Ich will Ihnen ein Beispiel sagen, was diese Umstrukturierungen auch bedeuten könnten: In den Lokalredaktionen arbeiten heute Kolleginnen und Kollegen, die sich dank eines zentralen Newsdesks auf Recherche und Schreiben konzentrieren. Wenn es jetzt Umstrukturierungen bei diesen Newsdesks gibt, wenn es so ist, dass Sekretärinnen vor Ort teilweise nicht mehr in der Lage sind, die Arbeit zu machen, dann müssen die Journalisten nicht nur recherchieren und schreiben, dann müssen sie auch noch zusätzlich Layout und Fragen der Organisation klären. Und das müssen die alles in einer bestimmten Zeit tun, und wir stehen da natürlich an der Seite derer, die uns bislang gemeinsam im Team täglich eine gute Zeitung präsentiert haben und die jetzt mit diesen neuen Strukturplänen konfrontiert werden. Wir sagen: Politik ist genauso wie die Berichterstattung über Politik enorm wichtig für den Diskurs in einer offen Gesellschaft und umso engagierter eine Zeitung arbeitet, umso besser die Journalisten recherchieren können, Hintergründe beleuchten, umso besser ist das auch für uns hier in der Politik. Wir wollen im Gespräch bleiben mit der Geschäftsleitung, wir wollen diesen Prozess der Umstrukturierung beobachten. Natürlich drücken wir die Daumen, dass das gelingt, aber wir tun das auch aus Solidarität mit den Beschäftigten und aus Sorge um die Zukunft eines Mediums, das in einer Gesellschaft sehr wichtig ist, vielleicht in diesen Tagen wichtiger denn je. Deshalb stehe ich hier vorn, darum geht es uns, um nicht weniger und auch nicht um mehr. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hey. Als Nächster hat Herr Abgeordneter Wucherpfennig für die CDUFraktion das Wort.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben Anbietervielfalt, Meinungsvielfalt und Ange
botsvielfalt im Bereich der Medien bekanntlich eine ganz große Bedeutung. Diese Gewährträger bzw. Garanten der Pressefreiheit sind in unserem Freistaat sehr überschaubar und zugegebenermaßen nicht besonders vielfältig ausgeprägt. So waren Anbietervielfalt und Meinungsvielfalt auch vor nicht allzu langer Zeit, genauer gesagt im Sommer 2014, im Rahmen der Novellierung des Thüringer Landesmediengesetzes ein Schwerpunkt der Debatten hier im Landtag. Damals wie heute war Anlass der Diskussion das erfolgreiche Wirtschaften von Medienanbietern mit der Zielsetzung der Fusion bzw. Vergemeinschaftung. Mit dem Festhalten am Fusionsverbot hat der Thüringer Landtag als Gesetzgeber das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Maß an gleichgewichtiger Vielfalt gebührend berücksichtigt, so der Thüringer Medienrechtler Prof. Dr. Fechner im Rahmen der Anhörung hier im Ausschuss des Landtags, aber auch im Rahmen seiner Veröffentlichung im Dezember 2014.
Zwar beinhaltet der vorliegende Antrag zu dieser Aktuellen Stunde Umstrukturierungen im Bereich der Printmedien, gewisse Parallelen zu der übrigen Medienlandschaft Thüringens sind aber durchaus erkennbar. So hat die Mediengruppe Thüringen ein Programm entwickelt, mit dem sie erklärtermaßen die Zukunft des Unternehmens und das Gros ihrer Arbeitsplätze mittel- und langfristig sichern will. Seit Jahren sinkende Abonnentenzahlen und Anzeigenerlöse infolge veränderten Mediennutzungsverhaltens sowie Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns bei der Zeitungszustellung sind die Beweggründe für die Umstrukturierung der Mediengruppe Thüringen, so deren Information vom 22. Februar 2016.
Die Mantelredaktion von TA, TLZ und OTZ soll zu einer neuen Redaktionsgesellschaft als zentraler Content-Lieferant zusammengelegt werden. Gemeinschaftsredaktionen sollen dort, wo möglich, gebildet werden. Nationale und internationale Inhalte aus Politik, Wirtschaft, Ratgeber, Wissen und Vermischtes sollen aus der FUNKE Zentralredaktion aus Berlin kommen, überregionale Sportinhalte aus Essen. Die Lokalberichterstattung soll demgegenüber ausgebaut werden. Ein neues Onlineportal „Thüringen24“ soll für junge Internetnutzer eingerichtet werden.
Meine Damen, meine Herren, die Stärkung der Lokalberichterstattung und das neue Onlineportal „Thüringen24“ sind zweifelsfrei lobenswert. Gleichwohl sind harte Einschnitte in der Thüringer Presselandschaft zu verzeichnen, wie zum Beispiel der Abbau von etwa einem Drittel der Redaktionsmitarbeiter, die Übernahme von nationalen und internationalen Texten aus den FUNKE Zentralredaktionen Berlin und Essen, die Vereinheitlichung der überregionalen und regionalen Berichterstattung der drei Zeitungstitel TA, TLZ und OTZ durch eine gemein
same Redaktion. So nachvollziehbar, gleichzeitig aber auch bedauernswert die eine oder andere Maßnahme des Zukunftsprogramms aus unternehmerischer bzw. betriebswirtschaftlicher Sicht vielleicht auch ist, kann nicht verhehlt werden, dass meine Fraktion und ich die Entwicklung der Presselandschaft Thüringens hinsichtlich Vielfalt und Qualität mit großer Sorge betrachten. Die Umstrukturierungen bedeuten zweifelsfrei eine weitere Zentralisierung und Medienkonzentration in Thüringen, überdies einen Import von Printinhalten aus Berlin und Nordrhein-Westfalen, was die nationalen und internationalen Inhalte betrifft. Das heißt aber auf jeden Fall nicht mehr „Made in Thuringia“.
Wie dem auch sei, wir werden den Umstrukturierungsprozess und dessen Auswirkungen auf die Print- und sonstige Medienlandschaft Thüringens mit Spannung und großer Aufmerksamkeit verfolgen. Die zentralen Fragen werden dabei unter anderem sein: Wird die Lokalberichterstattung gestärkt? Werden die Produkte qualitativ besser? Werden wir in Thüringen eine Einheitszeitung haben? Werden betriebsbedingte Kündigungen die Folgen sein? Meine Damen, meine Herren, auf die Antworten sind wir, denke ich, alle gespannt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Wucherpfennig. Und nun hat Abgeordneter Blechschmidt für die Fraktion Die Linke das Wort.
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, ich erlaube mir heute mit einem Gedanken von Carlo Schmid zu beginnen, weil ich darin zwei wichtige Aspekte einer Aufgabe der Presse in unserer Zeit, auch im 21. Jahrhundert, dargestellt finde. Die heutige Presse muss im Vergleich zur Vergangenheit, so Schmid, nicht nur die staatlichen Strukturen, die politischen Verantwortlichen kontrollieren und dabei ohne falsche Ressentiments Kritik und klare Worte sprechen, sondern mit gleicher Vehemenz dem Bürger in der öffentlich politischen Debatte Bühne bieten. Denn nur jedes Gleichgewicht dieser beiden Aspekte ein und derselben Aufgabe lässt, so die Überlegung des Professors für öffentliches Recht, Presse glaubwürdig erscheinen. Ergänzend möchte ich hinzufügen: Dann wird sie wahrgenommen, dann wird sie als Informations- und Meinungsgeber akzeptiert und letztlich so, wie es Verlage natürlich wollen, auch gekauft.
Warum diese grundsätzliche Vorbemerkung? Weil gerade heutzutage deutlich ausgesprochen werden muss, Presse ist einerseits Wesensbestandteil de
mokratischer Kontrolle und andererseits auch Wesensbestandteil demokratischer Teilhabe und Meinungsbildung in unserer Gesellschaft. Dies wollen wir bei all unserer Kritik gegenüber Presse bei Inhalten, Methode oder strukturellen Maßnahmen nicht infrage stellen.
Meine Damen und Herren, mit der Aktuellen Stunde werden drei Fragen aufgeworfen. Erstens: Umstrukturierung als Gefahr für die Vielfalt der Presselandschaft in Thüringen oder – anders formuliert – Einheitsbrei aus einem Topf, Stichwort Monopolisierung. Zweitens: Umstrukturierung als Gefahr für die Qualität von Presseerzeugnissen oder Schlagzeilenjournalismus ohne Hintergrund und Tiefenrecherche, Stichwort Boulevardpresse im schlechten Sinn. Und letztlich drittens, was nicht im Text des Themas der Aktuellen Stunde formuliert ist: Umstrukturierung gleich Stellenabbau.
Die Zeitungsgruppe Thüringen begründet mit den seit Jahren rückläufigen Verkaufszahlen sowie mit der Veränderung des Anzeigengeschäfts ein sogenanntes Zukunftsprogramm. Kernaussagen dabei sind: Mantelredaktion einschließlich nur noch einer Redaktionsgesellschaft, Ausbau der Lokalredaktionen und betriebsbedingte Kündigungen.
Meine Damen und Herren, es ist in Anbetracht der heutigen Erfahrungen mit TA, TLZ und OTZ mit Blick auf die immer noch vorhandenen differenzierten inhaltlichen Darstellungen schwer vorstellbar, bei einer Mantelredaktion die – ich wiederhole mich – immer noch vorhandenen inhaltlichen Unterschiede aufrechtzuerhalten. Dies schließt die Redaktionsgesellschaft unter Führung der drei Chefredakteure ausdrücklich mit ein. An dieser Stelle der Redaktionsgesellschaft soll die individuelle Ausprägung der einzelnen Titel sichergestellt werden, nicht mehr in den Redaktionen generell. Hier sehen wir eine Gefahr für die Vielfalt.
Spätestens seit Watergate weiß jeder Kenner von Presse, meine Damen und Herren, dass umfängliche, mithin intensive und tiefenwirksame Recherchen von Redakteuren Qualität von Journalismus garantieren. Selbst bei den technischen Entwicklungen in unserer Zeit wird dies nicht infrage gestellt. Deshalb darf man starke Zweifel haben, dass mit dem angekündigten Abbau künftig Qualität gehalten oder gar verbessert werden kann. Auch hier sehen wir starke Bedenken, gerade mit Blick auf die von mir aufgezeigte gesellschaftliche Aufgabe der Medien. Was die Kündigung von circa 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbetrifft, unterstützen wir die Forderung des DJV: komplette Übernahme der Redakteure aus dem Mantelbereich in den Lokalbereich.
lichen Regularien unterliegen, und dennoch sind sie, wie es so schön heißt, die vierte Gewalt im Staat und müssen mit ihrer Arbeit Grundprinzipien achten, beachten und aufrechterhalten, um nicht Gefahr zu laufen, aus wirtschaftlichen Gründen eine umfassende, ausgewogene und inhaltsreiche Berichterstattung aufzugeben.
Wie ich versucht habe deutlich zu machen, gibt es aus unserer Sicht bedenkliche Entwicklungen, die Vielfalt, Qualität und Arbeitsplätze in der Thüringer Presselandschaft infrage stellen. So wie Medien die Aufgabe haben, Politik kritisch zu begleiten, haben aber auch wir die Aufgabe, bedenkliche Entwicklungen gerade im Medienbereich aufzuzeigen und sie einer sachlichen Kritik zu unterziehen. Das wollen wir auch weiterhin tun. Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Blechschmidt. Als Nächster hat Abgeordneter Brandner für die Fraktion der AfD das Wort.
Ja, meine Damen und Herren, ein trauriges Thema, was diese Aktuelle Stunde uns bringt, und das wird nicht dadurch weniger traurig, Herr Blechschmidt, dass Sie Carlo Schmid zitieren und hier eine Rede halten, für die Sie und Ihresgleichen vor 27 Jahren die Leute noch ein paar Jahre eingesperrt hätten. Also die Rede war eine Frechheit, Herr Blechschmidt, aus Ihrem Mund so etwas zu hören!
Meine Damen und Herren, seit einiger Zeit beobachten wir mit großer Sorge Konzentrations- und Vereinheitlichungsprozesse im Zeitungsmarkt, vor allem auch in Thüringen. Die Auflage der von der Mediengruppe Thüringen produzierten Tageszeitung ging in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurück, von etwa 485.000 im Jahr 2000 auf 268.000 im vergangenen Jahr – jeweils auf das letzte Quartal bezogen –, sodass sich das innerhalb von 15 Jahren ungefähr halbiert hat. Wenn das so weitergeht, sind die Zeitungen demnächst völlig verschwunden. Ein derartiger Rückgang der Auflagen bzw. Verkaufszahlen kann nicht spurlos an einem Unternehmen vorübergehen. Als eine Reaktion auf diese Entwicklung nimmt das Unternehmen in gewisser Weise leider folgerichtig einen Kahlschlag vor und nennt das „Umstrukturierungsprozess“. Nach klassischer kapitalistischer Logik, Herr Blechschmidt, bringt das vor allem Personalabbau. Es gehen, wie die Mediengruppe selber mitteilt, viele Arbeitsplätze verloren, auch als Kollateralschaden des Mindestlohns, weil die Zeitungsausträger bezahlt werden müssen, woraufhin an anderer Stelle gespart werden muss.
Dieser Kahlschlag hat schlimme Konsequenzen für die Qualität der Thüringer Zeitungen, auch wenn die aktuelle Lage der öffentlichen Information und Meinungsbildung in Thüringen schon jetzt mehr als zu wünschen übrig lässt. Es gibt Leute, wie den Herrn Möller, der sagte mir gerade: Das Einzige, was man in diesen Zeitungen an Objektivem findet, sind die Todesanzeigen. Da sind wir also nicht weit davon entfernt, von der Berichterstattung, die also so etwas von subjektiv und gefärbt ist, dass man sie eigentlich
Meine Damen und Herren, die Mediengruppe Thüringen hat mit den drei genannten Tageszeitungen – TA, TLZ und OTZ – in Thüringen faktisch ein Zeitungs- und damit auch Meinungsmonopol und das ist genau das Gegenteil von Pluralität, Vielfalt, Konkurrenz und Kritik, wie wir leider täglich erleben müssen.
Man muss sich nur die Berichterstattung bzw. die Nicht-Berichterstattung, Stichwort „Lückenpresse“, über die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag ansehen, dann wird deutlich, was ich meine: Schere im Kopf bei den Journalisten.
Die zu erwartenden Massenentlassungen bei der Mediengruppe werden zu weiteren Verschlechterungen führen. Künftig soll es für die drei Zeitungen nur noch eine zentrale Redaktionsgemeinschaft – der eine oder andere, Herr Blechschmidt, wird sagen: Zeitungsredaktionskollektiv – geben und von da aus werden zentral die Inhalte für Deutschland vorgegeben. Die nationalen und internationalen Inhalte werden künftig von Berlin vorgegeben, von der Zentralredaktion der FUNKE Gruppe, zu der die Mediengruppe Thüringen gehört. All das wird zu weiterer redaktioneller Monotonie und Gleichrichtung führen. Es werden Placebo-Zeitungstitel in Thüringen übrig bleiben, es wird Etikettenschwindel betrieben werden. Der Leser wird merken, dass die Vielfalt nur vorgegaukelt wird; der Auflagenschwund wird weitergehen, denn bekanntlich kann man den Teufel mit dem Beelzebub nicht austreiben.
Warum wenden sich so viele Menschen von den klassischen Zeitungen ab? Das ist nicht wegen Neuerungen wie Internet oder Smartphone der Fall, meine Damen und Herren, es ist die Monotonie in der Berichterstattung. Es sind die allzu oft anzutreffenden Unarten der Belehrung, des Sendungsbe
wusstseins, der Allwissenheit, der Bevormundung und auch die Unfähigkeit, Bericht von Kommentar zu trennen, die wir bei Journalisten allenthalben erleben. All das führt dazu, dass sich die Menschen und auch die Werbekunden grausend von den Zeitungen abwenden. Sie misstrauen den Zeitungen mehr und mehr, weil sie nur unvollständig, einseitig, unsachlich und tendenziös informiert werden – und das zu Recht. Dann kauft man keine Zeitungen mehr.
Es geht auch anders: Eine Zeitung, die sich diesem bevormundenden Einheitsbreijournalismus mit Erfolg entzieht, ist die „Junge Freiheit“.
Die floriert und erlebt seit Monaten, seit Jahren steigende Auflagen- und Verkaufszahlen. Lesen Sie die einfach mal, bilden Sie sich eine Meinung darüber. Wahrscheinlich werden auch Sie dann zu Abonnenten. Das zeigt, dass man es richtig machen kann. Man muss nur eine gute Zeitung bauen, dann verkauft man auch seine Zeitung, meine Damen und Herren.
Nicht richtig macht es die Mediengruppe Thüringen mit Wirtschafts- und Konzentrationsprozess, Abbau von Redaktionen und Entlassungen. Alles das schürt Unsicherheit bei den Journalisten. Schere im Kopf wird entstehen, auf Sicherheit geachtet. Aber den Journalisten kann ich eine Hoffnung geben: Es gibt in drei Bundesländern erhebliche Ausbaufähigkeiten für sie. Drei starke Pressestellen müssen besetzt werden in drei Parlamenten: in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz. Also bewerben Sie sich einfach da, wenn Sie bei der Zeitungsgruppe Thüringen keine Zukunft haben.
Meine Damen und Herren, vielleicht denken die Altparteien auch mal darüber nach, analog zur GEZGebühr eine Briefkastenabgabe einzuführen, weil jeder, der einen Briefkasten hat, die Möglichkeit hat, eine Zeitung zu empfangen. So könnten wir den ganzen Prozess dann auch sozialisieren.
Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion bedauert den Verlauf hier in Thüringen und sieht einer weiteren, größeren journalistischen Wüste mit Grausen entgegen. Vielen Dank.