Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Nach dem Gesetz muss es ein Grundstückseigentümer künftig hinnehmen, dass ein Nachbar ein auf oder an der Grenze

(Unruhe DIE LINKE)

sollen wir kurz tauschen, Herr Blechschmidt?

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Können Sie das noch mal wiederholen, was Sie gesagt haben?)

Liebe Kollegen!

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Er soll noch mal „Nationalsozialisten“ wieder- holen!)

(Unruhe DIE LINKE)

Alles? Nein, ich wiederhole das gern noch mal für Sie.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Damit kennt sich ja die nationale Sozialistentruppe der Linken gut aus. Das hatte ich gesagt, ja.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Jetzt wiederholen Sie es noch einmal – Sie spin- nen wohl oder was?)

Sind Sie nicht national, sind Sie international oder was? Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.

Jetzt bitte ich Sie alle, sich zu beruhigen. Herr Brandner, ich würde Sie auch bitten, den Vorwurf der Nationalsozialisten...

Ich habe nicht „Nationalsozialisten“ gesagt. Ich habe „nationale Sozialistentruppe“ gesagt. Damit kennen Sie sich gut aus.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Geistloses Wortspiel!)

Dass Sie sich darüber so aufregen, Herr Blechschmidt! Wenn das so neben der Sache ist, dann halten Sie doch einfach die Klappe und genießen Sie es. Oder?

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Also: Nach dem Gesetz muss es ein Grundstückseigentümer künftig hinnehmen, dass ein Nachbar, ein an oder auf der Grenze stehendes Grundstück – jetzt kommen wir wieder zum Thema zurück – mit einer Außendämmung versieht, und zwar so, dass er die Außendämmung in das fremde Grundstück hineinbaut und damit natürlich die dortige Nutzung erheblich beeinträchtigt oder unmöglich macht. Erlaubt sein soll eine Außendämmung von 25 Zentimetern – das wurde schon gesagt –, was auf einige Meter Breite natürlich auch einige Quadratmeter ausmacht, die man dem Nachbarn nun einfach so wegnehmen kann. Angeblich sei dieser enteignende Eingriff notwendig, da die bisherige Regelung einen solchen Duldungszwang nicht kenne, was die Anpassung von Bestandsgebäuden an den Stand

der Dämmungstechnik erschwere. Die rot-rot-grüne Unlogik geht dann so weiter. Ohne Enteignungen – ich erwähnte schon, dass Sie sich da sehr gut auskennen – wird die Verbesserung der Energieeffizienz bei Bestandsgebäuden sogar verhindert. Nächster Schritt: Das erschwert die Energiewende und das – nächster Schritt – führt zum Weltuntergang.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf scheint vor diesem Hintergrund angemessen, aber auch nur vor diesem Hintergrund. Es finden sich im Gesetzentwurf einige Regelungen über Grenzabstände und von Bepflanzungen und Regelungen, die eigentlich zustimmungsfähig sind. Herr Kollege Scherer hat dazu gerade schon einige wertvolle Rechenoperationen angestellt, ich brauche dazu nichts zu sagen. Dagegen hätten wir keine Einwände. Ganz massive Einwände haben wir allerdings gegen den Duldungszwang, also die Enteignungen, die sich hier anbahnen und die zugunsten der sogenannten Energiewende, also einer mehr als fragwürdigen Politik, durchgeführt werden sollen.

Wir sehen das Ganze als ungerechtfertigten Eingriff in die Rechte von Grundstückseigentümern, als Eingriff in die Privatautonomie und lehnen es daher ganz klar und eindeutig ab.

(Beifall AfD)

Neben den grundsätzlichen Einwänden sind aber auch nach wie vor rechtstechnische und handwerkliche Mängel in diesem zusammengeschusterten Gesetzentwurf. Ich hatte bereits im Dezember-Plenum darauf hingewiesen und gehofft, im Ausschuss würde darauf eingegangen, aber das ist leider mit Ihren Mehrheiten nicht geschehen. So bleibt nach wie vor unklar, ob sich die Duldungspflicht auch auf Dämmmaßnahmen bei Kellergeschossen erstreckt, also dass man auch das Nachbargrundstück sozusagen ausheben kann. Auch die starre Festlegung auf 25 Zentimeter Überbautiefe ist von der Zielsetzung des Gesetzes her betrachtet problematisch. Sie erlaubt es nämlich nicht, bau- und dämmungstechnische Sonderfälle flexibel zu handhaben und Dämmmaterialien aus ökologischen Baustoffen, wie zum Beispiel Hanf – ich war ganz überrascht, ich dachte, das rauchen Sie nur, das kann man scheinbar auch zur Dämmung benutzen –, würden dadurch tendenziell benachteiligt, weil sie für die gleiche Wärmedämmwirkung mehr Raum benötigen als konventionelle, also chemische. Da sollte mehr Flexibilität gezeigt werden – geht aber nicht. Bei der starren Festlegung auf maximal 25 Zentimeter werden diese Dämmstoffe, also diese ökologischen Dämmstoffe, ausgeschlossen, zumal auch noch andere Bauteile die Dämmung behindern können. Beispielsweise wenn noch ein Fallrohr drauf kommt, dann können Sie gar nicht mehr dämmen.

Meine Damen und Herren, es ist auch zu befürchten, dass die zu duldenden Überbaumöglichkeiten zu unangemessenen Verengungen von Grundstückszufahrten führen, das hat Herr Scherer auch schon angesprochen.

Völlig außer Acht gelassen wird schließlich auch die technische Entwicklung von Materialien, die es immer einfacher machen, eine Innendämmung durchzuführen. Aber wer sollte zu Lasten seiner Wohnfläche bei so einem Gesetz, was heute hier verabschiedet werden soll, eine Innendämmung durchführen, wenn es doch viel einfacher ist, dem Nachbarn das Grundstück wegzunehmen? Die Möglichkeit der Innendämmung nehmen Sie hier ganz weg, lassen Sie außer Acht. Das Problem liegt auf der Hand, die Reaktion bei Rot-Rot-Grün: Null.

Meine Damen und Herren, bereits diese wenigen Punkte zeigen die erstaunlichen handwerklichen Mängel, die – trotz der Zeit, die das Gesetzgebungsverfahren nun schon dauert – nicht ausgeräumt wurden. Sie lassen uns befürchten, dass es nicht zu einer Befriedung der nachbarrechtlichen Beziehungen kommt, sondern dass es zu mehr Nachbarschaftskonflikten führt. Entscheidend ist für uns aber der Eingriff in die Privatautonomie, in die Eigentumsrechte, der durchgeführt werden soll. Das machen wir nicht mit. Das ist der Geist der Bevormundung, der von den Roten, vor allem von den Knallroten, und von den Grünen so gefordert ist, den Sie immer nach außen kehren, der Geist der Bevormundung, der für Ihr System systemrelevant ist, für unser System hingegen nicht.

(Beifall AfD)

Kurz und gut, die AfD-Fraktion hält es anders. Sie steht zu den Prinzipen der Freiheit und des Rechts. Wir lehnen die Energiewende, die alles Mögliche rechtfertigen soll, genauso ab wie tiefgreifende Eingriffe in Eigentumsrechte und die Privatautonomie und sagen deshalb ganz klar Nein zur Änderung des Nachbarschaftsrechts und zu der Beschlussempfehlung des Justizausschusses. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung hat Frau Staatssekretärin Albin das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte Sie heute um Zustimmung zu einem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Thüringer Nachbar

(Abg. Brandner)

rechtsgesetzes. Der Gesetzentwurf wurde im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz intensiv beraten. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Ausschussmitgliedern für die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken.

Besonders wichtig ist mir der Kern des Gesetzes, der heute auch schon im Fokus der Debatte stand, nämlich die Einführung einer privatrechtlichen Duldungspflicht für den Überbau durch Wärmedämmung. Ich freue mich natürlich, dass auch die CDU diesen Ansatz als einen sehr guten bezeichnet hat. In Thüringen ist ein Hauseigentümer derzeit ohne die Zustimmung des Nachbarn daran gehindert, seine an der Grundstücksgrenze stehende Gebäudewand nachträglich durch eine Außenisolierung zu dämmen und auf diese Weise an den Stand der Technik anzupassen. Die aufgebrachte Außendämmung ragt zwangsläufig in das Nachbargrundstück hinein und könnte aufgrund des beeinträchtigenden Eigentumsrechts oder einer anderen Nutzungsberechtigung abgewehrt werden. Dem Eigentümer des Grundstücks verbleibt lediglich die Möglichkeit, eine Vereinbarung mit der benachbarten Person zu schließen, die ihm das Anbringen einer Wärmedämmung über die Grundstücksgrenze hinaus gestattet. Wird die Zustimmung verweigert, können entsprechende Sanierungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden, auch wenn das Nachbargrundstück nur geringfügig beeinträchtigt wäre. Dies erschwert die Anpassung von Bestandsbauten an den heutigen Stand der Technik einerseits und verhindert die Verbesserung der Energieeffizienz bei Bestandsgebäuden, die einen wesentlichen Bestandteil der Energiewende darstellt, andererseits. Die Anbringung einer Wärmedämmung bei bestehenden Gebäuden soll deshalb erleichtert und somit sollen entsprechende Nachbarstreitigkeiten vermieden werden. Ein durch den Überbau betroffener Nachbar muss diesen künftig dulden, wenn die Dämmung nicht auf andere Weise vorgenommen werden kann, zum Beispiel als Innendämmung, Herr Brandner, und wenn sein Grundstück durch den Überbau nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Konkretisiert wird sodann, Herr Scherer, was insbesondere eine wesentliche Beeinträchtigung ist, nämlich der Überbau von mehr als 25 Zentimetern, nicht aber, was eine unwesentliche Beeinträchtigung ist. Inwiefern diese Konkretisierung den Grundrechtseingriff beim duldenden Nachbarn verschärfen soll, vermag ich daher nicht zu erkennen. Sie begrenzt ihn vielmehr in einer vorhersehbaren Weise. Im Gegenzug erhält der Nachbar einen finanziellen Ausgleichsanspruch zusammen mit einem Beseitigungsanspruch, wenn der Überbau zu einem späteren Zeitpunkt die Nutzung des überbauten Grundstücks wesentlich erschwert. Damit können wir einerseits einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und tragen andererseits den verfassungsrechtlich verbürgten Rechten des Eigentümers Rechnung. Gleichzeitig lösen wir ein nachbar

rechtliches Problem, was in der nachbarrechtlichen Praxis bereits häufig eine Rolle gespielt hat. Die Duldungspflicht für Wärmedämmung wurde vom Amtsgericht Weimar, vom Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e. V., von der Architektenkammer Thüringen und auch im Rahmen einer Petition aus dem Jahr 2011 angeregt. Auch der Umstand, dass Duldungspflichten für Überbau wegen Wärmedämmung in den letzten fünf Jahren von acht Bundesländern geregelt wurden, zeigt die hohe praktische Relevanz für eine solche Regelung. Daneben soll das Verhältnis des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes zu Bestimmungen im Thüringer Straßengesetz und in der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen klargestellt werden. Schließlich soll das Gesetz und zwischenzeitlich vorgenommene Änderungen im Thüringer Waldgesetz und dem Bundesnaturschutzgesetz in der jeweils geltenden Fassung angepasst werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Änderungsgesetz wollen wir einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass private Hauseigentümer ihre Wände nachträglich dämmen können, auch wenn sich diese unmittelbar auf der Grundstücksgrenze befinden. Gleichzeitig führen wir ein nachbarrechtliches Problem einer für alle Seiten befriedigenden Lösung zu. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zum Gesetz. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich möchte Sie, bevor wir zur Abstimmung kommen, noch einmal bitten, wir haben jetzt eine ganze Reihe von schönen Debatten heute hier im Haus gehabt. Wir haben uns da wenig geschenkt, ich möchte alle Fraktionäre aus allen Fraktionen noch einmal bitten, sich etwas zu mäßigen. Wir sollten nicht permanent versuchen, uns mit gegenseitigen Beschimpfungen zu überbieten, ganz gleich, ob die einen als „Nationalpopulisten“, die nächsten als „Rassisten“,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir haben überhaupt nichts gemacht!)

die Übernächsten als „nationale Sozialisten“ in eine Nähe gerückt werden, wo sie gar nicht stehen. Also ich würde da einfach um Mäßigung bitten.

Ich schließe jetzt die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in der Drucksache 6/1659. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen und der Abgeordneten Krumpe und Helmerich. Gegenstimmen? Aus der CDU-Fraktion, aus der AfD

(Staatssekretärin Dr. Albin)

Fraktion. Enthaltungen? 1 Enthaltung von Herrn Abgeordneten Gentele. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Jetzt stimmen wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 6/1173 in der zweiten Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung der Beschlussempfehlung in Drucksache 6/1659 ab. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen plus die beiden fraktionslosen Abgeordneten und Herrn Höcke. Nein? Sie haben Ihren Finger gehoben. Ich dachte, Sie hätten zugestimmt. Gut. Gegenstimmen? Aus der CDU-Fraktion, aus der AfD-Fraktion. Danke schön. Damit ist der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung angenommen.

Wir kommen damit zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Ich bitte, sich von den Plätzen

zu erheben, wer für diesen Gesetzentwurf ist. Danke schön. Die Koalitionsfraktionen und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Gegenstimmen? CDU-Fraktion und AfD-Fraktion. Enthaltungen? Bei 1 Enthaltung ist damit dieser Gesetzentwurf angenommen.

Damit schließen wir diesen Tagesordnungspunkt und die heutige Sitzung. Gegen 19.00 Uhr ist dann der parlamentarische Abend. Ich freue mich, wenn ich den einen oder anderen dort begrüßen darf. Herzlichen Dank.

Ende: 18.22 Uhr