Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

(Beifall CDU, AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schwierig Ihre eine Stimme Mehrheit ist und wie ängstlich Sie sind, dass Sie Ihr Reformprojekt überhaupt schaffen können,

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Drei Stimmen!)

das zeigt sich ja in einem, nämlich dass es der Innenminister war – nicht in seiner Person als Minister, aber in seiner Person als Parteipolitiker –, dass Sie offensichtlich derjenige waren, der den ehemaligen AfD-Mitbegründer in Erfurt, dann zwischenzeitlich kurze Zeit Parteilosen hin zur SPD-Fraktion gelockt hat. Ich will mir nur mal eine Sekunde vorstellen, wenn Gleiches bei der CDU-Fraktion passiert wäre, wie Sie sich aufgepumpt hätten, wie Sie den Rechtsruck beklagt hätten. Sie tun das, um Ihre wacklige Mehrheit irgendwie zu stabilisieren.

(Beifall CDU)

Und plötzlich ist alles für die Rechtfertigung geeignet, nur damit es Ihrer Mehrheit dient. Das ist sehr fahrlässig, wie Sie mit der Demokratie an dieser Stelle umgehen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Erzähl uns nicht, was fahrlässig ist!)

(Zwischenruf aus dem Hause: Du wirkst hilf- los!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ja ein Spott. Ich habe ja gedacht, dass gerade er mal irgendwie bei der Rede, die er gerade gehalten hat, wenigstens ein bisschen mehr sagt als das, was allen Presseverlautbarungen und den wenigen Gesprächen, die er mit den Leuten geführt hat, zu entnehmen gewesen ist, dass er also mal etwas darüber hinaus gesagt hätte.

Ich will mal damit beginnen: Stellen Sie sich mal vor, es gibt in diesem Land – für das Publikum, damit es das ungefähr einschätzen kann – nicht ganz 900 Bürgermeister. 550 – habe ich beschrieben – treten jetzt zur Kommunalwahl wieder an, weil die ehrenamtlich sind und jetzt wieder zur Wahl stehen.

(Beifall CDU, AfD)

Da sagt der Innenminister, er redet zur Gebietsreform – und spricht mit sage und schreibe 20 Bürgermeistern in diesem Land. Das machen wir am Tag.

(Beifall CDU, AfD)

Der Innenminister sagt, mit 20 Mann hat er seine Reform gerechtfertigt und hat mit dem Land kommuniziert. Das ist doch ein Spott, was Sie uns hier anbieten, Herr Innenminister. Das ist ein Spott – 20 Bürgermeister –, Junge. Also da muss ich wirklich sagen: Wenn das Ihre Kommunikationsstrategie ist, dann haben Sie echt noch Nachholbedarfe. Die sind offensichtlich auch notwendig, mindestens bei Ihren eigenen Wählern. Das hat tatsächlich auch die Umfrage, die wir in Auftrag gegeben haben, ergeben. Ihre eigenen Wähler wollen diese Reform nicht, die Sie in Auftrag gegeben haben. Ihre Wähler wollen nicht, dass die Landkreise halbiert werden. Ihre Wähler wollen nicht, dass die VGs abgeschafft werden. Ihre Wähler wollen nicht, dass die Gemeindegrößen verdoppelt werden. Fragen Sie mal Ihre Basis, dann wissen Sie, was dieses Land denkt.

(Beifall CDU, AfD)

Jetzt könnte ich sagen: Okay, er sagt, er hat mit den Wählern nicht so Kontakt. Aber hilfreich wäre, er hätte Kontakt mit seinen kommunalpolitischen Mandatsträgern. Dann würde er wissen, und Sie im Übrigen auch, dass es in allen Kreistagen dieses Landes – in fast allen, 14 von 17 – SPD-Leute, freie Wähler, Grüne, Linke, Sozialdemokraten und natürlich Christdemokraten gibt, die alle überall mehrheitlich bis einstimmig dieselben Beschlüsse gefasst haben: Wir wollen gegen eine Kreisgebietsreform kämpfen, wir wollen unsere Landkreise erhalten, wir wollen den Kreissitz erhalten und wir lehnen ab, was dieses Innenministerium vorlegt. – Fragen Sie mal die Basis zu Hause. Dann würden Sie wissen, dass Sie völlig auf dem Holzweg sind.

(Beifall CDU, AfD)

Im Übrigen, wenn das alles nicht hilft: Vor dieser Tür finden Sie zumindest den SPD-Oberbürgermeister aus Weimar, das reicht.

(Beifall CDU)

Einen könnten Sie noch sprechen von den 20; 20 plus 1. Dann wären Sie schon einen großen Schritt weiter. Das macht bei Ihnen prozentual eine ganze Menge aus. Aber sonst hilft es, mal einfach nur zu schauen – das kann man auch gern zur Verfügung stellen –, was wir in Umfrage gegeben haben:

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo denn? Das ist der Beweis?)

59 Prozent der Wähler der Linken lehnen eine Gebietsreform mit der Reduzierung der Landkreise ab, 54 Prozent sind es bei Bündnis 90/Die Grünen, 62 Prozent sind es bei der SPD, bei der CDU sind es 72 Prozent, bei der AfD 73 Prozent. Auch bei Ihnen ist es wichtig, Sie reden auch manchmal verquer in dieser Frage. Bei den Liberalen sind es auch 73 Prozent. Es gibt keine politische Partei in diesem Land, in diesem Landtag, außerhalb dieses

Landtags, deren eigene Wähler das wollen, was Sie uns hier als angebliche Reform für dieses Land präsentieren.

(Beifall CDU)

Sie sind in den letzten Wochen und Monaten durch dieses Land gezogen, auch schon Jahre zuvor, und sagen: Wir brauchen eine Gebietsreform, weil sie Geld spart. Das war Ihre Begründung. Wenn man Sie fragt, wo wurde denn Geld gespart bei denen, die schon eine Gebietsreform gemacht haben, dann bleiben Sie die Antwort schuldig, weil Sie auch niemanden in Deutschland finden, ob in Mecklenburg-Vorpommern, in Bayern, in NordrheinWestfalen – wo auch immer –, in Sachsen oder Sachsen-Anhalt. Noch nie hat einer nach einer vollzogenen Gebietsreform nachgewiesen, dass sie auch nur einen Euro im Landeshaushalt gespart hat. Sie erbringen diesen Nachweis auch nicht. Trotzdem wollen Sie diese Gebietsreform wider besseres Wissen diese Gebietsreform durchziehen. Wir lehnen dies ausdrücklich ab.

(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Herr Kollege Mohring, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams. Lassen Sie sie zu?

Am Ende, wenn die Zeit bleibt, sehr geehrter Kollege. Es ist so viel zu sagen, die Redezeit ist so knapp bemessen. Deswegen geht das nicht. Lieber Herr Adams, Sie sind als Fraktionsvorsitzender selbst unsicher bei dem Gesetz, so habe ich es in der Zeitung gelesen. Wahrscheinlich waren Sie so unsicher, dass Sie nicht alles gelesen haben.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Fan- gen Sie doch mal an, etwas zu sagen! Sie haben doch bisher noch nichts gesagt, alles nur bla, bla, bla!)

Aber ich will Ihnen mal etwas aus der Vorbemerkung zum Gesetz zitieren. Dort schreibt die Landesregierung, die Sie tragen: „Im Ergebnis schafft die Gebietsreform die Voraussetzung dafür, dass mittel- und langfristig Kosteneinsparungen erzielt werden können“ – erster Konjunktiv. „In welcher Größenordnung Effizienzgewinne erreicht beziehungsweise Einsparpotenziale genutzt werden können, hängt in erster Linie davon ab“ – nächster Konjunktiv –, „inwieweit die kommunalen Verantwortungsträger im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung Möglichkeiten hierfür nutzen.“ Der Gesetzgeber kann nur die Voraussetzungen dafür schaffen, aber am Ende spart er bei sich kein Geld ein. Wenn Sie also jemals glaubwürdig in den letzten Jahren – auch mit uns gemeinsam – Ihre Theorie ernsthaft vertreten haben, Sie wollen die Ge

bietsreform, weil beim Land, das haben Sie vorhin auch wieder versucht, zweieinhalb Milliarden Euro Einnahmereduzierung feststehen. Deshalb müssen irgendwo Kosten eingespart werden. Falls Sie jemals noch der Kausalität hinterherhängen, dass Ihre Reform zu Einsparungen im Landeshaushalt führt, dann hätten Sie bei der Beschreibung Ihres Gesetzes aufpassen müssen. Da haben Sie jedenfalls offensichtlich am helllichten Tag geschlafen.

(Beifall CDU)

Sie sagen nichts zu den Einsparungen und Sie sagen auch nichts zu den Mehraufwendungen. Im Gesetzentwurf liest man: „Im Rahmen der gesetzlichen Regelung ist insgesamt ein Fördervolumen von 155 Millionen Euro vorgesehen.“ Damit sollen freiwillige Gemeindestrukturen gefördert werden. Jetzt müssen Sie im Publikum, die das Gesetz nicht kennen, sich vorstellen – ich sage Ihnen auch, das müssen Sie nicht kennen –, da steht: Zum 01.01.2018 tritt die Gebietsreform in Kraft. 01.01.2018 – freiwillig fusionieren sollen die ganzen Gemeinden aber bis zum Herbst 2017. Jetzt denkt man, wenn man freiwillig fusioniert, dann folgt darauf auch die freiwillige Geldförderung, damit man den Gemeinden zu Hause und den Bürgern sagen kann, wir gehen diesen Schritt, weil wir einen Vorteil haben und neu investieren können und in der Gemeinde vielleicht auch was Neues gestalten können. Aber in dem von der Landesregierung beschlossenen Landeshaushalt für 2016 und 2017 könnte man mit der ganz großen Lupe gucken, was im Haushalt steht, was eine Gebietsreform kostet. Oder: Was kriegen die Gemeinden an Geld für eine Gebietsreform? Da können Sie Hunderte bzw. 40.000 Haushaltsansätze durchgucken und dann finden Sie am Ende wie viel Geld? Null. Null Geld für eine Gebietsreform. Jetzt glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass das seriös ist, was Sie auf den Weg bringen, dass Sie durch dieses Land rennen und sagen: Die Gemeinden kriegen 155 Millionen Euro und gehen mit Blankoschecks durch dieses Land.

(Beifall CDU)

Sie können doch gar nicht seriös versprechen, dass sie im Jahr 2018 dieses Geld jemals zur Verfügung gestellt bekommen. Sie wissen nicht, wie die Konjunktur ist. Sie wissen nicht, wie Ihre Haushaltswirtschaft funktioniert. Aber versprechen den Leuten Geld, was Sie nicht garantieren können,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Doch!)

weil Haushaltsgesetzgeber immer noch in diesem Land der Landtag ist und nicht der Innenminister.

(Beifall CDU, AfD)

Sie greifen in die Rechte dieses Landtags ein und suggerieren den Bürgern, Sie hätten die Kompe

tenz dafür, das Geld auszuzahlen. Als Jurist erwarte ich mir mehr Seriosität bei dem, was Sie da auf den Weg bringen.

Und dann, meine Damen und Herren, begründen Sie Ihre Reform mit Effizienzgewinnen – wir haben es gehört – und dass damit dauernde Leistungsfähigkeit bei den Gemeinden entsteht. Sie begründen das damit, dass viele Gemeinden keinen Haushalt haben, dass viele Gemeinden zu klein sind und dass viele Gemeinden nicht mehr über die Runden kommen.

(Beifall CDU, AfD)

Aber, liebe Leute, es war doch diese linke Landesregierung, die zunächst den Kommunen das Geld in Höhe von 100 Millionen Euro weggenommen hat und auf Dauer nicht wiedergeben will. Wer zuerst den Kommunen das Geld wegnimmt und dann sagt, sie brauchen größere Reformen, damit sie wieder leistungsfähig sind, der veräppelt die Leute. Die Leute sind in diesem Land nicht auf der Wurstsuppe hergeschwommen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie lügen wie gedruckt!)

Sie lügen die Öffentlichkeit eindeutig an bei dieser Frage, wie Sie in diese Reform einsteigen.

(Beifall CDU)

Stattdessen, meine Damen und Herren, duschen Sie die Leute mit warmen Worten: Entbürokratisierung, Effizienz, Rechtssicherheit, Bürgernähe, moderne Verwaltung, neue Strukturen. Sie duschen die Leute mit warmen Worten und denken, dass die Leute anschließend glückselig durchs Land gehen und merken nicht, was Sie Ihnen antun. Ihr Generalangriff auf den ländlichen Raum, die Zerstörung dieser Strukturen, dort, wo die Menschen sich zu Hause fühlen,

(Beifall CDU, AfD)

wo die Menschen die letzten zweieinhalb Jahrzehnte das Land aufgebaut haben – die lassen sich nicht täuschen von diesen warmen Worten. Die wollen Fakten wissen, die wollen die Wahrheit wissen und sie wollen am besten die Wahrheit vorher von Ihnen wissen und nicht ins Blaue hinein mit Ihnen diskutieren. Was Sie nicht vorlegen, ist das Entscheidende. Was wollen Sie verändern in diesem Land? Wo findet der Struktureingriff statt? Welche Gemeinde wird aufgelöst? Welcher Landkreis wir aufgelöst? Welche Kreisstadt findet nicht mehr statt? Welches Kreiskrankenhaus fällt? Wie verändert sich die Sparkassenstruktur? Zu all diesen wichtigen strukturpolitischen Fragen geben Sie keine Auskunft. Sagen Sie den Leuten vorher die Wahrheit und lassen Sie die Leute nicht im Nebel stochern!

(Beifall CDU, AfD)

Meine Damen und Herren, Sie sagen, Sie brauchen Effizienz und die lässt sich nur durch Größe nachweisen. Wir sagen ganz klar: Größe kann nicht alles sein und Größe ist auch nicht alles, und es gibt keine Erfahrung, dass Größe der Landkreise, der Städte und Gemeinden gleich effizient ist. In Bayern – unserem Nachbarstaat – gibt es 20 Landkreise unter 100.000 Einwohnern. Es gibt dort 15 kreisfreie Städte so groß wie die kreisfreie Stadt Weimar. Diese Gebietskörperschaften sind allesamt erfolgreich. Nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Nachbarn, nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Kollegen und behaupten Sie nicht einfach ideologisch verbohrt, nur wenn die Landkreise in Thüringen vielleicht 150.000 oder 250.000 Einwohner groß sind, dann sind sie automatisch effizient und leistungsstark. Leistungsstark verlässlich sind sie zuallererst, weil Sie sie verlässlich mit Geld ausstatten und nicht, weil Sie zwei oder drei Landkreise einfach zusammenlegen und sagen, jetzt seid ihr effizient, ihr seid viel größer.