerstattung an die Abgeordneten nur auf Nachweis. Das heißt, pro Hotelübernachtung sind es maximal 80 Euro oder wahlweise auch ein Monatszuschuss von maximal 550 Euro für eine Wohnung. Diese konkreten Zahlen ergeben sich aus einer Ergänzung in den Ausführungsbestimmungen im Abgeordnetengesetz und zeigen, dass moderate Werte gewählt wurden. Es geht also um „normale“ Zimmer und Wohnräume. Der Text des neuen § 6 Abs. 4 lässt im Übrigen auch die Möglichkeit offen, in Zukunft, sollte das Haus der Abgeordneten nicht mehr zur Unterbringung von Flüchtlingen benötigt werden, zum bisherigen Unterbringungsmodell zurückzukehren. Eine Evaluierung der entsprechenden Gesetzlichkeit ist somit gleichzeitig eingebaut.

Meine Damen und Herren, ich werbe um Unterstützung des Gesetzentwurfs. Danke.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war eine Punktlandung, Herr Abgeordneter, vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem Herrn Abgeordneten Brandner, AfDFraktion, das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Blechschmidt hat sich hier wieder als Altparteiensprecher hervorgetan, wahrscheinlich wieder für alle wie vorhin. Ich nehme es auch vorweg. Das, was sich heute hier abspielt, ist eine klassische Altparteienallianz für volle Taschen und gegen die Interessen der Bürger.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Alle Altparteien wieder einer Meinung, wenn es darum geht, sich noch mehr Geld und noch mehr Vorteile aus der Steuerzahlerkasse zukommen zu lassen. Ausgangspunkt für diesen weiteren schamlosen Griff in die Staatskasse – man kann es kaum glauben – ist die Völkerwanderung, wie Herr Ramelow so schön formulierte, oder die Lawine, wie Herr Schäuble es noch schöner sagte. Solidarität mit den Aktiven der Völkerwanderung schallt es einem seit langer Zeit aus dem bunten Gutmenschentum der hier anwesenden Vertreter der rot-schwarz-rotgrünen Selbstbedienungsallianz entgegen. Diese Solidarität, die Sie anmahnen, die sollte eigentlich auch Teile von Uneigennützigkeit in sich tragen – trug es auch bisher, denn die Abgeordneten verzichteten auf ihre Zimmer im Haus der Abgeordneten.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ja, aber im Hotel haben Sie auch übernachtet!)

Wir von der AfD verzichteten ohne großes Murren und Brimborium auf unsere Zimmer, wir zogen aus, wir erkannten den Ernst der Lage und nahmen das so hin. Der eine oder andere von Ihnen allerdings murrte schon gewaltig und gab Äußerungen von sich, die nicht und schon gar nicht hier zitierfähig sind. Aus Gründen der Kollegialität sage ich weder Namen noch Inhalte.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist so verlogen! Un- glaublich!)

Nur so viel: Noch nie habe ich von Mitgliedern meiner Partei so etwas auch nur ansatzweise gehört, was da von Vertretern der Altparteien geäußert wurde. Es als fremdenfeindlich und unter Stammtischniveau zu bezeichnen, wäre noch geschönt. Die Betroffenen sitzen hier im Raum und wissen genau, wer gemeint ist. Doppelzüngigkeit pur – schlimmer geht‘s nimmer!

(Abg. Blechschmidt)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Schauen Sie mal in den Spiegel!)

Meine Damen und Herren, Solidarität also – die sieht für Sie nun so aus, dass Sie den Wegfall des Hauses der Abgeordneten nicht nur nicht dazu nutzen, das Privileg des Kostenlos-in-Erfurt-Wohnens als unzeitgemäß und unangebracht abzuschaffen, denn es ist unzeitgemäß und unangebracht, Herr Blechschmidt, auch wenn Sie versuchen, etwas anderes zu verklickern. Ich wüsste nicht, was es mit der Ausübung des Mandats zu tun hat, dass man irgendwo für lau übernachten kann. Jeder Mensch muss seine Übernachtung bezahlen. Warum machen wir das nicht wie jeder Arbeitnehmer in Deutschland auch aus unseren Bruttodiäten und setzen dann unsere Ausgaben als Betriebsausgaben dagegen? Warum machen wir das nicht so ganz wie alle normalen Menschen auch?

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Wir haben ja nichts zu tun hier!?)

(Beifall AfD)

Der Verzicht auf dieses Privileg wäre vor dem Hintergrund der immensen finanziellen Belastungen auch durch die Völkerwanderung der einzig richtige Schritt gewesen.

(Unruhe DIE LINKE)

Solidarität für die Altparteien heißt allerdings zusätzliche Belastung der Bürger durch Wasserentnahmeabgaben, durch erhöhte Grunderwerbssteuern, durch Kürzungen in Schulen, bei Sozialleistungen, durch höhere Schulden und demnächst wahrscheinlich durch einen Völkerwanderungssoli.

Herr Abgeordneter Brandner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kobelt, Bündnis 90/Die Grünen?

Am Ende gern.

Okay, am Ende.

Am Ende gern. Ich bin gleich so weit. Solidarität für Sie von den Altparteien sieht hier im Landtag ganz anders aus. In einer Nacht- und Nebelaktion, im Schweinsgalopp und in der Hoffnung, dass es schon niemand merken wird, wollen Sie kräftig zulangen. Ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. Nicht weniger soll es werden, es soll auch nicht gleich bleiben, nein, mehr soll es werden. Rund 400.000 Euro hat das Haus der Abgeordneten

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Im Ältestenrat beschlossen!)

grob geschätzt – unter großzügiger Berücksichtigung des § 10 Abs. 4 Abgeordnetengesetz gekostet. Rechnerisch sind das, geteilt durch zwölf, geteilt durch 91, etwa 360 Euro im Monat. Wenn man schon nicht Verzicht üben will und dadurch die Solidarität zum Ausdruck bringt, dann wäre das der Ausgleichsbetrag gewesen, nämlich diese 360 Euro, über die man hätte reden können. Dann wären keine höheren Kosten entstanden. Das hätten wir gern diskutiert, meine Damen und Herren. Aber wie man es von Ihnen von den Altparteien nicht anders gewohnt ist, gehen Sie einen anderen Weg unter dem Ausschluss der AfD-Fraktion. Weil Sie wussten, dass mit uns keine Erhöhungen zu machen sind, machen Sie einträchtig kurzfristig handstreichartig und unter Ausnutzung der Geschäftsordnung einen völlig inakzeptablen Gesetzentwurf und peitschen den hier mit Ihren Zweidrittelmehrheiten durchs Parlament – ein klassischer Altparteien-Gesetzentwurf zulasten der Bürger.

(Beifall AfD)

Der Gesetzentwurf ist zunächst einmal klassische Camouflage, also Verschleierung. Er weist die Erhöhung nicht etwa aus, sondern verweist auf den Ältestenrat, der die Ausführungsbestimmungen mit dem Präsidenten zusammen schreibt. Da blickt kein Mensch mehr durch. Es gibt zwei verschiedene Komponenten, einmal 550 Euro im Monat – das würde allein schon zu beträchtlichen Mehrkosten führen – oder die 80 Euro. 80 Euro für eine Hotelübernachtung, auch schon sehr üppig, auch das wird ab der fünften Übernachtung pro Monat die Kosten durch die Decke schießen lassen. Und ich bin kein Prophet, dass Sie demnächst die 80 und die 550 Euro im Ältestenrat wahrscheinlich dann wieder camouflageartig erhöhen werden.

Die Frist zur Einbringung ist nicht eingehalten worden. Hoppladihopp – beide Lesungen wurden heute durchgepeitscht. Da musste für die Zweidrittelmehrheit auch die CDU mit ins Ramelow-Mehrheitsdiätenerhöhungsbötchen und die stieg als Steigbügelhalter da auch gern ein. Wahrscheinlich wird sie nicht reden, sondern sich durch Herrn Blechschmidt hier vertreten lassen. Meine Damen und Herren, so eklatant…

Entschuldigung, Herr Abgeordneter, einen kleinen Augenblick.

Ein freundlich gemeinter Hinweis an unsere Besucher auf der Tribüne: Sie müssten eigentlich bei Ihrer Einweisung darüber informiert worden sein, dass das Fotografieren mit Smartphones in den Plenarsaal hinein nicht gestattet ist. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. Herr Brandner, Sie haben weiterhin das Wort.

Also mich können Sie gern fotografieren, wenn Sie wollen. Meine Damen und Herren …

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, hier geht das nicht!)

Aber nicht hier im Plenarsaal.

So eklatant daneben wie der Gesetzentwurf ist auch das parlamentarische Vorgehen. Wie schnell vergisst man? Wie schnell macht Rot-Grün genau das, was früher nicht gemacht werden sollte? Es ist erschreckend.

Herr Pidde – ist er da? Herr Pidde ist unterwegs –, wir haben mal nachgelesen. 1999 haben Sie zum Thema „Fristenverkürzung“ gesagt, ich zitiere: „Während Sie die guten Demokraten sein wollen,“ – Sie meinten damals die CDU – „betreiben Sie die Politik weiter, die auf die Unterdrückung der Opposition, auf eine Betonpolitik, hinausläuft.“ Das sagte Herr Pidde zum Thema „Fristenverkürzungen“ vor einigen Jahren. Nun machen Sie von den Linken bis zur SPD genau das, was Sie jahrelang bekämpft und moniert haben. Wie klassische Wendehälse, aber da kennen sich viele von Ihnen wunderbar aus. Irgendwie, meine Damen und Herren von den Altparteien, bleiben Sie sich aber auch treu. So wie Sie bei der Abschaffung der automatischen Diätenerhöhung plötzlich umgefallen sind, wie Sie nach Jahren und gegen Ihre eigenen Parteitagsbeschlüsse plötzlich auch gegen die Trennung von Amt und Mandat waren, wie Sie plötzlich, als die AfD das eingebracht hat, gegen mehr Bürgerbeteiligung und Volksabstimmungen waren, wie Sie Ihre Ministerinnen sich haben Rentenansprüche ersitzen lassen. Ich erwähne in dem Zusammenhang die grüne Null ganz gerne, die hier gerade nicht sitzt. So halten Sie es auch hier. Was stört Sie mein Solidaritätsgeschwätz von gestern, wenn es um mein Portemonnaie geht. Das ist eine Politik, die mit uns nicht zu machen ist.

(Beifall AfD)

Mit uns geht das nicht. Wir von der AfD lehnen dieses Selbstbedienungsgesetz ab und beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Migration,

Justiz und Verbraucherschutz, da wir die Hoffnung in Ihre Einsichtsfähigkeit noch nicht völlig aufgegeben haben, und hoffen, Sie dann im Ausschuss davon überzeugen zu können, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf einen völlig falschen Weg eingeschlagen haben. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Brandner, ich darf Sie zumindest darauf aufmerksam machen, Sie wollten die Frage noch beantworten, und der Begriff „grüne Null“ ist mir zumindest eine Rüge wert.

Das hat Frau Siegesmund gestern auch gesagt, aber gut.