Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Was steht denn zum Bespiel im Landtagswahlprogramm der Linken von 2014 auf Seite 3 – ich zitiere –: „Wir wollen eine funktionsfähige kommunale Selbstverwaltung wiederherstellen. Die Thüringer Kommunen benötigen eine bedarfsgerechte Finanzausstattung. Wir setzen uns für die Erhöhung der Mittel im kommunalen Finanzausgleich ein. Im Rahmen einer Funktional- und Verwaltungsreform plädieren wir für eine bürgernahe zweistufige Verwaltung.“ Was nun? Was wurde denn gemacht? Genau das Gegenteil wurde gemacht! Sie haben verfügbare Mittel für die Kommunen reduziert, von Bürgernähe keine Spur, denn im Koalitionsvertrag heißt es eben, Sie wollen eine Bündelung in größeren Zentren machen. Da ist nichts von Bürgernähe! Und nun kommt noch die Gebietsreform, denn von der ist im Wahlprogramm nichts zu lesen. – Sie schütteln mit dem Kopf. – Da steht nichts drin. Das ist Betrug am Wähler, würde ich sagen, liebe Damen und Herren!

(Beifall AfD)

Herr Blechschmidt, Sie müssen sich jetzt an Ihren eigenen Worten messen lassen! Wenn wir nach den Ursachen für die wachsende Politikverdrossenheit hier im Lande suchen, finden wir sie leider genau hier in diesem Haus. Die Linke stellt sich in diesem Haus bewusst gegen die Vereinfachung des Volksentscheids. Damit versteckt sie sich hinter den hohen Hürden, um sich nicht dem Votum des Volkes stellen zu müssen.

(Beifall AfD)

Sie lehnen das ab, was Sie dem Volk 25 Jahre lang versprochen haben. Rot-Rot-Grün hat bisher jegliche Mitwirkung an Gesetzentwürfen und Anträgen zur Stärkung der gelebten Demokratie abgelehnt. Jedes Mal rechtfertigen Sie es einfach nur mit einer Mitgliedschaft im Verein Mehr Demokratie e. V. Aber das reicht nicht. Sie müssen jetzt handeln und Taten folgen lassen, aber Sie blockieren die demokratische Fortentwicklung der Politik in Thüringen. Ganz anders sieht das natürlich aus, wenn man die eigenen Pfründe sichern muss. Da wird so eine Verfassungsänderung ganz schnell mal eingeleitet. Wenn die Wahl des Ministerpräsidenten gesichert werden soll, da geht die Änderung der Verfassung schnell. Wenn es aber um das Wohl des Volkes geht, sieht man ganz schnell von dieser Veränderung ab.

Diese Debatte steht deswegen geradezu exemplarisch für all die Dinge, die die Bürger in die Verdrossenheit treiben. Herr Minister Poppenhäger führt aus, eine Volksabstimmung über eine Gebietsreform wäre nicht in der Verfassung festgeschrieben. Herr Minister Poppenhäger, wir führen eine Debatte über eine Verfassungsänderung und Sie führen aus, dass der Gegenstand der Änderung nicht in

der Verfassung verankert wäre. Was für ein Klamauk, kann man in dem Fall nur sagen. Deswegen beantragen wir doch eine Verfassungsänderung. Sie machen es sich zu leicht und Sie nehmen den Bürger damit nicht ernst. Sie sind Gesetzgeber. Der Gesetzgeber kann sich der Debatte nicht dadurch entziehen, dass er auf die bestehende Gesetzeslage verweist, denn er ist darauf angewiesen, dass die Gesetzeslage an die Notwendigkeiten anzupassen ist. Mit dieser Argumentation sorgt die Landesregierung für weitere Verdrossenheit in diesem Land. Mit der Möglichkeit, die Gebietsreform mit einer Volksabstimmung zu legitimieren, wird auf eine Verschränkung der direkten und der parlamentarischen Demokratie hingewirkt. Es ist deswegen auch falsch, was Sie dazu in der letzten Plenarsitzung gesagt haben. Die zweipolige Gesetzgebung ist sehr wohl möglich und sie findet sich auch bereits in der Verfassung wieder. Wenn etwa ein Gesetzentwurf erfolgreich über ein Volksbegehren in den Landtag gelangt, dann kann das Parlament darüber abstimmen. Auch in diesem Verfahren wirken das Volk und das Parlament zusammen an der Gesetzgebung mit. Es verschließt sich jedem Beobachter, warum das nicht andersherum möglich sein soll.

(Beifall AfD)

In Bayern muss jede Verfassungsänderung dem Volk vorgelegt werden. Warum geht das nicht hier in Thüringen? Erst wenn das Volk über den Gesetzentwurf zur Gebietsreform abstimmt, findet ein demokratisches Verfahren statt, das den besonderen Anforderungen der Gebietsreform gerecht wird. Die Ansichten über Demokratie haben sich längst verändert. Die Bürger wünschen sich mehr Mitbestimmung. Obwohl sich nur 8 Prozent der Thüringer als unpolitisch bezeichnen, geht die demokratische Basis des Freistaats mehr und mehr verloren. Gleichwohl glauben 50 Prozent der Bevölkerung, mit einem stärkeren direkten Einfluss der Bürger an politischen Entscheidungen könnte die Wahlbeteiligung wieder steigen. Es ist eine überholte Ansicht, wenn man als Abgeordneter denkt, man dürfe die Geschicke des Landes nur alleine lenken. Es ist an der Zeit, dem Volk mehr Mitbestimmung einzuräumen, so wie es auch die AfD schon seit Langem will. Schauen Sie ins Grundgesetz, Artikel 20 – da brauchen Sie nicht lachen, Herr Blechschmidt –, schauen Sie mal in das Grundgesetz, Artikel 20: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

(Beifall AfD)

Es kommt der Punkt, dass weniger als 50 Prozent der Menschen wählen gehen. Dann bestimmt die Minderheit über die Mehrheit. Das gilt es zu verhin

dern. Und jeder, der das auch möchte, sollte diesem Gesetzentwurf deswegen jetzt zustimmen. Ich bitte um Überweisung an den Ausschuss für Justiz und Verbraucherschutz. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Marx das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist ja schön, dass Sie von der AfD sich mal Gedanken gemacht haben über die parlamentarische Demokratie und das Wechselspiel von Volksabstimmungen mit parlamentarischen Entscheidungen, nur das, was Sie die ganze Zeit erzählen, haben Sie doch gar nicht beantragt und das haben wir Ihnen das letzte Mal schon gesagt. Dieser Entwurf ist lächerlich, den Sie da gemacht haben. Sie wollen an Artikel 92 der Landesverfassung den Satz anfügen: „Maßnahmen zur Neugliederung des Landesgebietes ergehen durch Landesgesetz, das der Bestätigung durch einen Volksentscheid bedarf.“ Was wir hier in Thüringen gerade machen wollen, nämlich die Gebiets- und Verwaltungsreform, ist aber keine Neugliederung des Landesgebiets, sondern eine Neugliederung der Gebietskörperschaften. Der Fehler kommt daher, weil Sie aus dem Bundesgesetz einfach dumm abgeschrieben haben, das haben wir Ihnen das letzte Mal schon erzählt. Die Neugliederung des Landesgebiets würde den Fall betreffen, dass etwa das Eichsfeld nach Niedersachsen kommt oder Altenburg nach Sachsen-Anhalt oder Südthüringen nach Franken und dann können Sie meinetwegen auch eine Volksabstimmung vorsehen, aber das hat mit der Gebietsund Verwaltungsreform, über die wir hier diskutieren, nicht die Bohne zu tun. Das haben wir Ihnen das letzte Mal schon gesagt. Sie haben das überhaupt nicht begriffen und auch nicht berücksichtigt. Vielleicht kommt das ja daher, dass Sie der parlamentarischen Arbeit immer gern mal fernbleiben. Schön, dass Sie jetzt gerade mal wieder zufällig in einer größeren Zahl anwesend sind und sich nicht schon alle in der Maske für Ihren nachher stattfindenden Straßenkampf befinden. Weil er so unsinnig ist, können wir diesem Antrag natürlich auch keine Folge leisten.

(Zwischenruf Abg. Kießling. AfD: Ausschuss- überweisung wollen Sie nicht?)

Wir haben Ihnen das letzte Mal schon gesagt, dass da Blödsinn drinsteht. Es hat Sie nicht interessiert und Blödsinn wird hier nicht verabschiedet, weil der auch politisch nicht sinnfällig werden kann. Damit erledigt sich Ihr Antrag. Machen Sie nächstens Ihre

Hausaufgaben, auch hier im Parlament, und formulieren Sie etwas, was Ihren eigenen Ansprüchen sprachlich und juristisch mindestens etwas näherkommt als das hier, denn kein Mensch will hier das Landesgebiet anders gliedern. Das Eichsfeld kann da bleiben und Altenburg auch, jedenfalls vorerst haben wir da nichts in der Richtung geplant. Machen Sie doch einfach mal Ihre Hausaufgaben und salbadern Sie hier nicht herum. Tschüss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Scherer, Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, also selbst wenn Ihr Antrag richtig formuliert wäre, bräuchten Sie sich nicht zu wundern, meine Damen und Herren von der AfD, wenn die CDU den Antrag ablehnt. Das ist deshalb nicht verwunderlich, weil wir immer noch eine parlamentarische Demokratie haben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Weil Sie das ja immer so machen!)

Was Sie hier eigentlich wollen, hat mit parlamentarischer Demokratie zunächst nicht viel zu tun, weil sich der Thüringer Verfassungsgeber aus gutem Grund nicht für eine Volksdemokratie nach kommunistischem oder vielleicht nach Ihrem Muster entschieden hat, sondern die politischen Entscheidungen einem Parlament übertragen hat. Das betrachte ich immer noch als das unseren Staat tragende Demokratieprinzip. Natürlich besteht nach unserer Verfassung die Möglichkeit, dass es gegen gesetzliche Entscheidungen auch Initiativen aus der Bevölkerung heraus gibt, die meinen, eine bessere Lösung zu haben, als es das Parlament als Vertreter des Volkes für richtig hält. Das ist in Artikel 45 der Thüringer Verfassung ausdrücklich vorgesehen. Vorhin haben Sie es schon annähernd zitiert: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Es verwirklicht seinen Willen durch Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheid.“ Aber es gibt auch noch den Artikel 48 der Thüringer Verfassung und da steht: „Der Landtag ist das vom Volk gewählte oberste Organ der demokratischen Willensbildung.“ Das soll in unseren Augen auch so bleiben. Es mag zwar verführerisch sein, es im konkreten Fall gut zu finden, wenn man dem Gesetzgeber von vornherein einen Maulkorb umhängt, weil man dem konkreten Gesetz vielleicht ablehnend gegenüber steht – so wie wir eigentlich auch –, aber es ist falsch, so zu denken, auch wenn man im konkreten Fall darin die Möglichkeit sieht, ein Gesetz zu verhindern. Es ist absolut falsch, das Prinzip der parlamentarischen

(Abg. Kießling)

Demokratie dann aufgeben zu wollen, wenn man meint, im Parlament keine Mehrheit für seine eigene Meinung zu finden. Natürlich ist die CDU-Fraktion gegen die Art und Weise, wie die Regierungskoalition im Schnellverfahren mit einer Scheinbeteiligung der Bürger versucht eine Gebietsreform durchzudrücken. Früher konnte man von den jetzigen Regierungsfraktionen immer den Vorwurf der Arroganz der Macht hören und bei dem bisherigen Verfahren zur Gebietsreform haben wir – glaube ich – ein Paradebeispiel dafür.

(Beifall CDU)

Dennoch rechtfertigt dies nicht, vom Grundprinzip der parlamentarischen Demokratie abzuweichen. Die heutige Gesetzesvorlage zeigt einmal wieder deutlich, dass sich Rechtsextremismus und Linksextremismus nicht unterscheiden. Beide haben die Schwächung der parlamentarischen Demokratie zum Ziel,

(Beifall CDU, AfD)

verbrämt mit dem Mäntelchen, dass ja schließlich das Volk direkt entscheide. Die CDU-Fraktion wird sich dazu nicht hergeben und dem Gesetz nicht zustimmen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Genau, völlig richtig!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie sind ja Parlamentsextremist, Herr Scherer!)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich habe auch keine Wortmeldungen der Landesregierung.

Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beantragt. Wer der Ausschussüberweisung die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aller anderen Fraktionen und Abgeordneten des Hauses. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Alle gegen di- rekte Demokratie!)

Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die dritte Beratung des Gesetzentwurfs. Gibt es Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Brandner.

Meine Damen und Herren, Sie hätten sich meine Wortmeldung ersparen können, wenn Sie hier nicht die zweite und dritte Lesung durchgeprügelt hätten, dann hätten wir das heute gar nicht mehr hinbekommen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abstimmungen sind eine demokratische Angelegenheit, aber die ist Ih- nen ja fremd!)

Sie haben das gemacht in der bekannten Altparteienphalanx: Alle gegen die AfD und alle gegen mehr Demokratie. Vielen Dank im Namen des Thüringer Volkes an Ihre Abstimmung, die Sie hier gerade abgegeben haben!

(Beifall AfD)

Ich muss Ihnen sagen, Frau Marx, geradezu geadelt haben unseren Antrag Ihre rabulistischen Ausführungen. Wenn Ihnen zu unserem vernünftigen Antrag nichts anderes einfällt, als das kleinste Härchen in der dicksten Erbsensuppe zu suchen

(Beifall AfD)

und darauf rumzureiten und ein bisschen rumzuquietschen und so zu tun, als wenn Sie den Antrag nicht verstehen, dann, muss ich sagen, war unser Antrag goldrichtig.

(Beifall AfD)

Dann finden Sie nämlich gar nichts, was es inhaltlich dagegen auszusetzen geben könnte. Gar nichts!

Wenn ich mir mal die Stärke der Parteien angucke, muss ich sagen: Das sieht fast so aus wie demnächst in Sachsen-Anhalt, oder? Doppelt so viele AfDler wie SPDler im Raum. An diesen Eindruck müssen Sie sich demnächst gewöhnen.

(Beifall AfD)

Herr Scherer, auch Sie sollen nicht ungeschoren davonkommen. Ihre Ausführungen waren inkonsequent, muss ich Ihnen sagen. Warum fordern Sie dann nicht die Abschaffung von Volksbegehren und Volksabstimmungen? Warum fordern Sie dann nicht den Ausschluss beispielsweise der Schweiz aus der UNO, weil die das Volk ganz undemokratisch abstimmen lässt. Da müssen Sie schon zu Ende denken und den – ich muss das mal ganz deutlich sagen – Unsinn, den Sie hier verbreitet haben, dann auch konsequent umsetzen. Versuchen Sie es doch mal mit Anträgen, schaffen Sie die Volksbegehren ab, versuchen Sie, die Volksabstimmung abzuschaffen. Dann diskutieren wir darüber und sehen mal, was da an Substanz hinter Ihren Äußerungen war.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, Sie haben noch eine Möglichkeit, hier gleich etwas für die Thüringer Demokratie zu tun, nämlich bei der nächsten Abstimmung. Im Namen großer Teile des Thüringer Volks und der Betroffenen der sich anbahnenden Gebietsreform