Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Entschuldigung, Herr Präsident. Das kommt nicht wieder vor.

Ich kann es Ihnen nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion. Sie haben diese problematischen Fusionen zugelassen, weil Sie nicht bereit waren, fehlende kommunale Handlungsfähigkeit oder – vielleicht besser formuliert – fehlende kommunale Handlungswilligkeit, weil manchmal auch bestimmte Personen im Bereich von Nachbarorten nicht miteinander konnten, Sie haben es versäumt, dies mit Landespolitik zu untersetzen, die von Weitsicht geprägt war. Das haben Sie versäumt und das werfe ich Ihnen vor. Darüber hinaus – und ich kann Ihnen da viele Beispiele nennen – haben Sie aus parteipolitischer Opportunität die Mittel- und Oberzentren geschwächt. Das sieht man an den Strukturen, die der kommunale Finanzausgleich bis zum Jahr 2015 innehatte. Der Kollege Kuschel hat vorhin richtigerweise darauf hingewiesen, dass es ein Ungleichgewicht bei der Kompensation der Soziallasten in Thüringen gab, zulasten der größeren Städte – hier in unserem schönen Bundesland. Man hat diesen sogenannten Nebenansatz Sozialkosten so gestaltet, von der Höhe und vom Faktor, dass er für den ländlichen Raum eine gewisse Überkompensation zur Folge hatte. Dadurch konnten sich auch die Landkreise so entwickeln, wie sie sich entwickelt haben, aber zulasten der Städte, der Mittelzentren und auch einiger Oberzentren. Das sind Ungleichgewichte, die mit dieser Reform beseitigt werden. Das darf uns nicht wieder passieren. Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Haben Sie sich eigentlich einmal gefragt, lieber Kollege Fiedler, warum Sie auf der Oppositionsbank sitzen? Haben Sie sich einmal gefragt? Ein Grund – es gibt viele –, aber ein Grund, das sage ich Ihnen als Person

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: So ein Ge- schwafel!)

ich weiß, dass ich da auch in meiner eigenen Partei möglicherweise, aber das kann ich erdulden, an der einen oder anderen Stelle anecke –, und zwar ein ganz wesentlicher Grund, ist Ihre Halsstarrigkeit in Bezug auf das Thema „Gebietsreform“. Das ist ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass Sie heute auf der Oppositionsbank sitzen und damit nach wie vor nicht klarkommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann komme ich zu dem Punkt, den Sie in den Mittelpunkt Ihrer Kritik gestellt haben, nämlich die …

Erlauben Sie eine Frage des Abgeordneten Fiedler?

Ach, warum nicht, es kann ja nicht schaden.

Bitte, Herr Fiedler.

Sehr geehrter Kollege Höhn, Sie haben mich ja heute ganz oberlehrerhaft bewertet. Ich bewerte Sie nicht. Würden Sie meine Einschätzung teilen, dass, wenn Sie diese halsstarrige Gebietsreform durchziehen, Sie das nächste Mal unter 10 Prozent mit Ihrer Partei landen?

Sehen Sie, Herr Kollege, da sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt. Ich bin Ihnen sogar regelrecht dankbar für diese Frage, die Sie mir gestellt haben,

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Offen- barung!)

weil es uns nämlich nicht auf die parteipolitische Opportunität ankommt bei dieser Reform.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen, dass diese Reform für dieses Land notwendig ist. Wir haben das schon lange erkannt. Und Ihnen geht es um eines: die gelebte und die – wie Frau Ministerpräsidentin a.D. immer formuliert hat – geliebte Kleinteiligkeit Thüringens. Das war ein Machterhaltungsinstrument Ihrer Partei und das sehen Sie jetzt den Bach runtergehen und deswegen wehren Sie sich so heftig gegen diese Reform. Auch das sei Ihnen an dieser Stelle mal gesagt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist un- ser Land!)

Sie können hier an dieser Stelle Ihre eigenen Fehler auf diese Weise gern versuchen zu kompensieren oder zu kaschieren, aber Sie können sicher sein, wir lassen Ihnen das nicht durchgehen.

Wenn wir schon mal bei den eigenen Fehlern sind, dann sind wir nämlich bei der Frage des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Sie werfen uns vor, wir würden uns hier in einer nie gekannten Weise nicht verfassungskonform bei diesem Verfahren verhalten. Ja, mein Gott, haben Sie schon jetzt nach zwei Jahren vergessen, wie man Gesetze macht, wie Gesetzgebungsverfahren laufen?

(Beifall SPD)

Der Vorsitzende des Innenausschusses hat von diesem Pult aus heute hier in der Berichterstattung dargelegt, dass wir nicht nur, wie es sonst üblich ist, eine vierwöchige Anhörungsfrist zur Verfügung gestellt haben, sondern es waren, wenn man die eine Woche, die sie noch Zeit hatten bis zur mündlichen Anhörung, noch mit dazurechnet, sogar sieben Wochen. Und Änderungsanträge, lieber Herr Kollege – und da sind wir nämlich bei Ihrem Fehler, den Sie vielleicht sogar persönlich begangen haben und den Sie jetzt versuchen mit Lautstärke und mit überbordendem Eifer zu kompensieren –, Sie haben es versäumt, eine Vereinbarung im Innenausschuss einzuhalten. Wir hatten uns auf einen Abgabetermin von Änderungsanträgen verständigt, damit die kommunale Familie Zeit hat, auch darauf zu reagieren.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nein – nein – nein!)

Wer sich nicht daran gehalten hat, das waren Sie.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben ganz bewusst Ihre Anträge so knapp vor der heutigen Beratung gestellt, damit Sie eine Begründung haben können, um das Verfahren insgesamt zu verzögern.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da muss man doch erst einmal die Anhörung auswer- ten!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Änderungsanträge sind gut und richtig, wenn sie dazu dienen, das vorgelegte Gesetz zu verbessern oder nachzuschärfen. Sie sind falsch, wenn sie dazu dienen, ein Verfahren aufhalten zu wollen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Übrigens, Herr Fiedler war leiser als du!)

Sonst verstehst du es wahrscheinlich nicht – aber okay.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Du bist der einzige Oberlehrer, den wir hier haben!)

So ein Lob aus deinem Mund, das hätte ich gar nicht erwartet. Danke schön noch mal dafür.

Meine Damen und Herren, ich will natürlich die Gelegenheit nicht versäumen, denn ich will mich ja nicht ausschließlich nur mit den Kollegen der CDU in meiner Rede befassen, das wäre ein bisschen viel Ehre – einmal muss ich Sie noch zitieren, zitieren ist schwierig aus dem letzten Ausschuss, das darf man ja nicht, das wissen wir. Aber ich habe vernommen, dass einige Kollegen der CDU-Fraktion diese Reform, das ist sogar heute hier so gefallen, als „historisch“ bezeichnet haben.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich habe es nicht gesagt!)

Ja, mein Gott, wo Sie recht haben, da haben Sie wirklich recht!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie ist historisch und sie wird die Zukunft dieses Landes ganz entscheidend – und zwar positiv – beeinflussen, meine Damen und Herren.

Es waren nicht Sie, Herr Fiedler, es waren andere.

Lieber Kollege Höhn, ich kann mir erstens nicht vorstellen, dass das stimmt, und zweitens möchte ich Sie rügen, wenn es stimmen würde.

Ich habe ja auch nicht zitiert. Ich habe gesagt, es ist heute hier auch in der Debatte gefallen. Zumindest habe ich das vernommen, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nein, nein! Sie wissen, wie Sie es umschleiern können!)

Worum geht es uns? Uns geht es ganz klar um die Stärkung der Zentralen Orte als die Hauptträger von Kultur, Sport, Infrastruktur. Die wurden in den letzten Jahrzehnten sträflichst vernachlässigt. Hier müssen wir dringend nachsteuern. Deswegen stehen die Zentralen Orte – und das kann ein Oberzentrum sein, das kann im ländlichen Raum aber auch ein Grundzentrum sein – im Mittelpunkt dieser Reform. Aber auch der immer zu Recht viel gepriesene ländliche Raum, den wollen wir durch die Bildung von wirklich – und ich betone das ausdrücklich – leistungsfähigen Gemeinden als Basis für künftige Aufgabenerfüllungen stärken, weil die sich natürlich auch in den nächsten Jahren – das wurde hier schon dargelegt – gravierend in Art und Struktur verändern werden. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Und wir wollen wirklich gestärkte Landkreise mit einem hohen Qualitätsniveau in der Aufgabenerfüllung, die auch die von Ihnen immer von uns geforderte Einsparung zum Beispiel von Personal auf der Landesebene möglich machen. Starke Landkreise können perspektivisch gesehen vielleicht nicht komplett, aber in wesentlichen Teilen die Mittelbehörde substituieren. Deswegen ist es wichtig, dass diese Ebene gestärkt wird. Das ist auch eines unserer Reformziele, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hat hier schon mehrfach eine Rolle gespielt: Wie wollen wir das ins Werk setzen? Die Mehrfachstrukturen auf der kommunalen Ebene wurden hier

schon deutlich erläutert. Wir haben es gerade im Bereich der Verwaltungsgemeinschaften mit Verfahren zu tun und da spreche ich aus eigener Erfahrung – im Übrigen, wer uns absprechen will, wir würden uns nicht auskennen in der kommunalen Familie, da schauen Sie auch mal in die Reihen der SPD-Fraktion, wie viele kommunale Mandate da vorhanden sind. Meine politischen Wurzeln liegen auch 1990 in der Kommunalpolitik und ich habe alle Formen kommunalen Zusammenlebens selbst erlebt, selbst mitgestaltet, sowohl auf der Seite der kommunalen Familie als auch auf der Seite der Landespolitik. In der Beziehung fällt es schwer, mir da etwas vorzumachen. Ich habe es erlebt, mit welchen Schwierigkeiten beispielsweise Verwaltungsgemeinschaften zu kämpfen haben. Deshalb ist es mir auch ein ganz persönliches Anliegen, dass wir diesen Schritt, diese Übergangslösung, die 1994 geschaffen worden ist, nun endlich in wirklich leistungsfähige Strukturen überführen. Ich kann auch da das Beispiel meiner eigenen Gemeinde anführen, die sich in zwei Schritten hin zu einer Einheitsgemeinde entwickelt hat, die eine der wenigen abundanten Gemeinden im Freistaat Thüringen ist. Das ist das Ziel. Das Ziel ist nicht, so viel Geld an Schlüsselzuweisungen aus Erfurt zu bekommen. Das ist nicht das vordergründige Ziel kommunalen Handelns und sollte es nicht sein. Vordergründige erste Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die eigenen Einnahmen so hoch sind, dass man sich selbst versorgen kann.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erst dann tritt das Land ein, in solidarischer Art und Weise für einen Ausgleich zu sorgen bei der Erfüllung aller Aufgaben der Daseinsvorsorge. Nur so viel mal zum Grundsatz des Kommunalen Finanzausgleichs. Ich habe manchmal den Eindruck in den Debatten, dass Finanzausgleich so verstanden wird, dass wir mal aufschreiben, was wir gern möchten, und wenn das Geld nicht langt, muss das Land das ausgleichen. Nein, so funktioniert das nicht, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Holbe, CDU: Da haben Sie aber keine Ahnung, wie kommunale Haushaltssicherungskonzepte erstellt wer- den!)

Stichwort „keine Ahnung“, das lasse ich jetzt mal so im Raum stehen, meine Damen und Herren.

Ich möchte an dieser Stelle auch einige Sätze in Würdigung der hier stattgefundenen Anhörung verlieren, die nun auch im gesetzgeberischen Handeln eine ganz große Rolle spielt – zu Recht spielt. Es ist nun nicht so, dass wir in keiner Weise darauf reagiert hätten bzw. uns das alles egal wäre, wie man uns vorwirft. Ich will auch deutlich sagen, in unserem Verfahren, in dem Gesetz, was der Innenminister dem Thüringer Landtag vorgelegt hat, na