Protokoll der Sitzung vom 20.05.2016

(Beifall AfD)

Es ist höchste Zeit, erstens, Ihre absurden Integrationsträumereien, die auch diesem Antrag zugrunde liegen, endlich aufzugeben, zweitens, nicht mehr undifferenziert von Flüchtlingen zu sprechen und drittens, eine knallharte Auswahl vorzunehmen, und zwar zwischen einer Minderheit an Migranten einerseits, die in hohem Maße bildungsfähig, bildungswillig, leistungsbereit und in der Lage ist, ihre Herkunftskultur hinter sich zu lassen und Deutsche zu werden. Für diese Menschen lohnt es sich in der Tat, Haushaltsmittel zur Qualifizierung bereitzustellen und ihnen eine dauerhafte Perspektive in unserem Land zu ermöglichen. Dann gibt es eben einen Großteil an Migranten, die zu einer schweren und nicht verantwortbaren Belastung für unsere Gesellschaft werden, wenn ihnen eine langfristige Zukunft in Deutschland eingeräumt wird.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht um Kinder, ver- dammt noch mal!)

(Beifall AfD)

Auch wenn bei Ihnen, Frau Rothe-Beinlich, jetzt das Nazimeter laut aufheult, bezüglich dieser Menschen muss die Politik den Mut haben, die Botschaft aufzubringen, dass denen keine Mittel und keine Perspektiven eingeräumt werden, in Deutschland zu verbleiben und Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Eine verantwortungsvolle Politik sorgt auch dafür, dass diese Botschaft notfalls zwangsweise durchgesetzt wird.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Das ist Ausgrenzung, das gab es schon mal!)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Alles NPD-Sprech!)

Aber das ist ja auch nicht Ihre Botschaft. Das, meine Damen und Herren, ist das Konzept der AfD. Ich bin mir sicher, es wird in den nächsten Monaten und Jahren ständig an Attraktivität gewinnen,

(Beifall AfD)

vor allem als Kontrastprogramm zu Ihren Integrationsträumereien, die wir ablehnen. Selbiges gilt natürlich auch für den CDU-Antrag. Danke schön.

(Beifall AfD)

Als Nächster erteile ich Abgeordneter Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um Kinder und es geht um Bildung. Deutschland hat die UN-Kinderrechts

(Abg. Möller)

konvention ratifiziert. Diese beinhaltet in Artikel 28 das Recht des Kindes auf Bildung und Schule.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kinderrechte, meine sehr geehrten Damen und Herren, kennen keine Grenzen. Diese Verächtlichkeit, die wir eben hier am Pult erleben mussten, war nahezu grenzenlos.

(Beifall DIE LINKE)

Kinder als Belastung zu bezeichnen, Kinder, die ihre Zukunft noch vor sich haben, Kinder, die selbstverständlich eine Schule besuchen sollen – es gibt die Schulpflicht für alle Kinder, meine sehr geehrten Damen und Herren –, Kinder derart zu diskreditieren, das ist schon beschämend.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe mich erst ein bisschen gewundert, wieso hier heute für die AfD nicht die Bildungspolitikerin gesprochen hat.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wer ist denn das?)

Aber das wurde ja relativ schnell klar: Es ging Ihnen gar nicht um Bildung – wie so oft oder wie meistens –, sondern es geht um das Thema „Geflüchtete“. Für die Hetze gegen Geflüchtete fühlt sich dann Herr Möller selbstverständlich wieder persönlich verantwortlich.

Eigentlich ist es aber ein Antrag, der tatsächlich – meine ich – intensiv inhaltlich diskutiert werden muss. Ich möchte mich deshalb auch noch einmal ganz herzlich bei unserer Bildungsministerin bedanken, die zu Beginn dieses Tagesordnungspunkts einen sehr umfangreichen Bericht gegeben hat. Dieser Antrag widmet sich nämlich einem durchaus wichtigen Thema, der Beschulung von Kindern nicht deutscher Herkunftssprache in unseren Schulen. Ja, das erfordert eine Umstellung – keine Frage –, wenn mehr Kinder nicht deutscher Herkunftssprache in unsere Schulen kommen. Aber – das hat Torsten Wolf ja auch schon ausgeführt – es bringt auch ganz viel Bereicherung mit sich. Vielfalt bringt Wissen über andere Kulturen mit sich. Sie bringt Lernerfahrungen mit sich, die die Kinder vorher nicht hätten machen können – übrigens alle Kinder –, weil sie lernen, dass es völlig normal ist, verschieden zu sein, dass es Kinder unterschiedlicher Herkunft gibt. Im Gegensatz zur AfD sind wir nicht der Meinung, dass man die Herkunft hinter sich lassen und abgeben muss. Ganz im Gegenteil: Alle sollen sich in ihrer Unterschiedlichkeit einbringen können. Genau das macht das Zusammenleben spannend, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich glaube, es ist bereits sehr deutlich geworden, dass das Thema der Beschulung von Flüchtlingskindern ganz oben auf unserer Agenda steht. Wir haben es im Bildungsausschuss auch immer wieder auf der Tagesordnung. Die Zahlen sind hier schon umfangreich genannt worden. Die Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache in Thüringen sind etwa 9.000 an der Zahl. Mehr als zwei Drittel von ihnen erhalten zusätzliche Sprachförderung durch Deutsch-als-Zweitsprache-Sprachlehrkräfte. Ich bin mir sicher, dass jede Stunde Bildung eine gute und eine gut investierte Stunde ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich habe mich ehrlich gesagt sehr geärgert, dass es an Rot-Rot-Grün einen Vorwurf einzelner Verbandsvertreter gegeben hat. Der Landtag und die Politikerinnen – so schrieb es der tlv – hätten das Thema aus den Augen verloren. Das Gegenteil ist der Fall, wir beschäftigen uns sogar sehr intensiv damit. Ich kann diesen Vorwurf jedenfalls nicht nachvollziehen. Ich kann versichern und spreche da bestimmt auch für alle demokratischen Fraktionen, dass uns dieses Thema in der Tat am Herzen liegt.

(Beifall DIE LINKE)

Nun aber konkret zu dem Antrag der CDU-Fraktion: Die CDU fordert eine flexible Einzelfallentscheidung zur Schulpflicht. Hier sage ich ganz deutlich, liebe CDU: Die Schulpflicht gilt in Thüringen ab drei Monaten Aufenthalt für alle. An diesem Mindeststandard wollen und werden wir nicht rütteln.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wir auch nicht!)

Es ist an Zynismus übrigens kaum zu überbieten, was Herr Möller hier ausgeführt hat. Er hat nämlich das Kindeswohl bemüht, um zu begründen, warum man Kinder von Geflüchteten von der Schule fernhalten soll, und hat erklärt, es wäre ja so schwierig für die Kinder, sich auf neue Umgebungen einzulassen. Das sind vorgeschobene Argumente. Kinder brauchen das Miteinander. Kinder brauchen andere Kinder um sich herum. Kinder brauchen Bildung und Kinder brauchen auch den ungehinderten Zugang zur Schule.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen vielmehr über die Weiterentwicklung der Schulpflicht nachdenken, und zwar – das habe ich schon mehrfach ausgeführt – am besten in Richtung eines Rechts auf Bildung wie in Hamburg. In Hamburg ist es nämlich so, da gibt es einerseits die Schulpflicht, aber für alle Jugendlichen ab 16 Jahren das Recht auf Bildung, das heißt, dass man auch höhere Bildung noch erlangen und weiterführende Schulen besuchen kann, wenn man das möchte.

Im Übrigen wissen eigentlich auch alle, zumindest wenn sie sich fachlich damit auseinandersetzen, dass die Klasseneinstufung in Thüringen bereits heute flexibel erfolgt und eigenverantwortlich durch die Schulleitung vorgenommen wird. Von daher ist dieser Vorschlag in der Tat entbehrlich. Entscheidend ist der individuelle Entwicklungsstand der Kinder, der muss immer Berücksichtigung finden. Aber genau das ist auch schon heute die Realität.

Der zweite Punkt im CDU-Antrag betrifft eine längere Verweildauer – so will ich es einmal nennen – in der Kita statt einer Einschulung. Flüchtlingskindern, die das sechste, aber noch nicht das siebente Lebensjahr vollendet haben, soll die Möglichkeit gegeben werden, noch bis zum nächsten Schuljahr einen Kindergarten zu besuchen.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist doch gut so!)

Die Kinder könnten sich – so die CDU-Argumentation – dann leichter eingewöhnen und Sprachkenntnisse erwerben. Außerdem sollen die bisher üblichen Standards in den Kitas temporär ausgesetzt werden. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das lehnen wir ab.

(Beifall DIE LINKE)

Es stellt sich nämlich sehr grundsätzlich die Frage, ob ein Kind, welches die deutsche Sprache noch nicht beherrscht, dieses besser in der Kita oder besser in der Schule lernt und dort besser gefördert wird. Pauschal jedenfalls zu sagen, wir wollen die längere Verweildauer in Kitas, halte ich für problematisch und pädagogisch auch nicht geboten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Einzelfall!)

Auch eine Entlastung ist dadurch nicht zu erwarten, da die Verantwortung lediglich der Kita zugeschoben wird. Herr Tischner, wenn Sie rufen „Einzelfall“: Der Einzelfall ist jetzt schon möglich. Schon jetzt kann jedes Elternteil einen Antrag darauf stellen, die Kinder zurückzustellen und in der Kita zu belassen. Entscheidend ist immer der Entwicklungsstand des einzelnen Kindes. Das ist längst Realität.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Genauso ist es!)

Wir sollten also unser Augenmerk eher darauf legen, gute Rahmenbedingungen in der Kita, also sprich der frühkindlichen Bildung, und der Schule zu schaffen und nicht Wege zu suchen, Kinder von der Schule auszugrenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Dann kommen wir zum Thema „Vorschaltklassen“. Nach dem Willen der CDU-Fraktion soll den Kin

dern mit Fluchthintergrund die Möglichkeit gegeben werden, sich zunächst in Vorschaltklassen ganz auf den Spracherwerb zu konzentrieren. Da bin ich zugegebenermaßen – Herr Wolf hatte das zu Beginn seiner Rede auch schon gesagt – etwas irritiert, schließlich gibt es bereits viele Vorkurse, es gibt auch Grundkurse und Aufbaukurse, das hängt auch immer vom jeweiligen Sprachstand der Kinder ab, in denen tatsächlich 15 bis 20 Stunden Sprachunterricht je Woche stattfinden, der die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt dazu befähigt, mehr in den Regelunterricht einzutreten. Frau Ministerin Klaubert hatte deutlich gemacht, wir wollen Inklusion leben, wir wollen inklusive Schuldbildung. Das heißt, dass die Kinder tatsächlich miteinander im Unterricht lernen und Integration in eine Klasse und dann intensive Beschulung in Deutsch gleichermaßen stattfinden. Die Bildung von Sonderklassen jedenfalls halten wir für hinderlich und eher integrationshemmend.

Nun kommen wir zu dem Punkt der CDU, der hier auch schon umfangreich dargelegt wurde, zur Vermittlung von christlich-jüdisch-abendländischen Werten und Normen, auch darauf ist Herr Wolf schon eingegangen. Die CDU will nämlich in diesen Sondervorschaltklassen neben Kenntnissen der deutschen Sprache auch Werte und Normen unserer christlich-jüdisch-abendländisch geprägten Gesellschaft und der kulturellen Tradition vermitteln. Wir sagen als Bündnis 90/Die Grünen ganz deutlich: Eine plurale Werte- und Normenvermittlung ist natürlich immer zu begrüßen. Diese allerdings einseitig auf die christlich-jüdisch-abendländisch geprägte zu fokussieren, lehnen wir ab. Auch die Forderung der CDU, dass den Schülerinnen in diesen Vorschaltklassen altersgemäße Grundkenntnisse der Verfassung, insbesondere der parlamentarischen Demokratie und Rechtstaatlichkeit vermittelt werden sollen, sehe ich kritisch, denn vielleicht hilft da ein Blick ins Schulgesetz. Es braucht da keine weiteren Regelungen, lesen Sie einmal in § 2 Abs. 1 Folgendes: „Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule in Thüringen leitet sich ab von den grundlegenden Werten, wie sie im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung des Freistaats Thüringen niedergelegt sind. Die Schule erzieht zur Achtung vor dem menschlichen Leben, zur Verantwortung für die Gemeinschaft und zu einem verantwortlichen Umgang mit der Umwelt und der Natur.“ Weiter heißt es: „Die Schüler lernen, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Dabei werden die Schüler darauf vorbereitet, Aufgaben in Familie, Gesellschaft und Staat zu übernehmen und dazu angehalten, sich im Geiste des Humanismus und der christlichen Nächstenliebe für die Mitmenschen einzusetzen. Die Schule fördert den Entwicklungsprozess der Schüler zur Ausbil

dung ihrer Individualität, zu Selbstvertrauen und eigenverantwortlichem Handeln.“ Wir von Bündnis 90/Die Grünen meinen, dem ist nichts hinzuzufügen. All das steht so wörtlich im Schulgesetz.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)