Es gab einen ausführlichen Bericht des Innenministers und es gab über mehrere Stunden auch eine Diskussion und Nachfragen. Das, was Sie hier versuchen darzustellen, ist einfach falsch.
Aber nach dieser Diskussion, nach diesem Bericht im Innenausschuss legt die CDU-Fraktion heute einen Antrag vor und beantragt, dass der Landtag dem zustimmt. Ich zitiere daraus: „Der Landtag stellt fest, dass mögliche Verstöße [...] einer [...] Aufklärung bedürfen.“ Lieber Kollege Fiedler, dieser Landtag und die Koalitionsfraktionen und auch die Landesregierung sind nicht nur einen Schritt weiter, sondern schon mehrere Schritte weiter.
Der Antrag der Landesregierung heute, die Öffentlichkeit zu informieren, ist ein weiterer Schritt und ich bin mir sicher, dass wir heute auch gegenüber der letzten Woche einen weiteren Erkenntnisstand im Rahmen dieses Aufklärungsprozesses erfahren. Ich will Ihnen auch sagen, warum das richtig und wichtig ist, dass die Landesregierung diese Initiative ergriffen hat, denn natürlich sind es – und das haben wir im Innenausschuss am Freitag, denke ich, ausführlich diskutiert – Zwischenstände, aber die Zwischenstände machen deutlich, was tatsächlich zum jetzigen Zeitpunkt an Rechtsverstößen und Verfahrensweisen und Praktiken nachweisbar ist
und was eben zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachweisbar ist. Da macht eine öffentliche Darstellung genau dieser Sachverhalte nämlich den Raum eng für Spekulationen. Und Spekulationen darüber, dass Grundrechte in Thüringen nicht ausreichend gewahrt sind, das darf es eigentlich nicht geben. Dieses Ziel muss bei der Aufklärung durch die Landesregierung, aber auch durch das Parlament bestehen. Am Ende dieses Prozesses darf es keine Spekulationen mehr darüber geben, dass in Thüringen das Grundrecht, gerade auch der informationellen Selbstbestimmung, gerade auch der Schutz des gesprochenen Wortes in der Kommunikation zwischen der Polizei und den Bürgerinnen und Bürgern, in Gefahr ist, und nicht andererseits alles Notwendige zur Gefahrenabwehr getan wird. Ich glaube – und deswegen auch unser Entschließungsantrag, den wir eingebracht haben –, wir wollen deutlich machen, dass wir uns als Parlamentarier hier nicht aus diesem Aufklärungsprozess rausnehmen und auf die Landesregierung und den Innenminister zeigen, sondern zeigen, dass wir hier eine gemeinsame Verantwortung haben, nämlich auch diesen Grundrechtsschutz tatsächlich sicherzustellen, um gemeinsam der Frage nachzugehen, was sich tatsächlich abgespielt hat und was sich tatsächlich in den letzten Jahren in der Polizei nicht entwickelt hat. Das gehört zu Aufklärungsergebnissen dazu.
Ich finde aber zwei Sachen in diesem Entschließungsantrag noch von besonderer Bedeutung für das Parlament. Die will ich kurz begründen. Ich glaube, dass wir heute schon feststellen können, dass zumindest für den Teil, wo Telefonkommunikation permanent automatisiert und damit immer anlasslos mitgeschnitten wird, der Schutz der informationellen Selbstbestimmung, der Schutz des gesprochenen Wortes nicht so gewährleistet war, wie er in der Dienstanweisung aus dem Jahr 1999 richtig als Schutzanspruch der an einer Kommunikation Beteiligten beschrieben ist. Ich glaube, das ist auch ein deutliches Signal, das dieses Parlament in die Öffentlichkeit hineintragen kann, dass wir uns der Sensibilität dieses Sachverhalts bewusst sind, um eben genau auch noch einmal öffentlich demonstrierend zu sagen: Der Schutz des gesprochenen Wortes vor ungerechtfertigter Aufzeichnung ist ein hohes verfassungsrechtliches Gut und entsprechend dieser Bedeutung dieses Schutzguts wollen wir uns des Themas annehmen.
Ich finde auch den zweiten Punkt von besonderer Bedeutung – und da steht das Parlament selbst auch in einer besonderen Verantwortung, denn das war in der Vergangenheit schon öfter Gegenstand auch parlamentarischer und öffentlicher Debatten –, ob möglicherweise im Bereich der Landesverwaltung oder der Polizei im Besonderen gesprochene Worte – ob nun in Räumen oder auch über die Telefonleitung – praktisch Gegenstand von Mitzeichnungen werden. Mehrfach hat die vorherige
Landesregierung in parlamentarischen Dokumenten dargestellt, dass es keine rechtswidrige Mitzeichnung von Kommunikationsinhalten gegeben hat. Das ist in Parlamentsdokumenten veröffentlicht und auch heute noch für jedermann in Thüringen einsehbar. Ich denke, es ist richtig, dass der Landtag sagt, dass zumindest diese Auskunft, die in dieser Eindeutigkeit von der vorherigen Landesregierung in Parlamentsdokumenten wiedergegeben worden ist, nicht der Wahrheit entsprach. Das ist auch, glaube ich, eine Verantwortung, vor der das Parlament steht, dass wir gemeinsam mit dem Innenminister, gemeinsam mit der Landesregierung dazu beitragen,
Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr verehrte Abgeordnete, die Landesregierung hat die Sondersitzung des Landtags aufgrund der Wichtigkeit des Themas beantragt, also wir haben sie beantragt, und zwar unverzüglich. Am 03.08.2016 berichtete zunächst der MDR in einer Schlagzeile über „jahrelanges heimliches Mitschneiden von Telefonaten in der Thüringer Polizei“. In den darauffolgenden Tagen wurde das Thema in den Medien bundesweit aufgegriffen. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, Verunsicherungen, die sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Freistaats, aber auch bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aufgetreten sind, mit meinen Ausführungen entgegenzutreten und auch auszuräumen.
Lassen Sie mich hierzu ausdrücklich festhalten, dass es nicht darum geht, einem einzelnen Beamten einen Vorwurf zu machen, vielmehr geht es um Defizite in der Organisation und bei Abläufen auf allen Ebenen. Hierzu gehören zum Beispiel klarere Weisungs- und Erlasslagen, das Einfordern von Verantwortlichkeiten, das Ausüben von Fachaufsicht. Hierüber habe ich bereits in der letzten Woche den Ausschuss für Inneres und Kommunales informiert. Es ist mir nun ein besonderes Anliegen, das Hohe Haus über die bisherige Aufzeichnungs
praxis, den derzeitigen Stand der Aufzeichnung von Telefongesprächen sowie über die veranlassten Maßnahmen in Kenntnis zu setzen. Ich möchte betonen, dass wir noch immer in umfassenden Prüfungen sind und somit meine heutigen Ausführungen nicht abschließend sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte zunächst an zwei Praxisbeispielen den Zweck der Aufzeichnungen erläutern. Ein Anrufer, der den polizeilichen Notruf 110 wählt, ist aufgrund seiner schwer verständlichen Aussprache oder lauter Hintergrundgeräusche durch den Polizeibeamten nicht sofort zu verstehen. Das ist ein Beispiel. Hier ist es noch während der Notrufbearbeitung notwendig, den Inhalt erneut anzuhören. Als zweites Beispiel möchte ich anführen, dass im Falle eines gegebenenfalls fehlerhaften Handelns durch die notrufbearbeitenden Polizeibeamten der Bürger durch die vorgenommene Aufzeichnung die Nachweismöglichkeit erhält, dass er alle Informationen vollständig und richtig übermittelt hat. Seit 14 Tagen finden nun in meinem Haus, im Landeskriminalamt, in der Landespolizeidirektion sowie den Landespolizeiinspektionen umfangreiche Prüfungen statt, um die Praxis des Aufzeichnens von Telefongesprächen der Thüringer Polizei aufzuklären. Im Ergebnis erwarte ich sichere Erkenntnisse darüber, wie es möglich ist, einerseits den Anforderungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und andererseits den sich aus den polizeilichen Aufgaben ergebenden Notwendigkeiten gerecht zu werden. Dies darf aber nicht dazu führen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Polizei Schaden nimmt
bzw. Polizistinnen oder Polizisten in ihrer täglichen Arbeit verunsichert werden. Die Thüringer Polizei steht derzeit vor erheblichen Herausforderungen, die ein gemeinsames und fokussiertes Vorgehen bedingen. Hierzu gehören der Kampf gegen den Terrorismus, gegen politisch motivierte Kriminalität, gegen Cyberkriminalität, aber auch eine wirksame Vorbeugung und Verfolgung von Eigentums- und Gewaltdelikten. Diese sicherheitspolitischen Herausforderungen sind nur mit einer handlungssicheren, mit einer sehr gut ausgebildeten sowie sehr gut ausgestatteten und hoch motivierten Polizei möglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun einen Überblick über die Entstehung und spätere Umsetzung der Dienstanweisung geben. Seit 1994 gab es wiederholt Schriftverkehr zwischen dem damaligen Innenministerium und der damaligen Landesbeauftragten für den Datenschutz, in dem die Thematik erörtert wurde. Im Ergebnis wurde die Dienstanweisung zur Aufzeichnung von Telefongesprächsinhalten in der Thürin
ger Polizei erarbeitet. Diese trat am 01.08.1999 nach Zustimmung des Hauptpersonalrats der Polizei und unter Beteiligung der Landesbeauftragten für den Datenschutz in Kraft. In der Dienstanweisung wurde insbesondere die Aufzeichnung von Telefongesprächsinhalten mit aufgezählten Funktionsbereichen und Nebenstellen der Thüringer Polizei und des Innenministeriums, im Speziellen des damaligen Lagezentrums der Thüringer Landesregierung, geregelt. Dies betraf die automatische Aufzeichnung des polizeilichen Notrufs 110 und die automatische Aufzeichnung von notruf- und einsatznahen Nebenstellen in den Polizeidirektionen und -inspektionen sowie den Nebenstellen von Polizeiführungsstäben. Begründet wurde die automatische Aufzeichnung an den Nebenstellen damit, dass dort unmittelbare polizeiliche Handlungen veranlasst und durchgesetzt werden. Darüber hinaus regelte die Dienstanweisung die manuell ausgelöste Bedarfsaufzeichnung, zum Beispiel bei Drohanrufen. Im Jahr 2008 erfolgte dann eine weitere Beteiligung des Thüringer Landesdatenschutzbeauftragten. Im Ergebnis wurde in Abstimmung mit dem TLfDI die Aufbewahrungsdauer durch Erlass des Organisationsreferats vom 12.11.2009 auf 180 Tage erhöht. Die Erhöhung der Aufbewahrungsdauer führte nicht dazu, die Dienstanweisung insgesamt infrage zu stellen oder zu überarbeiten. Weitere inhaltliche Änderungen der Dienstanweisung erfolgten nicht. Gleichwohl gab es in den letzten zwei bis drei Jahren Vorgänge, die einen Bezug zu der Dienstanweisung hatten. Hier ist zunächst die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dorothea Marx aus der 5. Legislaturperiode zu nennen, die federführend durch das Finanzministerium bearbeitet wurde.
Der Schwerpunkt der Kleinen Anfrage bezog sich auf sensible Leistungsmerkmale wie beispielsweise das Mithören oder Aufzeichnen von Telefongesprächen an den Telekommunikationsanlagen der Thüringer Landesverwaltung. Die Frage 5 bezog sich jedoch auf die tatsächliche Nutzung der umstrittenen Funktionen. Die Frage der Abgeordneten Marx lautete: In welchen Fällen wurden und werden die beiden umstrittenen Funktionen genutzt und wo und in welchem Umfang war das bisher explizit der Fall? Für die Landesregierung antwortete Finanzminister Dr. Voß wie folgt: „Im Bereich der Thüringer Polizei erfolgen Aufzeichnungen generell nur für Fälle des Notrufes und in Fällen erkennbarer Bedrohung bzw. der Ankündigung von Straftaten während des Telefonierens. Durch aktives Handeln des den Anruf entgegennehmenden Beamten wird die Aufzeichnung im Interesse der Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung auf der Grundlage gesetzlicher Ermächtigungen ermöglicht. In der Regel betrifft dies die Einsatzzentralen der Polizeibehörden.“ Diese Frage ist aus heutiger Sicht nicht zutreffend beantwortet worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach vollständiger Inbetriebnahme der Landeseinsatzzentrale im Juli 2014 hielt die LPD eine Anpassung der Dienstanweisung für geboten. Begründet wurde die Anpassung zum einen mit der veränderten Organisation und zum anderen mit der Notwendigkeit der Erweiterung der automatischen Aufzeichnung der Vermittlungsstellen der Polizeidienststellen. Diesem Antrag, der letztlich auf eine Erweiterung der Dienstanweisung hinauslief, ist durch das damalige Thüringer Innenministerium nicht zugestimmt worden. Gründe hierfür waren die beabsichtigte Novellierung der Dienstanweisung, die fehlende Begründung zur generellen Aufzeichnung von Vermittlungsstellen sowie die bevorstehenden bundesweiten technischen Änderungen im Zuge der Einführung von Telefonaten über Voice-over-IP. Vielmehr legte das TIM fest, dass die bestehende Dienstanweisung in den neuen Organisationsstrukturen übertragen auf die neuen Organisationsbezeichnungen angewendet werden sollte.
Als dritter Vorgang in Bezug zur Dienstanweisung wandte sich der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit im Oktober 2015 an das Thüringer Innenministerium und bat um Informationen zur Aufzeichnung von Telefondaten in der Thüringer Polizei. Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales übersandte im November 2015 daraufhin die seit 1999 gültige Dienstanweisung an den Landesbeauftragten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich nun wieder auf die chronologische Abfolge der Ereignisse zurückkommen, wie sie meinem heutigen Kenntnisstand entsprechen.
Im Februar dieses Jahres gab es zwei voneinander unabhängige Anlässe, die letztlich im Juli 2016 die Außerkraftsetzung der Dienstanweisung zur Folge hatten. Zum einen war die Dienstanweisung entsprechend dem Thüringer Gültigkeitsverzeichnis bis zum 31.12.2016 gültig. Insofern sah die Fachabteilung vor, die Dienstanweisung im Jahr 2016 zu überarbeiten. Deshalb beauftragte Anfang Februar 2016 die Polizeiabteilung des Innenministeriums die nachgeordneten Behörden, zum März 2016 über Erfahrungen und den Bedarf für Aufzeichnungen von Telefongesprächsinhalten für die polizeiliche Aufgabenerfüllung zu berichten. Nach Beantwortung durch das Thüringer Landeskriminalamt und das Bildungszentrum informierte dann die Landespolizeidirektion Mitte April 2016 das Innenministerium, dass die Verteilung der aufzuzeichnenden Nebenstellen in den Landespolizeiinspektionen unterschiedlich ist und daher mit dem Ziel einer zukünftigen Harmonisierung geprüft werde. Einhergehend mit der Beantwortung des Schreibens der Landespolizeidirektion erfolgte zugleich in der Polizeiabteilung eine interne rechtliche Prüfung durch das Rechtsreferat.
Zum anderen ergab sich ein zweiter Anlass für die Außerkraftsetzung der Dienstanweisung durch Strafanzeigen von zwei Staatsanwälten der Staatsanwaltschaft Gera Ende Februar und Anfang März des Jahres. Mit Eingang des Schreibens der Staatsanwaltschaft Erfurt erlangte das Ministerium am 06.05.2016 Kenntnis von den Ermittlungen gegen die Thüringer Polizei wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Strafgesetzbuch. Nach meinem jetzigen Kenntnisstand hatten die Polizeibehörden erstmalig am 19. April 2016 Kenntnis von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erlangt. An diesem Tag fand in Erfurt eine turnusmäßige Besprechung der Leiterinnen und Leiter der Thüringer Staatsanwaltschaften mit der Thüringer Polizei statt, bei der die Problematik vorgetragen wurde. Vertreter des TMIK nahmen an dieser Besprechung nicht teil. Das Ministerium wurde im Nachgang des Gesprächs auch nicht über die Gesprächsinhalte informiert.
In der weiteren zeitlichen Abfolge veranlasste der Präsident der Landespolizeidirektion am 03.06.2016 die Abschaltung aller automatischen Aufzeichnungen mit Ausnahme der Notrufe. Der Präsident des Thüringer Landeskriminalamts verfügte am 04.07.2016, dass die automatischen Aufzeichnungen der Gespräche des Führungs- und Lagedienstes im Thüringer Landeskriminalamt abgeschaltet werden. Nach Vorlage der rechtlichen Bewertung durch das Rechtsreferat Ende Juni dieses Jahres setzte schließlich der Abteilungsleiter Polizei am 05.07.2016 die Dienstanweisung insgesamt außer Kraft. Derzeit werden in der Thüringer Polizei ausschließlich die Telefongespräche auf den 16 Notrufapparaten der Landeseinsatzzentrale automatisch aufgezeichnet. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass auch der Funkverkehr entsprechend § 40 Polizeiaufgabengesetz automatisch aufgezeichnet wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im zweiten Teil meiner Erläuterungen möchte ich Sie nun über die bisherige Anwendungspraxis informieren. Wie ich Ihnen bereits dargestellt habe, regelt die Dienstanweisung die Aufzeichnung von Notrufabfragestellen, von notruf- und einsatznahen Nebenstellen, Nebenstellen in Führungsstäben und Drohanrufen. Diese Aufzeichnungen dienen der Gefahrenabwehr, der Strafverfolgung und sind auch zwingend für die Erfüllung polizeilicher Aufgaben notwendig.
Es gibt im Einzelnen folgende Aufzeichnungsarten: Bei der automatischen Aufzeichnung werden alle ein- und ausgehenden Anrufe vom Beginn des Gesprächs bis zum Auflegen gespeichert. Die manuell bedarfsbezogene Aufzeichnung muss an den vorgesehenen Nebenstellen sowie der Aufzeichnungsanlage eingerichtet werden. Der Polizeibeamte löst in Fällen, in denen eine Aufzeichnung zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung notwendig ist,
die Aufzeichnung durch Tastendruck aus; sie beginnt erst zum Zeitpunkt des Tastendrucks. Wichtig ist zu differenzieren, dass diese Aufzeichnungen nicht durch die Telefonanlagen erfolgen, sondern durch den Einsatz separater Aufzeichnungssysteme, sogenannter Langzeitdokumentationsanlagen. Ausschließlich auf diesem System wurden alle automatischen und bedarfsbezogenen Aufzeichnungen für 180 Tage gespeichert.
Ein Bestandteil der Langzeitdokumentation ist die Kurzdokumentation. Diese diente dem Dienstschichtleiter oder dessen Vertreter dazu, die geführten Gespräche nochmals anzuhören, um zum Beispiel den Sachverhalt einer Information korrekt aufzunehmen, Missverständnisse weitestgehend auszuschließen und – wenn polizeiliches Handeln erforderlich war – die gewonnenen Daten in die polizeilichen Verfahren zu übernehmen. Die Überprüfung des Sachverhalts hat jedoch gezeigt, dass in den ehemaligen Polizeidirektionen unterschiedliche Zugriffszeiten auf die Kurzzeitdokumentation festgelegt wurden. Diese wurden auch nicht durch die Errichtung der Landespolizeidirektion harmonisiert. Hierauf gehe ich an späterer Stelle noch mal ein.
In einem dritten Schritt möchte ich Ihnen die bereits veranlassten Maßnahmen darstellen. Neben den bereits erwähnten Abschaltungen der automatischen Aufzeichnung von Nebenstellen, die nicht der Entgegennahme von Notrufen dienen, wurden insbesondere folgende Schritte veranlasst:
2. Erteilung umfangreicher Prüfaufträge an das Landeskriminalamt und die Landespolizeidirektion, rückwirkend zunächst für den Zeitraum ab 2011, zum Beispiel die Erhebung der aufzeichnenden Nebenstellen, die Anzahl der aufgezeichneten Telefonate, die Prüfung, inwiefern und aus welchem Grund Mitschnitte ausgewertet wurden, zu ergänzenden Weisungslagen in den Behörden und auch zur Dokumentation und Nachweisführung,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Umgang mit Telefongesprächen und ihrem Inhalt ist ein wichtiges und sensibles Thema. Wir nehmen daher diesen der Sondersitzung zugrunde liegenden Sachverhalt zum Anlass, die Praxis auch im sonstigen Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales einer Prüfung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass bisher und auch weiterhin in den Leitstellen der Thüringer Feuerwehr der Notruf 112 automatisch aufgezeichnet wird. Nach § 31 Abs. 3 des Thüringer Rettungsdienstgesetzes haben die Aufgabenträger Aufzeichnungen von den
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im nächsten Punkt möchte ich Ihnen den derzeitigen Erkenntnisstand der Prüfungen darlegen. In der Thüringer Polizei gibt es 16 Notrufabfragestellen der Landespolizeidirektion, die zentral aufgezeichnet werden. Des Weiteren wurden im Juni und Juli 2016 dezentral 85 Nebenstellen automatisch aufgezeichnet. Über diese Zahlen hatte ich auch bereits am Freitag im Innenausschuss berichtet. Wie ich Ihnen eben dargestellt habe, wird diese Prüfung zunächst rückblickend ab dem Jahr 2011 fortgesetzt. Diese umfasst eine Erhebung aller Nebenstellen, die im Betrachtungszeitraum für eine Aufzeichnung von Telefonaten eingerichtet wurden. In diesem Zusammenhang ist bereits jetzt festzustellen, dass sich die Anzahl der genannten Nebenstellen, bei denen eine Aufzeichnung stattgefunden hat, gegenüber meinen Ausführungen in der vergangenen Woche erhöhen wird.
Die Polizeibehörden wurden durch das Ministerium für Inneres und Kommunales aufgefordert, die Nutzungsverfügung darzustellen und nach Verwendungszweck aufzulisten. Die vorläufigen Ergebnisse der Prüfung liegen mittlerweile von allen Polizeibehörden vor, sodass ich Ihnen mitteilen kann, dass seit dem Jahr 2011 in 1.224 Fällen auf die Sprachdokumentation der Aufzeichnungsanlagen zurückgegriffen wurde. Davon fanden 1.157 Zugriffe zur Verfolgung von Straftaten statt. Die weiteren Zugriffe wurden zur Erfüllung sonstiger polizeilicher Aufgaben und zur Einsatzdokumentation durchgeführt.
Lassen Sie mich kurz ausführen, wie die Nutzung von Sprachaufzeichnungen durch die Dienstanweisung geregelt war. Nach der in Rede stehenden Dienstanweisung waren nur die Leiter der Polizeibehörden berechtigt, eine Nutzungsverfügung zu erteilen. Besteht ein Bedarf, Gesprächsinhalte im Rahmen von Ermittlungen weiter zu nutzen, ist dies mit dem zugehörigen Aktenzeichen zu beantragen und zu begründen. Das Auslesen der Gesprächsinhalte und der zugehörigen Daten hat an der Aufzeichnungsanlage durch Techniker im Rahmen eines Vier-Augen-Prinzips – unter Hinzuziehung eines Zeugen also – zu erfolgen. Darüber hinaus ist nach gegenwärtiger Erkenntnis festzustellen, dass der Umsetzung der ebenfalls in der Dienstanweisung vorgesehenen Berichtspflicht nur unvollständig nachgekommen worden ist. Die Einhaltung der Berichtspflicht der Polizeibehörden wurde durch das Innenministerium in der Vergangenheit offenbar auch nicht eingefordert. Soweit ersichtlich, liegen derzeit fünf Berichte aus den vergangenen Jahren vor. Bei vollständiger Berichterstattung etwa aller Landespolizeiinspektionen müssten es über hundert Berichte sein. In diesem Zusammenhang haben die bisherigen Prüfungen ergeben, dass die
damalige Inspektionsgruppe der Thüringer Polizei, die ab Oktober 1999 mit der Prüfung der Umsetzung dieser Dienstanweisung beauftragt war, bereits im Jahre 2001 aufgelöst wurde. Die bisher durch die Inspektionsgruppe wahrgenommenen Aufgaben wurden aus heutiger Sicht nicht mit der notwendigen Klarheit auf andere Organisationsbereiche übertragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte zum Ende meiner Ausführungen zunächst mal feststellen, dass nach dem Bekanntwerden des Sachverhalts in meinem Haus unverzüglich mit der Aufarbeitung begonnen wurde. So hat die Polizeiabteilung unter anderem die Erhebung zu den aufgezeichneten Nebenstellen und zu den Nutzungsverfügungen veranlasst. Grundlage hierfür war die Auswertung der Vorschriften und Weisungslagen. Darüber hinaus wurde ein umfänglicher Fragenkatalog erarbeitet und den nachgeordneten Polizeibehörden übermittelt.
Im Weiteren hat die Polizeiabteilung damit begonnen, eine neue Dienstanweisung zu erarbeiten. In diesem Prozess wird auch auf die Erfahrungen und die Regelungen in anderen Bundesländern zurückgegriffen werden. Ich gehe davon aus, dass die Thüringer Polizei auch weiterhin zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben die Möglichkeit zur Aufzeichnung von Notrufen sowie notruf- und einsatznahen Telefongesprächen benötigt. Die Aufzeichnung dient der Sicherstellung einer rechtmäßigen Dienstausübung, insbesondere auch zum Schutz des Bürgers. Die damit im Zusammenhang stehenden rechtlichen Anforderungen sowie die technische Umsetzung dieser Anforderungen und Maßnahmen sind Gegenstand weiterer Prüfaufträge.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend die noch zu klärenden Fragen festhalten. Nach dem heutigen Stand stellt sich die Frage, ob die Dienstanweisung in der pauschalen Aufzeichnung aller Gespräche, auch von notrufund einsatznahen Nebenstellen, rechtmäßig war. Nach 16 Jahren Anwendungspraxis kamen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Dienstanweisung letztlich aber erst durch die fast zeitgleiche Ermittlung der Erfurter Staatsanwaltschaft und eigene rechtliche Prüfungen auf. Es ist davon auszugehen, dass die weitere Aufarbeitung der Ausgangslage komplex und zeitintensiv sein könnte. Ursachen hierfür sind die Zuständigkeitsänderungen im Rahmen der Polizeistrukturreform, eine verteilte Telefonanlagenlandschaft und eine heterogene Aufzeichnungstechnik. Aufgrund der komplexen Situation und in einem Umfeld, in dem nicht wenige Verunsicherungen entstanden sind, die es nun nachhaltig auszuräumen gilt, habe ich mich dazu entschieden, in den weiteren Prozess einen externen Prüfbeauftragten einzubeziehen. Hierfür habe ich mich nach reiflicher Überlegung für Ministerialdirektor a.D. Dr. Wolfgang Schmitt-Wellbrock entschie