Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Demo- kratie ist das!)

dass Ihr Verhalten hier am Pult nichts anderes ist, als die Unabhängigkeit des Thüringer Verfassungsgerichtshofs infrage zu stellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Schlimme ist, Sie ziehen ja nicht einmal die richtige Konsequenz aus dem möglichen Scheitern dieses Volksbegehrens. Wir sagen als Linke: Der Finanzvorbehalt muss weg.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen müssen tatsächlich Volksbegehren auch über Inhalte machen können, die in die Finanzen des Landes eingreifen. Das fakultative Referendum, was Sie auf den Weg bringen wollen, ist faktisch überhaupt nicht möglich,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr müsst doch beim Referendum nicht mitmachen!)

wenn Sie den Finanzvorbehalt nicht abschaffen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Inkonsequenz macht Sie in diesem Punkt völlig unglaubwürdig. Wir haben uns als Parlament vorgenommen, wir wollen die Parlamentsreform ab nächstem Jahr auf den Weg bringen. Wie wollen Sie eine Parlamentsreform auf den Weg bringen, wenn Sie nicht auch eine Verfassungsänderung in erweitertem Maße anstreben? Da ist die Haltung meiner Fraktion ziemlich klar: Dann wollen wir

einen Volksentscheid über die Thüringer Verfassung. Ich weiß, auch da steht die Linke im Moment mit ihrer Auffassung erst mal

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Alleine da!)

in der Position, alle anderen dafür zu umwerben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann es nur noch mal sagen: Ich finde, diese Aktuelle Stunde wird dem nicht gerecht, was die CDU sagen will. Es gibt keine Klage der Landesregierung, es gibt noch nicht einmal die Prüfung. Die wird stattfinden, wenn der Landtagspräsident formal geprüft hat. Aus meiner Sicht wird, wenn es so weit kommt,

(Unruhe CDU, DIE LINKE)

das Verfassungsgericht entscheiden. Wie gesagt, Eigentore zu ballern, führt immer zur Niederlage.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das Volk wird sprechen!)

Danke schön. Als Nächster erhält Abgeordneter Brandner für die AfD-Fraktion das Wort.

Meine Damen und Herren, als wir den Titel der Aktuellen Stunde gelesen haben, mussten wir alle geschlossen in der AfD-Fraktion an Eugène Ionesco denken. Dieser Eindruck, muss ich sagen, hat sich gerade in der Fraktion fortgesetzt, nachdem wir den Grünen und die rote Sprecherin hier gehört haben. Die einen waren immer dafür und sind heute dagegen, die anderen waren immer dagegen und sind heute dafür. Die einen sind dafür, den Finanzvorbehalt abzuschaffen, aber wenden ihn erst mal an, und Dirk Adams findet Volksabstimmungen und Volksbegehren gut, bekämpft sie aber gerichtlich. Das müssen Sie den Leuten mal erklären!

(Beifall AfD)

Eugène Ionesco – Sie wissen es selber und ich hoffe, Sie da oben haben Deutsch- oder FranzösischLeistungskurs – war ja bekanntlich ein Vertreter des absurden Theaters. Genauso fühlen wir uns heute hier auch, muss ich Ihnen sagen. Hatte denn nicht die CDU-Landesregierung 2001 selbst gegen ein Bürgerbegehren geklagt? Herr Fiedler hat leichte Kritik gerade eingeräumt – Respekt dafür! –, inzwischen nach 15 Jahren eingesehen, dass das verkehrt war. Aber die CDU tut so, als hätte sie nie dagegen geklagt. Ein Fall weiterer politischer Demenz, wie wir ihn schon öfter bei der CDU hatten, oder aber, liebe CDU, ein Schritt in Richtung Aufar

(Abg. Hennig-Wellsow)

beitung der dunklen demokratiedefizitgeschwängerten Vergangenheit der CDU? Das kann auch sein.

(Beifall AfD)

Da wäre dann der Kollege Fiedler mit seiner leichten Kritik an der Landesregierung 2001 einen winzig kleinen Schritt in die richtige Richtung gegangen, Richtung Vergangenheitsbewältigung, ein kleiner Schritt, allerdings wieder ein kleiner Schritt hinter uns von der AfD her, Herr Fiedler. Auch da kommen Sie zu spät.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ohne euch sind wir nichts!)

Meine Damen und Herren, es wurde schon gesagt, die Klage gründet sich auf Artikel 82 der Verfassung. Wir reden also über eine Verfassungsvorschrift, die maßgeblich von der CDU erarbeitet wurde. Wir reden über genau die Regeln, die die CDU eingeführt hat und die bereits damals, 2001, gegen das Geschrei der heutigen Ramelow-Fraktionen umgesetzt und angewandt wurden gegen ein Volksbegehren. Die Kritik heute, liebe CDUler, richtet sich somit gegen euch selbst.

(Beifall AfD)

Das ist aus unserer Sicht unredlich. Ihr bekommt hier gerade den Spiegel der eigenen Politik vorgehalten, und was ihr darin seht, kann euch nicht gefallen. Denn ihr seht Folgendes: Rot-Grün lässt nur die direkte Demokratie zu, wenn das Ergebnis passt, aber die CDU lässt bislang überhaupt keine direkte Demokratie zu und ist strikt dagegen. Zumindest war diese strikt dagegen bis zur Verabschiedung des AfD-Grundsatzprogramms im Mai. Ich sage nur: Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild.

(Beifall AfD)

(Unruhe CDU)

Die CDU entdeckt plötzlich sechs Wochen nach der Verabschiedung des AfD-Grundsatzprogramms diese Mitwirkungsmöglichkeit. Auch da sieht man wieder: AfD wirkt, CDU folgt und die Medien berichten plötzlich ausgiebig darüber, meine Damen und Herren. Ein bisschen Chuzpe gehört dazu, Herr Fiedler. Dabei hat die CDU bislang jede – und Sie erinnern sich bestimmt an die letzten 25 Jahre – Verbesserung wie die Absenkung der Quoren, längere Fristen und Bundesratsinitiativen zu Volksabstimmungen auf Bundesebene immer radikal und eindeutig abgelehnt. Wir wissen doch alle, wie die CDU wirklich und tatsächlich über direkte Demokratie denkt. Wir kennen doch noch die Äußerungen des Herrn Fiedler und des Herrn Scherer. Herr Fiedler sprach noch vor ein paar Wochen von blankem Populismus – schnell dazugelernt, Herr Fiedler! Herr Scherer ist heute nicht da, er sprach: Volksabstimmungen wären ein Schritt Richtung kommunistische Volksdemokratie, meine Damen

und Herren. Lange ist es nicht her. Sie erinnern sich peinlich berührt – oder noch ein Fall von politischer Demenz, Herr Fiedler? Ich will es nicht hoffen.

Die Debatte, die wir heute hier führen, ist eine Scheindebatte und ein abgekartetes Spiel zwischen den Altparteien. Sie haben gezinkte Karten ausgeteilt und die Ergebnisse stehen schon fest. Da sind die Rot-Grünen, die gegen das Volksbegehren klagen, obwohl sie zwei Jahrzehnte für mehr Demokratie waren. Ich habe es vorhin schon erwähnt. Und da ist die CDU, die plötzlich ihre Liebe zu Volksbegehren entdeckt, obwohl sie jahrzehntelang jegliche Initiative im Keim erstickt hat. Die Einheitsaltparteien, meine Damen und Herren, führen eine Art Rochade vor und hoffen, dass die Bürger das nicht merken.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist doch Käse!)

Keine der Altparteien ist wirklich an einer Stärkung der Demokratie und der direkten Demokratie interessiert. Das ist nur die AfD. Die AfD war früher dafür, ist heute dafür und wird auch in Zukunft dafür sein.

(Beifall AfD)

Da geht ein blauer Faden durch die Landschaft. Sie haben lediglich die Plätze getauscht, und das ist unredlich.

Meine Damen und Herren, die CDU ist auch deshalb ein wenig in der Bredouille, weil sie die Bauchidee der fakultativen Referenden – das war wahrscheinlich mal in so einer weinseligen Runde, als gesagt wurde: „Mensch, wir müssen was tun!“ – ja wieder loswerden muss. Denn Sie befürchten wohl, demnächst wieder Regierungsverantwortung zu haben – in grauer Zukunft – und dann wird Ihnen diese Idee auf die Füße fallen, meine Damen und Herren. Genau deshalb schießt der Kollege Mohring auch giftige Politpfeile und diese Aktuelle Stunde hier ist heute so ein Pfeil. Die CDU lehnt schon mal vorsorglich die Überarbeitung der Verfassung ab, wirft Rot-Grün Erpressung vor und Die Linke, die SPD und die Grünen wollen die fakultativen Referenden auch vom Tisch kriegen, trauen sich aber nicht, das so zu sagen, und rüsten deshalb bei der Verfassungsdebatte auf, um sie nicht zustimmungsfähig für die CDU zu machen.

Meine Damen und Herren, das ist durchsichtig. Die streiten hier alle nicht für mehr Demokratie, sondern dagegen. Meine Damen und Herren, die Altparteien arbeiten zulasten der Thüringer Bürger zusammen, damit alles so schlecht bleibt, wie es ist. Das ist Bürgertäuschung par excellence. Das macht die AfD nicht mit, denn die Thüringer sind keine Rhinozerosse, auch nicht solche, wie Ionesco sie beschrieben hat. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächster hat Abgeordneter Höhn für die SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, nachdem wir nun das Geschwurbel aus der AfD-Fraktion über uns ergehen lassen mussten, möchte ich doch zum eigentlichen Kern des Antrags der CDU-Fraktion zur Aktuellen Stunde zurückkommen. Es wird da von einer Klage gesprochen – vermeintlich auch gegen das Thüringer Volk – und die Verfassung insofern zugunsten der Regierung ausgelegt, jedenfalls kann ich das indirekt aus den Worten entnehmen. Da möchte ich die Sache doch ganz gern dorthin zurückführen, wo es hingehört, nämlich auch auf die Grundlagen unserer Verfassung. Lieber Kollege Fiedler, wir haben das sogenannte Finanztabu, also Artikel 82 Abs. 2 der Verfassung, nicht mal schnell aus dem Hut gezaubert – ich habe mir Ihr Zitat notiert –, sondern das ist das Ergebnis eines verfassungsgebenden Prozesses. Über mehr als drei Jahre ist Anfang der 90er-Jahre, übrigens damals regierungs- oder koalitionsübergreifend – ohne die Beteiligung der damaligen PDS muss man dazusagen, aber mit Beteiligung, und zwar maßgeblich, der Sozialdemokraten –, nicht nur diese, aber eben auch diese Regelung entstanden. Das ist nicht mal einfach so aus dem Hut gezaubert. Wenn es darum geht, einzuschätzen, welches Verhalten die Landesregierung an den Tag legt, dann möchte ich Ihnen mal, lieber Kollege Fiedler, aus einem Werk zitieren, das von vielen Experten verfasst worden ist. Ich weiß, Sie haben ein gewisses problematisches Verhältnis zu Experten, das haben wir in der letzten Legislatur mehr als deutlich zu spüren bekommen.

(Beifall Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wieso? Das Werk steht bei mir zu Hause!)

Aber die Verfasser des Verfassungskommentars der Thüringer Verfassung, glaube ich, sind da schon – das darf ich an dieser Stelle behaupten – auf der richtigen Spur. Ich darf Ihnen da mal zitieren, auf der Seite 945 des Kommentars unter Ziffer 5 – Anrufung des Verfassungsgerichtshofs – Abs. 3 Satz 2, es ist der Artikel 82 damit gemeint: „Dem Wortlaut nach besteht eine Pflicht, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, wenn die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtags die Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens für nicht gegeben sieht oder sie das Begehren für unvereinbar mit höherrangigem Recht hält.“ Jetzt kommen eigentlich die entschei

denden Sätze: „Dass durch diese Regelung eine Pflicht begründet werden sollte, wurde in den Verfassungsberatungen deutlich zum Ausdruck gebracht.“ Deshalb auch mein Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Verfassung. „Diese Regelung beruht im Übrigen“ – auch das ist ein Zitat aus dem Kommentar – „auf der Überlegung, dass es weder für die Initiatoren noch die Unterzeichner eines Volksbegehrens, noch für die öffentliche Hand zumutbar ist, mit der Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren verbundene Anstrengungen zu unternehmen sowie die Kosten zu tragen, ohne zuvor ein rechtlich umstrittenes Volksbegehren gerichtlich klären zu lassen.“ Und dass dieses Volksbegehren rechtlich umstritten ist, ich glaube, darüber gibt es keine zwei Meinungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)