Meine Damen und Herren, Sie sagen, Sie brauchen Effizienz und die lässt sich nur durch Größe nachweisen. Wir sagen ganz klar: Größe kann nicht alles sein und Größe ist auch nicht alles, und es gibt keine Erfahrung, dass Größe der Landkreise, der Städte und Gemeinden gleich effizient ist. In Bayern – unserem Nachbarstaat – gibt es 20 Landkreise unter 100.000 Einwohnern. Es gibt dort 15 kreisfreie Städte so groß wie die kreisfreie Stadt Weimar. Diese Gebietskörperschaften sind allesamt erfolgreich. Nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Nachbarn, nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Kollegen und behaupten Sie nicht einfach ideologisch verbohrt, nur wenn die Landkreise in Thüringen vielleicht 150.000 oder 250.000 Einwohner groß sind, dann sind sie automatisch effizient und leistungsstark. Leistungsstark verlässlich sind sie zuallererst, weil Sie sie verlässlich mit Geld ausstatten und nicht, weil Sie zwei oder drei Landkreise einfach zusammenlegen und sagen, jetzt seid ihr effizient, ihr seid viel größer.
Schauen Sie sich mal an – ich weiß auch, dass Sie darunter leiden, Sie sind ein armer Kerl, der innenpolitische Sprecher der Linken rennt immer rum und sagt etwas anderes als Sie und geißelt Sie dauernd bei Ihrem Gesetz.
Er war letztens auf einer Veranstaltung, nein, er hat, glaube ich, ein Interview gemacht und erzählt – das muss man sich mal vorstellen –, wegen Effizienzgewinn haben die Journalisten ihn gefragt: Herr Kuschel, werden Sie mal konkret. Dann sagt er, ich zitierte: „Die Kommunen haben einen hohen Anteil fixer Kosten, weil man die Behörden vorhalten muss.
Ob eine Zulassungsstelle aber 10.000 oder 20.000 Autos im Jahr zulässt, ist bei den VorhalteKosten unerheblich.“ Ich kann Herrn Kuschel nur raten, wenn Sie einmal einen Blick in Ihr Landratsamt werfen würden, mal den Fuß in die Tür setzen, würden Sie wissen, dass sich die Personalstärke nach der Anzahl der zu bearbeitenden Sachverhalte bemisst und dass die vom Land vorgegebenen Kenngrößen seit Jahren von den Landkreisen eingehalten werden.
Es ist völlig irrelevant, ob es 10.000 oder 20.000 Autos sind, die zugelassen sind, entscheidend ist, dass die Zahl der Mitarbeiter auch stimmt.
Gut organisierte Landkreise – ich sage das für alle Landrätinnen und Landräte in diesem Land – haben ihre Verwaltung effizient aufgestellt. Das, was Sie da in die Luft pusten, ist purer Humbug, aber überhaupt nicht seriös, was Sie da tun.
Aber was Sie mit Ihrer Gebietsreformdebatte auslösen, sehr verehrter – und ich meine es wirklich ernst –, geschätzter Innenminister – Sie wissen, dass wir oft auch gemeinsam unterwegs sind und versuchen, den Leuten unsere verschiedenen politischen Ansätze zu erklären, damit sich die Leute ein eigenes Bild machen können –, Sie haben verheerend etwas ausgelöst mit Ihrer Gebietsreformdebatte, Sie haben die Büchse der Pandora geöffnet, und zwar in strukturpolitischer Art und Weise, wie ich das mehrmals vorausgesagt habe. Wer Landkreise infrage stellt, wer Kreissitze infrage stellt, der löst automatisch auch bei anderen, die Strukturpolitik in diesem Land organisieren, die Fragen aus: Braucht es dann noch alle Kreiskrankenhausstandorte? Braucht es dann noch alle anderen Behörden? Welche Faktoren stehen dahinter? Dass die GKVs sich aufgemacht haben, auch wenn Sie das gestern gemeinsam mit uns gesagt und eine Abfuhr erteilt haben, aber diese Debatte fangen Sie nicht mehr ein, die Büchse werden Sie nicht mehr schließen. Wenn Sie darüber reden, Kreisstädte werden abgeschafft, werden andere darüber reden, Kreiskrankenhäuser infrage zu stellen. Was dahintersteht, ist ein tiefer strukturpolitischer Eingriff in die Struktur unseres Landes, in den ländlichen Raum. Diesen Angriff können wir nicht zulassen. Sie verändern das Land, Sie nehmen dem Land das Fundament weg und Sie nehmen dem Land auch die Zukunft weg. Es ist falsch, was Sie machen.
Vor allen Dingen, meine Damen und Herren, schulden Sie den Nachweis, wie Sie funktionierende und effiziente Verwaltung in diesem Land Thüringen besser aufstellen. Wir behaupten, Sie zerstören sie, vor allen Dingen in einer Zeit, in der uns die größte gesellschaftliche Aufgabe seit Generationen, nämlich die Integration von Flüchtlingen, unbedingt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gelingen muss. In dieser schwierigen Phase, in der wir 1 Million Flüchtlinge insgesamt in Deutschland als Gäste bei uns haben, viele auch länger bleiben werden, manche vielleicht für immer, Tausende auch in Thüringen gut untergekommen sind, weil die Landkreise, die Landrätinnen und Landräte mit ihren Mitarbeitern in der öffentlichen Verwaltung, vorbildlichste Arbeit geleistet haben, mitten in diese Phase
danke für diese Arbeit – hinein, in der alles super organisiert ist, offensichtlich effizienter läuft als in anderen Teilen dieser Bundesrepublik, kommen Sie und zerstören diese Strukturen, ohne auch nur plausibel nachzuweisen, warum Sie das tun wollen, ohne auch nur zu begründen, warum Sie es verändern wollen, ohne auch nur länger als mit einem Satz zu erklären, warum Sie alle Verwaltungsgemeinschaften abschaffen wollen und damit 600 Mitgliedsgemeinden und hundert weitere, die sich erfüllen wollen, einfach in ihrer Selbstständigkeit auflösen wollen. Aber genau das erfordert auch die Abwägung, die das Verfassungsgericht von Ihnen verlangt: Vorher abzuwägen, vorher zu prüfen, vorher plausibel zu erklären. All das lassen Sie weg und aus. Sie ziehen es durch, weil es Ideologie ist, und nicht, weil es begründet ist.
Meine Damen und Herren, für die Veränderungen in der Verwaltung gibt es eine wissenschaftlich anerkannte Drei-Schritt-Folge. Die sagt sogar Ihr hoch bezahlter Professor mit 1.500 Euro Tageshonorar.
Da steht zuerst Aufgabenkritik: Was muss in Zukunft noch durch den Staat geleistet werden? Da steht Verwaltungsund Funktionalreform: Wer muss welche Aufgabe erfüllen und wo ist sie optimal anzusiedeln? Nur dann, nach Auswertung dieser ersten beiden Schritte und nach Begutachtung dessen, was bleibt, steht vielleicht die Frage an nach einem Eingriff durch den Gesetzgeber mit Blick auf eine Gebietsreform von oben, die keine freiwillige Gebietsreform ist. Aber sie steht am Ende eines solchen Prozesses, nicht am Beginn eines solchen Prozesses. Sie haben sich mal versprochen und trotzdem ziemlich ehrlich gesagt: Uns bleibt ja nur wenig Zeit, uns bleiben ja nur drei Jahre. – Genauso ist es: Ihnen bleiben nur drei Jahre und ich hoffe, die drei Jahre sind schnell zu Ende und Sie sind nicht zu Ende gekommen und haben das Land so verändert, dass es nicht mehr zukunftsfest ist. Das hoffe ich, dass das eintritt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir wollen, was die Bürgerschaft in diesem Land will, ist, dass Sie sich Zeit nehmen zum Erklären, dass Sie mit den Spitzenverbänden reden, dass Sie den Leuten auch zuhören, dass Sie die Argumente aufnehmen und auch abwägen. All das tun Sie nicht und ich will das an einem wichtigen Beispiel zeigen: Sie haben jetzt durch Ihre Mehrheit im Innenausschuss eine Zeit durchgeboxt: 9. Juni Anhörung – hier haben wir erreicht, dass wenigstens sechs Wochen eingehalten werden –
ja, ja, ja – und dann wollen Sie schon vor dem Sommer – darauf kommt es doch an – mit dem Vorschaltgesetz wieder rausgehen.
Lass mich doch mal ausreden! Du bist ja nun besonders betroffen. Du rennst seit Tagen durch das Land und stellst alles infrage, was er vorgelegt hat, am nächsten Tag ruderst du wieder zurück. Ich würde mir erst mal eine eigene Meinung bilden, bevor ich dazwischenrufen würde.
Dann bleibt noch eine ganz entscheidende Frage, nämlich die, die Sie verantworten müssen: In welche Richtung wollen Sie gehen? Was passiert eigentlich – was ja auch Ihre Koalitionäre ankündigen –, wenn es aus dem Innenausschuss heraus Änderungsanträge gibt zu Ihrem Vorschaltgesetz? Dann passt Ihr Zeitplan schon am Beginn des langen Zeitplans nicht mehr. Sie müssen zwingend – verfassungsrechtlich geboten –, wenn es Änderungsanträge zum Vorschaltgesetz gibt, im Innenausschuss noch mal eine zweite Anhörung durchführen. Das werden Sie nicht schaffen, weil Ihr Zeitplan viel zu eng ist und die Fristen nicht einhält. Ich kann Ihnen nur sagen aus den Erfahrungen unserer Innenpolitiker aus 26 Jahren Arbeit für dieses Land, aus über 20 Jahren Erfahrung, wie Gebietsreformen gehen: Wenn Sie auch nur einen Tag Fristen verkürzen und die kommunale Selbstverwaltung nicht garantieren und die Kommunen so anhören, wie es ihnen verfassungsrechtlich geboten zusteht, dann werden Sie vor dem Verfassungsgericht scheitern. Halten Sie die Regeln in diesem Land ein! Halten Sie die Normen ein! Nehmen Sie die Bürger ernst und lassen Sie kommunale Selbstverwaltung nicht außer Acht! Das sind die Grundmaßstäbe, die einer Reform überhaupt vorwegstehen. Die müssen Sie einhalten, sonst scheitern Sie schon am Beginn dieses langen Wegs.
Meine Damen und Herren, wir fordern einfach nur: Offenbaren Sie Ihre Absichten jetzt am Beginn des Prozesses! Sagen Sie doch den Bürgern, welche strukturellen Eingriffe Sie machen wollen! Sagen Sie den Bürgern, was sich verändert! Machen Sie Ihr Vorgehen transparent und vor allen Dingen stellen Sie Thüringen in seiner Struktur nicht leichtfertig infrage! Wir stehen dafür, eine Weiterentwicklung mit Augenmaß zu organisieren. Ich habe Ihnen schon mal die Hand der CDU-Fraktion gereicht, wenn Sie Schritt- und Reihenfolge einhalten. Wenn Sie aber durchpeitschen, wenn Sie im Schweinsgalopp durch die Runde gehen, dann werden Sie es nicht schaffen und da bleibt es so, wie Erich Käst
ner einmal gesagt hat: „Je üppiger die Pläne blühen, desto verzwickter wird die Tat.“ Glückwunsch, Holger Poppenhäger!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mohring. Als Nächster hat Abgeordneter Höhn für die SPD-Fraktion das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Abgeordnete, werter Herr Präsident! Wir haben jetzt eine Rede des großen Vorsitzenden der CDU gehört,
die den Menschen im Land suggerieren sollte, dass auch eine Oppositionspartei, vor allem auch eine so zahlenmäßig starke Oppositionspartei Verantwortung für unser Bundesland übernehmen kann. Lieber Kollege Mohring, mit dieser Rede können Sie alles Mögliche, nur keine Verantwortung für dieses Land übernehmen.
Ich möchte die Debatte hier von meiner Seite, von unserer Seite von einem ganz anderen Standpunkt aus beleuchten. Der Minister hat vorhin gesagt, es ist der erste Schritt für die Reform. Das ist, was das Verfahren betrifft, natürlich vollkommen richtig. Aber es ist mit der Vorlage des heutigen Vorschaltgesetzes für eine Gebietsreform in Thüringen in gewisser Weise auch ein Endpunkt einer Entwicklung, die vor ziemlich genau zehn Jahren angefangen hat.
Ich will Sie gern – vor allen Dingen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion – an diese Zeit erinnern. Es gab damals eine Enquetekommission – das ist äußerst unschön, hier bei dieser musikalischen Begleitung reden zu dürfen,
Die Entwicklung, die damals mit der Enquetekommission zur Weiterentwicklung der Strukturen in Thüringen in Gang gesetzt worden ist – ich darf Sie daran erinnern, das war eine Zeit, da hat Ihre Partei in Thüringen sozusagen allein regiert. Frau Taubert nickt, Sie war damals Mitglied dieser Enquetekommission. Herr Carius war, wenn ich mich recht entsinne, der Vorsitzende dieser Kommission. Schon damals, mit dem Abschlussbericht 2008 – wer sich die Mühe macht, in dieses Werk zu schauen – sind interessante und, wie ich finde, auch für den heutigen Tag wegweisende Beschlüsse und Entscheidungen gefällt worden. Schon damals war man sich in der Kommission mit Ihrer Zustimmung darüber einig, dass die Strukturen, dass vor allen Dingen auch die Größenordnungen in Thüringen verändert werden müssen. Ein positives Zeichen der damaligen Beratungen war dann im Frühjahr 2009 – der Herr Kollege Fiedler hat mit seiner unnachahmlichen Art von Zwischenrufen vorhin sogar richtigerweise darauf aufmerksam gemacht –, ein positives Ergebnis dieser Enquetekommission war die Thüringer Landgemeinde als Institution parallel zu den Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften.