Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Interessant ist auch Ihre Aussage in der Gesetzesbegründung, die Neufassung einer bestimmten Passage entspräche „dem aktuellen Menschenbild im Hinblick auf Inklusion, Gleichstellung und Teilhabe.“ Sie als Landesregierung wollen also ein aktuelles – dann sagen Sie doch gleich: ein neues – Menschenbild prägen. Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen sehr deutlich sagen: Ich sehe darin eine ernste Bedrohung für unser Grundgesetz und die Werte, die unser Grundgesetz schützt.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Politik in Deutschland, Politik in Thüringen hat sich auf den Werten unseres Grundgesetzes zu bewegen und nicht neue Menschenbilder von Rot-RotGrün in Gesetze hineinzuschreiben, um dadurch

genau diese Werte über den Haufen werfen zu können.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Würde des Menschen ist unantastbar, Frau Muhsal!)

Wenn wir uns da einig sind, dann können Sie ja unserem Änderungsantrag, der dann kommt, zustimmen, Frau Rothe-Beinlich.

Zu guter Letzt, weil wir uns gerade hier im Parlament befinden: Dieses Umkrempeln unseres Systems, das Sie vorhaben, propagieren Sie auch in Ihrem Grundlagendokument, im Thüringer Bildungsplan. Dort schreiben Sie auf Seite 326, wer es nachlesen möchte: „Die zukunftsfähige Gesellschaft erfordert einen grundlegenden Wandel, der auch unser Demokratieverständnis einschließt. Wir brauchen eine demokratische Lebensweise, die nur dann demokratisch genannt werden kann, wenn sie nicht auf dem sozialen Ausschluss weiter Teile der Weltbevölkerung beruht, sondern global verallgemeinerbar ist und die ökologischen Grenzen beachtet.“ Sie von Rot-Rot-Grün wollen also nicht nur ein neues Menschenbild, sondern auch ein anderes Demokratieverständnis durchsetzen. Meine Damen und Herren, „Demokratie“ heißt aber Herrschaft des Volkes. Und die Herrschaft unseres Volkes über sich selbst ist als grundlegendes Prinzip in unserem Grundgesetz niedergelegt. Das heißt, die Demokratie schließt aus sich selbst heraus aus, dass fremde Völker, geschweige denn weite Teile der Weltbevölkerung, wie Sie meinen, in unserem Staat entscheiden dürfen. Der Souverän in unserem Staat ist nach wie vor das deutsche Volk und hier in Thüringen die Thüringer. Wir als AfD werden dieses Prinzip der Volkssouveränität weiter verteidigen. Ich danke Ihnen sehr herzlich.

(Beifall AfD)

Ich muss jetzt nicht bewerten, wie weit Sie zur Sache gesprochen haben.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde jetzt den Kollegen Schaft um seinen Wortbeitrag bitten.

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Frau Muhsal, ich könnte mir vorstellen, wenn es nach Ihnen geht, dann hätten wir wahrscheinlich bald an den Einrichtungen der Erwachsenenbildung Seminare, die Titel tragen wie „Hass, Hetze, Höcke – wie ich jeden meiner Redebeiträge möglichst rassistisch auflade“.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielleicht sollten Sie aber eher mal einen Beitrag oder eine Einrichtung besuchen, um zu lernen, wie man zum Thema spricht. Ich glaube, wir haben uns keinen besseren Tag aussuchen können als heute, um über die Einbringung des Gesetzes zur Novellierung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes reden zu können, denn heute am 29. September ist der 6. Deutsche Weiterbildungstag unter dem Motto „Weiterbildung 4.0 – fit in die digitale Welt“. Das war unter anderem auch ein Themenschwerpunkt bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands am Dienstag, zu dem ich gleich noch mal komme.

Frau Ministerin hat es schon gesagt: Der Mensch lernt nie aus. So heißt es richtigerweise. Lernen und Sich-Bilden, das sind beides lebenslange Prozesse, die eben nicht mit dem Erwerb eines berufsbildenden Abschlusses enden. Die Möglichkeit, auf Strukturen zurückgreifen zu können, die ein lebenslanges und eben auch individuelles Lernen zulassen, bieten die Einrichtungen der Thüringer Erwachsenenbildung sowohl bei den freien Trägern als auch bei den Volkshochschulen und sie bieten eine unglaublich vielfältige Palette an Bildungsangeboten. Über die Bereiche Gesundheit, Kunst, Kultur, Kreativität kommt den Einrichtungen der Erwachsenenbildung aber auch gerade in der aktuellen Zeit einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft, wo wir auch über hate speech in der digitalen Welt beispielsweise in den sozialen Netzwerken reden, eine besondere Bedeutung zu, weil auch hier im Bereich der gesellschaftspolitischen Bildung die Einrichtungen eine wichtige Funktion übernehmen mit dem Angebot, was sie unterbreiten. Darüber hinaus sind die Bildungseinrichtungen und Träger der Erwachsenenbildung auch unverzichtbare Partnerinnen und Partner bei der Frage der Integration und Integrationsarbeit, wenn wir über die Integrationskurse oder Sprachkurse sprechen.

Ich habe es vorhin schon kurz erwähnt: Bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands am Dienstag in Jena haben die Volkshochschulen daher völlig zu Recht betont, dass sie durch ihre schnelle und flexible Reaktion im letzten Jahr mit der Einrichtung weiterer Sprach- und Integrationskurse einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetragen haben, um eine gelingende Integration der in Thüringen Ankommenden zu gewährleisten. Gerade im Bereich der interkulturellen Bildung haben die Akteure der Erwachsenenbildung im Rahmen der letzten Haushaltsverhandlungen durch zusätzliche Projektmittel, insgesamt über weitere 250.000 Euro, noch einmal Mittel erhalten, um hier beispielsweise auch Projekte der Fort- und Weiterbildung bei Lehrkräften, Unterstüt

(Abg. Muhsal)

zerinnen und Unterstützern sowie hauptamtlich wie ehrenamtlich Aktiven in der Flüchtlingsunterstützungsarbeit zu stemmen und auch hier das Angebot zu erweitern. Am Dienstag, das wurde auch schon ein paar Mal erwähnt, wurde noch einmal hervorgehoben, welchen wichtigen Beitrag die Volkshochschulen – und damit auch die ganze Bandbreite der Träger – auch in Thüringen zur Bekämpfung des Analphabetismus leisten und leisten werden. Wenn wir über die Frage der Öffnung für die freien Träger sprechen und wenn wir auf die Schätzung blicken – auch diese Zahl ist schon genannt worden –, dann haben wir das Problem, dass über 200.000 funktionale und sekundäre Analphabetinnen in Thüringen leben. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Grob, es geht auch darum zu schauen, gemeinsam zu schauen, wie wir mehr Leute ansprechen können, damit sie eben nicht aufgrund dieses Stigmas nicht den Weg zu den Einrichtungen suchen, sondern ermutigt werden, diesen Weg zu gehen.

Nicht zuletzt erhalten die Menschen die Möglichkeit, Ihren Bildungsweg erfolgreich neu zu gehen, beispielsweise über die Angebote des zweiten Bildungswegs, wenn es darum geht, Schulabschlüsse nachträglich nachzuholen. Das zeigt, welche unglaubliche Vielfalt und welche inhaltliche Palette die Einrichtungen der Erwachsenenbildung in Thüringen anbieten und weswegen Sie eine unverzichtbare Säule im Thüringer Bildungssystem sind.

Ich bin den Teilnehmern der Diskussion am Dienstag bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands auch noch einmal dankbar, dass sie darauf hingewiesen haben, dass es noch etwas Weiteres gibt, was zu beachten ist. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung in Thüringen leisten nämlich noch etwas viel Wichtigeres: Sie bieten auch ein vielfältiges Bildungsangebot jenseits von Verwertungslogik, nämlich auch einfach Angebote, wo den eigenen Interessen nachgegangen werden kann, für sich selbst gelernt werden kann, ohne dass am Ende zwingend ein Abschluss stehen muss. Ich will das noch einmal ganz kurz in den Zahlen wörtlich machen, was das bedeutet. Der Jahresbericht der Volkshochschulen ist sicherlich allen hier im Hause zugegangen. Die 23 Einrichtungen des Verbands haben über 10.292 Kurse, Vorträge und Veranstaltungen durchgeführt. Das sind insgesamt über 240.000 Unterrichtseinheiten und das bedeutet: Über 112.000 Menschen haben an den Veranstaltungen teilgenommen und über 3.000 Kursleiter – hauptamtlich wie ehrenamtlich – haben dies überhaupt erst möglich gemacht – und da spreche ich nur von den Volkshochschulen. Da sprechen wir noch nicht über die freien Träger und da bin ich auch Astrid Rothe-Beinlich sehr dankbar und will das an der Stelle auch noch einmal sagen: Ein herzlicher Dank an all die, die das überhaupt möglich machen!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Um dieses Angebot in Thüringen zu erhalten und ausbauen zu können, haben wir uns im Koalitionsvertrag, wie schon oft gesagt, darauf verständigt, das Erwachsenenbildungssystem zur vierten Säule zu machen. Das bedeutet aber auch, dass die Erwartungen an den Gesetzentwurf natürlich berechtigt hoch sind und sich der Gesetzentwurf auch am Ende, nach der zweiten Lesung, an diesen Erwartungen messen lassen muss. Die Erwartungen sind auch hoch, weil mit dieser Gesetzesnovelle nun endlich die Möglichkeit besteht, ebenso wie mit den Haushaltsverhandlungen zum Doppelhaushalt 2018/2019, die erheblichen strukturellen und finanziellen Einschnitte aus den 2000er-Jahren unter der CDU wieder zurückzunehmen, und diesen Schritt wollen wir mit den 1,2 Millionen Euro, die wir draufpacken wollen, nun gehen. Denn aus einem ehemals gut ausgestatteten Gesetz wurde eines, das den Grundsatz der Projektförderung statt einer ausreichenden Grundförderung der Erwachsenenbildung hat Einzug halten lassen. Das Ergebnis war eine nachhaltige Schädigung des institutionellen Charakters der Erwachsenenbildung in Thüringen und statt unbefristeten Vollzeitarbeitsplätzen haben wir dann auch hier mittlerweile viele befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse und haben auch hier noch Nachholbedarf, wenn wir hier auch über gute Arbeit im Bildungsbereich sprechen. Einen ersten Schritt haben wir beispielsweise schon im letzten Jahr gemacht. Ich habe es vorhin kurz angesprochen. Wir haben 250.000 Euro zum einen für den Bereich der Bildungsangebote von besonderem öffentlichen Interesse zur Verfügung gestellt und wir haben auch schon da für die drei Einrichtungsgruppen pro Haushaltsjahr 2016 und 2017 jeweils 3 Prozent on top an finanziellen Mitteln gegeben und wollen das Ganze – wie schon erwähnt – mit 30.000 Euro zusätzlich nach 2018/2019 noch einmal um 1,2 Millionen Euro aufstocken. Dazu müssen aber im Landeshaushalt die Mittel erst einmal bereitgestellt werden, ohne dass dafür aus unserer Sicht in anderen Bereichen des Bildungssystems gekürzt werden muss. Wir wollen uns daher in diesem Zusammenhang als Fraktion Die Linke stark dafür machen, dass die Mittel in den kommenden Haushaltsverhandlungen entsprechend zusätzlich zur finanziellen Unterstützung der Erwachsenenbildung bereitgestellt werden.

Aber mit dieser Sockelerhöhung allein ist es nicht getan. Wenn wir wollen, dass die Mittelerhöhung nicht durch das Gießkannenprinzip verloren geht, müssen wir gemeinsam mit den Einrichtungen eine gesetzliche Lösung auch dazu finden, wie eine variable Stundenförderung für die Unterrichtseinheiten ausgestaltet werden kann, um einen unbeabsichtigten Fehlanreiz zu verhindern und auch Vorschläge zu diskutieren, wie ein dynamisch angelegter För

dersatz im Gesetz implementiert werden kann. Um beispielsweise auch die Beschäftigungsbedingungen der in der Erwachsenenbildung Tätigen zu verbessern, sollten wir auch diskutieren – auch das ist eine Forderung, die seitens der Träger oft eingebracht wurde –, ob nicht eine normative Orientierung an den Eingruppierungen im Tarifvertrag der Länder vorgenommen werden kann, damit die Beschäftigten dort beispielsweise auch von Tarifsteigerungen profitieren und wir auch hier einen weiteren Schritt im Themenfeld „Gute Arbeit im Bildungsbereich“ gehen können. Diese und andere Möglichkeiten haben wir auch bereits gemeinsam in einem Fachgespräch, gemeinsam mit den Kolleginnen von SPD und Grünen, mit Vertreterinnen und Vertretern der Erwachsenenbildungseinrichtungen, schon diskutiert, haben uns dort sicherlich schon im Vorfeld der Anhörung den einen oder anderen Anreiz mitgenommen und werden die sicherlich auch in die kommende Debatte und dann in die Anhörung mit einbringen. Sicherlich werden diese Punkte von den Trägern noch einmal mit angesprochen.

Zu begrüßen ist am vorliegenden Gesetzentwurf – wie schon erwähnt – zum einen der Prozess, wie es überhaupt zu den Änderungen gekommen ist. Es gab hier auf der Arbeitsebene zwischen den Ministerien und den Trägern lange gemeinsame Gespräche, um in Detailfragen zu Lösungen zu kommen, und wir begrüßen es auch insbesondere, dass der inklusive Anspruch von Bildung nun auch hier in diesem Gesetz Eingang findet, und zwar als weiter Inklusionsbegriff. Darüber hinaus werden auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Qualitätssicherung, zur Evaluation der Veranstaltungen und auch die Berichtspflicht bzw. die Frage des Berichtswesens konkretisiert ausgestaltet. Wir erhalten jetzt auch mit dem Weiterbildungsbericht die Möglichkeit, auch hier im Parlament dann alle fünf Jahre zu schauen, ob die Änderungen, die am Gesetz vorgenommen werden, auch greifen und ob wir da auf einem guten Weg sind oder ob möglicherweise gesetzlich nachgesteuert werden muss, um die Grundlagen und Rahmenbedingungen der Erwachsenenbildung in Thüringen zu verbessern. Auch bei folgendem Punkt sind wir offen dafür zu diskutieren – der Punkt wurde am Dienstag bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands angesprochen –, das ist die Herausforderung der Erwachsenenbildung im ländlichen Raum. Ich glaube, auch da werden wir sicherlich fraktionsübergreifend schauen, welche Möglichkeiten vielleicht mit Blick auf Ausnahmen bei der Zahl der Teilnehmenden bestehen, die momentan im Gesetz grundsätzlich mit acht festgeschrieben ist, ob es hier nicht Öffnungsklauseln entweder für bestimmte Angebote oder aber möglicherweise eine Quote geben kann, damit wir der Herausforderung Herr werden, dass im ländlichen Raum diese Teilnehmerzahl nicht immer wahrgenommen werden kann und es dann zulasten derer

geht, die die Kurse wahrnehmen, entweder möglicherweise durch eine Erhöhung von Beiträgen oder aber dadurch – der noch schlimmere Fall –, dass ein Kurs gar nicht stattfinden kann. Ich glaube, dem sollten wir begegnen. Da sollten wir gemeinsam eine Lösung finden, um das Gesetz auch an dem Punkt zu verbessern.

Ich glaube, wir haben mit dem Gesetzentwurf erst mal eine gute Diskussionsgrundlage, auf der wir aufbauen können. Auch ich freue mich auf die Debatten während der Anhörung. Ich glaube, Herr Grob, die Einladung können Sie aufrechterhalten, denn so, wie das jetzt klang, wird es hier eine breite Zustimmung zur Ausschussüberweisung geben. Damit bitte ich ebenso um die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich hiermit die Aussprache schließe. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung. Beantragt worden ist die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion und des Abgeordneten Gentele. Enthaltungen? Gegenstimmen? Nichts ist der Fall, sodass also mit übergroßer Mehrheit an den Ausschuss überwiesen wurde.

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Sechstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Blindengeldgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/2689 ERSTE BERATUNG

Die Landesregierung wünscht das Wort zur Begründung. Bitte, Frau Ministerin Werner.

Danke, Herr Präsident. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, in Thüringen sind 4.175 Menschen von Blindheit betroffen. Ihnen entstehen aufgrund ihrer Behinderung erhebliche Mehrausgaben für Hilfen und Hilfsmittel, welche nur teilweise oder sogar gar nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Um die so zustande kommenden Belastungen im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu mindern, wird das Landesblindengeld gewährt.

(Abg. Schaft)

Trotz Anstieg der Lebenshaltungskosten und damit verbundenen blindheitsbedingten Mehraufwendungen wurde das Blindengeld in Thüringen seit dem Jahr 2010 nicht mehr angehoben. Darüber hinaus hat ein Vergleich der Höhe des Landesblindengelds mit den anderen Bundesländern ergeben, dass das Thüringer Blindengeld mit 270 Euro weit unter dem Bundesdurchschnitt von rund 400 Euro liegt. Darum sah der Koalitionsvertrag die schrittweise Erhöhung des Thüringer Blindengeldes vor, die sich am Bundesdurchschnitt orientiert. Um dies umzusetzen, hat die Landesregierung den Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzentwurf erarbeitet, der eine entsprechende Anpassung in drei Stufen vorsieht. Zum 1. Juli 2016 findet eine rückwirkende Anhebung auf 320 Euro statt, die sich ab 1. Juli 2017 auf 360 Euro und schließlich ab 1. Juli 2018 auf 400 Euro fortsetzt. Zusammen mit der Erhöhung des Blindengelds wollen wir erstmals in Thüringen einen finanziellen Nachteilsausgleich für taubblinde Menschen einführen. Durch die Kombination zweier Sinnesbehinderungen entsteht den Betroffenen ein noch höherer Mehraufwand als blinden Menschen. Deshalb sollen die etwa 30 taubblinden Menschen in Thüringen ab dem 1. Juli 2016 100 Euro monatlich zusätzlich zum Blindengeld erhalten. Auch nach diesen Änderungen bleiben die Leistungen nach dem Thüringer Blindengeldgesetz einkommens- und vermögensunabhängig. Von den wesentlichen Änderungen, die die Erhöhung des Landesblindengelds und die Gewährung einer zusätzlichen Leistung für taubblinde Menschen bewirken, enthält der Gesetzentwurf noch einige technische Änderungen und eine Anpassung an die ab dem 1. Januar 2017 geltende neue Pflegegradsystematik.

Ich meine, dass die Notwendigkeit der von uns beabsichtigten Anpassung ohne Weiteres einleuchtet, zumal damit eine seit Jahren bestehende Ungerechtigkeit hier in Thüringer lebender blinder Menschen beendet wird. Ich möchte Sie daher um Unterstützung des Gesetzentwurfs bitten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Damit eröffne ich die Beratung. Als Erste erhält Abgeordnete Herold für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet, es gibt im Laufe jeder Legislaturperiode bestimmte Aktionen, mit denen die jeweiligen Inhaber der Entscheidungsbefugnis ihren unbedingten Willen zu sozialem Handeln demonstrieren. Dabei werden oft für den Haushalt verhält

nismäßig unerhebliche Beträge bewegt, aber es wird dabei auch und vor allem auf die Außenwirkung geschaut. Soziale Wohltaten verkaufen sich immer gut, noch dazu, wenn sie nicht allzu viel kosten. Eine solche Aktion ist offensichtlich die wenigstens teilweise Wiederherstellung eines ehemals vor vielen Jahren sehr gut geregelten Zustands in Bezug auf das Thüringer Blindengeld. Im Jahr 1992 – also kurz nach der Wende –, in einer Zeit umfassender Umstrukturierung und der einen oder anderen beträchtlichen Unsicherheit gab es für die Thüringer Sehbehinderten und Blinden 307 Euro Blindengeld im Monat. Dies stieg kontinuierlich an bis auf 544 Euro im Jahr 2001. Danach wurde es abgeschmolzen bis auf eine Höhe von 400 Euro im Jahr 2005. In den Jahren 2006 und 2007 erlaubte sich Thüringen – CDU-regiert – wohl auch zur Haushaltskonsolidierung den fragwürdigen Luxus, gar kein Blindengeld mehr zu zahlen. Erst ab 2008 gab es wieder 220 Euro pro Monat, die in den letzten acht Jahren langsam bis auf 270 Euro angehoben wurden. Damit befindet sich Thüringen immer noch am hinteren Ende der Skala im Vergleich der Bundesländer. Im selben Zeitraum von 1992 bis heute stieg die Blindenhilfe von 307 Euro auf heute 682 Euro. Damit sollen alle erforderlichen Hilfsmittel bezahlt werden, die blinde Menschen zur Alltagsbewältigung brauchen. Blindengeld soll alle jene Bereiche finanzieren, die zusätzlich Finanzhilfe benötigen, um Nachteile auszugleichen, die den Betroffenen durch die Behinderung entstanden sind. Der Anstieg in der Blindenhilfe gleicht grob überschlägig gerechnet die Inflationsrate der letzten 24 Jahre aus. Das Blindengeld hingegen wurde in Thüringen sehr stiefmütterlich behandelt und auf schlusslichtartige 270 Euro abgeschmolzen. Wer die Preise für Hilfsmittel, Haushaltshilfen, Taxifahrten und vieles andere kennt, die blinde Menschen benötigen, um ihren Lebensalltag autonom adäquat zu meistern, erkennt sehr schnell, dass dieses Geld unmöglich ausreichen kann, die erforderliche Hilfe und Unterstützung in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen. Wir als AfD-Fraktion verstehen hier ein weiteres Mal nicht, warum die rot-rot-grüne Landesregierung an dieser Stelle die nach unserer Auffassung längst überfällige Anpassung des Blindengelds an den bundesdeutschen Durchschnitt nur in kleinkrämerischen und sparsamen, auf anderer Leute Kosten bemessenen Schritten vornimmt.

(Beifall AfD)

Angesichts der überschaubaren, dafür einzusetzenden Haushaltsmittel plädieren wir hier für eine großzügigere Regelung und die Anhebung in einem Schritt auf den bundesdeutschen Durchschnitt.

(Beifall AfD)

Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank.

(Ministerin Werner)

Danke schön. Als Nächste erhält Abgeordnete Pfefferlein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste, sehr geehrter Herr Leibiger! Vielen Dank, Frau Ministerin, ich bin sehr froh, dass wir heute diesen Gesetzentwurf beraten können. Dieser Gesetzentwurf – das kann ich aus meiner Sicht ohne Einschränkung sagen – war eine schwere Geburt. Das Wichtigste, was wir immer wieder sagen müssen, ist: Das Landesblindengeld als Nachteilsausgleich ist keine Luxusleistung, sondern erlaubt den Betroffenen lediglich eine halbwegs gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

(Beifall Abg. Stange, DIE LINKE)

Das ist unser Ziel. Wir wollen diese Teilhabe möglichst gleichberechtigt gestalten. Das Landesblindengeld soll auch für taubblinde Menschen gelten. Die Geschichte des Thüringer Blindengelds gleicht einer Achterbahnfahrt – erst kürzen, dann streichen und auf Druck wieder einführen. Seit 2010 wurde die rücksichtslose Sparpolitik der Landesregierung gegenüber blinden Menschen glücklicherweise beendet. Seit Juli 2010 ist Thüringen mit 270 Euro Blindengeld gemeinsam mit Brandenburg und Niedersachsen Schlusslicht. Jetzt soll in einem mehrstufigen Verfahren nun endgültig ab dem 1. Juli 2018 400 Euro für blinde Menschen und noch einmal 100 Euro mehr für taubblinde Menschen gezahlt werden. Das Land Thüringen nimmt also zu den bisherigen 9 Millionen Euro noch einmal 3,7 Millionen Euro der Gesamtsumme in die Hand, um den eben beschriebenen Nachteilsausgleich zu gewährleisten.

Die Beiträge hören sich für die Betroffenen oft sehr willkürlich an. Was sind denn 50 oder 100 Euro mehr im Monat? Welche Hilfsmittel kann ich mir dafür anschaffen? Welche Dolmetscherleistungen kann ich davon bezahlen? Der derzeitige Betrag des Blindengeldes ist nicht als bedarfsdeckend anzusehen, da auch technische Hilfsmittel in größeren Abständen aufgrund technischer Entwicklungen und Abnutzungserscheinungen erneuert werden müssen. Der Bedarf an Assistenzleistungen bei ungewohnten Gängen wie zum Beispiel zum Arzt oder zu Behörden ist ebenfalls kontinuierlich im höheren Maße vorhanden. Durch die Kombination von Gehörlosigkeit und Blindheit sind taubblinde Menschen im besonderen Maße beeinträchtigt. Hilfsmittel, die bei blinden Menschen geeignet sind, durch Nutzung des Hörsinns die Sehbeeinträchtigung zu kompensieren, sind für taubblinde Menschen oft nutzlos. Sie sind in besonders hohem Maß auf