Protokoll der Sitzung vom 22.04.2016

Zweitens sind gerade Christen, oftmals zum Christentum konvertierte Muslime, Übergriffen ausgesetzt. Im Sinne des Minderheitenschutzes ist es daher nur konsequent, Christen auch als eine schützenswerte Gruppe hervorzuheben. Wenn also jemand kritisiert, dass man Christen insoweit in den Vordergrund rückt, dann ist es genauso, als ob man die besondere Schutzwürdigkeit von Frauen und Kindern oder von nicht heterosexuell orientierten Menschen in den Asylbewerberunterkünften verneinen würde und meint, wenn man „Frauen und Kinder“ sage, müsse man stets auch von Männern sprechen. Es gibt nun einmal besonders schutzbedürftige Gruppen und für die setzen wir uns explizit ein.

(Beifall AfD)

Der Staat hat die Religionsfreiheit nämlich nicht nur zu achten, sondern auch gegen Angriffe Dritter zu schützen. Wenn es Glaubenspraktiken gibt, die den Grundrechten widersprechen, sie infrage stellen und einschränken, so muss der demokratische Verfassungsstaat das nicht hinnehmen. Das stammt nicht von der AfD, sondern von dem bekannten ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm. In diesem Sinne freue ich mich auf eine lebhafte Debatte. Danke.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Herrgott das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „Religionsfreiheit schützen – Übergriffe auf christliche Asylbewerber verhindern.“

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sehr gut! Gu- te Aussage!)

Verehrte Kollegen der AfD, in Ihrem Antrag heißt es: „Religiös motivierte Übergriffe müssen strafrechtlich verfolgt und konsequent geahndet werden.“ Ich würde noch dazusetzen: so, wie jeder andere Übergriff und jede Straftat auch.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiter heißt es in Ihrem Antrag: „Niemand darf in Deutschland wegen seines Glaubens diskriminiert und/oder bedroht werden.“ Diese beiden Sätze aus Ihrer Antragsbegründung sind richtig, aber das war es dann auch schon mit den konkreten und richtigen Inhalten in Ihrem Antrag. Sie versuchen hier ein Bild und ein Szenario der Verfolgung von Christen in Deutschland zu zeichnen, das lediglich auf Hörensagen und konstruierten Vermutungen hier in Thüringen beruht. Das passt zwar gut in Ihr verzerrtes Selbstbild als letzte Verteidiger des christlichen Abendlandes, Kollegen von der AfD,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Hauptsache die können es auch! Alle, die davon spre- chen, können es nämlich nicht!)

aber lassen Sie sich ganz ausdrücklich sagen, diese letzten Verteidiger des christlichen Abendlandes sind Sie nicht! Definitiv nicht!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn, meine Damen und Herren, zum christlichen Menschenbild und zu unseren Werten gehören andere Dinge, als bei jeder Gelegenheit alle Probleme dieser Welt bei den Flüchtlingen abzuladen und sich dann auch noch einer Minderheit innerhalb dieser Flüchtlinge zu bedienen, um Ihren billigen Populismus hier im Parlament zu betreiben.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen zum Antrag aufgebauschten Popanz, den Sie hier veranstalten, werden wir ablehnen, weil schlichtweg die Basis für Ihre Vorwürfe und Ihre konstruierten Vermutungen hier in Thüringen fehlt. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat sich Abgeordnete Herold zu Wort gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren, „wir haben in den deutschen Unterkünften iranische Verhältnisse“. Man muss es nicht so hart ausdrücken wie Pfarrer Martens aus Berlin, man darf aber Diskriminierungen und Übergriffe auf Christen in den deutschen Asylbewerberunterkünften nicht als bedauernswerte Einzelfälle abtun und dann zur Tagesordnung übergehen.

(Beifall AfD)

Religionsfreiheit gehört zu den zentralen und ältesten Menschenrechten. Sie ist inhärenter Bestandteil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. An dem Maß der Gewährleistung der Religionsfreiheit bemisst sich nicht zuletzt, wie freiheitlich eine Gesellschaft und eine demokratische Ordnung ist. Weltweit werden über hundert Millionen Christen verfolgt. Nach Angaben des Weltverfolgungsindex der Nichtregierungsorganisation Open Doors sind von den zehn führenden Verfolgerstaaten acht mehrheitlich muslimisch. Dabei nehmen die Asylzugangsländer wie Irak, Eritrea, Afghanistan, Syrien und Pakistan die Plätze 2 bis 6 ein. Aus Syrien sind in den letzten Jahren allein 600.000 Christen geflohen. Bedauerlicherweise sind nur die wenigsten von ihnen in Deutschland angekommen. Dabei umfasst der Weltverfolgungsindex nicht nur staatliche Verfolgung, sondern auch gesellschaftliche Diskriminierung. Im Klartext: Offensichtlich sind christenfeindliche Einstellungen gerade in den Ländern präsent, aus denen viele Asylbewerber nach Deutschland kommen. Nichts anderes drückt die kürzlich vorgenommene Studie zur Evaluation des Landesprogramms für die Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit aus. Diese kommt zu dem Schluss, dass es im Rahmen der Asylkrise auch zu einer Gefährdung der Demokratie durch den Islamismus kommt. Asylbewerber aus Syrien seien zum Beispiel in einem Staat und in einer Kultur aufgewachsen, die durch die religiösen Gesetze des Islam geprägt sind. Bei denen besteht die Gefahr, dass sie Andersdenkende, Frauen und Nichtheterosexuelle diskriminierten. Und wie mich die Landesregierung letzthin belehrt hat, genügt schon ein Fall von Diskriminierung, um staatliches Handeln herbeizurufen und zu rechtfertigen.

(Beifall AfD)

Menschen, die vor religiös bedingter Verfolgung und vor Krieg und Terror fliehen, dürfen in Deutschland nicht erneut wegen ihres Glaubens diskriminiert und bedroht werden. In verschiedenen Bundesländern, so zum Beispiel in Berlin, in Hessen und in Bayern, kommen immer wieder Fälle an die Öffentlichkeit, die von Übergriffen auf Christen in den Landeserstaufnahmestellen und Asylbewerberunterkünften zeugen. Insbesondere zum Christentum konvertierte Muslime sind Schikanen, Diskriminierung und Übergriffen ausgesetzt. Die christliche Nichtregierungsorganisation Open Doors zählte bundesweit 230 Übergriffe. Täglich gehen weitere Meldungen ein. Man sieht daran, es sind keine bedauernswerten Einzelfälle. Das Ausmaß ist wahrscheinlich noch viel größer, denn was sich in deutschen Unterkünften unterhalb der polizeilichen Wahrnehmungsschwelle – aus Scham verschwiegen oder verdeckt, oder auch als Konflikt zwischen Ethnien missdeutet – abspielt, findet bislang keinen Eingang in behördliche Statistiken.

(Beifall AfD)

(Abg. Herrgott)

Für Praktiker dagegen ist die Diskriminierung der Christen wie Angehöriger anderer Religionen, die in deutschen Unterkünften zu religiösen Minderheiten zählen, eine Tatsache. So spricht Max Klingberg von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte davon, dass die Wahrscheinlichkeit der zum Christentum konvertierten Muslimen Opfer von Übergriffen zu werden, gegen 100 Prozent geht. Herr Klingberg ist seit über 14 Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv und weiß, wovon er spricht. Thüringer Praktiker sollten ebenfalls zu Wort kommen, um uns das wahre Ausmaß der Bedrohung und Diskriminierung von religiösen Minderheiten in den Thüringer Unterkünften, aber auch Übergriffe auf Angehörige dieser Minderheiten außerhalb der Unterbringungseinrichtungen zu schildern. Daher beantragen wir die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss und den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und freuen uns über eine Anhörung von Personen, die nahe dran sind und aus der Praxis berichten können.

Diskriminierende Einstellungen, die durch den Asylzuzug nach Deutschland importiert werden, sind ein fruchtbarer Boden für die Ausbreitung des Islamismus. Bereits ohne die Asylkrise stieg die Zahl der Islamisten in Thüringen deutlich an, die Anzahl der gewaltbereiten liegt nach Angaben des Verfassungsschutzes noch unter zehn, aber wir haben bereits viele Ausreisen selbst von Frauen und Mädchen zu verzeichnen. Der Salafismus wächst und ist für junge, entwurzelte, teilweise traumatisierte Männer und in wachsendem Maße auch Frauen attraktiv, die sich nach Autorität in Gemeinschaft sehnen. Sie erhoffen sich durch Unterordnung Stabilität, Halt und Orientierung, sagt Frau Claudia Dantschke, eine langjährige, in der praktischen Extremismusprävention tätige Expertin. Ahmad Mansour, einer der führenden Salafismusexperten und ein langjähriger Praktiker,

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Und ein Kritiker der AfD!)

spricht davon, dass Salafisten die bessere Sozialarbeit machen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Hören Sie doch mal zu, sehr geehrte Linke!)

Dass sie damit auch in Thüringen anfangen, gibt die Landesregierung unumwunden zu. Demnach engagieren sich Einzelpersonen, die aus der extremistischen salafistischen Szene bekannt geworden sind, in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe, wie beispielsweise mit Übersetzungsdiensten, praktischen Unterstützungen oder auch Hilfe bei Behördengängen. Das angeblich humanitäre Engagement von Salafisten in der Flüchtlingshilfe ist nichts anderes als ein niederschwelliges Einstiegsangebot in die salafistische Szene und damit aufgrund der fließenden Übergänge innerhalb dieser Szene in den kriegerischen Dschihadismus.

Wir benennen nicht nur die Probleme, wir wollen auch Lösungen liefern. Die Mitarbeit von Salafisten in der Flüchtlingshilfe soll unterbunden werden. Salafisten sollen keinen Zugang zu den Unterkünften erhalten. Zufluchtsräume zum Schutz vor Übergriffen für religiöse Minderheiten müssen eingerichtet werden.

(Beifall AfD)

Kurzum: Thüringen muss handeln. Die Religionsfreiheit gilt als wesentliches Grundrecht auch in den Unterkünften. Herr Ministerpräsident, ich frage mich, ob Sie im Rahmen Ihrer Privataudienz beim Papst nicht nur über die Christenverfolgung im Nahen Osten, sondern auch über den Schutz der Religionsfreiheit in Deutschland und Thüringen gesprochen haben. Am besten, Sie oder der Integrationsminister Lauinger gehen mal selbst in Kirchengemeinden oder Asylbewerberunterkünfte und sprechen mit bedrohten Christen. Menschen, die vor religiöser Verfolgung fliehen, dürfen bei uns nicht ein zweites Mal wegen ihres Glaubens leiden und wollen auch keine Märtyrer werden.

(Beifall AfD)

An die Käß-Männer und -Frauen der EKD und an die vom Steuerzahler angenehm ausgestatteten Würdenträger der katholischen Kirche appelliere ich von hier aus: Verlassen Sie Ihre Elfenbeintürme und tun Sie etwas für Ihre Klientel, für Ihre eigenen Gläubigen. Danke.

(Beifall AfD)

Das Wort hat nun Frau Astrid Rothe-Beinlich, Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich ausdrücklich beim Kollegen Christian Herrgott bedanken, dessen Rede ich mich im Prinzip vollumfänglich anschließen kann.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Die große Einheitsfraktion!)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Also mir wäre das peinlich!)

Werte Kollegen von der AfD, Ihr angebliches Engagement für Religionsfreiheit kann nicht darüber hinwegtäuschen, wes Geistes Kind Sie sind. Wer sich mit einer derartigen moralischen Überheblichkeit – wie Sie eben, Frau Herold – hier vorn hinstellt und erst gestern über Facebook Folgendes über einen

(Abg. Herold)

Sozialverband verbreitete, ich will es hier noch mal wiederholen, Zitat Frau Herold:

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sachvor- trag!)

„Diese Sozialverbände sind geistig verfettet und brauchen dringend einen Reset.“, der sollte überlegen, wie er oder sie hier in diesem Haus auftritt, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da ist aber was dran!)

„Nächstenliebe verlangt Klarheit“ ist immer wieder das Engagement der evangelischen Kirchen, der christlichen Kirchen gegen Rechts und Rassismus überschrieben, und trotzdem weiß gerade ich es auch zu schätzen, dass die christlichen Kirchen sich ebenfalls gegen diesen Antrag verwahrt haben, und das aus sehr guten Gründen. Es geht eben nicht nur darum, Übergriffe auf christliche Asylbewerber zu verhindern, sondern es muss darum gehen, Übergriffe auf alle Menschen, egal welchen Glaubens oder welcher Herkunft sie sind, zu verhindern.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)