Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Es muss eine Akzeptanz zwischen Umwelt und Landwirtschaft geben, damit wir diesen Filtererlass zugunsten der Landwirte in Thüringen erlassen. Damit Sie schon vorbereitet sind auf die TA-Luft, die dann irgendwann einmal kommen soll, wo wir aber beide – CDU und SPD – aufpassen müssen, dass es nicht zum Nachteil der ostdeutschen Tierzucht und -produktion geht. Das wird ganz schwierig, Herr Malsch. Da haben Sie allerhand zu tun bei Ihrem bayerischen Landwirtschaftsminister, um unsere Produktionsstätten da in Einklang zu bringen. Da glaube ich, haben wir noch gemeinsam viel zu tun, um das auf Bundesebene zu regeln.

Nicht zuletzt gab es einen Artikel von Barbara Hendricks – in der „Bild am Sonntag“ war das zu lesen –, der war auch nicht ganz ohne. Das ging in die Richtung, dass die kleinen Bauernhöfe gestärkt werden sollen und die großen Tierzuchtanlagen infrage gestellt werden sollen. Das geht so allgemein nicht. Ich möchte auch keine großen Mastviehanlagen, das ist keine Frage. Aber wir müssen es in Einklang bringen und wir müssen darüber reden, wie wir beides miteinander verbinden. Da geht so ein Antrag nicht. Das muss ich noch einmal sagen. Es ist schade, dass Sie da nicht tiefer reingegangen sind und Sie brauchen auch keine Bedenken zu haben. Rot-Rot-Grün wird auch hier gemeinsam zum Wohle der Landwirte agieren. Wie gesagt, der Filtererlass ist eine Chance. Es gibt ihn in NRW, es gibt ihn in Niedersachsen, es gibt ihn in SchleswigHolstein und es ist zu keinem Sterben von großen Anlagen gekommen. Nein, die leben alle noch. Ich habe das alles nachgelesen. Gerade in Niedersachsen noch einmal. Natürlich müssen die Betriebe investieren und natürlich wird es bei neuen Anlagen gleich diese Auflagen geben. Das ist aber vollkommen richtig. Wir wollen, dass die Schweine

mast in Thüringen eine Anerkennung erfährt. Dafür müssen wir Akzeptanz schaffen. Da tut der Filtererlass gut und er schadet nicht. Davon bin ich fest überzeugt. Da der Bauernverband und alle auf der Grünen Woche eindeutig gesagt haben, dass sie sehr gut mit der rot-rot-grünen Landesregierung zusammenarbeiten, glaube ich schon, dass wir auch da einen gemeinsamen Nenner finden. Deshalb brauchen wir Ihren Antrag nicht, wir werden ihn ablehnen. Ich glaube nicht – Sie brauchen auch nicht mehr zu reden, Herr Malsch, wir haben alles schon in der Zeitung gelesen, da brauchen Sie auch jetzt Ihre Argumente nicht mehr vorzubringen. Da kommen wir voran, weil wir haben nämlich noch einen Tagesordnungspunkt und dann kämen wir schneller voran. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Malsch das Wort.

Werte Präsidentin, werte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen! Liebe Frau Becker, liebe Frau Scheringer-Wright, Sie sind zumindest noch da zur Debatte. Sowohl die Ministerin Siegesmund, die hauptsächlich verantwortlich ist für dieses Werk „Filtererlass“ – sowohl die Ministerin Abwesenheit durch Krankheit –, aber auch Staatssekretär Sühl, der zumindest verbandelt ist mit dem Thema – wie wir gerade festgestellt haben –, sind nicht mehr anwesend und der allumworbene Bodo Ramelow, wie er es gerade auf der Grünen Woche gesagt hat, ist einer, der sich sehr gut mit den Bauern angeblich versteht, erwägt auch nicht, der Debatte beizuwohnen, um sich der Thematik zu stellen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Sind alle in Berlin!)

Da dürfen wir kein Plenum machen, wenn Bundesrat ist. Das ist doch ganz einfach. So, jetzt wollen wir mal eins feststellen: Die Abwesenheit,

(Unruhe DIE LINKE)

der Frau Siegesmund ist nicht untypisch und die Abwesenheit der Kollegen im grünen Lager bei wichtigen Veranstaltungen, wie Jahresempfängen der Jagdgenossen oder auch anderen Empfängen oder auch auswertigen Ausschusssitzungen, wo es auch um Themen geht, die uns im Ausschuss betreffen, ist auch nicht untypisch.

(Beifall CDU)

Warum eigentlich? Hat das vielleicht damit zu tun, dass Frau Siegesmund zwischen Erfurt und Jena pendelt und vielleicht gar nicht weiß, was auf dem

(Abg. Becker)

Land los ist, wo das Schweinefleisch herkommt oder hat das damit zu tun, dass sie keins isst.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Weil sie keins isst!)

Genau. Das könnte natürlich auch sein. Aber ich möchte ganz kurz, Frau Becker, auf Sie eingehen. Warum ist denn der Filtererlass in NRW kein Problem? Das kann ich Ihnen sagen, weil der Filtererlass 4 bis 10 Prozent der großen Anlagen betroffen hat und nicht, wie in Thüringen, fast 90 Prozent der großen Anlagen. Deswegen ist es kein Problem. Und es gehört schon eine unverschämte Ignoranz dazu, bei einem für die Thüringer Landwirtschaft derartig wichtigen Thema dem Parlament einen Sofortbericht zu verweigern. Das muss man an der Stelle auch einmal festhalten.

(Beifall CDU)

Liebe Frau Siegesmund, ich glaube, Herr Möller hat einen großen Zettel, der kann ein bisschen was aufschreiben. Wir haben doch eigentlich gar keine schwierigen Fragen gestellt. Wir wollten lediglich das wissen, was man wissen sollte, bevor man eine Regelung auf den Weg bringt, wie Sie es vorhaben. Wir wollten lediglich wissen, ob Sie vorher abgeschätzt haben, welche Auswirkung Ihr Erlass auf die Tierhalter in Thüringen hat, und wir wollten wissen, wie die Landesregierung die wirtschaftliche Situation in der Schweine- und Geflügelhaltung derzeit einschätzt? Wir wollten wissen, wie sich die Tierbestände entwickelt haben und wir wollten wissen, welche Investitions- und Betriebskosten die Landesregierung infolge des nachträglichen Änderungsbedarfs aufgrund des Filtererlasses in wie vielen Schweinehaltungsanlagen erwartet? Nicht zuletzt wollten wir erfahren, welche konkreten Auswirkungen der Filtererlass auf die Wirtschaftlichkeit der Schweinehaltung in den betroffenen Betrieben hat und ob die Landesregierung diese Kosten als wirtschaftlich vertretbar und verhältnismäßig einschätzt. – Ganz einfache Fragen. Frau Ministerin, Herr Staatssekretär, die jüngsten Urteile zweier Verwaltungsgerichte aus NRW zeigen, dass die Verhältnismäßigkeit ein sehr wichtiger Bestandteil der Betrachtungsweise ist. Bereits zweimal wurde erfolgreich gegen den bestehenden Filtererlass in NRW genau aus dieser Verhältnismäßigkeit geklagt. Werte Kolleginnen und Kollegen, das Schlimmste ist nicht nur, dass diese Landesregierung uns im Parlament verweigert, die erfragten Fakten zu benennen, viel schlimmer ist doch, dass Frau Umweltministerin diese Fakten selbst offenbar nicht kennt. Und sollte sie die Fakten kennen, so ignoriert sie diese Fakten – Fakten, die für die Schweinehaltung in Thüringen existenzbedrohend sind. Ich finde es unerträglich, wie man mit solcher Ignoranz die Zukunft einer ganzen Branche aufs Spiel setzt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Eine erfolgreich entwickelte Agrargenossenschaft im Altenbur

ger Land wurde 2012 vom TLV in Erfurt besonders für ihre auf konventioneller Basis durchgeführte Schweinezucht gewürdigt. Hinzu kommt die jährliche bundes- und landesweite Prämierung für die hohe Qualität der produzierten Milch. Diese Agrargenossenschaft hält 3.000 Schweine, produziert mit 300 Kühen 3 Millionen Liter Milch im Jahr, unterhält eine eigene Biogasanlage und bewirtschaftet 1.000 Hektar Ackerfläche. Der aktuelle Milchpreis liegt 10 Cent unter dem erforderlichen Mindestherstellungspreis und ein Ferkel wird derzeit für 35 Euro verkauft. Das liegt auch 15 Euro unter dem Mindestpreis, um die Aufzuchtkosten zu decken. Dieses Unternehmen hat 2011 1,4 Millionen in den Ausbau der Anlage investiert und zudem 1 Million in eine dezentrale Anlage für Ab- und Zuluft, also beispielhaft gehandelt. Jetzt kommen Sie um die Ecke und zwingen diese Genossenschaft zu erneuter Investition, ohne zu berücksichtigen, was für wirtschaftliche Konsequenzen eine erneute Investition hat. Ich kann Ihnen das sagen: Betriebsaufgabe wegen unverantwortbarer, von der Landesregierung herbeigeführter Investitionskosten. Das ist das Ergebnis. Und wer die Thüringer Schweineproduzenten in ihrer derzeit dramatischen wirtschaftlichen Situation mit Verpflichtungen zum Einbau von Filteranlagen weiter belastet, riskiert mittelfristig Betriebsaufgaben und auch den Bestandsabbau. Dieser Filtererlass stellt den nächsten Frontalangriff auf die ohnehin stark geschwächte Schweineproduktion im Freistaat dar,

(Beifall CDU)

und das wider das Wissen davon, wie unsere Landwirte in den vergangenen Jahren in eine zeitgemäße Tierhaltung investiert haben – war es doch genau Frau Ministerin Siegesmund, welche in der Kleinen Anfrage vom 10.06.2014 nach den Förderungen von Investitionskosten in Stallanlagen gefragt hat. Da sie die Antwort scheinbar nicht mehr kennt und mit ihrem Übertritt in die Landesregierung sich sogar ihrer eigenen Erkenntnisse aus der Vergangenheit entledigt hat, möchte ich ihr dabei helfen: Von 2008 bis 2013 wurden in den Um- und Ausbau von Stallanlagen 200 Millionen Euro und in den Neubau 212 Millionen Euro investiert – Tierhaltung. Um es ganz deutlich zu machen: Hiervon wurden 120 Millionen Euro in die Verbesserung des Tierschutzes und der Tierhygiene investiert und 110 Millionen Euro in die Verbesserung der Umweltsituation. Weiterhin verkennen Sie die Problemstellungen vor Ort. Da wäre es sehr wünschenswert, wenn Sie sich einmal vor Ort begeben würden. Denn was soll der Landwirt machen, der durch die Statik seines Stalldaches gar nicht die Möglichkeit hat, Abluftanlagen zu installieren? Was soll der Landwirt machen, der sich an andere Verfahren zur Abluftreinigung durch Luftaustauschanlagen bedient hat? Alles Fragen, die in Ihrer ideologischen Traumwelt keine Berücksichtigung finden.

Ich möchte auch einen Kommentar zum gestrigen Entscheid des Verwaltungsgerichts Münster zitieren – gestern, übrigens ganz frisch. Der trifft nämlich den Nagel auf den Kopf. Da zitiere ich, wenn es genehm ist: „Es reicht doch nicht nur, grüner Minister zu sein, um jeden Blödsinn zu erlassen. Man sollte sich schon ein wenig in seinen Kompetenzen auskennen.“ – Punkt.

(Beifall CDU)

Da kann man nur sagen, auch wenn er nicht da ist, sondern beim Bundesrat: Herr Ministerpräsident, pfeifen Sie endlich Ihre übermotivierte Grünen-Ministerin zurück und halten Sie Ihre Versprechungen gegenüber der Landwirtschaft, denn die hat er abgegeben.

(Beifall CDU)

Lassen Sie Landwirtschaftspolitik durch die dafür zuständige Ministerin machen und unterbinden Sie endlich die Wilderei der Regierungsmitglieder, die ihre Ideologie über die Interessen Hunderter Betriebe und Tausender Landwirtfamilien stellen. Denn das ist nicht die Zielsetzung, die wir alle verfolgen können. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die aus der Filtereinbauverpflichtung resultierenden Investitions- und jährlichen Nachfolgekosten auf dem deutschen Markt über höhere Stückpreise kompensiert werden. Das haben wir vorhin schon ausreichend gehört. Aufgrund der Betroffenheit fast aller großen Schweinehaltungsstandorte werden daraus zwangsläufig Betriebsaufgaben resultieren, die zu einem weiteren Bestandsabbau in Thüringen führen werden.

Frau Scheringer-Wright, es handelt sich um über 80 Betriebe bei 100 großen Betrieben. Das ist schon eine erhebliche Zahl. Die sollten Sie, wenn man eine so große Debatte angeht, auch letztendlich kennen. Die Zerschlagung der Thüringer Schweineproduktion hat einen Namen, und das ist Anja Siegesmund. Das muss man eindeutig hier sagen. Eigentlich tut mir die Ministerin leid. Ganz am Anfang der Legislatur hat sie das Landwirtschaftsressort nicht bekommen – ich sage mal, Gott sei dank. Und dann wird gerade das Schlüsselprojekt Wassercent versenkt. Das hält die Umweltministerin aber nicht davon ab, die nächste Sau durchs Dorf zu treiben und unverantwortlich ist das obendrein.

(Beifall CDU)

In der OTZ im Übrigen war diese Woche ein schöner Satz zu lesen: „Siegesmunds Filtererlass, so viel scheint absehbar, geht einen ähnlich schweren Weg wie der Wassercent.“ – Ich kann nur hoffen, dass dieser Weg für den Filtererlass genau da hinführt, wo er für den Wassercent hinführen muss, nämlich in die gelbe Tonne.

(Beifall CDU)

Außer Zweifel steht doch, dass der Landtag einhellig feststellen könnte, dass die Thüringer Tierhalter im nationalen und internationalen Wettbewerb stehen und deshalb mit einer neuen immissionsschutzrechtlichen Regelung bundeseinheitlich vorgegangen werden muss – bundeseinheitlich, nicht landestypisch, dass die Tierhaltebetriebe hinsichtlich künftiger Investitionsentscheidungen Rechtsund Planungssicherheit brauchen und dass eine landesspezifische Regelung zur Verschärfung der Anforderungen des Immissionsschutzes durch einen Filtererlass die hiesigen Tierhalter erheblich benachteiligt. Nennen Sie mir einen Grund, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass Sie wenigstens diesen Feststellungen zustimmen. Sie werden sich stattdessen auch derart auf der Hand liegenden Fakten aus politischen Gründen verweigern. Dennoch fordere ich Sie auf: Heben Sie Ihre Hand und stoppen Sie mit uns gemeinsam diesen landwirtschaftsvernichtenden Filtererlass!

(Beifall CDU)

Die Landesregierung muss sich stattdessen – und jetzt komme ich auf Sie, Frau Becker, deswegen müssten Sie eigentlich zustimmen – auf Bundesebene bei der Novellierung der technischen Anleitungen zur Reinhaltung der Luft für Regelungen einsetzen, die eine Benachteiligung der Thüringer Tierhalter vermeiden. Ministerin Siegesmund lässt bei ihrem erneuten Vorpreschen zum Schaden der Thüringer Landwirte völlig außer Acht, dass auf Bundesebene eben jene Vorschrift überarbeitet wird, die alle Tierhalter bundeseinheitlich in die Pflicht nimmt.

Gestern noch, zur Überprüfung des Abgeordnetengesetzes, haben Sie nichts Besseres zu tun gehabt, auf Bundesebene zu schauen, ob denn da was entschieden wird und wie es da weitergeht. Und hier wissen Sie ganz genau, dass etwas auf Bundesebene geregelt werden soll, und Sie verweigern sich dem und wollen einen eigenen Filtererlass machen. Das kann nicht sein.

(Beifall CDU)

Weil Sie es angesprochen haben, ökologisch – Betriebe. Ich weiß nicht, wer von Ihnen am Montagabend „Fakt“ gesehen hat. Das war eine sehr interessante Berichterstattung. Ein großer ökologischer Betrieb mit drei Filialen und die Reportage von „Fakt“ hat nachgefragt, wie es denn in diesen Filialen aussieht, hat gefragt, ob dort Antibiotikaeinsatz bei den Schweinen vorher stattgefunden hat. Die Verkäuferinnen haben gesagt: Nein, um Gottes willen, alles ökologisch, keine Antibiotika. Danach ist man zu dem Hof gefahren, hat die Unterlagen rausgenommen und hat deutlich festgestellt, dass auch dort Antibiotika eingesetzt worden sind. Aber natürlich, aber nach draußen wird immer proklamiert, dass es diesen Einsatz zum Beispiel nicht gibt.

Wissen Sie, was man festgestellt hat, nachdem man auch das Fleisch untersucht hat: sechsmal höhere Krankheitsverläufe innerhalb der Lebenszeit dieses Schweins als bei der normalen Schweinezucht. Das kann es doch nicht sein, dass wir uns hier hinstellen und sagen auf der eine Seite – und das ist auch bei der auswärtigen Ausschusssitzung herausgekommen –, die ökologischen Betrieb können gar nicht diese Mengen auffangen, die in Thüringen verbraucht werden, es sind so schon nur 75 Prozent, die wir allein decken können. Da kann es auch nicht sein, dass wir es so weit treiben, dass wir große Betriebe so weit in die Knie zwingen, dass sie die Hälfte abbauen, um dann wieder festzustellen, dass wir an anderer Stelle was aufbauen müssen. Das ist unverantwortlich und das werden wir auch nicht unterstützen. Ich kann Sie nur auffordern: Unterstützen Sie unseren Antrag, dass wir das auch letztendlich im Ausschuss beraten können, da, wo es auch hingehört.

Eins bleibt wirklich zu sagen: Die grüne Ministerin sollte bei ihren Vorstößen bedenken, dass es immer die anderen Ressorts betrifft und deswegen sollten wir es zukünftig auch dort in den Ressorts behandeln. Es gibt einen Ministerpräsidenten, der darauf aufpassen kann. Das schafft er ja bei anderen Ministern auch. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Kobelt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Thüringen ist ein Land der Schweine und des Geflügels.

(Heiterkeit im Hause)

In Thüringen leben über 800.000 Schweine und 3 Millionen Stück Geflügel unter uns. Das ist statistisch gesehen gar nicht so schlimm, denn das ist pro Haushalt circa ein Schwein und vier Federtiere. Zum Beispiel bei meinen Großeltern haben die Tiere im Anbau gelebt, die wurden dort geschlachtet. Es ist also an sich ein Maß, was in der Größenordnung im ländlichen Raum auch handhabbar ist. Aber wir haben ein Problem, dass es zum Beispiel in Thüringen Orte gibt, in denen 200 Menschen leben. Sie leben dann in der Nachbarschaft mit 200.000 Geflügeleinheiten, wie es so schön heißt, oder mit 5.000 Schweinen. Diese Menschen verdienen es auch, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen, dass wir uns um ihre Sorgen kümmern.

Nehmen Sie auch bitte zur Kenntnis, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Diese Menschen

sind von Emissionen, Staub, Ammoniak, Luftverschmutzung mit Pilzen, Bakterien, Viren – kurz gesagt: von Dreck und Gestank – betroffen. 95 Prozent der Ammoniakbelastung kommen aus der Landwirtschaft. Diese Emissionen stellen auch für die Bewohnerinnen und Bewohner in der Nachbarschaft eine gesundheitliche Belastung dar. Jetzt müsste es doch die Aufgabe der Politik sein zu sagen: Wir kümmern uns um diese Sorgen und Probleme und wir unterstützen die Menschen dabei. Die Menschen haben nämlich immer mehr – und das zeigen sie auch in Bürgerinitiativen – von neuen, großen Massentierhaltungsanlagen die Nase voll.

Möchten Sie denn neben einem Stall leben, der Schweine oder Geflügel in solchen Größenordnungen hält, und dann auch noch von den Ausdünstungen belästigt werden?

Wenn wir diese Probleme gemeinsam lösen würden, dann wäre es auch – und daran müsste auch die CDU Interesse haben – die Stärkung des ländlichen Raums als Wohnstandort und als Ort der Erholung. Aber davon ist leider von der CDU im Landwirtschafts- und Umweltbereich nichts zu spüren. Im Gegenteil, auf äußerst ignorante Art und Weise hat Ihr ehemaliger Landwirtschaftsminister gesagt: Wen es stinkt in der Nähe von großen Anlagen, der kann doch in die Karibik gehen, der muss hier nicht in unserem Thüringen bleiben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht nur Ignoranz, das ist Lobbypolitik vom Feinsten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Über welche Anlagen reden wir denn eigentlich? Es ist gerade nicht so, Herr Malsch, dass wir über bestehende mittlere Anlagen reden, die jetzt belastet werden. Im Filtererlass steht nämlich drin – wenn Sie sich den mal angeschaut haben und nicht nur an Ihrer Propagandarede geschrieben haben –, dass dort individuelle Lösungen gefunden werden und dass die gerade nicht unter diese pauschalen Lösungen fallen. Diese gelten allerdings für große Anlagen – das ist richtig –, die neu gebaut werden oder die in Größenordnungen erweitert werden. Die fallen dann unter das sogenannte Bundes-Immissionsschutzgesetz und diese sollen auch mit Filtern ausgestattet werden.

Dass man sich mal eine Vorstellung machen kann, was „große Anlage“ überhaupt heißt: Das betrifft dann 2.000 Anlagen mit mehr als 2.000 Mastschweinen oder 750 Sauen oder 6.000 Ferkeln und – hören Sie genau hin – auch mehr als 30.000 Hähnchen. Und wenn Sie jetzt sagen, dass die Grünen die Bauern, die ländliche, bäuerliche Landwirtschaft kaputt machen, da muss ich Ihnen sagen: Betriebe, die 200.000 Hähnchen auf engstem Raum halten, dafür zwei Arbeitsplätze schaffen