Matthias Hey
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Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Klimadebatte ist ja in vollem Gange in diesem Land, spätestens seit Beendigung des sogenannten Klimakabinetts. Wir hören ja auch, wie das Spektrum der Meinungen darüber auseinandergeht. Die einen sagen, das ist ja wohl ein Witz, die anderen sagen, es war ein großer Wurf. Ich will mal auf die finanzielle Untersetzung abstellen. Der Bund sagt für die kommenden vier Jahre für verschiedene Maßnahmen 54 Milliarden Euro an Unterstützung für dieses Klimapaket zu – 54 Milliarden! Ich will zur Verdeutlichung, damit uns diese Einordnung vielleicht ein bisschen leichter fällt, sagen: Wir haben vor einiger Zeit oder auch nach wie vor immer sehr trefflich über den Verteidigungshaushalt in der Bundesrepublik gesprochen – im Jahr 2019 beträgt er 43 Milliarden Euro. Das ist immer noch der zweitgrößte Posten nach Arbeit und Soziales. Ich bedaure nach wie vor, dass in diesem Land mehr Geld für Rüstung als für Bildung ausgegeben wird.
Aber wir müssen das mal einordnen: 43 Milliarden Euro also für den Verteidigungshaushalt und 54 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Ich finde, das ist ein Pfund und ich sage auch, jeder Euro für den Klimaschutz ist besser angelegt als für die Rüstungsindustrie.
Wenn wir allein die Investitionen für den Schienenverkehr nehmen, die der Bund unter anderem auch in diesem Maßnahmenpaket auflistet und die bis 2030 erfolgen sollen, dann reden wir über 80 Milliarden Euro, die bis 2030 bereitgestellt werden sollen. 80 Milliarden Euro! Die Bahn profitiert allein schon in der nächsten Zeit zum Beispiel – Sie haben es mitbekommen – von einer Mehrwertsteuersenkung auf die Bahntickets. Wie jetzt Politiker aus anderen Ländern das bewerten, was Bundespolitiker da gemacht haben, das ist schon interessant. Ich sage auch mal: Wenn es der einzige Schritt gewesen wäre, den der Bund jetzt machen will, dann wäre er sicherlich zu klein. Aber wenn es der erste Schritt war, dann sage ich mal deutlich, dann ist er richtig.
Ich will aber auch sagen, wie das mit der Klimadebatte draußen ankommt. Das hat mich eigentlich hier vor ans Pult getrieben. Ich habe gleich am Montag eine Bürgerin bei mir im Bürgerbüro gehabt. Die wohnt etwas abseits von Gotha in einem kleineren Ort. Sie ist 73 Jahre alt, hat eine Ölheizung zu Hause und sagt: Ich verlasse mein Haus – es sei denn, ich werde ein Pflegefall – überhaupt nicht mehr und ich werde diese Ölheizung, nur damit Sie es gleich wissen, auch nicht umbauen. Und im Übrigen hat sie gleich noch übertrieben: Ich habe eine elektrische Brotschneidemaschine, nehmen Sie mir die jetzt auch gleich noch weg? So lief das. Da habe ich sie beschwichtigt und gesagt: Davon kann keine Rede sein. Es ist ja eigentlich so: So eine Ölheizung soll ab 2026 nicht mehr eingebaut werden. Aber was mir diese Frau in der gesamten Debatte verdeutlicht hat – und das läuft Ihnen vielleicht auch hin und wieder mal über den Weg –, ist, die Leute fühlen sich zum Teil relativ hilflos in einer absolut überhitzten Debatte, weil sie das Gefühl haben, hier kommt etwas auf sie zu, das riesig und das einfach nur teuer ist.
Dass die Debatte überhitzt ist, will ich gern mal anhand des Beispiels darstellen, das Herr Kobelt gebracht hat – da danke ich Ihnen sehr dafür, für dieses Bild –: Vor einiger Zeit hat eine Regierungsmaschine mit Angela Merkel zum UN-Klimagipfel abgehoben und zeitgleich eine zweite Maschine mit Annegret Kramp-Karrenbauer, die auch zu einer Beratung über den Teich geflogen ist. Wir haben darüber eine riesige Debatte in diesem Land. Ich finde das auch nicht gut, will ich gleich sagen. Ich sage Ihnen aber auch, weil Sie vorhin das Fußballbild gebracht haben, Herr Kobelt: Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sind hunderte von Maschinen in der Luft, weil wir hier in Europa im Fußball einen Europapokal ausspielen und weil der FC Barcelona eben nicht mit dem Bus zu Borussia Dortmund fährt. Das gucken wir uns mit Freude an und bezahlen sogar noch bei Sky dafür. Auch das gehört zur Wahrheit dazu,
dass man das mal einordnet, wie diese Debatte im Moment hochgetourt ist.
Es zeigt aber auch eins – für alle, die jetzt klopfen –, dass Politik natürlich ein Projektionsfeld ist, wo sehr genau hingeschaut wird, ob die, die da was
beschließen, sich auch selbst an diese Beschlüsse halten.
Es zeigt auch, dass die Politik jetzt gerade in einer unwahrscheinlich großen Verantwortung steht und sich dieser Verantwortung bei der Klimadebatte stellen muss. Da fällt mir auf, dass die Menschen nicht immer nur jubeln, wenn sie Klimaschutz hören, weil sie Fragen haben und weil wir auf diese Fragen ehrliche Antworten geben müssen. Wenn mich ein Opel-Mitarbeiter aus Eisenach fragt, muss ich mich jetzt schlecht fühlen, weil ich den ganzen Tag lang den Grandland produziere und weil das ein SUV ist; wenn mich die alte Dame mit ihrer Ölheizung fragt, was denn damit werden soll; wenn Menschen fragen, wieso denn die Politik eigentlich nach diesem Abgasskandal jahrelang tatenlos zugesehen hat, als wir betrogen wurden; wenn mich ein Mann fragt, ich habe bei meiner Kleinkläranlage draufzahlen müssen, ich habe einen VW-Diesel vor meiner Tür stehen, ich habe eine Ölheizung, was höre ich jetzt jeden Tag, dass jetzt wegen des Klimas alles immer teurer wird.
Ich sage deshalb: Diese Klimadiskussion, dieser Streit um die richtigen Maßnahmen ist auch eine große Chance. Aber es kommt darauf an, ob wir und wie wir sie in der Politik nutzen. Das will ich kurz erläutern: Die Bündnis/Grünen sind im Kern eine Umweltpartei. Das ist gut so, das ist ein Claim, den haben Sie abgesteckt und das ist okay. Die CDU ist im Kern eine Wirtschaftspartei – muss es auch geben. Meine Partei in diesem Sinne ist eine soziale Partei.
Deswegen fragt sich die SPD als Sozialpartei natürlich, wie es dem kleinen Mann auf der Straße geht, dem Otto Normalverbraucher, also dem Durchschnittsbürger, wenn er das alles verfolgt. Der hört, die haben da was in Berlin beschlossen; da sagt die eine Seite – wie vorhin von der AfD gehört –, das gibt es alles gar nicht mit dem Klimawandel.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich gehe gar nicht auf die Argumente ein, denn es ist sinnlos, mit der AfD über Fakten zu reden. Da könnte ich auch Vogelfutter vor eine Kuckucksuhr stellen, das bringt auch nichts.
Die anderen sagen, das, was da in Berlin geschehen ist, ist überhaupt nicht genug, das müsste alles viel mehr sein, das ist viel zu wenig. Das ist so dieser Sound, in dem sich die Leute draußen im Moment eingewickelt fühlen. Zusätzlich wird beispiels
weise noch die unsägliche Debatte geführt, ob eine Erhöhung der Pendlerpauschale möglicherweise noch diejenigen reicher macht, die viel fahren müssen.
Wir müssen aber in dieser Klimadebatte einfach auch ehrlich zu den Leuten sein. Zur Ehrlichkeit gehört dazu, wenn wir jetzt viel mehr einfordern, dass wir die Fakten in Deutschland einfach mal auf den Tisch legen, drum herumlaufen und bewundern. Die Fakten lauten: Wenn jemand von Düsseldorf nach Dresden oder von Dresden nach Düsseldorf reist, dann ist er momentan mit dem Zug 6,5 Stunden unterwegs. Das macht kein Geschäftsreisender. Na klar nimmt der, wenn er kann, ein Flugzeug. Wenn ich in Hildburghausen in einen Zug einsteige und will nach Altenburg – das ist nur ein kleines Bundesland –, da bin ich 3,5 Stunden lang unterwegs, da nehme ich selbstverständlich besser das Auto, wenn ich an Termine gebunden bin.
Wenn gefordert wird, es müsse jetzt der öffentliche Nahverkehr auf jedes Dorf fahren, dann ist das richtig. Aber es klappt eben nicht so schnell. Da kann man auf den Bund schimpfen, wie man will, es reicht nicht, immer nur zu fordern und zu sagen, das, was jetzt der Ist-Zustand ist, ist nicht ausreichend. Wenn man im ländlichen Raum beispielsweise viele Ölheizungen hat und jetzt sollen da Änderungen kommen, da kann man sagen, die sollen schrittweise abgeschafft und gar nicht mehr aufgebaut werden. Das ist doch richtig. Wir fördern das auch. Aber man muss auch im Blick haben, dass es viele Ortschaften hier im ländlichen Raum in Thüringen gibt, die momentan und wahrscheinlich auch in zwei oder drei Jahren noch gar keine Möglichkeit haben, zum Beispiel an ein modernes Fernwärmeoder an ein Gasnetz angeschlossen zu werden. Das muss man den Leuten dann auch offen mitteilen. Wenn Leute auf Dörfern wohnen, nehmen die bestimmt auch regelmäßig gern Buslinien, aber die müssen doch erst einmal aufgebaut werden, und man darf nicht mit dem Finger auf die Leute zeigen, wenn sie täglich das Auto nutzen müssen. Deshalb sagen wir: Klimaschutz wird nur gelingen, wenn man die Leute und die Gesellschaft nicht überfordert.
Der Mittelstand will mit Sicherheit beispielsweise auch in Thüringen klimagerecht produzieren. Ich habe ein gutes Beispiel von einer Kunststoff verarbeitenden Firma bei mir in Gotha – ich will aber den Namen nicht nennen, ist wieder ein Wärmeblock. Wenn man dementsprechend gefördert wird und diese Förderprogramme umsetzbar sind, dann wird sich der Mittelstand dementsprechend auch verhalten. Das gilt auch für unsere Stadtwerke. Ich bin Herrn Kobelt sehr dankbar, dass er darauf einge
gangen ist. Die Stadtwerke sind ein kommunales Pfund, das wir haben und mit dem wir wuchern können.
Aber die dürfen bei dieser Entwicklung nicht überfordert, sondern müssen behutsam mitgenommen werden. Das gilt auch für unsere vielen Bauern und Landwirte, die bei dieser Klimadiskussion schon seit einiger Zeit im Fokus stehen, und das gilt für Hunderttausende Menschen im ländlichen Raum, denen wir im Moment noch kein funktionierendes Gegenmodell präsentieren können, was zum Beispiel die Frage „Anbindung an das Bus oder Bahnnetz“ betrifft.
Ich kann keine hochtrabende Klimadebatte führen, auch das sage ich, und gleichzeitig warten Dörfer seit Jahren auf den versprochenen Radweg. Das passt für die Leute draußen nicht zusammen.
Nach meiner Auffassung ist das alles lösbar – das gleich mal als Message vorab. Aber es ist auch teuer. Das ist die zweite Wahrheit, die wir nennen müssen. Nach unserer Meinung muss es, wenn es irgendwann eine CO2-Steuer gibt, auch mal einen kräftigen Schluck aus dieser Pulle geben, der in den ländlichen Raum, direkt in die Dörfer auch in unserem Land geht. Damit nicht wieder solche Dinge passieren wie beim Abgasskandal, bei dem die Leute sich lange Zeit im Stich gelassen gefühlt haben, muss diese Debatte um das Klima auch aus der Sicht der Menschen betrachtet werden. Klimaschutz, das ist unsere feste Überzeugung, muss sozial gerecht sein und das muss das oberste Gebot sein. Sonst bin ich mir sicher, taugt auch diese Debatte dazu, irgendwann die politischen Ränder zu stärken, und wir sollten sie deshalb behutsamer führen. Klimaschutz geht alle an. Es wird die entscheidende, es wird die zentrale Frage der nächsten Jahre werden. Aber wir müssen auf diese Frage auch die richtigen sozialen Antworten geben. Die Akzeptanz draußen – das ist meine feste Überzeugung – wird am besten sein, wenn die Leute sich nicht mit Verboten konfrontiert sehen oder mit ständigen Szenarien, dass jetzt alles immer teurer wird, sondern wenn sie merken, die in der Politik in Berlin haben die Zeichen der Zeit erkannt.
Es wird Einschnitte geben, aber die werden so verteilt, dass nicht der kleine Mann der Dumme ist. Beispiele dazu gab es in den vergangenen Jahren leider zur Genüge. Es wird auch darauf ankommen, dass die Lasten, die sich aus dem Klimaschutz ergeben, fair verteilt werden, und zwar auch mit einer klaren Zielstellung, nämlich dass die Erreichung der
Klimaziele etwas mit Besitz und Verteilung und mit Gerechtigkeit zu tun hat.
Ich will Ihnen gern ein Beispiel nennen. Wenn wir mal die CO2-Brille aufsetzen, erzeugt jeder Bürger in der Bundesrepublik pro Kopf durchschnittlich 10 Tonnen CO2 pro Jahr. Der Thüringer ist sparsamer, nur 5 Tonnen. Da wird jeder sagen, kann ja nicht sein, die grillen jedes Wochenende, aber das ist tatsächlich so. Es ist auch deswegen so niedrig, weil wir viel Energie über Energienetze aus benachbarten Bundesländern beziehen. Experten sagen, dass wir so einen niedrigen Durchschnitt haben, das liegt aber nicht nur daran, sondern auch, dass das Einkommen in Thüringen niedriger ist, und der geringe Ausstoß erklärt sich auch mit der zum Teil nicht sehr glamourösen Lebensweise unserer Leute hier im Land. Daran sieht man sehr wohl, das ist auch eine soziale Frage. Wir sprechen hier nämlich auch über Bevölkerungsgruppen, die nicht in großen Wohnungen oder in großen Häusern leben, die keine dicken und schweren Autos fahren, die eben nicht jedes Jahr ihren Kleiderschrank völlig neu bestücken können und die nicht mehr als einmal im Jahr in die Ferne reisen und zu Hause keine gut gekühlten und frischen Flugmangos genießen oder die Avocados aus Mittelamerika.
Das mal als Beispiel: Ein Sprachurlaub in Neuseeland, der im Moment gebucht wird, für 14 Tage beispielsweise. Da verursacht allein der Flug 14 Tonnen CO2. Das ist fast das Dreifache von dem, was ein Durchschnittsthüringer so erzeugt. Natürlich muss man bereits jetzt die Frage stellen, wer bei derartiger, ungleicher Verteilung wie beteiligt wird. Deswegen sagen wir: Klimaschutz ist auch eine soziale Frage. Das wird die große Aufgabe sein, alle auf einer Mission mitzunehmen. Diese Mission heißt Klimaschutz. Aber das schaffe ich nicht, wenn ich am Ende eine Verbotsschranke setze, wenn die Lasten nicht klar verteilt werden, und wenn ich vor allen Dingen gleich zu Beginn dieser Mission sage, das alles reicht nicht, das muss noch viel drastischer kommen und noch schneller. Dann wird es schwer und das geht in der Politik rasend schnell. Dann lauern Kräfte, die sofort bereit sind, Ängste zu schüren und daraus Kapital zu schlagen. Deswegen lassen Sie uns streiten und kämpfen für ein besseres Klima.
Aber – ich sage das deutlich – dazu brauchen wir auch ein gutes Klima untereinander und in unserer Gesellschaft. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Um die Irritation bei unserem Koalitionspartner jetzt nicht ausufern zu lassen, will ich das noch mal genau betonen. Das, was die im Bund gemacht haben, mag man kritisieren. Ich habe auch deutlich gesagt, wenn es der einzige Schritt gewesen wäre, ist er zu klein. Wenn es der erste Schritt war, ist er genau richtig.
Nein. Das ist genau der Sound, von dem ich gesprochen habe. Man kann nicht immer sagen, das sei jetzt zu spät. Denn wenn das jetzt zu spät wäre, welche Handlungsoptionen haben wir dann noch? Dann könnten wir ja alles lassen. Ich finde, es ist nicht zu spät, 80 Milliarden Euro bis 2030 in unser Schienennetz reinzupumpen, das zum Teil wirklich stark modernisierungsbedürftig ist.
Das ist nicht zu spät, das ist, wie ich finde, eine gut angelegte, sehr sinnvolle Investition. Ich finde auch, es geht um diese Sprache, die im Moment die Leute draußen verwirrt. Die einen behaupten, das sei alles gar nicht so schlimm und es käme von der Sonne und man könnte das mit dem Aussterben der Dinosaurier vergleichen, und die anderen sagen, das ist aber alles viel zu wenig.
Deswegen habe ich gesagt, man muss die Leute in irgendeiner Form da auch mitnehmen und sagen, Klimaschutz – deswegen ist es auch sehr gut und richtig, dass die Landesregierung heute in dieser Art und Weise nach dieser Regierungserklärung darüber debattieren kann – ist eine der modernsten und eine der vordringlichsten Zukunftsaufgaben, die wir überhaupt haben werden – auch weil viele junge Leute hier auf der Tribüne sitzen, kann man das sagen. Aber sehr wohl – und das sage ich auch ganz deutlich – hat die SPD selbstverständlich immer noch, auch in einer Konstellation wie der jetzigen und egal in welcher anderen Konstellation oder Koalition, das Recht und die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, darauf zu schauen, wie sich das Ganze für den Einzelnen auswirkt.
Deswegen sage ich nicht: „Klimaschutz ja, aber …“, sondern, lieber Dirk Adams, ich sage: „Ja, und...“, und das ist ein entscheidender Unterschied.
In diesem Sinne, vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, so peinlich der Antrag der CDU-Fraktion in Teilen ist und so sehr er zum Schmunzeln verleitet – lesen Sie einmal Punkt III.4, mit wem die Landesregierung ab sofort Verhandlungen aufnehmen soll, nämlich mit verantwortlichen Vertretern des Haushaltsausschusses des Bundestags sowie der Deutschen Bundesregierung. Das finde ich ja große Klasse. Mit wem soll denn unsere Landesregierung sonst verhandeln, mit welcher Bundesregierung? Vielleicht, wenn es um die österreichische geht, mit dem Habsburger Haus, dass wir da vielleicht auch noch eine Stiftung hinbekommen? Deswegen immer meine Empfehlung: Lesen Sie den einfach noch mal quer, wenn der Referent das da so hineingeschrieben hat. Aber das ist eine andere Frage.
So sehr also dieser Antrag zum Teil zum Schmunzeln verleitet, so sehr er zum Kopfschütteln verleitet, wenn ich mir immer wieder anhöre, es sei ja wohl kein Tatbestandsmerkmal, wenn der Bund irgendeine Bedingung daran knüpft, so sehr frage ich mich auch, ob der Kollege Kellner bei der Veranstaltung am 15. August in der Tabakmühle hier in Erfurt persönlich anwesend war und begriffen hat, was die beiden Bundestagsabgeordneten Kahrs und Schneider dort der versammelten Menge derer, die sich für Kunst und Kulturpolitik in diesem Land noch engagieren, mitgeteilt haben. Nämlich: Es hat einen guten Grund, dass die zwei Bundesländer, Sachsen-Anhalt und Thüringen, eine Bundesförderung bekommen sollen, weil in diesen beiden Bundesländern vollkommen unterschiedliche Regierungsbündnisse bestehen. Für ein größtmögliches Bündnis, auch im Bundestag, braucht es nämlich noch eine Mehrheit, wenn der Bundestagshaushalt verabschiedet werden soll. Weil also eine größtmögliche Mehrheit erzielt werden soll, werden diese beiden Länder in der Form zusammengefasst.
Auch wenn es heute wieder von der CDU keiner gemacht hat, sage ich es trotzdem noch mal gern hier in die geöffneten Stenoblöcke der Presse und in die geöffneten Mikrofone: Vielen Dank an die beiden Abgeordneten Kahrs und Schneider, aber auch an Herrn Rehberg von der CDU,
dass sie den Weg frei machen für eine der größten Kulturförderungen, die wir hier in diesem Bundesland in den letzten Jahren überhaupt begrüßen konnten. Das ist im Übrigen – das muss ich Herrn Kellner auch noch mal deutlich sagen – auch eine
astreine Wirtschaftsförderung. Der eine oder andere mag ja meinen, das sei alles nur eine Investition in tote Steine. Aber wer baut denn da? Wer verbaut die 200 Millionen Euro? Das sind Gewerke wie Zimmerer, Gerüstbauer. Das ist eine absolute Wirtschaftsförderung, die Sie versuchen, in irgendeiner Art und Weise – ich kann nicht verstehen, warum, ich mutmaße da wahrscheinlich so ein bisschen Wahlkampfgetöse –, die Sie versuchen, in irgendeiner Form zu hintertreiben, indem Sie sagen, wir lassen uns doch vom Bund nicht aufoktroyieren, wenn die Geld für uns haben, unter welchen Bedingungen wir das annehmen. Das ist doch absurd!
Deswegen noch mal meine herzliche Bitte, darüber nachzudenken, ob man diesen Antrag in dieser Form aufrechterhält, weil er nicht gerade zur guten Stimmung, auch innerhalb des Lagers der Christlich Demokratischen Union in Berlin, beiträgt. Das habe ich mir im Übrigen von dem einen oder anderen Abgeordneten schildern lassen, der dort die Verantwortung trägt und der auch die Parteifarbe von Ihnen hat.
Zum anderen muss ich sagen, ich finde das sehr, sehr enttäuschend. Johannes Kahrs hat in dieser Versammlung am 15. August gesagt: Im Übrigen, weil wir wissen, dass das Portfolio der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten nicht vollständig ausgereizt ist, dass ihr da auch noch andere Objekte habt, die unter anderem eben auch noch förderungswürdig sind, dann gebt den Weg frei, dass es möglich sein muss, unter anderem auch solche noch dazukommenden Objekte, die historisches Gut, die überliefertes Kulturgut dieses Freistaats sind, letzten Endes mit dieser Förderung mit zu bedenken. – Das haben wir getan. Lesen Sie sich bitte unter anderem durch --- Ich rede jetzt auch einmal als Lokalmatador: Ja es ist so, wir haben ein Problem, dass in der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten beispielsweise nur die Hülle des Schlosses Friedenstein eingeschlossen ist, nicht aber die dort befindliche Stiftung Schloss Friedenstein, die ein anderes Rechtswesen besitzt.
Wir haben außerdem gesagt, wenn wir unter anderem auch das barocke Universum in Gotha entwickeln wollen, muss die Forschungsbibliothek mit rein. Das finden Sie auch in unserem Antrag. Zusätzlich haben wir gesagt, gibt es viele, viele andere lohnenswerte historische Objekte, die genauso überführt werden müssen.
Davon findet sich in Ihrem Antrag nicht einmal ein Wort. Das finde ich, muss ich wirklich mal sagen,
gegenüber allen anderen, die auch kommunalpolitische Verantwortung tragen in den jeweiligen Gemeinderäten, in den Stadträten, in den Landkreisen, die jetzt quasi auch aufgrund Ihres Antrags leer ausgehen sollen, nur weil Sie es vielleicht vergessen haben, das finde ich schon – das sage ich jetzt nicht, da bekomme ich einen Ordnungsruf.
Dass in Ihrer Fraktion im Übrigen auch noch keine hundertprozentige Klarheit herrschen dürfte, wie Sie sich zu dem Antrag von Rot-Rot-Grün verhalten oder was Sie mit diesem Antrag hier veranstalten, habe ich gestern Abend wieder gemerkt bei einer Podiumsrunde, wo die Abgeordnete Marion Rosin – die sitzt jetzt hinter mir im Nacken – gesagt hat: Wir werden uns bei dem Antrag enthalten. Bei welchem? Ihrem? Unserem? Da bin ich mal sehr gespannt. Schaffen Sie erst einmal Klarheit in Ihren eigenen Reihen, was Sie eigentlich wollen.
Nur eins ist Fakt: Der jetzige Antrag, der hier vorliegt, verhindert nicht nur eine der größten Kulturförderungen, die wir vom Bund in dieses Bundesland hineinlenken können, sondern er ist letzten Endes auch ein Schlag ins Gesicht derer, die für die CDU und für die SPD im Bundestag dafür geradestehen müssen, dass im November ein Haushaltsbeschluss gefasst wurde, der diese 200 Millionen Euro hier in Thüringen letzten Endes auch möglich macht.
Ich bitte Sie herzlich, denken Sie noch einmal darüber nach, ob das hier der richtige Weg ist und ob man diesem Wahlkampfgetöse bei einem so wichtigen Thema letzten Endes Vorrang geben sollte. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Haushaltsdebatte wird heute eher überlagert von der Diskussion, ob das, was wir hier tun, verfassungswidrig ist oder nicht. Deswegen will ich einfach mal mit drei Fragen beginnen und versuchen, die auch zu beantworten.
Zum einen: Warum machen wir das eigentlich? Warum hat sich diese Mehrheit des Hauses auf dieser Seite noch mal bereit erklärt, einen Haushalt für das Jahr 2020 zu stricken? Herr Mohring, Sie wissen, dass es manchmal – wenn man Fachpolitiker hat, die in der Regel auch ihr Fachfeld, ihr Fachthema beackern – nicht leicht ist, weil die unterschiedliche Ansätze haben. In so einer Haushaltsdebatte geht es da auch mal quer über Tische und Bänke. Aber warum tun wir das? Nicht unbedingt nur, weil wir glauben – wenn die Meinungsforschungsinstitute recht haben sollten –, es könnte sehr lange dauern, bis eine neue Landesregierung gibt. Sondern – es ist ja auch viel über kommunale Verantwortung geredet worden – wir machen das auch, damit die vielen, die sich Ende Mai haben wählen lassen, die Kreistagsmitglieder, die Gemeinderäte, die Stadträte, eine planbare, eine sichere Vorsorge treffen können und wissen, woran sie 2020 sind. Das ist auch ein Unterpfand, den wir hier einlösen.
Wissen Sie, wir könnten uns auch zurücklehnen und sagen, so ab Dezember 2018: Jetzt machen wir uns noch ein paar schöne Gesetze und machen noch einen Feiertag und ansonsten warten wir einfach, bis die Wahl ist, und das entscheidet dann al
les der Wähler, c'est la vie – so ist das Leben. Aber wenn wir schon so viel über verfassungstheoretische und über demokratietheoretische Dinge auch hier vorn am Pult gesprochen haben, will ich Ihnen auch eins sagen: Wenn eine Mehrheit dieses Hauses von Steuern finanziert bis zum letzten Tag und bis zur Wahl für dieses Land arbeiten will und auch einen Haushalt auf den Weg bringen will, ist das auch ein gutes Zeichen für die Demokratie.
Jetzt kommt die zweite Frage: Warum macht die CDU das und sagt, das ist alles verfassungswidrig? Da rätseln wir noch. Die dritte Frage schließt sich aber an: Ist das klug? Ich will mal aus einer Rede von Herrn Kowalleck von gestern zitieren, der wörtlich sagte: „[Es] steht in Rede, dass […] eine Verletzung [der] Verfassungsorgantreuepflicht und damit […] rechtsmissbräuchliches Handeln drohen.“ – Das musst du mal auf Lunge rauchen!
Also Sie unterstellen hier einer Mehrheit des Hauses, dass wir Rechtsmissbrauch betreiben, indem wir einen Landeshaushalt verabschieden wollen. Und dazu stellen Sie ein Gutachten vor, das am Mittwoch um 12.30 Uhr der Presse, den Medien vorgestellt wird, obwohl – ich will die Zeitabfolge hier noch mal ganz kurz benennen – die Landesregierung im April des letzten Jahres angekündigt hat, einen Haushalt für das Jahr 2020 vorzustellen. Sie haben damals sofort am 25. April eine Aktuelle Stunde dazu gemacht, die CDU-Fraktion. Dann gab es im Februar dieses Jahres – vor vier Monaten – ein Gutachten der Landtagsverwaltung, das mitnichten sagt, dass das, was wir hier tun, verfassungswidrig ist. Da gibt es verschiedene Deutungsfragen. Jetzt kommen Sie vorgestern um 12.30 Uhr mit einem Gutachten um die Ecke. 14.00 Uhr, zu Beginn der Landtagssitzung vorgestern sagen Sie, wir müssten das aufgrund des Gutachtens einfach mal von der Tagesordnung nehmen, und erneuern diese Forderung auch heute in der Schlussdebatte. Ich frage Sie: Wenn wir von 12.30 Uhr bis 14.00 Uhr und dann auch abends bis, glaube ich, 18.30 Uhr hier im Landtag gesessen haben, wenn wir gestern den Haushalt gemacht haben – Sie haben viel über das demokratische Miteinander geredet, Herr Kollege Mohring –, wann sollten wir uns denn ernsthaft mal mit den Argumenten dieses Gutachtens wirklich auseinandersetzen? Was Sie hier betreiben, auch in dieser Zeitabfolge, verdient es beim Namen genannt zu werden: Das ist eine Brüskierung des Parlaments.
Jetzt kommt aber noch die Maraschinokirsche auf diese ganze Torte. Die CDU legt zu einem Haushalt, der möglicherweise – sagt sie – verfassungswidrig ist, selber 150 Änderungsanträge vor und auch mit dem heutigen Tage noch Entschließungsanträge.
Auch im Ausschuss, ja. Das heißt also, Sie unterstellen, dass das, was wir hier tun, rechtswidrig ist, und trotzdem machen Sie Änderungsanträge und Entschließungsanträge. Wissen Sie, Sie müssen aufpassen, Herr Mohring, dass Ihre Fraktion nicht langsam wirkt wie eine Reisegruppe, die ein Restaurant besucht, und in diesem Restaurant passt Ihnen gar nichts:
Der Wirt ist ein Halunke und Schlitzohr, die Speisekarte ist grässlich, die Bedienung ist viel zu langsam und dann bestellen Sie ein Fünf-Gänge-Menü. Genau so sieht das hier aus.
Dann will ich Ihnen, wenn es um Änderungsanträge geht, und Sie ja gestern auch protestiert haben, das sei ja alles weggestimmt worden, gern mal auch in der Frage, wie Sie mit den Kommunen umgehen, zwei Beispiele nennen über die Qualität Ihrer Änderungsanträge. Fangen wir mal bei der Bildung an. Sie fordern in einem der Änderungsanträge 200 zusätzliche Lehramtsreferendare, weil in diesem Land Lehrer fehlen. Bezahlen wollen Sie die, indem Sie fast 290.000 Euro bei der Beschaffung von Lernmitteln kürzen. Das ist unter anderem Geld für Schulbücher in unseren Schulen. Was uns unterscheidet, ist, Herr Mohring: Wir legen einen Änderungsantrag für 300 neue Referendare vor, also 100 mehr, und finanzieren das alles durch Umschichtung bei Personalkosten, ohne kürzen zu müssen.
Sie sagen vollmundig, man müsse die kommunale Familie unterstützen. Sie wollen den Kommunen in einem der Änderungsanträge 100 Millionen Euro zusätzlich zukommen lassen. Und damit jeder hier in diesem Haus auch mal gehört hat, wie das gegenfinanziert werden soll: 25 Millionen Euro wollen Sie aus den Rückstellungen für die Zinszahlungen nehmen – wir haben eben auch über Vorsorgepraktiken hier in diesem Haushalt gesprochen –, obwohl
Ihnen nicht klar ist, ob und vor allem wie lange diese Niedrigzinsphase überhaupt anhält. Genau zu dieser Vorsorge sind diese Rückstellungen geplant gewesen. 25 Millionen Euro sollen da raus. Und für die restlichen 75 Millionen Euro wollen Sie die kompletten Personalverstärkungsmittel verwenden, bei denen die Tarifsteigerungen und die Anpassung der Beamtenbesoldung nicht mehr abgesichert wären. Das ist eine tolle Geschichte, das muss ich Ihnen wirklich mal sagen.
So wollen Sie Kommunen auf der einen Seite unterstützen, auf der anderen Seite den Bediensteten im öffentlichen Dienst da noch eins auswischen. Das sind, wie ich finde, politische Luftnummern, bei denen man sich nicht wundern muss, wenn sie weggestimmt werden.
Als mein Vorredner Herr Höcke hier vorn stand und sagte, wir machen nicht genügend für die Polizei, da will ich Ihnen auch mal sagen: Es gibt bei Ihnen in den Haushaltsanträgen einen Antrag, den finde ich bemerkenswert. Sie wollen 1 Million Euro bei den Polizeianwärterbezügen kürzen.
1 Million Euro einfach mal so kürzen. Hoffentlich hört das jeder, der im Polizeidienst hier in Thüringen tätig ist, wie die AfD damit umgehen will. Dann wird immer wieder als Grund angeführt: Die kriegen das in Meiningen gar nicht hin, so viele Leute auszubilden, also nehmen wir da einfach mal das Fallbeil und kürzen. Sie haben sich nicht mal mit den Bediensteten dort in irgendeiner Form in Verbindung gesetzt, denn sehr wohl sind die Ausbildungskapazitäten dort aufstockbar, sehr wohl gibt es dort Pläne, wie man mehr Polizeianwärter dort unterbringen will. Aber Sie kürzen einfach frisch-fröhlich 1 Million Euro.
Ich sage Ihnen auch, liebe Opposition, was Sie so besonders ärgert: In diesem Haushalt steckt mehr Geld für die Polizei. Wir haben jetzt 142 zusätzliche Stellen, 300 Anwärter. Wir haben zehn neue Stellen für das Lehrpersonal an eben dieser Polizeischule, bei der Sie als AfD kürzen wollen.
Wir geben mehr Geld für Bildung aus, nämlich – ich habe es eben schon gesagt – 300 neue Lehramtsreferendare, 10 Millionen Euro mehr für die Schul
sozialarbeit, mehr als 15 Millionen Euro für die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in den Kindergärten. Die Investpauschale für Schulgebäude wird noch mal um 15 Millionen Euro erhöht. Für die Schulsozialarbeit gibt es zusätzlich mehr als 10 Millionen Euro. Damit können so viele Schulsozialarbeiter eingestellt werden, dass sich ihre Zahl in Thüringen nahezu verdoppelt.
Wir haben beispielsweise auch mehr Geld für – ich sage mal nur als Beispiel – den Einzelplan 10. Das ist traditionell ein großer Haushalt, sehr voluminös. 2 Millionen Euro mehr gibt es für das Azubi-Ticket, mehr Geld für die Anschaffung von Straßenbahnen, mehr Geld für Radwege. Wir stärken in diesem Haushalt unter anderem auch die Pflegeberufe, weil wir die Ausbildung mit 2,5 Millionen Euro mehr fördern. Wir bekennen uns unter anderem auch im kulturellen Bereich zur Denkmalpflege. Wir werden den Kulturlastenausgleich beibehalten. Das hat gestern im Übrigen auch in der Fachdebatte immer noch mit eine Rolle gespielt. Und das alles, ohne neue Schulden aufzunehmen, und dabei bauen wir außerdem 1 Milliarde Euro Schulden ab.
Das ärgert Sie, das ist mir klar. Weil immer gesagt wurde, Rot-Rot-Grün könne nicht mit Geld umgehen. Man müsse quasi schon das rot-weiße Absperrband um diesen Freistaat ziehen, wenn diese Regierung nur einmal im Amt wäre. Ich weiß, dass Sie das ärgert.
Aber wissen Sie, bei dem Manöver, das Sie jetzt in Bezug auf die Tatsache fahren, dass dieser Haushalt möglicherweise durch ein Gutachten, das Sie uns vor rund 48 Stunden präsentiert haben, verfassungswidrig sein soll, ist auch eins festzustellen: Wenn ich mal sehe, wie über die fünf Jahre hinweg Opposition und Regierung – also regierungstragende Fraktionen – gemeinsam versucht haben, einen Haushalt zu machen, da haben Sie schon alles angewendet. Einmal haben Sie gesagt, der Haushalt sei so schlecht, da könne man im Grunde überhaupt keine Änderungsanträge stellen, und haben das dann auch getan. Als das sehr viel Kritik und auch viel Kopfschütteln im Land verursacht hat – im Übrigen auch bei den Medien –, haben Sie genau das Gegenteil getan: Sie haben dafür gesorgt, dass wir in stundenlangen Nachtsitzungen gesessen haben, mehr als, ich glaube, 1.000 Änderungsanträge gestellt, selbst noch die Filtertüten in manchen Ministerien hinterfragt, Ministeriumsmitarbeiter haben Feldbetten aufstellen müssen, damit sie überhaupt dieses Arbeitspensum geschafft haben. Und jetzt kommen Sie um die Ecke und sagen: Das, was wir jetzt in diesem Haushalt machen, könnte verfassungswidrig sein. Ich sage Ihnen: Jetzt haben wir in dem Proteststrauß der CDU-Blumen, die wir hier
gesehen haben, jede Farbe der Blüte gesehen. Wir hatten schon Wetten abgeschlossen, was dieses Mal kommt. Aber dass Sie auf dieses Manöver kommen, das haben wir wirklich nicht erwartet. Ich sage Ihnen – Sie haben es vorhin angekündigt, Herr Kollege Mohring –, Sie wollen am Schluss der Debatte, nehme ich an – das ist auch tagesordnungsrechtlich/geschäftsordnungsrechtlich möglich –, dann noch einmal den Antrag auf Rücküberweisung an die Ausschüsse stellen. Ich bitte Sie, tun Sie das nicht. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Es wäre schön, wenn Sie sich mit uns gemeinsam mit dem Landeshaushalt beschäftigen und keine Gutachter, dann wären wir in diesem Freistaat schon mal ein Stückchen weiter. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Besucher auf der Besuchertribüne, es hat mich noch einmal nach vorn getrieben nach der Rede von Herrn Mohring, der hier auf die Mehrheiten abgestellt hat, die notwendig sind, um hier unter anderem auch ein Gesetz und auch ein Gesetz zum Landeshaushalt zu verabschieden, und dass das alles nur möglich wäre, sagt er, weil Rot-Rot-Grün ja de facto direkte oder indirekte Unterstützung der AfD bekäme. Das hat er gesagt, ist im Protokoll so nachlesbar.
Ich will Ihnen eines sagen, Herr Mohring: Ich weiß nicht, ob Sie sich an den 18. November 2015 erinnern – ich komme gleich drauf zurück.
Wir hatten 2014 eine ganz eigenartige Situation nach der Wahl. Wenn ich von einem – sagen wir mal – jungen, ambitionierten Filmemacher kurz vor der Wahl so ein Stück vorgespielt bekommen hätte, dass es genau an einer einzigen Stimme hängt und auch noch an den Stimmen der SPD, ob man eine weiterhin bürgerlich geführte Regierung unter Schwarz-Rot oder eine vollkommen neue unter Rot-Rot-Grün macht, ich hätte wahrscheinlich nach einer halben Stunde gelangweilt weggeschaltet. Aber so war es dann. Meine Partei hat sich nach einer Basisbefragung entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Wenn wir das nicht getan hätten und hätten Schwarz-Rot weitergeführt, auch mit einer einzigen Stimme Mehrheit, lieber Herr Mohring, wäre am 18. November 2015 diese Regierungskoalition auseinandergebrochen, weil Herr Reinholz Ihre Fraktion verlassen hat. Das vergessen Sie immer. Das vergessen Sie.
Aber diese Regierung ist stabil. Es hat in der Fortfolge, nachdem der Abgeordnete Oskar Helmerich nach dem Parteiaustritt aus der AfD und dem Austritt aus der AfD-Fraktion über mehrere Monate hinweg
hier im Landtag weitergearbeitet hat,
die Anfrage von ihm gegeben – soweit ich mich erinnern kann, gab es da auch so eine Art Prozess, wo wir in Gespräche gekommen sind –, sich der SPD-Fraktion anzuschließen. Er ist dann auch Mitglied unserer Partei geworden. Monate darauf hat es wieder einen Wechsel gegeben aus dem Regierungslager rüber in Ihre Fraktion, über den wir momentan und auch in den letzten Monaten nicht ein Wort verloren haben. Ich will auch heute nicht versuchen, das explizit zu machen. Dass sich jemand von heute auf morgen um 180 Grad dreht und sich in bestimmten Fachthemen in dieser Form so vorn am Pult oder auch in Redebeiträgen äußern kann, das wundert uns immer.
Aber ich will darauf nicht näher eingehen. Ich will Ihnen nur eines sagen, lieber Herr Mohring: Oskar Helmerich wird in wenigen Minuten, wenn wir hier in den Abstimmungsmarathon zum Landeshaushalt 2020 eintreten, mehr Verantwortung für dieses Land zeigen, indem er diesen Haushalt mit abstimmt, als Sie, die versuchen, mit einem Gutachten hier die Leute wuschig zu machen. Das will ich Ihnen auch sagen.
Noch eins: Wenn Sie hier vorne stehen und einen meiner Abgeordneten in meiner Fraktion als „dummen August“ bezeichnen, wenn Sie diese Bezeichnung in die geöffneten Stenoblöcke der Presse, in die Kameras hineinsagen, dann will ich Ihnen auch eins sagen, Herr Mohring: Wenn das stimmt, dass wir im Oktober eine schwierige Regierungsbildung haben, wenn die Meinungsforschungsinstitute wirklich recht behalten sollten, dann sage ich Ihnen eins ganz deutlich: Dann wird sich hier in diesem Hause möglicherweise eine Mehrheit in die Augen schauen müssen, um zu versuchen, eine neue Landesregierung zu bilden, eine Mehrheit auch von Abgeordneten, denen Sie heute mehrfach Rechtsbruch unterstellt haben, eine Mehrheit vielleicht auch von Abgeordneten, wo Sie meinen, dass in den Fraktionen „dumme Auguste“ sitzen.
Ich will Ihnen dazu eins sagen: Die Zeit wird ab 28. Oktober kommen. Ein Sozialdemokrat hat momentan – ich spreche jetzt mal nur für mich als Mitglied meiner Partei, als Mitglied meiner Fraktion – relativ viel zu schlucken und einzustecken in diesen Wochen. Ein Sozialdemokrat mag vielleicht, lieber Herr Mohring, auch ein bisschen gutmütig sein, aber lassen Sie sich eins gesagt sein: Ein Sozialdemokrat vergisst nicht. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es treibt mich jetzt doch noch mal nach vorn, weil ein paar widersprüchliche Dinge in Herrn Kellners Aussagen vor dieser Debatte, in dieser Debatte, auch während der ganzen Presse- und Medienverlautbarungen der letzten Tage auftraten. Da versuche ich doch noch mal ein bisschen reinzuhaken.
Mein Kollege Kellner hat hier vorn zwei-, drei-, vielleicht sogar viermal gesagt, die Stiftung sei ja im Grunde leistungsfähig. Die Leistungsfähigkeit dieser Stiftung sei gegeben. Er verweist auf ein paar Sonderinvestitionsprogramme, die wir in den letzten Jahren, Monaten und Wochen auch in Thüringen hier mit debattiert haben. Das eine sind die 60 Millionen Euro für das Schloss Friedenstein, das andere die Summe für Altenburg – über die wir im Übrigen hier im Landtag auch nicht abgestimmt haben. Aber eins ist Fakt, das sage ich jetzt mit aller Deutlichkeit: Ich habe einen relativ guten Draht zur Stiftung, grüße auch alle Mitarbeiterinnen und Bedienstete und Mitarbeiter, die hier heute auf der Besuchertribüne sitzen. Ich glaube, eins ist Fakt, da wird mir Jörg Kellner auch nicht widersprechen können: Für das einzigartige kulturelle Erbe hier in Thüringen, für die mehr als 30 Objekte, die die Stiftung in den letzten Jahren, wie ich finde, aufopfe
rungsvoll und sehr vorbildlich zu pflegen versucht hat, ist der finanzielle Ansatz im Haushalt des Freistaats Thüringen mehr als ungenügend.
Wenn sich ein kulturpolitischer Sprecher der jetzigen Oppositionsfraktion CDU hierhinstellt und sagt, zur damaligen Zeit – in den fünf Jahren, als wir mit der SPD gemeinsam regiert haben – gab es bei 8 Milliarden Euro bestimmte finanzielle Zwänge, da haben wir nicht nachbessern können, dann sage ich auch ganz deutlich: Der Haushaltsansatz der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten ist auch in den Jahren zuvor – auch ohne SPD-Beteiligung, unter Alleinherrschaft der CDU – in keiner Form nachgebessert worden.
Wenn sich ein kulturpolitischer Sprecher der CDU hinstellt und vergisst, dass wir dieser Stiftung im letzten Doppelhaushalt 250.000 Euro, also eine Viertelmillion, mehr gegeben haben, das macht in fünf Jahren 1,25 Millionen Euro – ich finde, das ist gut angelegtes Geld –, dann, finde ich, ist das schon ein starkes Stück, sich hier vorn hinzustellen und zu behaupten, wir würden da nichts tun, weil jetzt – wie gesagt – ja auch die Spielräume da sind.
Statt dafür zu werben, in einer künftigen wie auch immer gearteten Landesregierung, sei sie Rot-RotGrün, sei sie wie auch immer in welchem Farbenspiel gemischt, weiterhin alles dafür zu tun, um diese Stiftung weiter auch besser auszustatten, geht man hier nach vorn und sagt, es hat ja erstens …
Jörg Kellner, Moment. In der Zeitung steht, die Ausstattung der Stiftung sei lächerlich. So hat sich Jörg Kellner mehrfach zitieren lassen. Jetzt geht er hier vor und sagt: Die Stiftung ist an sich aber leistungsfähig. Das ist ein Dissens. Das müsste man vielleicht noch einmal versuchen ein bisschen darzustellen. Ich bin der festen Überzeugung, diese Stiftung mit ihren fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verdient auch in den kommenden Jahren stetigen Zuwachs im Landeshaushalt. Dafür sollten wir kämpfen.
Das ist das eine. Das andere will ich auch noch einmal ganz deutlich sagen: Es wird immer von Perlen geredet, die jetzt aus der Stiftung herausgelöst werden. Ich finde das schwierig, auch wenn ich be
kanntermaßen ein ziemlicher Lokalpatriot bin und natürlich auf Schloss Friedenstein nichts kommen lasse. Alle der mehr als 30 Objekte, die die Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten allerdings bewirtschaftet und versucht auch liebevoll zu pflegen, alle diese Objekte bilden die einzigartige Kulturlandschaft Thüringens ab.
Wie müssen sich diejenigen fühlen, die jetzt nicht in diesem Sonderinvestitionsprogramm enthalten sind und nicht als Perlen bezeichnet werden. Ich will diese Unterscheidung hier vorn am Pult und auch in der Presse deswegen gar nicht machen. Das ist das eine. Das andere ist, warum der Freistaat Thüringen sich unter anderem auf den Weg gemacht hat, aus Sicht von Jörg Kellner, Perlen herauszulösen. Das hängt auch mit einem Kompendium zusammen, nach dem nicht nur das Land Thüringen, sondern der Bund seit vielen Jahren handelt. Das ist das Blaubuch von Prof. Raabe, den ich noch ein Jahr vor seinem Tod persönlich habe kennenlernen dürfen. Er schreibt unter anderem – man möge es mir verzeihen, aber es ist auch wirklich nur ein Beispiel – zu dem Objekt, das in meinem Wahlkreis, in meiner Heimatstadt liegt, auf Seite 225 im aktuellen Blaubuch – man kann es nachlesen – wörtlich: „Die im Blaubuch angeregte und inzwischen gegründete Kulturstiftung Schloss Friedenstein Gotha soll Gotha zu einem zweiten kulturellen Schwerpunkt im Freistaat Thüringen machen. Allerdings ist die Umsetzung nach den geschaffenen Vorgaben nur schwer möglich. Die finanziellen Möglichkeiten stehen in keinem Verhältnis zu der großen Aufgabe. Stadt und Land sind überfordert. Die Wiederherstellung des einzigartigen Ensembles unter Einschluss des Parks und der dazu gehörigen historischen Gebäude kann die Stiftung in der jetzigen Form nicht leisten. Ohne die Hilfe des Bundes, was nach den Beschlüssen der Föderalismusreform schwierig genug sein wird, und ohne massive Bereitstellung europäischer Mittel wird man die gewünschten Ziele nicht erreichen.“ – Blaubuch von Prof. Raabe.
Ist doch okay. Ja, das ist seit 2006 so niedergeschrieben, damals galt immer noch... Die CDU war hier…
Jetzt passiert Folgendes – damit das hier vorn auch noch einmal einer gesagt hat in der ganzen Debatte, damit hier vorn in die geöffneten Stenoblöcke der Journalisten und in die Fernsehkameras das wenigstens einer mal in dieser Debatte zu diesem Unsinnsantrag der CDU geäußert hat –: Es gibt zwei Herren im Bundestag, die unter anderem auch
nach diesen Blaubuchvorhaben und ‑vorgaben gehandelt haben. Das sind die Herren Kahrs und Rehberg, die sich diese beiden Länder SachsenAnhalt und Thüringen genauer angesehen haben und die bereit sind, 200 Millionen Euro – 100 Millionen für Sachsen-Anhalt, 100 Millionen für den Freistaat Thüringen – zusätzlich aus dem Bundeshaushalt hierherzulenken. Komplementär finanziert hieße das für uns 200 Millionen Euro für unsere Thüringer Schlösser, Burgen und Gärten. Damit es überhaupt noch mal einer gesagt hat: Danke, lieber Herr Rehberg, danke, lieber Herr Kahrs, dass Sie das versuchen! Das muss man an dieser Stelle hier auch noch mal ganz deutlich sagen.
Und wenn ich mich dann hinstelle und einen Antrag stelle, der überschrieben ist mit „Gründung einer Stiftung Mitteldeutsche Schlösser und Gärten – Ausverkauf von Thüringer Kulturgütern abwenden“, das hören die auch in Berlin, die im Moment, lieber Jörg Kellner, auch noch eine gute Laune brauchen, um beispielsweise diese Betriebskostenregelung noch in den Haushalt für 2020 hineinzulancieren. Wenn die das hören, dann will ich es hier auch noch mal ganz deutlich sagen: Einen Antrag in dieser Form so didaktisch einzubringen und so eine Sondersitzung des Plenums hier im Thüringer Landtag mit zu lancieren, das verdient es, auch beim Namen genannt zu werden. Etwas, was so riecht und so aussieht, das ist eine Frechheit. Vielen Dank.
Das reicht, Frau Präsidentin, vielen Dank. Herr Geibert, ärgern Sie sich bitte nicht und auch alle Fachpolitiker, wenn Herr Möller hier vorgeht und behauptet, wir würden das alles nur tun, weil sie vorher schon mal einen derart miesen und teilweise peinlichen Gesetzentwurf eingebracht haben.
Es ist bei Ihnen, Herr Möller, und bei vielen Mitgliedern Ihrer Partei und Ihrer Fraktion so, wie wenn man mit einer Taube Schach spielen wollte. Das will ich hier nur mal sagen. Das ist nämlich so, dass Sie die Regeln nicht verstehen, alle Figuren umschmeißen, zum Schluss aufs Brett kacken und noch behaupten, Sie hätten gewonnen. Und genau das sehen wir heute auch wieder hier. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Herzlichen Dank auch an Sie, meine Damen und Herren, für das Verständnis für meinen längeren Anmarschweg. Das ist meine erste offizielle Wortmeldung heute nach mehrwöchiger Krankheit. Ich freue mich, sie alle wiederzusehen,
bei dem einen mehr, bei dem anderen minder, aber das ist ja umgedreht genauso.
Meine Damen und Herren, auch von unserer Seite, der SPD-Fraktion, ein herzliches Dankeschön an das Team um Dr. Best. Wir haben heute Morgen ja die Information erhalten, dass dies der letzte Thüringen-Monitor de facto unter seiner Regie ist. Er war in den letzten Jahren – wenn man so will – das Gesicht dieses großen Werks, dieses statistischen Werks der Erhebungen, der Umfragen. Auch von unsere Seite: Alles Gute für die Zukunft!
Wir gehen aber davon aus, dass das keine Qualitätslücke hinterlässt, denn dieser Thüringen-Monitor ist in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil auch hier im parlamentarischen Verfahren geworden. Ich finde es sehr gut, dass wir das in dieser Art und Weise im Modus einer Regierungserklärung machen und die Möglichkeit haben, darauf zu antworten, und Gelegenheit haben, andere Punkte vielleicht noch herauszustreichen und mitzunehmen. Ich unterstütze ausdrücklich die Idee des Ministerpräsidenten, die er heute Morgen geäußert hat, dass man vielleicht auch mal andere Monitoring-Umfragen, andere Erhebungen aus den Bundesländern, die nicht nur im östlichen Teil Deutschlands liegen, nebeneinander legt, weil das mit Sicherheit sehr, sehr interessante Ergebnisse dann geben wird.
Wir haben in diesem Thüringen-Monitor den Heimatbegriff, das hat den einen oder anderen, als er denn endlich erschien, vielleicht auch ein bisschen verwundert. Aber es ist zu Recht ein Titel dieses Thüringen-Monitors, weil in der Politik im Moment der Begriff „Heimat“ auch eine sehr große Rolle spielt. Nicht nur dort, aber vielleicht gerade deshalb ist ja eine gesamtgesellschaftliche Debatte außerhalb der Politik auch über den Begriff der Heimat in Gang gesetzt worden. Wie weit das geht, hat der eine oder andere vielleicht festgestellt, wenn er mal
seinen Posteingang hier als Abgeordneter durchgesehen hat.
Der Adventsempfang der Evangelischen Kirche in diesem Jahr steht beispielsweise unter dem Titel „Heimat – Renaissance eines Begriffs im 21. Jahrhundert“. Sie merken, dass sich alle breiten gesellschaftlichen Bündnisse im Grunde auch mit diesem Thema beschäftigen. Wir haben im Bund mittlerweile ein Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Man merkt es nicht immer so, aber der zuständige Minister hat das unbedingt so gewollt.
Der Begriff der Heimat ist also relativ komplex. Und wenn wir uns mit diesem Begriff beschäftigen, glaube ich, ist es wichtig, ihn vielleicht auch mal in einem geschichtlichen Kontext zu sehen, in einem geschichtlichen Zusammenhang.
Wir sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kinder und Enkel und auch Urenkel einer Generation, für die war der Heimatbegriff vor allem verbunden mit einem Wort, nämlich Sehnsucht, weil diese Menschen durch die dramatischen Ereignisse zweier Weltkriege meist ihre angestammte Heimat verloren hatten. Wir können auch heute noch nicht ganz genau sagen, wie viele Millionen Kriegsgefangene und Geflüchtete bzw. Vertriebene es in dieser Epoche innerhalb Europas gegeben hat. Nahezu keine Familie blieb davon unberührt. Man spricht von Vertriebenen, oft auch – und das ist ja berechtigt – von Heimatvertriebenen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kehrte sich diese Prägung des Heimatbegriffs zumindest für die Bevölkerung der DDR in dramatischer Weise um. Denn gewissermaßen wurden sie von ihrer Heimat – wenn man so will – in Haft genommen. Das betrifft dann, neben den Generationen unserer Großeltern und Eltern auch unsere eigene. „Meine Heimat DDR“, diesen Spruch kennen viele sicherlich auch noch aus der Schule.
Und neuerdings wird schon wieder viel von Heimat geredet. Aber da wird der Begriff einfach gekapert und man reduziert ihn auf die Proklamation einer künstlichen Verteidigungslinie. Jetzt wird von Heimat geredet, weil es um den Kampf gegen Fremde oder Fremdes geht. Jetzt wird von Heimat geredet, weil man etwas von der letzten friedlichen Chance für unser Vaterland fantasiert.
Der Thüringen-Monitor belegt uns, dass die Thüringerinnen und Thüringer viel mit dem Heimatbegriff verbinden, dass er ihnen wichtig ist. 96 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sagen, ihre Heimat sei ihnen wichtig oder sehr wichtig. Ich glaube, so einen hohen Zustimmungswert gibt es ganz, ganz selten in diesem Thüringen-Monitor. Deshalb ist es auch wichtig, dass man sich mit solchen Themen beschäftigt wie „Unsere Heimat ist überfremdet“. Da beißt die Maus keinen Faden ab, auch über so
einen Satz muss man hier in diesem Plenarsaal debattieren.
Darauf geht der Thüringen-Monitor ja an verschiedenen Stellen ein. Das ist auch ganz logisch, wenn man bedenkt, dass gerade das Thema „Flüchtlinge und Integration“ nach wie vor ein Dauerbrenner ist und in der Hoch-Zeit der gesellschaftlichen Debatte ja auch die Erhebungen dieses Thüringen-Monitors stattgefunden haben.
Es gibt eine wirklich interessante Erhebung im Thüringen-Monitor, die ich Ihnen gern noch mal vorstellen möchte: Fast 60 Prozent der Thüringer sagen, die Bundesrepublik ist durch Ausländer gefährlich überfremdet. Wenn man dann fragt: „Ist das auch in Thüringen so?“, dann sagen das schon nur noch 36 Prozent. Und wenn man noch genauer fragt, ob das auch für das eigene Wohngebiet zutrifft, für die eigene Region, in der man zu Hause ist, wo man seine Heimat hat, dann sagen das nur noch 11 Prozent. Eine Mehrheit findet also, wenn wir diese Daten in dieser Form auswerten, Ausländer überfremden unsere Gesellschaft in einem gefährlichen Ausmaß. Aber nur jeder Zehnte in Thüringen bestätigt, dass das auch für das eigene Umfeld gilt. Diejenigen, die eine Alternative für die Demokratie etablieren wollen, skandieren momentan über Lautsprecher, dass sie die Einzigen seien, die unsere Heimat vor den Fremden verteidigen würden. Aber nach den Ergebnissen des Thüringen-Monitors ist das für circa 90 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer überhaupt nicht relevant, denn sie sehen diese Gefahr zumindest nicht vor ihrer Haustür.
Was für den Einzelnen Heimat ist, meine Damen und Herren, ist sehr unterschiedlich. Es kann das vertraute Stadtviertel, der Dorfplatz, die Familie sein; manche verbinden mit Heimat vor allem hierzulande auch kulinarische Genüsse wie Bratwürste, Klöße, Wurstgulasch, die Schlager-Süßtafel – alles unbestritten sehr unterschiedlich, was wir als Heimat schätzen und lieben. Mit Sicherheit aber ist Heimat keine Verteidigungszone, keine reine Abgrenzungslinie gegen andere Menschen.
Aber der diesjährige Thüringen-Monitor sagt noch mehr aus. Es gibt da weitere Erhebungen und die stimmen sehr bedenklich. Der eine oder andere Vorredner ist bereits auch auf diese Zahlen eingegangen. Da sagen zwar 86 Prozent der Befragten, die Demokratie sei die beste aller Staatsformen. Aber im Konkreten wird es interessant: Das Vertrauen in die Bundesregierung als demokratische Institution hat gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent abgenommen. Vorher waren es 37 Prozent, jetzt nur noch 24 Prozent. Also nur noch rund ein Viertel der Befragten vertraut dieser Regierung. Auf der anderen Seite sind die Menschen zufrieden mit den Ergebnissen von politischen Prozessen und bewerten laut der Auswertung in diesem Thüringen
Monitor die politische Praxis überwiegend als gut – 55 Prozent der Leute sagen das. Das zeigt hohe Zufriedenheitswerte auch bei der Einschätzung der Lebenslage – dazu haben wir auch schon den einen oder anderen Redner gehört – oder bei der Einschätzung des Wohnumfelds, Bewertung von Politikfeldern, der öffentlichen Sicherheit oder wirtschaftlichen Lage. Ich will das jetzt nicht alles wiederholen.
Gleichzeitig zeigt sich eine massive Kritik am politischen Prozess, der an sich – wie gesagt – als überwiegend gut wahrgenommen wird. Das ist schon sehr kontrovers.
Es ist gibt noch ein sehr interessantes Stimmungsbild. Ein Großteil der Bevölkerung – 72 Prozent nämlich, also fast drei Viertel – fürchtet um den Zusammenhalt in unserem Land. Ein Großteil – 68 Prozent – möchte, dass wieder mehr für die Mehrheit der Leute im Land getan wird, statt sich um Minderheiten zu kümmern. Gleichzeitig zeigen Befragungen deutschlandweit, dass sich die Menschen einen anderen Fokus der Politik wünschen, und zwar weg vom Migrationsthema. Mich hat neulich eine ältere Dame im Wahlkreis angesprochen und gesagt: „Gibt es denn überhaupt noch irgendein anderes Thema, um das Sie sich kümmern, als Ausländer? Ich kann das schon nicht mehr hören.“ Die Forscher des Thüringen-Monitors vermuten aufgrund dieser Zusammenhänge, dass es den meisten Menschen nicht darum geht, prinzipiell Politik für Minderheiten abzulehnen, sondern – und das ist interessant – dass es ihnen darum geht, dass vonseiten der Politik grundsätzlich wieder mehr für das Allgemeinwohl gemacht wird.
Nun müssen bestimmte Umfrageergebnisse, die ich Ihnen genannt habe und die uns vielleicht erschrecken, ja auch Ursachen haben. Wir verfolgen die Debatte derzeit in der ganzen Republik und wir werden das in Gesprächen und Diskussionen auch immer wieder gefragt. Zur Bundestagswahl in Sachsen wurde die AfD stärkste Partei. In den neuen Bundesländern generell hat sie viel größere Stimmenanteile als im Westen. Dabei sagt mancher westdeutsche Diskutant zu mir: „Ihr habt doch all die Milliarden bekommen, eure Straßen sind zum Teil besser als unsere, eure Innenstädte sind wieder saniert und schick. Was ist eigentlich bei euch im Osten los?“ Dieses Thema hat den ThüringenMonitor auch wiederholt beschäftigt und zieht sich auch in diesem Jahr wie ein roter Faden durch: Es geht um die Ostdeprivation – Herr Blechschmidt ist dankenswerterweise auch schon darauf eingegangen –, das Gefühl also, als Ostdeutscher benachteiligt zu sein.
Jetzt frage ich mal ganz provokant: Was wir da jedes Jahr lesen, in schöner Regelmäßigkeit, was sich in tabellarischen Verläufen von statistischen Erhebungen auch immer mehr fortzusetzen scheint
wundert uns das eigentlich ernsthaft? In Sachsen ist Petra Köpping Gleichstellungs- und Integrationsministerin und sie hat einen bemerkenswerten Text unter dem Titel „Ostdeutschland oder Das große Beschweigen“ veröffentlicht. Darin beschreibt sie die Stimmung der Menschen, mit denen sie zusammentrifft, in einem Bundesland, das eine der besten Wirtschaftsentwicklungen der letzten Jahre hatte, wo eigentlich alles in Butter sein müsste.
Sie schreibt – Frau Präsidentin, Sie gestatten zu zitieren –: „Irgendwann war es nicht mehr das ‚normale‘ Murren und Schimpfen. Es schwoll an in einer ungeahnten öffentlichen Erregung, die sich in Bürgerversammlungen, Demonstrationen und Protestwahl zeigte. Ich ging hin, um mehr zu erfahren und das Gespräch anzubieten. So stand ich auch am Rande vieler Pegida-Demonstrationen. Hier und bei anderen Gelegenheiten kamen viele aufgebrachte Menschen auf mich zu und schimpften auf ‚die da oben‘, auf Flüchtlinge und auf ‚das System‘. Einige meinten, die Stimmung sei die gleiche wie 1989. […] Und fast in allen Fällen war recht schnell nicht mehr die ‚Flüchtlingsproblematik‘ das alles entscheidende Thema. Es ging um etwas viel tiefer Liegendes. Etwas Grundlegenderes. Die Flüchtlinge waren der Anlass, doch der Grund der Erregung war bei vielen offensichtlich älter. Und da war es wieder: Fast alle Gespräche endeten mit den persönlichen Erlebnissen der Menschen während der Nachwendezeit. Obwohl seitdem fast 30 Jahre vergangen sind, offenbarten sich unbewältigte Demütigungen, Kränkungen und Ungerechtigkeiten, die die Menschen bis heute noch bewegen, unabhängig, ob sie sich nach 1990 erfolgreich durchgekämpft haben oder nicht. Es ging in fast allen Gesprächen um Lebensumbrüche. Vor allem berufliche, aber auch private. An einem Tag raunte mir dann ein […] Demonstrant zu: ‚Sie immer mit Ihren Flüchtlingen! Integriert doch erst mal uns!‘ Diese Aussage brachte es auf den Punkt: Hier geht es anscheinend bei vielen gar nicht um das Thema Flüchtlinge. Diese waren nur Projektionsfläche für eine tiefer liegende Wut und Kritik. […]
Tatsächlich haben die meisten Westdeutschen noch immer nicht verstanden, was eigentlich wirklich im Osten nach 1990 passiert ist. Von einem Tag auf den anderen änderte sich hier alles. Viele im Osten, aber auch im Westen, haben davon profitiert, andere zerbrachen daran. Der gesellschaftliche Umbruch hatte nicht nur wirtschaftliche Folgen, sondern er betraf die gesamte Lebenswelt.
[…] Plötzlich fanden sich fast Vierzigjährige in einer Art zweiter Pubertät wieder, in einer plötzlich ausgewechselten Welt, in einem plötzlich ausgewechselten Leben. Ohne Boden. Und nie für möglich gehalten – ohne Arbeit. Aber mit Familie. […] Die Umbruchphase war für die wenigsten reibungslos. Und manche gewannen nie mehr festen Boden unter den Füßen. […] ‚Wie die Buchbestände ganzer Ver
lage auf dem Müll landeten, so auch die Lebensläufe. […]‘, fasste die Journalistin Kerstin Decker schon 1999 die damalige Situation zusammen.
Die phänomenale Gleichzeitigkeit der sich überschlagenden Ereignisse wirkte auf uns von Veränderungen durchgeschüttelte Ostdeutsche wie ein Kulturschock. Die massenhafte Konfrontation mit westdeutschen Standards bei den ersten Besuchen im Westen stellte beinahe alles in der DDR – alle geltenden Werte und Orientierungen – infrage, oft genug aber auch auf den Kopf. Die Arbeitswelt, die gesamte Warenwelt, das Versicherungswesen, der Verkehr, die Zeitungen, das gesamte Bankwesen, das Personal an den Hochschulen, die Zusammensetzung der Eliten, viele Orts- und Straßennamen, die verwaltungstechnische Einteilung plötzlich in Länder und Kreise, die Parteien, von den Ampelmännchen bis zu den Zündhölzern – nichts blieb, wie es vorher war. Ich behaupte: Wer das nicht selbst miterlebt hat, kann sich schlicht nicht vorstellen, wie tiefgreifend der Wandel war.
Bislang hatten die Menschen eine riesige Schlange vor einem Arbeitsamt nur aus den Propagandasendungen des ‚Schwarzen Kanals‘ gekannt. In der neuen Realität selbst dorthin zu gehen und einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen zu müssen, war eine große Überwindung. Das war ein Bruch, den die Menschen vielleicht am Anfang gar nicht so gespürt haben, weil sie ihren Alltag zu bewältigen hatten, der aber noch 30 Jahre später unheimlich stark nachwirkt. Bisher musste die Treuhandanstalt allein für alles herhalten, was falsch gelaufen ist, mit der Folge, dass für die in der Gesellschaft angerichteten Kollateralschäden nach der Wende nicht Politiker ihre Köpfe hinhalten mussten, sondern eine schnell wieder aufgelöste Behörde nach der Drecksarbeit mit Schmutz beworfen wurde. Das war taktisch klug von den verantwortlichen Politikern, aber es war katastrophal für die Demokratie. Nicht die handelnden Akteure wurden verantwortlich gemacht, sondern das System als solches. Auch das beschädigte die Ausbildung einer demokratischen Kultur im Osten Deutschlands.
Soll die Aufarbeitung gelingen, müssen sich auch die westdeutschen Eliten in Politik und Gesellschaft aktiv mit einbringen. Es geht darum zu verstehen, was in den 90er-Jahren schiefgelaufen ist. Der Osten darf dabei nicht länger als ein nachträglich zu erziehendes und missratenes Kind betrachtet werden, stattdessen muss gemeinsam darüber gesprochen werden, welche verheerenden Nachwirkungen die Nachwendezeit bis heute hat und wie ihre negativen Folgen möglichst repariert werden können.“ So weit also dieses Zitat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor liefert eine Reihe bedenklicher Ergebnisse, ein paar davon habe ich schon aufgezählt. Ich frage aber noch mal, auch im Hinblick auf
das, was Petra Köpping da schildert, was ich Ihnen eben als Zitat hier präsentiert habe: Wundert uns das? Wenn es in diesem Beitrag schon einmal angesprochen wird: Das Thema „Treuhandanstalt“ ist tatsächlich eines, das viele Menschen, insbesondere hier im Osten, bewegt hat und immer noch bewegt. Vor Ihnen, meine Damen und Herren, steht jemand, der den Beruf des Offset-Druckers gelernt hat. Ich habe gearbeitet in der ältesten Druckerei der Region. Silvester 1640 hat der Gothaer Herzog Ernst I. sie gegründet, weil er Druckerzeugnisse brauchte, also Urkunden, Staatspapiere usw. Und ich musste mit ansehen oder – besser – ich war mittendrin, wie wir vom damaligen Trägerbetrieb in Erfurt nach der Wende wie heiße Kartoffeln fallengelassen wurden und die Treuhand uns abgewickelt hat. Das war dieser Begriff damals. Nicht etwa weil wir unrentabel waren, nein, weil die vormalige Engelhard-Reyhersche Hofbuchdruckerei oder die spätere Druckerei August Bebel, also mein Arbeitsplatz, mitten in der Innenstadt lag und das Grundstück einfach viel lukrativer war als die Weiterführung des Betriebs. Ich habe neben Kolleginnen und Kollegen gestanden, die teilweise 30, 40 Jahre lang dort gearbeitet haben und die nicht fassen konnten, wie wir trotz voller Auftragsbücher die Kündigung in die Hand gedrückt bekamen. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Ein Gutteil der sogenannten Ostdeprivation ist auch auf das Agieren dieser Treuhandgesellschaft zurückzuführen. In den letzten Monaten gibt es sogar wieder eine Debatte darüber, ob man das Wirken dieser Treuhandanstalt nicht noch mal näher beleuchten müsse. Ich sage: Nur zu! Das wird spannend. Ich will Ihnen mal ein paar Zahlen nennen, damit Sie verstehen, was ich meine. 1990, bei Vereinigung beider Staaten, ging es auch um die Frage und eigentlich grundsätzlich um die Frage, was das Ganze denn kosten soll und darf und muss, diese Vereinigung. Dabei ging es auch um Vergleichswerte beider Volkswirtschaften. Hans Modrow, vorletzter Ministerpräsident der DDR, hat den Wert des Volkseigentums auf rund 950 Milliarden D-Mark beziffert. Das wird er nicht selber gemacht haben, es gab damals ja Experten – solche Erhebungen gibt es in fast allen Ländern –, die eben diese Zuarbeiten machten. Kurz darauf hat Christa Luft, das war die letzte Wirtschaftsministerin der DDR, die Zahl 900 Milliarden D-Mark genannt. Die Beamten im Bonner Regierungsapparat sind im Frühjahr 1990 auch noch davon ausgegangen, dass die Erlöse, die man bei der Privatisierung der volkseigenen Betriebe und Kombinate erzielt, in großen Teilen die Kosten der Wiedervereinigung decken. Detlev Rohwedder, damals Chef der Treuhandanstalt, hat noch mit 600 Milliarden D-Mark gerechnet, das ist auch noch eine Stange Geld. Und jetzt kommt es: Die Abschlussbilanz der Treuhand unter Birgit Breuel 1994, was glauben Sie wie die lautete? Minus 270 Milliarden D-Mark. Da fragt man sich: Wie
konnte es zu so einem extremen Werteverfall kommen, innerhalb von vier Jahren, also in kürzester Zeit, von – nehmen wir mal die minder geschätzte Zahl von Detlev Rohwedder – von 600 Milliarden auf minus 270 Milliarden, wie geht so was? Was ist da schiefgelaufen? Jetzt kann man sagen, das war ja größtenteils alles so kaputt und marode in der DDR, diese riesigen Betriebe, alles unrentabel, alles in Schutt und Asche. Aber zum einen, meine Damen und Herren, fängt das Problem genau an dieser Stelle schon mal an. Wenn ich den Ostdeutschen immerzu einrede, dass das Wo und das, was sie gearbeitet haben, nichts mehr wert war, bin ich ganz schnell bei dem Eindruck, den viele Ostdeutsche heute noch haben: dass auch ihre Arbeit, ihre Lebensleistung keinen Wert hatte. Wenn man jahrelang in der Politik vom Milliardengrab Ost gesprochen hat, empfanden das viele Menschen hier als Demütigung und das tun sie auch heute noch, wenn man hört, dass auf einer Ministerpräsidentenkonferenz ein westdeutscher Kollege zu unserem Ministerpräsidenten sagt: Ihr habt jetzt jahrzehntelang die Gelder aus dem Westen erhalten, jetzt sind auch mal andere dran. Das hat sich tatsächlich so ereignet.
Welcher normal denkende Mensch soll zum anderen denn bitte schön nachvollziehen können, wenn innerhalb von vier Jahren in einer staatlichen Gesellschaft – die Treuhandgesellschaft war ja staatlich – hunderte Millionen einfach so verbrannt werden? Wir sind heute dank des Berliner Großflughafens schon viel gewohnt, aber das war ja zur damaligen Zeit noch nicht gang und gäbe. Das Agieren der Treuhand hat übrigens zu mehreren Untersuchungsausschüssen im Bundestag geführt, einer davon hat übrigens gerade mal 15 Parlamentswochen Zeit gehabt zu untersuchen, weil er erst im Oktober 1993 zum ersten Mal tagte und im Jahr darauf gleich wieder ein neuer Bundestag gewählt wurde. Der eine oder andere, der bereits länger im Parlamentsverfahren ist, weiß, was das bedeutet, wenn ein Untersuchungsausschuss gerade mal für 15 Parlamentswochen eingesetzt wird. Aber immerhin, es kamen mehr als 500 Seiten Papier zustande. Ich habe an alle hier im Hohen Hause die Empfehlung, wenn mal gar nichts abends im Fernsehen läuft: Dieser Bericht bietet Unterhaltung der Extraklasse, einfach downloaden, es ist erstaunlich, es ist frappierend, was sich dort eröffnet. 1998 gab es den Untersuchungsausschuss DDR-Vermögen, der festgestellt hat, dass unter Mitwirkung der Treuhand das Kunststück gelungen ist, unter anderem durch Betrug, Veruntreuung, kriminelle Machenschaften, einen Schaden zwischen 3 und 10 Milliarden D-Mark zu verursachen.
Ich bleibe dabei: Was damals alleine in den Jahren der Nachwendezeit geschehen ist, hat Auswirkungen bis heute und findet sich auch an vielen Stellen im Thüringen-Monitor wieder. Dass die Menschen
damals millionenfach ihre Arbeit verloren haben, dass sie ohnmächtig – im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich ohne Macht – zusehen mussten, wie diese Treuhand agierte, wie jahrelang bis heute noch immerzu darüber geredet wird, wie kaputt doch das alte System war, ohne dabei mal einzublenden, welche Machenschaften bei Privatisierung der Betriebe abgelaufen sind, das hat doch Auswirkungen, das hat doch Spuren hinterlassen bei den Menschen. 80 Prozent der Käufer von DDR-Betrieben, meine Damen und Herren, von der Treuhand vermittelt, stammen aus Westdeutschland, 15 Prozent aus dem Ausland. Also 95 Prozent derer, die damals das DDR- Volksvermögen übernommen hatten, kamen nicht aus dem Osten, nur 5 Prozent kamen aus Ostdeutschland. 5 Prozent. Das hat doch etwas gemacht in diesem Land mit diesen Leuten. Der Manager, der Chef der Firma aus dem Westen, die Sekretärin aus dem Osten. Dieses Bild ist doch bis heute zum Teil nicht verschwunden, das ist doch gelebte Wirklichkeit.
In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird festgehalten, dass das krasse Verhältnis 95 zu 5 auch bei der Verteilung materieller und finanzieller Güter zwischen Ost und West besteht. 95 Prozent der Menschen, die man als reich bezeichnen kann – dafür gibt es übrigens eine statistische Regel: wer mehr als 250 Prozent des sogenannten Medianeinkommens verdient, also mehr als das Zweieinhalbfache des mittleren Einkommens, gilt als reich oder dem geht es sehr gut. Also: 95 Prozent der sogenannten Reichen wohnen in Westdeutschland, 5 Prozent im Osten. Ich könnte das beliebig fortführen.
Das erklärt unter anderem auch Ostdeprivation, das Gefühl benachteiligt zu sein hier im Ostteil der Republik. Dann wundern wir uns alljährlich über die Ergebnisse, die der Thüringen-Monitor liefert. Dieses statistische Werk bestätigt, dass das Gefühl oder die objektive Wahrnehmung, als Ostdeutscher diskriminiert oder auch Mensch zweiter Klasse zu sein, ethnozentrische Einstellungen verstärkt. Das ist bereits aus den letzten Monitoren bekannt. Es gibt da eine sehr interessante These im ThüringenMonitor und die lautet: Wird der Politik und den etablierten politischen Akteuren nicht zugetraut, die kulturelle Identität zu schützen oder Benachteiligung und ökonomische Missverhältnisse abzubauen, ist die Ausgrenzung und Abwertung von Fremdgruppen ein mögliches Mittel zur Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertgefühls und zur vermeintlichen Wiedergewinnung von Handlungsfähigkeit. Das steht so in diesem Thüringen-Monitor. Und dann wundern wir uns über die Zahlen und die Wahlergebnisse im Osten.
Ich bleibe deshalb dabei: Wenn es gelingen soll, aus den Umfragewerten die richtigen Schlüsse zu ziehen, muss man nach den Gründen dieser Umfragewerte suchen. Die liegen bei vielen Befragten
fast drei Jahrzehnte zurück. Und sie liegen im sogenannten großen Beschweigen, wie es Petra Köpping treffend nannte, über jene Umbrüche, die in der Wendezeit 16 Millionen Menschen betroffen haben. Diese Umbrüche haben direkt etwas damit zu tun, dass Menschen heute so argumentieren, wie sie es tun, und dass sie zum Teil auch so gewählt haben, wie sie gewählt haben. Wenn das so weitergeht, wenn kein Zusammenhang hergestellt wird bei der Frage der immer größeren Unzufriedenheit, beim Gefühl des Zu-kurz-gekommen-Seins, mit der Stimmung draußen im Land, werden wir in den kommenden Jahren noch Thüringen-Monitore erleben mit ganz anderen Zahlen, das prophezeie ich hier schon mal. Oder – um es zum Schluss noch einmal mit Petra Köpping zu sagen –: Ich will nicht, dass wir Ostdeutsche jammern, ich will Gerechtigkeit. Wir sind keine Bürger zweiter Klasse. Allerdings müssen wir dann selbst auch so auftreten, selbstbewusst und auf Augenhöhe. Natürlich können wir heute, bald 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, auch stolz sein auf das Erreichte, aber wir müssen eben auch benennen, was nicht in Ordnung war und bis heute nicht in Ordnung ist – nicht, um irgendwem eine Schuld zuzuweisen, sondern um unsere Schlüsse zu ziehen, produktiv daraus zu lernen und dort, wo es noch möglich ist, Abhilfe zu schaffen. Sonst befürchte ich – schreibt Petra Köpping –, dass sich viele von uns Ostdeutschen immer weiter von der Demokratie verabschieden und uns dann die nächsten Wahlen die Quittung für das große Beschweigen der letzten 30 Jahre bescheren werden. – Bei vielen Dingen gebe ich Petra Köpping recht. Bei ihrem letzten Satz hoffe ich, dass sie nicht recht behalten wird. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Lieber Herr Kießling, aus der Nummer kommen Sie so einfach nicht heraus.
Am vergangenen Freitag hat der Kreissportbund Gotha seine 10. Jahrestagung in Mechterstädt ablaufen lassen und Herr Gösel war als Ehrengast dort, hat sich auch zu Wort gemeldet. Da war unter anderem auch die Rede vom Thüringer Sportfördergesetz, das heute in seiner Neufassung verabschiedet werden soll. Ich saß zwar nicht am Ehrentisch, denn ich habe eine längere Einlaufkurve, wie Sie gesehen haben, man hat mich extra mehr in die Nähe des Mikrofons platziert. Aber ich weiß aus sicherer Quelle, dass Herr Gösel sich auch bei Ihnen erkundigt hat, wie denn die Fraktion der AfD dazu steht. Da haben Sie gesagt, selbstverständlich werden wir da zustimmen. Und ich sage Ihnen eins: Wenn Sie einen
natürlich – der höchsten Repräsentanten des Thüringer Sports in dieser Form so veralbern, brauchen Sie sich hier nicht noch mal zu Wort zu melden. Das, finde ich einfach, ist ein starkes Stück. Das muss an dieser Stelle hier einfach auch noch mal gesagt werden. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat mich hier nach vorn getrieben, weil Sie, Herr Möller, es mit Ihrem Redebeitrag ja noch mal quasi verschlimmbessert haben. Ich will Ihnen das kurz erläutern: Kollege Kuschel hat vorhin versucht, die markanten Unterschiede, die es in Bezug auf die tatsächliche Lebenswirklichkeit hier in Thüringen gibt in der Frage der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, und das seit 1991, und dem, von dem Sie nicht nur sagen, Sie haben in Bayern abgeschrieben, sondern auch noch von der Linkspartei in Hessen – das bitte ich im Übrigen mal in die geöffneten Stenoblöcke der hiesigen Presse und der Medien mit hineinzudiktieren, dass die AfD von der Linkspartei in Hessen abschreibt; das finde ich ja ganz großartig –, darzustellen, also dass es da einen ganz erheblichen, auch sachlichen Unterschied gibt, weil die Bedingungen, die Grundlagen, die Voraussetzungen für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in diesen beiden Bundesländern komplett oder zumindest in verschiedenen Teilen
vollkommen anders sind als hier im Freistaat Thüringen. Das können Sie nicht wissen, weil Sie erst seit Kurzem hier in Thüringen sind und der festen Überzeugung sind, heute den Leuten hier auf der Besuchertribüne, aber auch vielen anderen Ihrer sogenannten Anhänger immer wieder diktieren zu müssen, auch in die geöffneten Stenoblöcke, Sie
seien die neue Kraft, die alles besser kann, und alle, die seit 1991 versucht haben, hier im Thüringer Landtag das Schiff zu steuern, hätten im Grunde –
Sie haben es eben auch noch mal gesagt – eigentlich nur Mist fabriziert. Ich will Ihnen dazu nur eines sagen: Wenn Sie nichts anderes zustande kriegen, als aus unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche Gesetzentwürfe zu einer Mixtur zusammenzubinden, die Sie hier vorn als neue Partei den sogenannten Altparteien quasi als den Stein des Weisen vorstellen, und wenn Sie dann noch sagen, gucken Sie sich bitte mal an, wofür in diesem Freistaat Thüringen Geld ausgegeben wird, statt bei so einer wichtigen Frage endlich den Leuten Abhilfe zu schaffen und gleichzeitig auch noch mit bestimmten Initiativen, Vereinen und Verbänden, die berechtigterweise – das will ich gern sagen –, legitimerweise für eine Verbesserung des Straßenausbaubeitragsrechts in Thüringen seit Jahren kämpfen,
zu reden. Ich möchte das wetten, auch wenn ich bei solchen Veranstaltungen Gott lob nicht dabei bin. Das möchte ich auch gar nicht, wenn die AfD bei denen redet, genauso wenig wie ich mich oder Herr Kuschel sich mit Ihnen auf Toilette unterhalten möchte.
Das Angebot lehne ich gern ab. – Wenn Sie denen dann auch noch mit einem solch zusammengerührten Gesetzentwurf, bei dem man Angst haben muss, dass er selber Selbstmord begeht, bevor er das Licht des Tages hier im Parlament entdeckt hat, wenn Sie das auch noch tun,
dann, finde ich, ist das etwas, was beim Namen genannt werden muss. Das ist Volksverdummung, was Sie hier versuchen in diesem Hause, auch den
Leuten auf der Zuschauertribüne, zu Hause am Livestream und denen, die in den Medien diese Debatte verfolgen, in dieser Form anzubieten. Dazu sage ich noch mal: Wenn Sie hier kritisieren, dass der Freistaat Thüringen für angeblich vollkommen unsinnige Dinge Geld ausgibt, statt sich beispielsweise um die Frage der Straßenausbaubeiträge zu kümmern, und selber nicht in der Lage sind, hier einen – sagen wir mal – zumindest existentiell einigermaßen gut durchdachten Gesetzentwurf auf die Reise zu schicken, über den wir ernsthaft in den Ausschüssen auch diskutieren können, weil unsere Lebenszeit – Entschuldigung, wir haben in den
Ausschüssen auch noch anderes zu tun – weiß Gott auch sehr begrenzt ist und wir keine Möglichkeit haben, uns immer mit solchen halbgewalkten AfD-Anträgen zu beschäftigen. Wenn Sie also über Steuergelder finanziert hier sitzen in diesem Landtag mit derselben Diätenhöhe wie andere Kolleginnen und Kollegen und solchen Unsinn hier fabrizieren, dann verdient es auch, beim Namen genannt zu werden. Dann ist das so, wie meine Oma immer sagte: Kein Hintern in der Hose, aber hier Lapaloma pfeifen. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Genau das passiert hier immer, liebe Damen und Herren auf der Zuschauertribüne. Da wird eineinhalb Stunden lang sachlich sehr, sehr fundiert widerlegt, warum dieser AfD-Antrag – ich sage es mal salopp – gar nicht geht, und dann geht dieser Mensch ernsthaft hier vor und sagt, er hätte nicht ein einziges Argument gehört, weshalb das, was er hier vorlegt, auch rechtlich nicht verfängt.
Und dann macht er noch etwas, das muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt – nur dass das hier jeder mal gehört hat – ein sogenanntes PMO-Vermögen, das ist das Partei- und Massenorganisationsvermögen, das ausgekehrt wird von all dem, was aus dem alten SED-Vermögen und anderen Vermögen letzten Endes über die fünf neuen Bundesländer vom Bund ausgeschüttet wird. Da gibt es eine ganz klare rechtliche Regelung, wofür dieses Geld in allen fünf Bundesländern ausgegeben werden darf. Das wissen Sie nicht, weil Sie erst seit Kurzem im Landtag sind, weil Sie
eine neue Partei sind, weil Sie aufrecht sind und wir alle hier ehrlich gesagt gar keine Ahnung haben. Zwei große Töpfe können bedient werden: Investive Bereiche und Bereiche der Kultur und eben keine Finanzierungen von Beitragsabgaben von Straßenausbaubeiträgen.
Prüfen Sie das doch wenigstens! Sie geben Steuergeld dieser Leute dort oben auch für Fraktionsjuristen in Ihren Reihen aus. Dann legen Sie es denen doch mal vor, bevor Sie hier hergehen, damit wenigstens die Ihnen sagen können: Herr Möller, das geht doch gar nicht. Aber gehen Sie hier nicht vor und machen tatsächlich den Eindruck, wir hätten von der ganzen Geschichte keine Ahnung, indem Sie hier hanebüchene Vorschläge machen. Da sage ich Ihnen, da bluten einem als Parlamentarier hier wirklich die Hosenträger, was Sie hier veranstalten.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Es geht wieder einmal – oder immer noch, meine Damen und Herren – um den Wirtschaftsstandort Thüringen. In der Debatte ist schon angeklungen: Wir standen hier erst vor Kurzem mit dem Thema „Siemens“. Worum geht es heute? Nach Übernahme von Opel und der englischen Tochter Vauxhall wurde PSA vor einem Dreivierteljahr der zweitgrößte Autokonzern auf dem Kontinent nach Volkswagen. Damals hat PSA zugesichert, die tarifvertraglichen Vereinbarungen zu übernehmen, die noch von General Motors stammten, dem Vorbesitzer von Opel. Für Eisenach ist dabei ganz entscheidend, ob Opel die Fertigung zweier Modelle garantiert wird – auch das war ein Teil der Zusagen –, weil es eben um die Auslastung des Werks geht. Je höher die Auslastung ist, umso profitabler kann so ein Werk arbeiten.
Die gestrige Ausgabe einer großen Thüringer Zeitung – ich habe sie hier mit nach vorn gebracht – enthält nun ein Interview mit Herrn Lohscheller, einem Opelvorstand aus Deutschland. Darin wird er gefragt, ob er sich an die Vereinbarung hält, in Eisenach zwei Modelle zu bauen. Darauf antwortet Herr Lohscheller: Er will „das Werk […] zweischichtig auslasten“, indem dort „ein Fahrzeug und eine Variante“ gebaut wird. Wortwörtlich. Darunter kann man auch verstehen: Der angekündigte Geländewagen, der in Rede steht, kommt und wird mit herkömmlichem und Elektroantrieb gebaut, also mit einer Variante. Aber das hieße dann: ein Fahrzeug, und: auf Dauer keine Auslastung der Produktionslinie. Und vor allem heißt das: Hier werden nicht die Dinge umgesetzt, die vereinbart waren – nämlich
zwei Modelle, nicht ein Modell mit einer Variante. Wie dann die Überschrift „Opel bekennt sich zum Werk in Eisenach“ auf die Titelseite kommt, das weiß ich auch nicht.
Aber weil wir gerade dabei sind: Seit Tagen geistert auch ein sogenannter Autoexperte durch die Medien – leider auch durch die mitteldeutschen –, der immer wieder mit Schlagzeilen glänzt wie „Autoexperte sieht schwarz für Eisenach“, „Untergang für Opel“. Da lesen und hören wir ganz erstaunt, dass dieser Experte – er kommt aus Duisburg –, das alles schon lange gewusst hat und sich jetzt darüber gar nicht wundert. Ich will weder den Medien noch diesem Menschen zu nahe treten. Es war aber mal wieder interessant, wie viele Menschen vorher immer schon alles besser gewusst haben. Aber eins darf nicht passieren – und davor will ich warnen: den Standort Eisenach und die gesamte Marke Opel in einem Licht dastehen zu lassen, als sei das alles nur ein Sanierungsfall und Opel eigentlich nicht mehr zu retten und die Messen gesungen.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, das Unternehmen produziert gute Autos mit einem weltweit guten Ruf – das ist die Kernbotschaft, die Opel jetzt braucht, die die vielen Kolleginnen und Kollegen in Rüsselsheim, in Eisenach, in Kaiserslautern und in Bochum verdient haben.
Und das ist auch die Kernbotschaft an Herrn Tavares von PSA: Opel ist kein Problemfall, Opel bietet Chancen, meine Damen und Herren!
Vor einem Dreivierteljahr hat PSA vertragliche Zusicherungen gemacht – und dazu gehört auch die Produktion in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach bis 2020, keine Werkschließungen, keine betriebsbedingten Kündigungen bis Ende 2018 und für Eisenach eine zweite Produktionslinie für einen Geländewagen. Das alles ist erst ein Dreivierteljahr her. Und heute? PSA verlangt von den Arbeitnehmern, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, auf Tarifsteigerungen zu verzichten, ansonsten droht die Werkschließung. Es ist auch nicht mehr ganz klar von zwei Modellen die Rede. Ich war gestern auf der Demonstration in Eisenach. Es war sehr beeindruckend, auch die Solidarität aus anderen Bundesländern zu erfahren. Wir haben in den letzten Tagen auch viel von Gewerkschaften, von der Politik gehört; das will ich nicht alles noch einmal unterstreichen. Aber was PSA, was der Vorstand da treibt, ist unverantwortlich – und ja: Es ist ein versuchter Vertragsbruch mit Ankündigung.
Aber ich will mal ganz grundsätzlich werden bei diesem Thema. Ich will nicht von einer neuen Qualität sprechen, weil das viel zu hübsch klingt. Wir haben es hier, meine Damen und Herren, mit einer neuen
Dimension zu tun, wie innerhalb kürzester Zeit vertragliche Vereinbarungen über den Haufen geworfen werden, wie Großkonzerne agieren, die bei einer Übernahme mit Vertragspartnern grundlegende Dinge verhandelt haben, wie diese nach wenigen Wochen infrage gestellt werden, wie mit dieser Strategie einzelne Wirtschaftsstandorte gegeneinander ausgespielt werden sollen. Wenn etwas so aussieht, wenn es sich so anfühlt und wenn es so riecht, dann verdient es auch beim Namen genannt zu werden. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit und eine Frechheit.
Um es klar zu sagen: Wenn das Schule macht hier in Europa, wenn das erst der Beginn war, der Auftakt einer neuen Art, mit Tarifpartnern, mit Gewerkschaftern, mit Kolleginnen und Kollegen und auch mit politischen Verantwortlichen umzugehen, dann muss hier ein Stoppsignal gesetzt werden, dann müssen alle Akteure, die man hier an der Nase herumführen will, sehr schnell, sehr deutlich und sehr klar und massiv sagen: Wer von Frankreich aus so agiert, muss schnell begreifen, dass so etwas in Deutschland nicht funktioniert, dass es bei uns so nicht gehen kann und so auch nicht gehen darf. Das ist das Signal, das von hier aus, im Landtag von Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, gesetzt werden muss. Ich hoffe inständig, dass dieses Signal in Berlin aufgegriffen und deutlich Richtung Frankreich gesetzt wird, weil hier viel mehr auf dem Spiel steht für europäische Tarifpartner, für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für Thüringen und zuallererst natürlich auch für unsere Kolleginnen und Kollegen bei Opel Eisenach, an deren Seite wir fest stehen. Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, vielen Dank! Meine sehr geehrten Damen und Herren, gegensätzlicher kann das ja nicht sein, was wir hier seit gestern Nachmittag im Hohen Haus verfolgen, wenn wir den Fachsprechern lauschen oder auch jetzt Herrn Mohring. Für die einen ist das ein furchtbarer Doppelhaushalt, für die anderen ist das ein guter Doppelhaushalt. Um es mal vorwegzunehmen, Herr Mohring, ich widerspreche ja gar nicht. Diese Koalition hat wie jede andere Landesregierung in der Bundesrepublik das Glück, dass die Einnahmen nicht etwa weggebrochen sind, sondern in den letzten Jahren gestiegen sind. An einer Stelle will ich das deswegen auch noch mal ganz deutlich hier betonen. Aber wo stehen wir bei diesem Haushalt? Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, die erste Landesregierung in der Geschichte dieses Freistaats, die keinen einzigen Euro frische Schulden aufgenommen hat.
Und es ist eine Landesregierung, die Schulden tilgt, die einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt, der entscheidend dazu beitragen wird in den kommenden beiden Jahren und darüber hinaus – es gibt viele, viele Projekte, die ja noch länger wirken –, in Thüringen Projekte anzuschieben, die dann sehr wichtig werden. Ich habe sehr genau zugehört bei der Generaldebatte auch gestern hier im Landtag, da hat Herr Kowalleck geredet. Sie haben gesagt, Herr Kowalleck, dass dieser Haushalt komplett in die falsche Richtung geht; Herr Mohring hat es jetzt noch mal untermauert: Er ist abenteuerlich, RotRot-Grün ist unfähig zu verantwortungsvoller Politik. Aber dann – man muss ja mal genau hinhören – kam die Wucht auf Krücken. Sie beschweren sich darüber, dass das Haushaltsvolumen wächst, obwohl wörtlich „die Kosten für Flüchtlinge und Migranten gesunken sind“. Stellen Sie sich das mal vor, liebe CDU-Fraktion: Ja, wir machen das. Wir investieren trotz gesunkener Flüchtlingszahlen in unsere Kultur, in unsere Straßen und Brücken im Land, wir entlasten die Familien, wir geben mehr Geld aus für die Schulen und Kindergärten. Wir sind das, Rot-Rot-Grün ist das!
Wir investieren in dieses Land für die, die gekommen sind, für die, die schon sehr lange hier leben, in genau die Bereiche, die wichtig sind, und das ist verantwortungsvolle Politik, meine Damen und Herren.
Und jetzt komme ich zum Thema „Schulden“, das hat ja gestern auch hier einen weitgreifenden Raum in den innerkoalitionären Debatten und mit der Opposition eingenommen. Die Folklore geht ja immer
so: 24 Jahre lang hat die CDU die Finanzministerin oder den Finanzminister gestellt. In dieser Zeit sind 16 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft worden.
Dann wird gesagt, ja, das war aber notwendig, um diesen Freistaat fit zu machen, weil nach 1990 alles kaputt war, um dieses Land so zu machen, wie wir es heute vorfinden. Das ist nicht falsch. Aber statt es dabei zu belassen und bei der Geschichte mal einen Punkt zu machen, wird sich heute hier hingestellt und gesagt, Rot-Rot-Grün nimmt mehr Geld in die Hand und das ist abenteuerlich und verantwortungslos. Ihr Lied geht so: Wenn die CDU Schulden macht, um in dieses Land zu investieren, ist das gut. Wenn ein anderer in dieses Land investiert und dabei keine Schulden macht, ist das schlecht. – Wer soll denn das noch glauben, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Dann ist die Frage, was machen Sie? Sie machen hier Vorschläge für einen anderen Haushalt. Das ist Ihr gutes Recht. Ich finde, das ist auch Ihre Pflicht, auch als Opposition. Vor zwei Jahren war an dieser Stelle ja dröhnendes Schweigen, da gab es nicht einen einzigen Änderungsantrag. Man hat das damals begründet und gesagt, der Doppelhaushalt sei so schlecht, da könne man gar keine Änderungsanträge stellen. Jetzt haben Sie 1.200 gestellt – muss ja nach dieser Logik ein bombiger Haushaltsvorschlag gewesen sein.
Aber wenn Sie vorgeben, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, dass Sie mit Ihren Änderungsanträgen wesentlich besser und pfiffiger sind, dann müssen Sie sich auch fragen lassen, was denn in Ihren Änderungsanträgen steckt, was die darstellen, welche Bewegungen diese in diesem Haushalt bewirken. Ich möchte das mal exemplarisch machen: Sie betonen in unzähligen Debatten die Defizite, die Rot-Rot-Grün im Bildungsbereich hat, zum Beispiel bei den Schulen. Dann aber legen Sie hier allen Ernstes Änderungsanträge vor mit Kürzungen bei den staatlichen Schulämtern und dem schulischen Bereich, wo Sie zum Beispiel bei Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung kürzen wollen. Sie klagen, dass es bei der inneren Sicherheit klemmt, also bei der Polizei. Dann legen Sie allen Ernstes Änderungsanträge vor mit Kürzungen in der Polizeischule Meiningen, bei der Landespolizei und beim Landeskriminalamt. Sie werden nicht müde – auch eben wieder – zu betonen, dass nahezu alle Reformvorhaben dieser Koalition falsch, hanebüchen und grundverkehrt sind und man doch erst eine Modernisierung der Landesverwaltung
braucht. Und dann legen Sie Änderungsanträge vor, meine Damen und Herren, mit Kürzungen im IT-Bereich, die ja für die Verwaltungsmodernisierung gebraucht werden. Da wollen Sie – wir haben mal zusammengezählt – bei 107 Haushaltstiteln die Säge ansetzen und allein in diesem Fachbereich mehr als 38 Millionen Euro wegkürzen. Und so geht das weiter! Sie beklagen, wie lange das beim Azubi-Ticket dauert – hat vorhin auch wieder eine Rolle gespielt. Jeder Experte hier in diesem Land weiß, wenn ein Auszubildender überall in Thüringen ein Ticket kaufen will, mit dem er quer durchfahren kann, dann muss man eine Förderung eines einheitlichen Verkehrsverbundes machen.
Wir haben dazu Gelder im Doppelhaushalt eingestellt. Was machen Sie? Sie legen Änderungsanträge vor, die das kürzen sollen. Sie kürzen genauso bei dem Bereich Fortbildung in der Justiz. Sie wollen weniger Geld für die Sicherheit in den Justizbehörden ausgeben. Als wir in diesem Landtag über ein beitragsfreies Kindergartenjahr debattiert haben, haben Sie vehement eine bessere frühkindliche Bildung gefordert. Jetzt legen Sie Änderungsanträge vor, die die Axt an die Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung in den Kindergärten anlegen. Da soll der Haushaltsansatz, meine Damen und Herren – nur dass Sie es mal gehört haben –, halbiert werden. Sie wollen weniger Geld für das Landesbergamt, Sie kürzen auch bei der Gewässerunterhaltung, Sie kürzen bei der Sportförderung in Oberhof, weniger Geld für die Tourismusförderung. Sie kürzen bei dem sozialen Wohnungsbau. Mal ganz ehrlich: In was für einem Freistaat wollen Sie eigentlich leben?
Dann kommt noch dieser ganz besondere Rechentrick, den Herr Mohring jetzt versucht hat, noch mal zu verkaufen. Alle diese Änderungsanträge, die eingereicht wurden, haben noch nicht ausgereicht, um die Rücklagenentnahme komplett zu vermeiden. Was macht man da? Man macht auch eine Rücklagenentnahme, aber man nennt das anders. Es gibt – nur dass das alle mal gehört haben – einen Jahresabschluss 2017. Da ist Geld übrig, das eigentlich immer entweder in die Rücklage oder in die Schuldentilgung fließt. Das steht sogar im Haushaltsgesetz, § 2 Abs. 2 – nur mal reingucken. Daran ist die Landesregierung gebunden. Das sind wie zwei Wassereimer – so muss man es sich vorstellen –, in denen das Geld aufgefangen wird. Das hat da reinzufließen. Sie überspringen diesen rechtlich vorgeschriebenen Weg und nehmen das Geld, bevor es in die Rücklage fließen kann und rechnen das als Einnahme für 2018, damit es dann zur Rücklage 2018 zugerechnet werden kann. Also, Sie halten quasi – so muss man sich das vorstellen – schnell Ende 2017 noch ein Schüsselchen unter den Geldstrom und tragen das rüber in 2018, gie
ßen es dort in den Eimer mit der Aufschrift „Rücklage“ und feiern das als Haushaltsgestaltung. Ich will Ihnen eins deutlich sagen: Ich habe jahrelang als Kämmerer den Haushalt der Residenzstadt Gotha gestalten müssen. Wenn ich meinen Stadträten so was vorlege, die würden mich achtkantig aus dem Bürgersaal des Rathauses werfen. Das muss ich Ihnen sagen.
Der Verwendungsvorschlag sagt, nach dem Gesetzestext kann der Überschuss des Jahres 2017, auf den die CDU mit ihren Anträgen schielt, gar nicht auf den beschriebenen Weg in den Haushalt 2018 fließen. Die Finanzministerin muss tilgen oder in die Rücklage überführen. Jetzt bin ich mal gespannt, wenn die CDU so was vorschlägt, ob sie vielleicht diese Anträge – weil die rechtlich gar nicht gehen – eventuell zurückzieht.
Aber ich fasse noch mal kurz zusammen, meine Damen und Herren, damit das jeder auch gehört hat: Sie bringen also entweder wie vor zwei Jahren überhaupt keine Änderungsanträge ein oder solche schrägen Nummern wie jetzt. Ich sagen Ihnen: Sie haben in der Opposition das Thema „Haushalt“ verlernt, meine Damen und Herren.
Und damit das auch im Protokoll steht: Vollmundig in allen Bereichen der Landespolitik Nachbesserungen zu fordern – in allen Bereichen – und gleichzeitig Kürzungsanträge zu stellen, die genau da Geld streichen, wo es erforderlich ist, das geht nicht, meine Damen und Herren. Mit dem Rotstift gestaltet man keine Zukunft in diesem Land und mit Rechentricks keinen Haushalt.
Und jetzt will ich mal sehr grundsätzlich werden, Herr Kowalleck hat das gestern schon gesagt, Herr Mohring dann heute auch wieder. Herr Kowalleck hat gestern gesagt, Rot-Rot-Grün hat ja keine Politikagenda, die regieren einfach nur vor sich hin. Herr Mohring hat gesagt, die verplempern das Geld und die verlorenen Jahre und so weiter und so fort. Hier wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, seit drei Jahren jede Gelegenheit genutzt, um alles, aber auch wirklich alles in diesem Land madig zu machen. Aber was Sie dabei eigentlich wollen, müssen Sie den Leuten draußen auch erst mal klarmachen: Sie wollen keine Gebietsreform. Jetzt kommt sie nicht, da sagen Sie, schau mal hin, die kriegen nicht mal eine Gebietsreform hin. Sie wollten kein beitragsfreies Kindergartenjahr. Jetzt haben Sie gemerkt, hoppla, die Fachabteilung der CDU in Hessen und die Koalition aus SPD und CDU in Niedersachsen führen das auch gerade ein,
dann mäkeln Sie trotzdem noch dran rum und wollen in Bereichen der Kinderbetreuung kürzen. Sie wollen keinen Doppelhaushalt, so wie ihn die Landesregierung vorlegt, dann bringen Sie entweder gar keine Änderungsanträge ein oder welche, die nur durch Tricksereien gedeckt sind.
Sagen Sie doch nicht ständig, was furchtbar ist und was Sie nicht wollen, Herr Mohring. Legen Sie doch mal einen Plan vor, wie Sie sich Thüringen vorstellen, wie dieses Land aussehen soll. Das sind Sie auch der Wählerschaft draußen schuldig und dazu sind Sie seit drei Jahren einfach nicht fähig.
Stattdessen sind Sie auf Tournee mit immer dem gleichen Stück, immer dieselbe Bühne, die gleichen Kostüme, das gleiche Drehbuch und immer der gleiche Titel: Rot-Rot-Grün kann es nicht, alles ist furchtbar, alles ist schlimm.
Das ist aber kein Publikumsrenner mehr, Herr Mohring. Nein, es ist nur noch erbärmlich. Feiern Sie weiter ruhig Ihre Party über die geplatzte Gebietsreform, schauen Sie weiter nach hinten, immer in Richtung rückwärts, und führen Sie Ihre Freudentänzchen auf.
In der Zwischenzeit verabschieden wir hier einen Doppelhaushalt, der wichtige Weichen für dieses Land stellt.
Die einen schauen nach hinten, die anderen nach vorn. Das ist die Wahrheit in diesem Landtag, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Leute draußen interessiert auch nicht, mit welchen Kunstgriffen Sie hier die Millionen hin- und herschieben und wie viel Sie kürzen müssen in allen Bereichen. Die Leute wollen wissen, wie es weitergeht bei der Bildung, bei der Polizei, bei ordentlichen Straßen. Und soll ich Ihnen was sagen, Herr Mohring? Wenn die Leute täglich hören, wie gut die Konjunktur läuft, wie viele Millionen übrig sind, dann haben sie verdammt noch mal auch ein Recht darauf, dass sie von diesen Millionen was abbekommen. Und genau das bildet dieser Landeshaushalt ab.
Der einzige politische Erfolg, liebe Union, der zählbar ist nach mehr als drei Jahren in diesem Parlament, ist wahrscheinlich das Abwerben eines Mitglieds meiner Fraktion.
Sie stehen ansonsten mit Projekten vollkommen mit leeren Händen vor der Wählerschaft. Aber, sehr geehrter Herr Mohring, die Uhr tickt. Die Uhr tickt. In wenigen Minuten werden hier 46 Abgeordnete die Hand dafür heben, für mehr Investitionen in unseren Kommunen, für mehr Geld, das wir in die Schulen und in die Kindergärten stecken können, für mehr Polizisten mit einer noch besseren Ausbildung, für mehr Lehrer, für mehr Geld für die Feuerwehren im ganzen Land. Und obwohl Sie gerade wieder alles schlechtgeredet haben – das können Sie ja wirklich gut in den letzten drei Jahren –, werden Sie wieder mit leeren Händen dastehen, weil Sie das nicht aufhalten können, dass wir hier einen Doppelhaushalt auf die Reise schicken, der die Zukunft dieses Landes gestaltet. Um mit einem großen Sozialdemokraten zu schließen: Und das ist auch gut so. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, um direkt auf Herrn Möller zu kommen.
Sie sagen, es würde hier seitens der SPD eine Art von Verschwörungstheorie oder Verschwörungslegende gestrickt. Ich will Ihnen darauf kurz antworten: Es gab in der Vorbereitung der Bundestagswahl – ich bin ja auch bei Facebook unterwegs wie viele andere Kolleginnen und Kollegen hier auch – eine Reihe von Facebook-Nutzern – ich kriege das dann auch immer bei mir gleich vorn draufgespielt –, die davor warnten, dass man einen Wahlzettel bekäme, wo oben eine Ecke fehlt, weil das die Wahlzettel wären, die gesondert – sagen wir mal – markiert würden, und die würden dann hinterher sowieso aus der Urne ausgezählt werden usw.
Ich will doch nur sagen, wie so was manchmal entsteht. Jeder von uns weiß, dass gerade Menschen mit Handicap, in dem Fall sind die Blinden betroffen, einen Wahlzettel bekommen oder jeder einen Wahlzettel bekommt, wo oben eine Ecke fehlt und wo man diese Schablone ansetzt, die die Blinden und die Sehbehinderten auch brauchen, um über die speziellen Schablonen erfühlen zu können, welche Partei sie wählen und wo sie das Kreuz setzen können, dass die das als Orientierungspunkt brauchen. Viele Leute von denen – ich habe das dann mal verfolgt, man kann sich diese Mühe machen –, die diesen Schwachsinn auch geteilt haben, die auch ernsthaft der Überzeugung waren, da wäre also eine riesige Wahlfälschung usw. da im Raum, viele dieser Leute sind auch mit Seiten befreundet, die auch von Ihrer Partei mit unterhalten werden. Ich will das nur kurz sagen, das können Sie selbst auch nachprüfen. Das ist das eine.
Das andere ist, nur damit man mal weiß, wie viel Unsinn im Raum ist – ich weiß nicht, ob Herr Adams das für Sie auch noch mal sehr prägnant herausgearbeitet hat, ich möchte es auch noch mal versuchen –: Es gibt in diesem Land genauso wie in der gesamten Bundesrepublik Tausende von Leuten, die sich immer dann, wenn Kommunal-, wenn Landrats-, wenn Gemeinderats-, wenn Landtags- und Bundestagswahlen sind, von morgens 8.00 Uhr hinsetzen – teilweise sind sie 7.00 Uhr oder 7.30 Uhr schon da –, bis weit nach 20.00 Uhr dann dasitzen und die Stimmen auszählen in Räumlichkeiten, die teilweise manchmal nicht so klimatisiert sind wie die, in denen wir hier sitzen, die dafür 20 Euro Erfrischungsgeld bekommen. Ich finde, denen einen derartigen Generalverdacht zu unterstellen wie das, was Sie heute hier wieder versuchen, das ist schon ein starkes Stück.
Das ist das eine. Das andere, Herr Möller, das haben Sie hier wieder unter Beweis gestellt. Sie gehen hier vor und sagen, massive, oder Sie haben wörtlich gesagt: „extreme Wahlfälschung“. Ich weiß gar nicht, was „extrem“ bei Ihnen ist, wie viele Stimmen hoch oder runter – ging immer zulasten der AfD.
Sie wollen damit einen Eindruck, einen einzigen Eindruck hier wieder verstärken, und das tun Sie schon die ganze Zeit, nicht nur hier mit Ihrem Landesverband, mit Ihrer Fachabteilung Thüringen, das tun Sie bundesweit. Sie wollen sich in die Ecke derer stellen lassen, mit denen keiner spielt, die keiner ernst nimmt, die nur lächerlich gemacht werden. Ich sage Ihnen eines: Sie brauchen diese Debatten natürlich auch, wie beispielsweise heute wieder Wahlfälschung usw. usf., um sich als Opfer darzustellen. Wissen Sie, warum Sie das brauchen? Weil Sie nicht in der Lage sind, weder hier in diesem Parlament noch irgendwo in irgendeinem anderen Land, noch im Bundestag – den Beweis sind Sie auch noch schuldig –, ordentliche Politik zu machen.
Fangen Sie doch endlich mal damit an und beschäftigen Sie nicht den Steuerzahler mit solch schwachsinnigen Anträgen wie diesem heute hier. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Vorrednerin Susanne Hennig-Wellsow hat das getan, ich will es an dieser Stelle auch gern noch mal wiederholen: von meiner Seite und auch namens meiner Fraktion noch einmal herzlichen Dank an das Team des ThüringenMonitors um Dr. Best. Wie auch in den vergangenen Jahren liegt hier ein hochinteressantes Kompendium vor, das heute hier im Landtag debattiert wird.
Ich will allerdings auch gleich zu Beginn meiner Rede noch mal auf einen meiner Vorredner abstellen, das ist der Kollege Mohring. Er ist jetzt im Moment nicht da, und das sage ich gar nicht vorwurfsvoll, seit 9.00 Uhr läuft diese Debatte, er kann das später im Protokoll nachlesen und unsere gesamten Redebeiträge werden ja gestreamt. Ich habe zwei herzliche Bitten an ihn: Zum einen ist es so, dass mit der Legendenbildung in diesem Landtag nach wie vor nicht aufgehört wird, über einen Vorfall, der sich vor einiger Zeit ereignet hat – letztes oder vorletztes Jahr –, da müsste ich noch mal nachgucken – und der mich nach wie vor auch persönlich sehr ärgert, aber auf den immer wieder abgestellt wird: Wenn Herr Mohring in dieser Debatte sagt, dass er sich ernsthaft Sorgen macht um Befunde im Thüringen-Monitor, die sich auf populistische Aussagen beziehen oder auf die Frage, wie Populisten mittlerweile auch in der Mitte unserer Gesellschaft Wirkung entfalten und Wirkung erzielen, dann gehört zur Wahrheit auch dazu, dass er an einer Stelle, immer dann, wenn es um das Thema „Innere Sicherheit“ hier in Thüringen geht – eine Geschichte
hochzieht, die sich vor einiger Zeit hier zugetragen hat. Und da sagt er eben leider auch nicht die Wahrheit. Die Grenze zwischen auch im Plenum nicht die Wahrheit sagen, bestimmte Dinge weglassen oder diese Wahrheit nicht voll zu erzählen, um einen bestimmten Eindruck zu erzielen, zum Populismus hin ist auch fließend. Es hat sich damals ereignet, dass wir hier – es war an einem Freitag, ich weiß das noch – im Plenarsaal ein Gesetz für mehr demokratische Prozesse und Beteiligungen in den Kommunen verabschiedet haben – ein sehr wichtiges Gesetz. Danach, weil wir in enger Abstimmung mit dem Bündnis für mehr Demokratie in Thüringen standen, haben sich Susanne Hennig-Wellsow, Dirk Adams und auch ich oben an der Mauer zum Schriftzug „Thüringer Landtag“ versammelt und haben ein Plakat hochgehalten, wo für dieses Projekt „Für mehr Demokratie in den Kommunen“ geworben wurde – das war ein Transparent. Danach ist ein Schnappschuss entstanden – gemeinsam mit meinen beiden Kollegen, also meiner Kollegin Susanne Hennig-Wellsow und meinem Kollegen Dirk Adams. Und in diesen Schnappschuss hinein – ich habe das damals nicht feststellen können – hat, noch bevor er getwittert und geteilt wurde, ein – ich glaube – Fraktionsmitarbeiter oder ein Mitarbeiter der Linken – das weiß ich jetzt nicht mehr ganz genau – den Schriftzug „ACAB“ in dieses Mauerwerk hineinkopiert, mit fototechnischen Mitteln, das ist ja heutzutage alles keine …
Ja, selbstverständlich, ich will es doch gerade begründen. Immer mit der Ruhe!
Dieser Schriftzug „ACAB“ – der an der Mauer so versteckt reinmontiert wurde, dass selbst Mike Mohring vier Tage gebraucht hat, ehe er es festgestellt hat, und ich es damals auch nicht gleich gesehen habe – ist das Kürzel für „All Cops Are Bastards“. Den findet man in der Nähe von Fußballstadien, an öffentlichen Gebäuden, überall. Der ist natürlich diffamierend gegenüber unseren Sicherheitskräften. Ich habe mich auch sofort davon distanziert, als wir dann später darauf angesprochen wurden und ich das Bild dann gesehen habe. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, dass man sich nicht hier hinstellt und wieder und wieder diese Geschichte erzählt und sagt: Die drei Fraktionsvorsitzenden würden bewusst die Polizisten als Bastarde beleidigen. Das ist – mittlerweile bin ich in einer Verfassung, die an Ungeduld grenzt – eine Geschichte, die nur zur Hälfte stimmt. Man kann sie hier nicht immer und immer wieder erzählen,
ohne diesen sehr wichtigen Teil. Ich ärgere mich nach wie vor sehr darüber. Ich habe meinen Unmut auch gegenüber der Fraktion der Linken sehr deut
lich zum Ausdruck gebracht. Ich finde, dass unseren Sicherheitskräfte in unserem Land – denen unsere Hochachtung gebührt für all das, was sie in den letzten Wochen und Monaten auch in Bezug auf eine verschärfte und ganz andere Sicherheitslage in diesem Land geleistet haben – natürlich auch die Wahrheit erzählt gehört: dass dieses Bild, dieser Schnappschuss – der mir, wie gesagt, sehr leid tut, ich habe auch bei den Polizeigewerkschaften damals angerufen – nur der eine Teil der Wahrheit ist. Der andere Teil ist aber auch, dass diese drei Fraktionsvorsitzenden, dass dieses Regierungsbündnis sich im Moment stark macht für einen Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei, für eine Erweiterung des Einstellungskorridors beispielsweise in der Lehrausbildung bei der Polizei. Auch das ist ein Teil der Wahrheit, den Mike Mohring heute in seiner Stellungnahme zum Thüringen-Monitor vielleicht wieder bewusst weggelassen hat.
Mich stört das sehr. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen.
Das Zweite ist – auch das kann er im Protokoll nachlesen, das hat sich mittlerweile leider auch bei seinen Kolleginnen und Kollegen in der CDU-Fraktion so ein bisschen mit ausgebildet –, dass man auf Umfragewerte oder auch tatsächliche Wahlergebnisse abstellt. Ich habe das vorhin auch wieder gesehen. Ich stehe nicht hier vorne, um beispielsweise meine Koalitionskollegen von den Grünen zu verteidigen. Aber sich hier vorn hinzustellen und zu sagen: Sie haben nur 6 Prozent, sie bilden nicht die Mehrheit der Bevölkerung ab – damit hat er ja recht, natürlich. Die Grünen mit ihren 6 Prozent, wir mit unseren mickrigen 12,4 Prozent damals zur Wahl: Wir sind nicht die Mehrheit der Bevölkerung, aber die CDU mit ihren konstanten 35 Prozent ist es eben auch nicht.
Es gibt 65 Prozent der Leute, die bewusst keine CDU wählen. Ich finde das insoweit ganz lustig, weil ich finde, wenn die große Mutterpartei CDU momentan in Berlin versucht, mit zwei genauso kleinen Parteien, die auch nicht die Mehrheit der Bevölkerung abbilden, ein Bündnis zu schmieden, dass es die Fairness auch gebietet, dass man auch mit kleinen Parteien – auch hier in diesem Hause – versucht, anders umzugehen. Die CDU wird das in Berlin schon schaffen. Jamaika ist auch ein schönes Land. Ich habe da überhaupt keine Zweifel, dass das auch zustande kommt. Aber ich finde, das gehört auch zur Wahrheit dazu, dass auch Mike Mohring und auch Mitglieder seiner Fraktion, die in letzter Zeit immer sehr hämisch sind, das anerkennen. Ich habe das neulich mal miterlebt: Wir hatten eine INSA-Umfrage, da lag meine Partei bei