Protokoll der Sitzung vom 24.06.2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich will noch einmal kurz auf einige Punkte eingehen, denn alles hängt mit allem zusammen. Das haben wir gestern hier ausgiebig besprochen und deswegen will ich es verhältnismäßig kurzhalten. Es ist zwar löblich, dass Rot-Rot-Grün nach der zahlreichen Kritik nunmehr endlich erkannt hat, dass eine Gebietsreform ohne Funktional- und Verwaltungsreform nicht funktioniert.

(Beifall CDU, AfD)

Aber das nachgeschobene Gesetz ändert nichts daran, dass die Reihenfolge hier nicht stimmt. Das ist so und daran wird sich auch nichts ändern, denn einer Gebietsreform muss zwingend zunächst eine Funktional- und Verwaltungsreform vorausgehen,

(Beifall CDU, AfD)

aber das wissen Sie genauso gut wie wir. Sie müssen jetzt sehen, wie Sie es heilen. Selbst der Berater der Landesregierung, Herr Professor Hesse, hat immer die Einhaltung der Verfahrenstrias gefordert:

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Erstens Aufgabenkritik, zweitens Funktionalreform und erst dann eine Struktur- und Gebietsreform. Das hat Ihr Berater klipp und klar genauso gesagt,

(Beifall CDU, AfD)

wie das der Gemeinde- und Städtebund, der Landkreistag und viele, viele Anzuhörende ausgiebig immer wieder betont haben. Deswegen muss man das auch hier deutlich machen.

Der Gesetzentwurf ist damit der untaugliche Versuch, eine falsch begonnene Reform zu reparieren. Sie versuchen jetzt einfach nachzuschieben und zu reparieren, was eigentlich ein untauglicher Versuch ist. Statt einer Verwaltungsreform mit Augenmaß setzt die Landesregierung auf wilden Reformismus, der mehr Behörden schafft als vorher. Statt die Aufgaben zu zersplittern, müssen sie überprüft und anschließend gebündelt werden. Die Zweistufigkeit als Ziel auszugeben und in dutzenden Fällen Mittelbehörden zu schaffen, ist alles andere als dienlich. Das hört man aus vielen Ministerien.

Unsere Antwort ist ein klarer dreistufiger Verwaltungsaufbau, der Gemeinden, Städte und Kreise entlastet. Nur so können wir überschaubare und vertraute Strukturen erhalten.

(Beifall CDU, AfD)

Schön, ich weiß, wir sind alle fertig kurz vor den Ferien. Aber der eine oder andere freut sich, wenn noch ein paar mit zuhören.

Meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Es ging doch jetzt darum, den Beifall als …)

Der Abgeordnete Fiedler hat das Wort.

Dass du dich noch mal zu Wort meldest kurz vor den Ferien, also ich bin gerührt.

Meine Damen und Herren, die Grundsätze des Vorschaltgesetzes wollen in ein Gesetz münden, welches am 1. Januar 2019 und damit nach der Gebietsreform umgesetzt ist, damit es sich jeder noch einmal vor Augen führt. Auch wenn wir einer Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss, den Haushalts- und Finanzausschuss sowie den Justizausschuss zustimmen werden – federführend natürlich der Innenausschuss –, bleiben wir bei unserem Änderungsantrag vom 18. Mai 2016 in Drucksache 6/2179, Gebietsreform stoppen – Funktional- und Verwaltungsreform auf den Weg bringen. Ich will Ihnen vielleicht noch mal einige Punkte daraus in Erinnerung bringen, weil manches schnell untergeht: „Die Landesregierung wird aufgefordert, das mit dem […] Vorschaltgesetz zur

Durchführung der Gebietsreform im Freistaat Thüringen […] gesetzte Ziel zur Neustrukturierung auf Kreis- und Gemeindeebene zugunsten einer Funktional- und Verwaltungsreform nicht weiter zu verfolgen,“

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber gestern haben Sie doch was anderes beantragt!)

Herr Adams, ich habe heute nicht die Absicht, übermäßig auf Ihre Kommentare einzugehen. – „eine Funktional- und Verwaltungsreform unter Maßgabe der nachfolgend aufgeführten Vorgehensweisen, Ziele und Rahmenbedingungen, unter frühzeitiger und umfassender Beteiligung der behördlichen Personal- und Berufsvertretungen, durchzuführen.“ Auch das war ein großer Kritikpunkt, der dann versucht wurde weichzuspülen, aber er steht. Und dann haben wir: „a) konsequente Aufgabenkritik aller Landesaufgaben, b) Konzentration auf die Kernaufgaben des Landes, c) Verzicht auf entbehrliche Aufgaben und Standards, d) deutliche Reduzierung der staatlichen Aufsicht, e) Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch Aufgabenübertragung im Rahmen der kommunalen Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips,“ – Denn ich glaube, auch hier muss man immer wieder darauf achten, dass die Kommunen nicht überfordert werden. Und dass Kommunen jetzt vielleicht eine Rendite erarbeiten sollen, die das Land selbst bis dato nicht gebracht hat, das kann nicht zielführend sein. – „f) Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit,“ – Auch das ist ein Thema, das wir in der letzten Legislatur schon hatten. Aus unterschiedlichen Gründen, weil die Vorschrift so eng gefasst war, konnte vieles nicht passieren. Und hinterher haben sich alle aufgeregt, weil am Ende nichts passiert ist, weil die Vorschrift so war, wie sie war. Das wissen die Betroffenen, die damals mit daran beteiligt waren. – „g) Zentralisierung der Aufgaben mit hohem Fach- und Spezialwissen,“ – Auch da kann man durchaus auf das verweisen, was uns immer mit den Umweltämtern vorgeworfen wird. Das haben wir schon mehrfach gesagt: Es war ein Fehler. Fehler muss man korrigieren, aber man darf nicht wieder neue Fehler machen. Und deswegen muss hier auf das Fach- und Spezialwissen abgehoben werden. – „h) einfache, transparente und bürgernahe Verwaltungsverfahren, i) Verzicht auf Doppelstrukturen und unsachgemäße Verflechtungen, j) Beibehaltung eines dreistufigen Verwaltungsaufbaus bei Stärkung eines optimierten Landesverwaltungsamtes als Bündelungs- und Dienstleistungsbehörde.“

Meine Damen und Herren, das Landesverwaltungsamt ist in vielen Sitzungen im Landtag auch hochund runterdiskutiert worden. Mal waren die einen dafür und die anderen waren dagegen; mal waren die einen dagegen, dann waren die anderen wieder dafür. Ich weiß noch, damals, als wir die große

Koalition mit der SPD eingegangen sind: Das Landesverwaltungsamt konnte bleiben und dafür wurde das Polizeipräsidium abgeschafft. So geht es in der Politik halt auch manchmal zu. Da gab es auch von meiner Partei und von meiner Fraktion durchaus Hinterfragungen. Da sind entsprechende Dinge geprüft worden, weil nämlich vor allen Dingen auch im Landesverwaltungsamt EU-Aufgaben kontrolliert werden müssen. Man kann sie nicht zum Ministerium hochziehen; da muss man sie nach unten geben, wenn man sie nicht in der Bündelungsbehörde macht. Es ist geprüft worden und da kam leider Gottes damals wenig Einsparpotenzial zustande, weil es einfach nicht geht. Das haben die Fachleute vorgelegt. Da kann man zehnmal sagen, dass uns das nicht passt, aber wir mussten es zur Kenntnis nehmen. Wichtig ist uns die Bündelungsaufgabe, dass dort gerade Emissionsschutz, Baurecht etc. – das wissen Sie genauso gut wie ich – als Bündelung gedacht ist. Ich denke, andere Länder haben es eingeführt. Wir haben von Anfang an keine Regierungspräsidien geschaffen, wie sie in RheinlandPfalz, Bayern und woanders durchaus da waren, sondern wir haben damals ganz bewusst für die Größe Thüringens dieses Landesverwaltungsamt – in Klammern Bündelungsbehörde – geschaffen. Das war damals der ausdrückliche Wille und ich glaube, er hat sich auch nicht groß verändert. Deshalb sollte man durchaus auch den dreistufigen Aufbau im Blick behalten.

„Verstärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit, insbesondere auch im mitteldeutschen Raum“ – auch das ist ein Thema, was uns mehrere Jahre schon beschäftigt. Mit einem Gefängnis haben wir was hingekriegt, es hat lange geholpert usw., aber auch dort sind bestimmt Möglichkeiten, die man noch weiter im Blick behalten kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist sehr spät gekommen, für uns zu spät, und der Abschluss des Berichts ist viel zu spät.

(Beifall CDU, AfD)

Wir fordern die Landesregierung auf, dass sie das jetzt zügig umsetzt. Auch die Anhörung hat deutlich gemacht, dass auch die vor Ort Betroffenen das fordern. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Adams das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Fiedler, Sie haben Ihre Ausführungen damit begonnen,

dass Sie gesagt haben, Rot-Rot-Grün ist durch Sie oder durch die Debatten im Leitbild aufgefordert worden, doch endlich eine Funktionalreform auf den Weg zu bringen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Runterge- brochen!)

Ich will Ihnen ganz kurz aus unserem Koalitionsvertrag von Dezember 2014 vorlesen, und zwar den ersten Satz im Abschnitt Verwaltungs-, Funktionalund Gebietsreform.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Na dann!)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da wären wir aber beim Geld!)

Ich weiß, Herr Brandner, Sie freuen sich immer, wenn ich etwas vorlese, weil Sie nicht so gerne lesen, glaube ich. – „Die Koalition ist sich darüber einig, dass die erfolgreiche Durchführung einer Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform [...]“ – jetzt lasse ich etwas aus, was noch mal Genaueres erklärt – „zu den wichtigen Herausforderungen Thüringens gehört.“ Herr Fiedler, wir brauchen keine Belehrung dazu. Und ich will eines ganz deutlich sagen: Ich will das aufnehmen, was Sie ganz richtig gesagt haben, dass die von Ihnen geführten Landesregierungen alle zu keinen vernünftigen Ergebnissen bei ihren Aufgabenanalysen, bei diesen kritischen Punkten gekommen sind. Deshalb bin ich unserem Minister außerordentlich dankbar, dass er gesagt hat: Es kann doch nicht immer – wie Sie das gemacht haben – darum gehen, Aufgaben irgendwohin zu schieben, oder es kann doch nicht darum gehen, Aufgaben irgendwie wegzumachen und zu privatisieren, sondern es geht doch um Prozesse, die wir uns anschauen müssen, und es geht auch um die Frage, wo wir ganz andere, neue Zusammenarbeiten suchen müssen. Und das ist ein schwieriger Prozess. Wenn Sie das schneller machen wollen, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie sich natürlich auch dem Vorwurf aussetzen, irgendetwas im Schweinsgalopp zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Verwaltungsreform verfolgen wir das Ziel, eine Verwaltung zu etablieren, die ihren Aufgaben gerecht wird, den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft entspricht und die darüber hinausgehende Daseinsvorsorge umfassend erfüllt, und die Verwaltung, die modern und effizient ist, bürgernah aufstellt. Um diese hohe Bürgernähe auch in Zukunft gewährleisten zu können, gilt für diese Verteilung von Aufgaben das Subsidiaritätsprinzip. Sie alle kennen das. Wichtig ist das auch für die Bürgernähe. Auch wenn diese Bürgernähe immer häufiger von einer Ortsnähe abzutrennen ist, weil das Internet natürlich auch weiter – auch wenn es nur schrittweise ist, auch wenn es noch nicht bei jedem ist – hier Einzug halten wird. Der Service der Behörden im Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern

(Abg. Fiedler)

und insbesondere Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten werden also wichtiger.

Wir wissen, dass wir in Thüringen elektronisch der Zeit noch hinterherhängen und hinterherhinken. Ich versuche das einmal anschaulich zu machen. Wenn Sie sich etwas im Internet bestellen, ein Produkt, dafür Geld bezahlt haben, können Sie zu jeder Zeit nachverfolgen, wo sich Ihr Paket befindet und bei wem es gegebenenfalls abzuholen ist. Versuchen Sie das mal in einem Thüringer Landratsamt mit Ihrem Bauantrag. Dann werden Sie sicherlich vor Wände stoßen, wenn Sie das versuchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kein Wunder, denn auf dem E-Government-Index der Vereinten Nationen für das Jahr 2014 ist Deutschland auf den 21. Platz abgerutscht. Zehn andere EU-Staaten, mit denen wir uns vergleichen, haben uns überholt.

Wir wissen, dass die Umstellung der Verwaltung ein Riesenprojekt ist. Akzeptanzprobleme bei der Verwaltung, hierarchiegeprägte Selbstwahrnehmung, wenig ressortübergreifendes Verständnis, mangelnde Übung und Bereitschaft zur Kooperation und viele andere Faktoren wirken hier zusammen und manchmal auch dem entgegen. Hier müssen wir dringend etwas tun, aufklären und Bewusstsein schaffen.

Was den Prozess der Reform anbelangt, haben wir uns für den Weg der Verzahnung, eine Parallelität dieser Reformen entschieden. Ich habe gestern auf die Zeitschiene verwiesen, die Sie damals in Ihrer Gebietsreform durchgeführt hatten. Da hatten Sie auch viele Prozesse parallel laufen lassen und niemand hat gesagt: Erst wenn ihr damit fertig seid, dürft ihr damit anfangen und dann erst wieder das machen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Viel mehr Zeit! Viel mehr Zeit!)

Sie haben vieles vernetzt und vieles verzahnt. Ich kann das neidlos anerkennen. Das ist auch gut gegangen und es ist auch vernünftig, weil die Abgeordneten dieses Landtags und auch die Menschen in Thüringen in der Lage sind, verschiedene Debatten gleichzeitig führen zu können. Manchmal ist es auch gut, dass man Dinge zusammen diskutiert, weil man sie dann in einem Rutsch erledigen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bisher sind nur Reförmchen herausgekommen. Eines dürfte anhand der Debatten der letzten Legislatur klar geworden sein: Das eine geht nicht ohne das andere, wie schon von mir ausgeführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Chance, mit dieser Funktionalreform gemeinsam mit der Gebietsreform etwas auf den Weg zu bringen, was weit in die Zukunft ragen wird, was Thüringen starkmacht und was Thüringen die Mög

lichkeit gibt, auch weiterhin eine wichtige Rolle in Deutschland und in Europa zu haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der AfD-Fraktion hat sich Abgeordneter Henke zu Wort gemeldet.