Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Es hat sich ja inzwischen bundesweit herumgesprochen, dass Thüringen seit dem Jahr 2014 das einzige Bundesland ist, welches mit Ausnahme von so

(Minister Dr. Poppenhäger)

genannten begründeten Einzelfällen auf den Einsatz von V-Leuten komplett verzichtet und seither im sicherheitspolitischen Blindflug agiert.

(Beifall CDU)

Nachdem Herr Minister Poppenhäger Anfang Dezember 2015 mit Herrn Kramer eine geeignete Person für das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten gefunden hatte, stellte dieser nicht nur sehr schnell, sondern auch völlig zu Recht fest, dass ein Amt ohne den Einsatz von V-Leuten nicht mehr an Informationen aus den Kernbereichen der rechtsextremen Szene gelangt. Eine Erkenntnis, die übrigens im Einklang mit allen führenden deutschen und internationalen Sicherheitsexperten steht, die den Einsatz von V-Leuten als eines der wichtigsten nachrichtendienstlichen Instrumente ansehen. Nun hat Herr Kramer vor einigen Wochen eine realistische Einschätzung der extremistischen Lage in Thüringen medial verkündet und die für ihn daraus resultierenden möglichen Konsequenzen aufgezeigt. Da brach aus dem rot-rot-grünen Lager nicht nur ein Sturm der Entrüstung, sondern auch eine fachliche Diskreditierung seiner Person los, die ihresgleichen sucht.

Erlauben Sie mir, Ihnen eine kleine Auswahl der verbalen Wertschätzung aus den Reihen der Linkskoalition gegen Herrn Kramer zu nennen. Herr Dittes etwa distanzierte sich mit den Worten „Sollte Herr Kramer anderer Meinung sein, ist der Innenminister gefordert, seine Personalentscheidung zu korrigieren.“

(Beifall DIE LINKE)

Ja, dass Frau Hennig-Wellsow da klopft, da ist mir klar. Ich sehe darin eine indirekte, aber Forderung, Kramer zu entlassen – und das in einer Koalition. Diese Aussage mag bei der ablehnenden Haltung der Linken gegenüber dem Verfassungsschutz grundsätzlich nicht weiter verwundern

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Schon immer!)

ja, Frau Hennig-Wellsow, das weiß ich doch, dass das bei Ihnen schon immer so war –, aber sie zeigt, welche Wertschätzung gegenüber dem Amt und seiner Führung aufseiten der Linken besteht, nämlich keine.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Auch Frau Marx von der SPD äußerte sich dahin gehend, dass Herr Poppenhäger seinen Präsidenten zurückpfeifen müsse und warf Kramer große Dummheit vor. Zudem bezeichnete sie Kramers Agieren als erschreckend und unprofessionell.

(Beifall DIE LINKE)

Selbst eine Fraktionsmitarbeiterin – immer wieder die Gleichen. Wenn ich mir vorstelle, dass die SPD

mit denen weiter koaliert, also die tun mir jetzt schon leid.

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Da kannst du dich drauf verlassen!)

Selbst eine Fraktionsmitarbeiterin der Linken äußerte sich bei Twitter despektierlich über einige fachlich zutreffende Aussagen von Kramer.

Und als ob dies noch nicht reichen würde, verhinderten Frau König und Frau Rothe-Beinlich sehr engagiert,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: … nicht alles glauben, was die Zeitungen melden!)

dass Herr Kramer bei einer Fachtagung zum Thema „Rechtsextremismus“ der Berliner Amadeu Antonio Stiftung, deren Mitglied Herr Kramer schon länger ist, ein Grußwort halten durfte.

Meine Damen und Herren, wer in dieser Art und Weise mit dem Thüringer Verfassungsschutz und seiner Führung umgeht, zeigt seine wahre Intention klar und deutlich: die Schwächung und die mittelfristige Abschaffung des Amts. Bereits jetzt ist der Verfassungsschutz personell wie technisch von Rot-Rot-Grün blind gemacht worden und nicht mehr in der Lage, eine taugliche Einschätzung der Gefährdungslage abzugeben. Selbst alle der mir bekannten SPD-Innenminister gehen klar auf Distanz zu Thüringen und bezeichnen V-Leute als ein wichtiges Instrument. Nur Thüringen mit seiner linksgeführten Koalition tanzt aus der Reihe und navigiert zielsicher und immer tiefer in ein politisches Risiko hinein. Weil es jetzt wieder auf den NSU kommt, sage ich Ihnen, das war nicht das Instrument, sondern die Art und Weise, wie dieses Instrument damals eingesetzt wurde.

(Beifall CDU)

Noch etwas sollte Ihnen zeigen, dass Herr Kramer mit seiner Auffassung richtig liegt. Spätestens seit der Vorstellung der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik für 2015 müsste allen hier klar sein, dass politisch motivierte Kriminalität verstärkt auf dem Vormarsch ist. Ohne entsprechende Hinweise aus der Szene,

(Beifall CDU)

egal ob links, rechts oder islamistisch, wird unser Sicherheitssystem scheitern. Darum erwarte ich von Ihnen, Herr Minister, dass Sie nicht nur den Sonderweg Thüringens beim Einsatz von V-Leuten beenden, sondern dass Sie sich klar hinter Ihren Präsidenten stellen und die Attacken abwehren, die immer wieder gegen ihn gebracht werden, denn wir brauchen einen gut funktionierenden Verfassungsschutz wie noch nie.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Dittes zur Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Warum hat es mich nicht verwundert, dass die CDU diese Aktuelle Stunde beantragt? Weil der Abgeordnete Fiedler wirklich in den letzten Monaten keine Gelegenheit ausgelassen hat, den Einsatz von V-Leuten zu fordern. Ob es um die Berufung von Stephan Kramer zum Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz ging, um die Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistik, sogar die Verabschiedung des ehemaligen LKA-Präsidenten Werner Jakstat haben Sie dazu missbraucht. Auch die Einrichtung von großen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge haben Sie als Anlass genommen, den Einsatz von V-Leuten zu fordern. Ich habe manchmal den Eindruck, Sie würden auch den Einsatz von V-Leuten fordern, wenn in China ein Sack Reis umfällt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hat sich nicht geändert!)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Fiedler, das Problem an der Auseinandersetzung ist, dass Sie daraus eine ideologische Auseinandersetzung machen.

(Unruhe CDU)

Wenn Sie uns vorwerfen, im sicherheitspolitischen Blindflug zu sein, dann werfe ich Ihnen vor, dass Sie im rechtlichen Blindflug sind. Nun bewegen wir uns doch mal tatsächlich auf Grundlage des geltenden Verfassungsschutzgesetzes, was ja Sie und nicht ich im Jahr 2014 hier für Thüringen beschlossen haben. Nach § 4 Abs. 1 beobachtet der Verfassungsschutz Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, er beobachtet auch Bestrebungen und Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes gegen den Gedanken in der Völkerverständigung. Ich will das nicht alles ausführen, aber um diese Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln durchzuführen zu können – dazu gehören ja auch V-Leute –, sind tatsächliche Anhaltspunkte nach Gesetz notwendig, dort heißt es dann weiter: „Zur Prüfung, ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, darf das Amt für Verfassungsschutz aus allgemein zugänglichen Quellen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben.“ Herr Fiedler, das von Ihnen geschaffene Verfassungsschutzgesetz in Thüringen schließt es gerade gesetzlich aus, nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, um tatsächliche Anhaltspunkte zu ermitteln oder – wie Sie sagen – allgemeine Informationen

aus der Szene zu erhalten. Das ist gesetzlich ausgeschlossen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Sie eine sachliche Diskussion über den Einsatz von V-Leuten führen wollen, müssen Sie sich auch mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel auseinandersetzen, denn wie wir aus einer gemeinsamen Vergangenheit wissen, handelt es sich bei dem Einsatz von menschlichen Quellen um einen sehr weitreichenden und tief gehenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, aus deren privaten Leben, aus deren politischer Aktivität dem Staat alles berichtet wird. Zur Verhältnismäßigkeit gehört auch noch etwas anderes, Herr Fiedler. Ich bitte Sie, darüber wirklich noch mal nachzudenken, ob Sie das hier auch tatsächlich ernsthaft einfordern. Sie wollen – das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen –

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie sollen doch zum Kramer reden, und nicht zum Ver- fassungsschutz! Zum Thema sollen Sie re- den!)

Sicherheit dadurch schaffen, indem Sie denjenigen, die die Sicherheit gefährden, Geld in die Hand geben, damit sie Ihnen verraten, wie und in welcher Form sie die Sicherheit gefährden. Das ist doch absurd, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Fiedler, ich bin jetzt seit mehr als 20 Jahren in der Landespolitik tätig und da müssen wir natürlich auch mal schauen, wie denn die Wirkung dieses Mittels in den vergangenen 20 Jahren war. Ich kann Ihnen sagen, ich kenne keinen einzigen Fall, in dem der Einsatz von V-Leuten tatsächlich Gefahrenabwehr ermöglicht oder wenigstens nur erleichtert hätte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Gegenteil ist aber der Fall

(Unruhe CDU)

Sie können ja schreien –, das Gegenteil ist der Fall. Die Erfahrungen zeigen ganz deutlich, V-Leute haben den THS in Thüringen aufgebaut, V-Leute haben politische Parteien infiltriert und versucht, auch Abgeordnete Ihrer Fraktion, Herr Primas, zu desavouieren. Und natürlich – da haben Sie recht –, es gibt auch eine politische Dimension der Frage des Einsatzes von V-Leuten, nämlich die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Und meine Antwort darauf ist: Ich möchte in einer geheimdienstfreien Gesellschaft leben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Verfas- sungsschutz, der schützt die Verfassung!)

Nun geht es ja in Ihrer Aktuellen Stunde gar nicht so sehr um die V-Leute, sondern darum, dass RotRot-Grün das Ansehen von Herrn Kramer beschädigt. Herr Fiedler, ich will Ihnen eins sagen: Hätte die Linke oder die PDS in den letzten 20 Jahren jedes Mal eine Aktuelle Stunde beantragt, wenn Sie mit Ihren Presseerklärungen und öffentlichen Darstellungen das Ansehen auch von Politikern Ihrer Landesregierung beschädigt haben, wir hätten keine anderen Tagesordnungspunkte mehr für die Aktuelle Stunde gefunden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch deutlich sagen, weil Sie darauf verwiesen haben, dass das Anwendungsfehler, Handlungsfehler waren im Zusammenhang mit dem NSU: Wenn es in den letzten 20 Jahren einen innenpolitischen Sprecher einer Regierungsfraktion gegeben hätte, der auch mal einen Amtschef dafür kritisiert, wäre uns in Thüringen einiges erspart geblieben. Das hätte ich von Ihnen erwartet. Aber ich will ausdrücklich sagen, Herr Fiedler,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist wohl ein Witz!)