Wissen Sie, da komme ich auf mein eigenes Erleben zurück. Ich habe in einer kleinen Druckerei gearbeitet, knapp 100 Mitarbeiter, ich weiß, in Thüringen wäre das heute ein mittelständisches Unternehmen, und das Team in dieser Druckerei, früher haben wir das Kollektiv genannt, das hielt tatsächlich richtig zusammen. Wir haben nicht nur zusammen gearbeitet und gefeiert; wenn da einer umgezogen ist oder Hilfe brauchte beim Malern oder mal das Auto eines Kollegen in Anspruch nehmen musste, war das alles kein Problem. Irgendwie war das wie so eine Art Familie. Und dann stehen im September 1991 Herrschaften von der Deutschen Treuhand AG vor uns und erklären uns, dass dieser Betrieb abgewickelt wird – eine Druckerei, die 1640 gegründet wurde und bis dahin alles überlebt hatte – und ihr ab Dezember eure Arbeitsplätze verliert. Wir standen da wie die durchgepeitschten Hustenstörche. Ich habe damals Kollegen gesehen, Schriftsetzer, Buchbinder Mitte 50, Kerle wie Bäume, die geweint haben wie Kinder. Solche Menschen blicken natürlich auf die Wendezeit anders zurück und natürlich sagen die, was damals passierte, was mit mir geschehen ist, mit meiner eigenen Biografie, das ist auch irgendwie Unrecht. Was erwarten wir denn von ihnen für eine andere Einschätzung! Wenn wir über Ostdeprivation sprechen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass es viele gibt, die so etwas erlebt haben. Da haben sich auch Begriffe wie „Wendeverlierer“, „Wendegewinner“ geprägt – Sie kennen das alles. Wenn die Menschen in Thüringen aber heutzutage Nachrichten verfol
gen, was sehen Sie denn da unter anderem? Der Ministerpräsident hat es vorhin schon angesprochen, dass Regierungschefs anderer Bundesländer, auch aus dem Westen, mehr oder minder offen aussprechen, dass der Osten jetzt aber mal genug an Hilfe bekommen hat, dass man uns nicht länger durchfüttern möchte, dass man um den Länderfinanzausgleich mittlerweile schon viele Monate feilscht wie die Kesselflicker, aktuell auch beispielsweise diese Diskussion um die Regionalisierungsmittel der Bahn, da ist der Osten wiederum der Verlierer. Das hören diese Leute, das lesen sie, das kriegen sie aus den Medien mit. Wenn Sie die Leute dann fragen, was sie davon halten, kommen natürlich solche Umfragewerte heraus. Fakt ist also: Für viele Menschen war die DDR nicht nur eine Addition aus SED und Stasi, das zeigen diese Werte im Thüringen-Monitor. Fakt ist auch: Damals wachten die Thüringerinnen und Thüringer am 3. Oktober 1990 in einem völlig neuen Land auf, ohne umgezogen zu sein, und in diesem neuen vereinten Land ist freilich vieles besser geworden, aber längst noch nicht alles gut.
Wenn man also beim Zusammentragen solcher Fakten das eine oder andere noch nachvollziehen kann, dann wird das umso schwerer beim dritten Umfragewert, der im Thüringen-Monitor einen großen Raum einnimmt und der untersucht wurde. Das ist die Einstellung und das Engagement zur Demokratie im Allgemeinen. Wir haben das in den letzten Tagen schon vermehrt in den Zeitungen gelesen, heute ist es auch schon von meinem Vorredner angesprochen worden. Der Anteil rechtsextrem eingestellter Menschen in Thüringen beträgt 24 Prozent. Der gemessene Wert ist nach einem leichten Absinken in den letzten Jahren wieder angestiegen. Jetzt gibt es eine Diskussion, was eigentlich rechtsextrem ist. Auch da ist im ThüringenMonitor einiges sehr schön aufgeführt, nach welchen Parametern das in dieser Form überhaupt klassifiziert werden kann. Ich will Ihnen aber mal ein paar Zahlen und ein paar Aussagen dazu nennen, die mich auch erschreckt haben. Ein Viertel der Befragten sagt: „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.“, also rund 24 Prozent. Fast 10 Prozent sagen: „Die Juden haben einfach etwas [...] Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.“ „Die BRD ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet.“ sagen 51 Prozent und „Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ 28 Prozent. Die Liste ist lang, sie können es in diesem Thüringen-Monitor selbst nachvollziehen. Der Hang zu totalitären Haltungen und Einschätzungen ist zweifellos vorhanden. Wir können das auch in der aktuellen Asyl- und Flüchtlingsdebatte beobachten, in der viel schwarz-weiß gemalt wird und die Positionen zum Teil sehr extrem sind. Wenn man bedenkt, zu welchem Zeitpunkt dieser Thüringen-Monitor entstanden ist, wann diese Umfragen eigentlich gestartet und dann
später ausgewertet wurden, dann weiß man, dass die Debatte damals noch nicht einmal ansatzweise die heutige Dimension erreicht hatte, und dann können wir uns vorstellen, wie die Zahlen heute wohl aussehen würden, wenn wir das in den letzten Wochen vollzogen hätten und diesen Thüringen-Monitor dann erstellt hätten.
Wenn Dr. Best sagt, das Eis ist dünner geworden, über das wir gehen, dann hat er recht. Ich sage sogar, da knistert und knirscht schon etwas ganz gewaltig. Ich will nur zwei Punkte nennen, bei denen man dieses Knistern bereits deutlich hören kann: Eine nationale Diktatur halten 20 Prozent, also jeder Fünfte in Thüringen, unter bestimmten Umständen für die bessere Staatsform. Die Zufriedenheit mit der Demokratie – das ist der zweite Fakt – ist in ihrem Wert um 11 Prozent zurückgegangen. Nicht einmal mehr jeder Zweite im Freistaat ist mit der Demokratie in ihrer jetzigen Form zufrieden.
Jetzt gibt es eine Reihe weiterer Indikatoren zur Islamfeindlichkeit, zur allgemeinen Ausländerfeindlichkeit. Das kann man alles sehr gut verfolgen. Das ist auch in diesem Thüringen-Monitor aufgeschlüsselt und ich kann abermals Erklärungsmodelle basteln und herleiten, warum die Dinge sind, wie sie sind. Ich habe gestern in einer dpa-Meldung gelesen, dass Thüringen den niedrigsten Ausländeranteil aller Bundesländer hat, also irgendwas bei 2,5 Prozent. Wenn ich im Gegensatz dazu manchmal den einen oder anderen Zeitgenossen über Ausländer reden höre, bin ich versucht zu fragen, wann er denn den letzten hier in Thüringen gesehen hat.
Eines jedenfalls ist nicht von der Hand zu weisen: Menschen, die sich ohnehin schon benachteiligt vorkommen, die also hierzulande diese Ostdeprivation empfinden – und jetzt sind wir wieder bei diesem Thema und alles in diesem Thüringen-Monitor hängt mit allem zusammen –, diese Menschen sind natürlich auch sehr anfällig für Denkmodelle, die den rechtsextremen Mustern entsprechen.
Dieser Thüringen-Monitor ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als zum Beispiel noch mehr über Griechenland und die Euro-Krise gesprochen wurde und die Flüchtlingsbewegung noch nicht die heutigen Ausmaße hatte. Vor allem kam damals – das war in den Frühjahrs- und Sommermonaten – eine Flüchtlingsbewegung aus den Balkanstaaten nach Deutschland. In beiden Fällen – Griechenland auf der einen Seite, die Euro-Krise wie auch diese Bewegung der Menschen, die vom Balkan hier zu uns kamen – geht es im Kern um die Frage, wie weit Hilfsbereitschaft in Krisensituationen erwartet werden kann. Es geht schlichtweg – das ist ein großes Wort, aber genau das ist da anzuwenden – um Solidarität, um abzugeben für Menschen, die in Pro
blemen sind, die weniger haben als man selbst, die vor wirtschaftlicher Not beispielsweise flüchten. Wenn ich aber Menschen mit diesen Problemen konfrontiere, die ohnehin schon im Glauben sind, vom Kuchen immer nur das kleinere Stück abzubekommen, also immer schon benachteiligt zu sein, dann ist klar, dass sich die Hilfsbereitschaft in engen Grenzen hält. Dann ist das Motto: Ich komme sowieso zu kurz und jetzt soll ich auch noch teilen mit den Griechen und mit den Flüchtlingen. Ich unterhalte mich fast täglich mit Menschen, die um die 65 Jahre oder älter sind, und die sagen unverblümt zu mir – das ist in der Debatte hier auch lobenswerterweise schon herausgestellt worden: Herr Hey, wenn ich das alles so sehe, dann habe ich Angst um meine Rente und die Rente ist nicht besonders groß, die ist sowieso schon niedriger als die im Westen und die Angleichung kommt auch nicht wie erwartet. – Ganz schnell kommt man in solchen Gesprächen mit diesen Leuten zu solchen Argumenten, wie wir sie unter anderem auch in diesem Thüringen-Monitor wiederfinden und die Grund zur Sorge bereiten. Da gibt es natürlich einen Zusammenhang mit der DDR-Nostalgie, mit der Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen, mit der Ostdeprivation im Allgemeinen. Das kann man alles nachvollziehen. Viel wichtiger für mich und für meine Fraktion ist aber: Was heißt das für uns in der Politik? Denn eins ist doch klar: Diese verunsicherten Menschen, auch die, die sicher zu Unrecht glauben, immer die Gelackmeierten zu sein, und die sagen, wir sind sowieso schon seit 1989 immer zu kurz gekommen, diese drohen, sich vom demokratischen System unserer Gesellschaft und von politischen Prozessen abzuwenden. Viele sagen ganz offen: Die Politik kann diese Probleme gar nicht lösen, die im Moment auf uns hereinstürzen. Das ist die große Gefahr, das ist das Knistern im Eis, von dem ich gesprochen habe.
Jetzt kann man den Thüringen-Monitor freilich zerlegen und die Zahlen analysieren und sich in Debatten verlieren, aber man muss vor allem eins tun, diesen Thüringen-Monitor mit seinen Erkenntnissen als eine Aufgabe erkennen, eine Aufforderung an uns Politiker auch hier im Thüringer Landtag. Wir müssen mit den Leuten draußen reden, reden, reden. Wir müssen argumentieren. Ja, wir müssen uns auch mal mit den Leuten fetzen. Aber wir müssen ihnen auch zuhören und nicht oberlehrerhaft unsere Sichtweisen bekannt geben. Das wird nicht ausreichen. Die einen veranstalten zweifelhafte Aufzüge und Demos, wo Deutschlandfähnchen geschwungen werden und der drohende Untergang prophezeit wird, wenn nicht umgehend dieses oder jenes geschieht. Das zieht bestimmte Menschen an.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)
Es geht doch auch vor allem darum, mit den Leuten zu reden und ihnen klarzumachen, dass es natürlich Risiken und Probleme beim Bewältigen von dem gibt, was da gerade um uns herum geschieht, aber dass es letztlich darauf ankommt, dass man Herausforderungen nur in den Griff kriegt, wenn man zusammensteht und auf bestimmte Probleme auch Antworten hat. Niemand hat momentan ein Patentrezept für diese aktuelle Situation. Die ist nicht besonders amüsant, wenn man die Schlagworte sieht: die Flüchtlingskrise, Terroranschläge, Debatten um Ober- oder Untergrenzen, keine gemeinsame europäische Linie. Da kommen die Umfragewerte des Thüringen-Monitors und bilden ab, dass die Meinung der Menschen im Land in bestimmten Punkten extrem geworden ist, dass sich Menschen von der Politik abwenden. Ich glaube, wir müssen diese Werte, die hier im Thüringen-Monitor geschildert werden, auch als Warnsignal verstehen.
Wir glauben, dass wir Menschen nur dadurch gewinnen und überzeugen können, wenn sie sehen, Politik handelt und dieses Handeln wirkt. Die Umstände, die jeden Tag so heftig diskutiert werden, ändern sich. Da muss man den festen Willen und die Überzeugung haben, sie ändern zu wollen. Das muss man den Leuten draußen im Land auch immer wieder sagen, ihnen das klarmachen und verdeutlichen: Jawohl, wir können das schaffen.
Ich will das an einem Beispiel festmachen. Hin und wieder wird darüber geredet, dass die aktuelle Situation für uns die größte Herausforderung seit der Wende ist. Das ist heute, glaube ich, schon einoder zweimal gesagt worden. Gut, wenn man das annimmt. Dann versetzen wir uns mal in die Zeit vor rund zweieinhalb Jahrzehnten zurück. Man stelle sich nur vor, 1989 hätten alle in der DDR gesagt, ach du meine Güte, wie runtergekommen das alles hier ist und die Innenstädte sind alle verrottet, es gibt keine Bananen und die Stasi ist überall, wir gehen sicherlich alle bald unter. Das war eine Zeit voller Probleme. Und was ist passiert? Zuerst nur wenige, aber dann mehr und mehr haben das nicht als unabänderliches Schicksal gesehen, sondern sind aufgestanden und haben gesagt, so geht es nicht weiter hier. Sie haben für freie Wahlen und für freie Medien und mehr Demokratie und Gerechtigkeit gekämpft. Stellen Sie sich mal vor, das hätte keiner getan.
Die Politiker, in West genauso wie in Ost, hätten damals auch sagen können, jetzt taucht da an jeder Ecke ein neues Problem auf bei dieser Wiedervereinigung. Das ist eine vollkommen neue Herausfor
derung, die es so in dieser Form nie gegeben hat. Du großer Gott, wie soll denn das alles klappen mit dieser deutschen Einheit, mit den unterschiedlichen Sozialsystemen und den Gegebenheiten, was das alles kostet? Das hätten die auch machen können. Hat man aber nicht. Da haben auch die Politiker, vor allem auch die auf den unteren Ebenen, auch die Bürgermeister und Kommunalverantwortlichen, vor allem auch in Ostdeutschland, auch hier in Thüringen und auch hier auf unseren Ebenen die Ärmel hochgekrempelt. Jetzt kann man auch herumlamentieren und von riesigen Problemen bei der Flüchtlingsdebatte reden, zusätzlich den Leuten noch Angst mit ansteckenden Krankheiten und Kriminalität und Islamismus und Terror machen und wieder passiert etwas Entscheidendes, meine sehr geehrten Damen und Herren: Da krempeln wieder Leute ihre Ärmel hoch und helfen und organisieren in Vereinen und Verbänden und Initiativen. Da sagen wir, das ist gut so.
Freiwillig Engagierte, die bis zum Umfallen in den letzten Wochen geholfen haben. Auch Bürgermeister, die wieder runde Tische eingerichtet haben und Aktionspläne erarbeiten und Hilfestellungen leisten. Denen müssen wir jeden Tag das Signal geben, dass wir zusammenstehen. Die müssen wir unterstützen. Die brauchen jetzt keine Scharfmacher, die uns erzählen wollen, wie schlimm doch alles ist. Die helfen ganz praktisch anderen Menschen und deswegen haben sie auch unsere Hilfe als Politiker verdient.
Reden wir also als Politiker doch bitte nicht immer nur über den gewaltigen Problemberg. Den gibt es natürlich, aber das macht ihn nicht kleiner und recht oft macht das den Menschen auch Angst. Reden wir bitte auch über die, die ganz aktiv etwas für die Bewältigung dieses Problembergs tun – die Kleidung und Spielzeug sammeln und ehrenamtlich in zahllosen Vereinen rackern, die freiwillig Sprachkurse geben und sich als ehrenamtlich Engagierte kümmern –, und natürlich auch über Stadt- und Gemeinderäte, die sich mit ihren Bürgermeistern und Landräten jeden Tag diesen Problemen vor Ort stellen. Reden wir nicht nur darüber, helfen wir ihnen auch durch rasche Regelungen, die ihnen das Arbeiten und das Organisieren erleichtern, oder durch finanzielle Unterstützung, nämlich da, wo sie notwendig ist. Das ist ein wichtiges Signal. Das erkennen dann auch die Leute draußen im Land, die nicht immer so antworten, wie uns das gefällt. Das mag sein, aber wenn sie sehen, da tut sich etwas, wir können das packen, dann bauen sich auch Ängste und Befürchtungen ab und dann werden die Antworten dieser Menschen – dessen ist sich mei
ne Fraktion und dessen bin auch ich mir bewusst – in der kommenden Zeit und im nächsten ThüringenMonitor auch etwas anders und positiver ausfallen. Das ist eine Riesenaufgabe für uns, die uns dieser Thüringen-Monitor mit auf den Weg gibt, und wir sollten alles dafür tun, sie zu lösen. Ich danke Ihnen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne und am Livestream, was es zuallererst nicht mehr braucht – und das an die Adresse von Mike Mohring – sind Sonntagsreden.
Denn das, was Mike Mohring als einzige Botschaft heute von sich geben konnte, war, dass die politischen Ränder dafür verantwortlich sind, dass wir in dieser Situation sind. Ich halte das für völlig fehlgeleitet und verstehe die Aussagen des ThüringenMonitors in Thüringen und die Einstellung der Thüringer auch in der Verantwortung der vergangenen 24 Jahre CDU-Verantwortung.
Ich würde gern einsteigen, wenn es darum geht, wer Motor von Politik ist, und das ist tatsächlich seit einem Jahr Rot-Rot-Grün. Ich will nur einmal aufzählen, was die CDU in 25 Jahren nicht geschafft hat, auf den Weg zu bringen. Da wäre der Einstieg und die Gespräche in die Gebietsreform. Wir haben drei Haushalte in diesem Jahr geschafft, 500 Lehrer eingestellt, fünf Tage Bildungsfreistellung für Arbeitnehmer auf den Weg gebracht, um endlich moderne Arbeitsmarktpolitik möglich zu machen. Wir haben gestern das Wahlalter-kommunal-auf 16 Jahre gesenkt und wir haben zum Thema „Langzeitarbeitslosigkeit“ reagiert, auch auf den letzten Thüringen-Monitor und auf gesellschaftliche Herausforderungen. Wir haben öffentliche Beschäftigung im Hause Heike Werner möglich gemacht, um Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive zu geben. Das alles möchte ich als Indikatoren dafür verstehen, dass Rot-Rot-Grün ein Motor von Politik in Thüringen ist.
Wir reden in diesem Jahr schon zum zweiten Mal über den Thüringen-Monitor. Als wir im Februar über die Ergebnisse der Erhebung im Jahr 2013 gesprochen haben, konnte keiner von uns ahnen,
was wir Ende dieses Jahres an politischen Herausforderungen zu bewältigen haben. Es hat sich schon im Frühjahr gezeigt, dass der Terror des IS und die stetig steigende Zahl von Schutzsuchenden vor Hunger, Krieg und Tod allgegenwärtig waren, aber welches Ausmaß wir an Flüchtlingen und damit an Herausforderungen erreichen, war nicht absehbar.
Am Jahresanfang 2014 standen wir unter dem Eindruck des barbarischen Anschlags islamistischer Fanatiker auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, und heute ist uns mit den kürzlichen Anschlägen wiederum in Paris in einer Reihe furchtbarer Verbrechen des Islamischen Staats vor Augen geführt worden, dass Terrorismus und Terror tatsächlich noch steigerungsfähig sind und sehr nah bei uns sein können. Umso wichtiger erscheint es uns daher, unsere Werte von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – wie sie gerade auch die französischen Werte darstellen –, von Toleranz und einer offenen Gesellschaft zu verteidigen und nicht einer vermeintlichen Sicherheit zu opfern, die es so auch überhaupt nicht geben kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit dem Sommer ist der Freistaat mit einer Zahl von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen konfrontiert worden, die weit über das bislang bekannte Maß hinausgeht und alle Prognosen vom Jahresbeginn über den Haufen wirft. Ich weigere mich trotzdem, von einer Flüchtlingskrise zu sprechen.
Ich rede von einer gesellschaftlichen Krise, einer Krise zwischen oben und unten, aber nicht von einer Flüchtlingskrise, die die Flüchtlinge als Krise beschreiben, sondern wir haben diese Herausforderung anzunehmen.
Ohne das vielfache und bewundernswerte Engagement vieler Thüringerinnen und Thüringer sowie das unbürokratische und lösungsorientierte Agieren von Frauen und Männern in den Behörden des Landes und der kommunalen Körperschaften wäre die Aufnahme so vieler Menschen bisher nicht möglich gewesen. Dafür möchte ich mich für meine Fraktion an dieser Stelle ausdrücklich bedanken, vor allem bei den vielen Ehrenamtlichen beim DRK, bei den Kirchen, bei denjenigen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe sind. Es ist nicht zu ermessen, was diese Menschen jeden Tag leisten.
den, weil selbst im Befragungszeitraum im Juni vergangenen Jahres die Entwicklung der letzten Monate noch nicht abzusehen war. Aber der Thüringen-Monitor konnte bereits einen anderen, leider sehr besorgniserregenden Befund abbilden, nämlich dass jeder zweite Thüringer ausländerfeindliche Ressentiments hegt – mehr als im Bundesdurchschnitt, der immer noch erschreckend hoch bei einem Drittel liegt – und damit noch einmal die Thüringer in eine besondere Verantwortung, vor allem die Thüringer Politik in eine besondere Verantwortung schickt.
Gerade Asylbewerberinnen und -bewerber geraten dabei in den Fokus, werden generellen Verdächtigungen ausgesetzt. Mein Kollege Hey hat es gerade schon gesagt. Es wird verbreitet, dass sie angeblich Krankheiten haben, sämtliche Straftaten des vergangenen Jahres auf ihren Schultern liegen, dass die Probleme, die wir in Deutschland haben, nämlich Langzeitarbeitslosigkeit, eine Zwei-Klassen-Gesundheitsversorgung, ein noch nicht gerechtes Bildungssystem, dass das alles mit Flüchtlingen gekommen wäre. Ich will an diesem Punkt darauf hinweisen: Nicht die Flüchtlinge sind die Ursache der Probleme Deutschlands, sondern die gab es auch schon vorher. Der Ministerpräsident hat es heute gesagt, eben trotz der Flüchtlinge und wegen der Flüchtlinge sind wir als Gesellschaft besonders gefordert und haben eine Chance, uns gemeinsam zu entwickeln.
Die gezielten Diffamierungen von flüchtenden Menschen fallen offenbar zumindest in Teilen unserer Gesellschaft auf fruchtbaren Boden oder bilden den fruchtbaren Boden für Politik. Das lehnen wir als Fraktion als menschenunwürdig ab. Ich sage hier auch noch mal deutlich, dass wir es ablehnen, das Recht als Naturgesetz zu begreifen, und dass nicht darüber diskutiert wird, dass die Politik Gesetze macht. Ich will es an einem Beispiel sagen: Auch die Aushöhlung des Asylrechts ist eine Folge einer politischen Aushandlung einer Großen Koalition, die solche Blüten trägt, wie Herkunftsländer wie den Kosovo sicher zu machen, wo die Bundeswehr dafür sorgt, dass Sicherheit im Kosovo bestehen bleiben soll. Dieses Paradox ist für mich nicht zu erklären und ich halte es für eine falsche Entscheidung.
Die Hälfte der Thüringerinnen und Thüringer unterstellt Asylsuchenden pauschal, gar nicht verfolgt zu sein und nur aus wirtschaftlichen Gründen hier um Asyl nachzusuchen. Abgesehen davon, dass wohl niemand eine so weite Reise, so viel Gefahr für seine Familie und so viel Unsicherheit für seine Familie und sich selbst in Kauf nimmt, wenn nicht