Protokoll der Sitzung vom 11.08.2016

Diese Ablehnung kann aber nicht dazu führen, dass wir diesem Alibiantrag der CDU zustimmen. Sie haben als Regierungsfraktion versagt und Sie haben als Oppositionsfraktion versagt. Liebe CDU, liebe Pechmarie, wir lehnen Ihren Antrag ab, denn glaubwürdige Politik sieht anders aus. Danke schön.

(Beifall AfD)

Als Nächster erteile ich Frau Abgeordneter Rosin, Fraktion der SPD, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich den vorliegenden Antrag zur Kenntnis bekam, ist mir gleich dessen positiver Aspekt aufgefallen. Das Meiste von dem, was in diesem Antrag erfragt, thematisiert oder eingefordert wird, ist bereits in gleicher Form, mitunter allerdings von anderen Initiatoren, behandelt worden.

(Abg. Muhsal)

Die aufgeführten Sachverhalte sind hier im Plenum oder im Bildungsausschuss schon ausführlich diskutiert worden und hielten dem Faktencheck nicht stand.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber warum bedarf es dafür einer Sondersitzung? Ich will das nicht an jedem einzelnen Punkt Ihres umfangreichen Antrags nachweisen, sondern bloß symptomatisch zwei Ihrer Anstriche herausgreifen. Da fragen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, in den Punkten 1, 2, 3 und 6 nach der aktuellen Personalsituation an den Thüringer Schulen und untergliedern dies in die Einzelaspekte Altersstruktur, Krankenstand, fachfremde Vertretung, Unterrichtsausfall, Einstellung in den Schuldienst, Stellenwandlungen und Besetzung von Leitungsfunktionen. Genau diese Aspekte hat aber meine Kollegin Astrid Rothe-Beinlich in einer sehr umfangreichen Kleinen Anfrage mit der Nummer 1048

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hätten Sie ja mal lesen können!)

mit dem Titel „Personalsituation, Seiteneinsteiger, Mangelfächer und Förderprogramme im Schulbereich in Thüringen“ abgefragt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist wahr!)

Das Bildungsministerium hat darauf im Juni – das betone ich – in der Drucksache 6/2252 sehr umfangreich und gut fundiert und dokumentiert geantwortet. Sollten Ihnen diese Anfrage und die Antwort des Bildungsministeriums tatsächlich entgangen sein, so können die nötigen Informationen dort problemlos nachgelesen werden.

Warum das Ganze aber nun noch einmal hier im Plenum abgefragt wird, erschließt sich mir nicht. Die Antworten des Bildungsministeriums dürften sich höchstens graduell von jenen unterscheiden, die das Ministerium erst vor wenigen Wochen gegeben hat. Auch alle anderen Fragen, die die CDUFraktion unter Punkt 1 auflistet, sind in den letzten Monaten und Wochen Gegenstand einer ganzen Reihe Kleiner Anfragen gewesen und sind zudem ausführlich von uns gemeinsam im Bildungsausschuss beraten worden. All dies noch einmal in einen Plenarantrag zu packen, erscheint mir wenig sinnvoll und hinterlässt einen herben Beigeschmack.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit komme ich zum zweiten Anstrich, den ich hier beispielhaft benennen möchte. Es geht darum: In Ihrem Forderungskatalog geben Sie an, dass Sie die Landesregierung auffordern, im Rahmen eines Schulleiterversprechens sicherzustellen, dass keine Schule länger als drei Monate ohne ordentlichen

Schulleiter auskommen muss. Dies gilt auch für Stellen von ständigen Vertretern von Schulleitern. Das klingt zunächst einmal gut, ist aber rechtlich und faktisch nicht durchsetzbar, also momentan unerfüllbar. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, das genau wissen. Sie haben diese Forderung bereits vor geraumer Zeit in einem Antrag erhoben, den wir hier im Plenum ausführlich diskutiert haben. Im Anschluss ist dieser Antrag, lieber Kollege Tischner, nochmals im Bildungsausschuss im Detail mit der Ministerin und den zuständigen Fachreferaten des Ministeriums diskutiert

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Nur Be- denken!)

und auf seine Umsetzbarkeit hin entsprechend als negativ beschieden worden. Mein Eindruck nach diesen vielen Erklärungsrunden ist seinerzeit gewesen, dass Sie die Faktenlage letztendlich auch verstanden und akzeptiert haben.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Nein!)

Offenbar hält Sie dies aber keineswegs davon ab, die gleiche Forderung unverdrossen ein zweites Mal im Landtag zu stellen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zeigt eine Auffassung von Oppositionsarbeit, die – entschuldigen Sie bitte – ich nicht bei Ihnen vermutet hätte, sondern eigentlich von Abgeordneten auf der rechten Seite, von Ihnen gesehen. Ich glaube, es ging Ihnen bei dieser Sache nur um reines populistisches Handeln. Manchmal würde man vielleicht auch versuchen, darüber zu sagen, dass noch ein kleines Attribut hinzukommt, mit fünf Buchstaben, beginnend mit „b“ und endend mit „g“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was mich stört, ist, die Verunsicherung bei Lehrern, Schülern und Eltern zu Schuljahresbeginn in Kauf zu nehmen und von angeblichem Schulchaos zu sprechen. Nach meinem Besuch und Gespräch mit einigen Schulen, Schulämtern in der Vorbereitungswoche kann ich feststellen, dass unsere Schulen und die Schulverwaltungen gute Arbeit leisten und den immer schwierigeren Herausforderungen gewachsen sind und dabei immer das Kind in den Blick nehmen.

Zu kurz gesprungen ist der CDU-Antrag schließlich auch im Hinblick auf die Gewinnung gut qualifizierter Nachwuchspädagogen für den Thüringer Schuldienst. Alles, was die CDU dazu vorschlägt, sind unbefristete Vollzeitstellen, also nichts Neues. Die Straffung des Einstellungsverfahrens, der zuletzt genannte Punkt, ist natürlich richtig und auch wichtig, aber er wird uns im zunehmend härter werdenden bundesweiten Wettbewerb um junge Lehrerinnen und Lehrer nicht wirklich weiterhelfen. Was wir

aus Sicht meiner Fraktion brauchen, ist die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung.

(Beifall CDU)

Ich will Ihnen unsere Position kurz anhand der Faktenlage erläutern. Bereits im Juni 2015 hat die Kultusministerkonferenz in ihrer Studie, der Dokumentation Nummer 208, mit dem Titel „Lehrereinstellungsbedarf und -angebot in der Bundesrepublik Deutschland 2014 bis 2025 – Zusammengefasste Modellrechnungen der Länder“ ausgeführt, dass die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen in den ostdeutschen Ländern in den kommenden Jahren bei Weitem nicht ausreichen wird, um den Einstellungsbedarf im Schulbereich auch nur rechnerisch abzudecken.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ihr habt sie doch reduziert!)

In der KMK-Dokumentation ist von einem Deckungsgrad von gerade mal 73 Prozent die Rede. Fazit: Die ostdeutschen Länder müssen alles tun, um ihre gut qualifizierten Absolventinnen und Absolventen zu halten und nach Möglichkeit noch weitere Nachwuchspädagoginnen und -pädagogen aus den Westländern zu gewinnen. Inzwischen ist diese ohnehin recht düstere KMK-Prognose aber schon Makulatur geworden und die Situation hat sich binnen weniger Monate deutlich verschärft. Der flüchtlingsbedingt erfolgte rasche, umfassende bundesweite Anstieg der Schülerzahlen macht aus Sicht der KMK in den kommenden Jahren deutschlandweit 20.000 zusätzliche Lehrereinstellungen notwendig. Die GEW spricht sogar von bis zu 26.000 zusätzlichen Neueinstellungen. Die Zahl von 26.000 Nachwuchspädagoginnen und -pädagogen entspricht rechnerisch einem kompletten zusätzlichen bundesdeutschen Absolventenjahrgang. Und der ist derzeit und auch in den kommenden Jahren überhaupt nicht auf dem Markt.

Was folgt aus diesen unerfreulichen Zahlen und Fakten? Der bundesweite Wettbewerb um junge Lehrerinnen und Lehrer wird immer härter werden und die Ausgangssituation der ostdeutschen Länder in diesem Wettbewerb wird sich noch weiter verschlechtern.

Und was bieten die einzelnen Bundesländer in diesem Wettbewerb? Ganz einfach: Schon jetzt ist in 13 von 16 Bundesländern die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern üblich. Lediglich Thüringen, Berlin und Sachsen gehen einen Sonderweg. Aber auch dies wird sich in absehbarer Zeit ändern, denn die Kultusministerin von Sachsen hat bereits vor wenigen Wochen angekündigt, angesichts der beschriebenen Faktenlage Gespräche mit Tarifpartnern über die Einführung der Lehrerverbeamtung zu führen. Auch im Berliner Senat ist seit Monaten über diesen Punkt diskutiert worden. Thüringen

droht damit im Hinblick auf die Lehrerverbeamtung schon völlig isoliert dazustehen.

(Beifall CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun kann man natürlich sagen, dass die Thüringer Nachwuchspädagogen eine Verbeamtung für nicht weiter erstrebenswert halten und diesen Punkt bei ihrer Entscheidung über den künftigen Berufsweg als eher vernachlässigbar betrachten. Das ist dann allerdings falsch und es ist auch schon seit geraumer Zeit falsch. Bereits im Juli 2012 hat das damalige Bildungsressort unter Minister Matschie in seinem Prüfbericht zum weiteren Umgang mit Lehrerverbeamtungen Folgendes festgestellt: Dass die Wettbewerbssituation davon geprägt ist, ob Verbeamtungen vorgenommen werden oder nicht, beruht unter anderem auf gewonnenen Erfahrungen in den zurückliegenden Bewerbungsverfahren. Dabei hat sich gezeigt, dass sich eine Vielzahl der Bewerber ausdrücklich danach erkundigt, ob in Thüringen verbeamtet wird oder nicht. Insbesondere staatliche Schulämter, die an Bundesländer angrenzen, die Verbeamtungen vornehmen, Hessen, Bayern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, erleben, dass Bewerber ein Stellenangebot in Thüringen nicht annehmen, weil sich ihnen zeitgleich die Möglichkeit für eine Verbeamtung in einem anderen Bundesland bietet.

Diese Einschätzung hat das Bildungsministerium jüngst auch in der vorher zitierten Kleinen Anfrage von Kollegin Rothe-Beinlich bestätigt. In dieser Anfrage heißt es in der Antwort zu Frage 12: „Die Gründe der Bewerber, eine in Thüringen angebotene Einstellung in den Schuldienst abzulehnen, können empirisch nicht erhoben werden. Gleichwohl berichten die Schulämter regelmäßig von zahlreichen Anfragen zur Verbeamtung und von Aussagen, Einstellungen in anderen Ländern aufgrund der dortigen Verbeamtung vorzuziehen.“

Sie sehen also: Wir müssen hier handeln. Denn bereits jetzt gelingt es dem Bildungsministerium nur mit Mühe, die im Einstellungskorridor vorgesehenen Neueinstellungen zu realisieren. Man darf sich an dieser Stelle nicht von den vom Bildungsministerium gebetsmühlenartig vorgetragenen Bewerbungszahlen blenden lassen. In der Realität müssen alljährlich in Hunderten von Fällen sogenannte Stellenwandlungen vorgenommen werden, um die zur Verfügung stehenden Stellen überhaupt irgendwie mit den oftmals deutlich abweichenden Qualifikationsprofilen der vorhandenen Bewerberinnen und Bewerber in Deckung zu bringen. Wer das im Detail nachvollziehen möchte, den weise ich noch mal auf die Kleine Anfrage von Kollegin Astrid Rothe-Beinlich hin.

Schon jetzt wird in Thüringen nichts anderes getan, als den bereits bestehenden Bewerbermangel kreativ zu verwalten. Meine sehr geehrten Damen und

Herren, wir brauchen also die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung und wir brauchen sie schnell. Meine Fraktion hat hierzu unter Federführung unseres Haushaltspolitikers Werner Pidde, eines erfahrenen Kollegen, ein Konzept vorgelegt, das die bildungspolitischen Notwendigkeiten mit einer soliden, nachhaltigen Finanzierung verknüpft.

(Beifall SPD)

Über dieses Konzept werden wir in den kommenden Monaten intensiv mit unseren Koalitionspartnern sprechen und ich bin sicher, dass wir an dieser Stelle zu einer guten Lösung kommen werden. Die Faktenlage ist nun mal so, wie sie ist. Nicht umsonst haben sich inzwischen auch der Ministerpräsident und die Bildungsministerin öffentlich für die Lehrerverbeamtung ausgesprochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Punkt 2 Ihres Antrags fordern Sie, den gesamten Novellierungsprozess zum inklusiven Schulgesetz zu stoppen, um somit bei der Schulgesetzgebung alles beim Alten zu lassen, und ignorieren damit den von der CDU in der letzten Legislaturperiode mit gefassten Landtagsbeschluss, schrittweise ein inklusives Bildungssystem in Thüringen zu verwirklichen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?)

Das hat damit zu tun. Auch ein Mehr an Ganztagsschulen im Grundschulbereich brauchen wir nicht, wenn man den Punkt 16 ansieht. Selbst die mit dem Votum der CDU bereits zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode im Schulgesetz verankerte individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler ist offenbar von der CDU nicht mehr gewünscht, denn Punkt II.17 fokussiert allein die Förderung von leistungsstarken Schülern durch gezielte Förderangebote. So steht es in Ihrem Antrag.

Es ist schon eine kuriose Situation, dass ausgerechnet wir der CDU ins Stammbuch schreiben müssen, dass auch unter Unions-Kultusministern Schulentwicklung in Thüringen passiert ist – aus sozialdemokratischer Sicht nicht immer innovativ, zeitgemäß und mit der entsprechenden Stringenz, aber ich möchte hier nicht in Abrede stellen, dass Schulentwicklung auch für die Thüringer CDU immer eine Aufgabe war. Ich möchte es nur an Folgendem belegen: Zum Beispiel hat Frau Lieberknecht damals in der Ressortverantwortung die Weichenstellung für Thüringen getroffen, nicht das im Westen dreigliedrige Schulsystem einzuführen, sondern auf ein zweigliedriges Schulwesen in Thüringen zu setzen sowie die Grundschulhorte zu erhalten und weiterzuentwickeln.

(Beifall CDU)

Ich erinnere ebenso an die Einführung der dialogischen Schulaufsicht unter Minister Krapp und an die Vorhaben einer eigenverantwortlichen Schule

unter Minister Göbel. Heute ist Schulentwicklung für die CDU aber offenbar nicht mehr relevant. Damit Sie mich in diesem Zusammenhang nicht missverstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, natürlich gibt es eine Vielzahl von Baustellen im Bildungsbereich. Das wissen wir auch. Natürlich läuft manches im Bildungsministerium nicht so rund, wie wir uns das wünschen und wie wir das auch erwarten. Das haben wir schon des Öfteren öffentlich artikuliert und wir haben das auch hier im Plenum getan. Aber warum wir diesen Antrag heute hier als Sondersitzung behandeln, zu diesem Zeitpunkt, das erschließt sich meiner Meinung nach nicht und ich hoffe, ich konnte Sie davon überzeugen. Wir lehnen diese Vorlage aus der begründeten Faktenlage, die ich jetzt vorgetragen habe, ab. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Tischner das Wort.

Jetzt bin ich aber überrascht, Frau Präsidentin, dass die Grünen nicht reden oder sie sind am heutigen Tag so schockiert, dass sie nicht reden wollen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mein Gott, ist das blöd!)