Protokoll der Sitzung vom 30.09.2016

Dementsprechend gibt es immer noch überhaupt keinen Anlass für diesen Alternativantrag. Dass der AfD die Religionsfreiheit reichlich wenig bedeutet, lässt sich übrigens gut am islamfeindlichen Grundsatzprogramm der AfD erkennen. Wir hatten aber auch gestern zwei Debatten dazu, die ich hier nicht wiederholen möchte. Ich glaube, da konnte sich jede und jeder selbst ein Bild davon machen.

(Beifall SPD)

Abschließend möchte ich sagen: Eine Unterscheidung in schützenswerte Asylsuchende, die christlich sind, und weniger schützenswerte nicht christliche – diese diskriminierende Sicht auf andere Religionen lehnen wir als Bündnis 90/Die Grünen jedenfalls entschieden ab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weltanschauliche und religiöse Vielfalt gehört zu Thüringen und das soll auch so bleiben. Eine Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung wird es mit Rot-Rot-Grün in Thüringen jedenfalls nicht geben. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeordneten Herrgott, CDU-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf das Thema „AfD und religiöse Kompetenzen“ im Schlaglicht des Neutralitätsgesetzes von gestern werde ich nachher noch sehr deutlich eingehen und auch noch einmal aufzeigen, wie verlogen das hier eigentlich ist, wenn sich ein Teil hier vorn hinstellt und für die Christen kämpft und ein anderer Teil sich hier vorn hinstellt und für eine absolute staatliche Neutralität gegenüber jeglicher Religion und jedem Symbol kämpft.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Im öffentli- chen Raum, Herr Herrgott!)

Das ist einfach nur verlogen, meine Damen und Herren, und das passt zu Ihnen in dieser Argumentation.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Jahr 2016 häuften sich einzelne Berichte über Übergriffe auf christliche Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften in Deutschland. Die Vorfälle konzentrierten sich hierbei auf die Bundesländer Berlin und NordrheinWestfalen, wobei ein wesentlicher Teil der Übergriffe nicht von Asylbewerbern anderer Religionen ausging, sondern vom Bewachungspersonal der Einrichtungen. Diese Vorfälle besorgen dennoch breite Bevölkerungsschichten und verfestigen Vorbehalte gegen Zuwanderer und Asylbewerber, insbesondere aus dem arabischen Kulturkreis. Die AfD nahm und nimmt dies zum Anlass, breit gegen alles Islamische und Arabische Stimmung zu machen. Dabei wurden die tatsächlichen Probleme, die mit religiös motivierter Gewalt zusammenhängen, und ein sinnvoller Umgang damit bisher völlig vernachlässigt.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wir haben Probleme aufgezeigt!)

Stattdessen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Kollegen von der AfD, ziehen Sie die Gräben mit jeder Ihrer vermeintlichen Initiativen tiefer und mit jeder Äußerung werden diese Gräben breiter. Unbestritten ist jeder einzelne Angriff auf Christen zu verurteilen und jedem weiteren Angriff auf Christen ist vorzubeugen wie auch jedem Angriff auf Nichtchristen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jeder religiös motivierte Angriff, egal, von wem er ausgeht, ist selbstverständlich einer zu viel. Trotz allem – und nun hören Sie diesmal etwas besser zu, meine Damen von der AfD – ist die Zahl der

(Abg. Rothe-Beinlich)

Übergriffe in Thüringen immer noch überschaubar und das ist auch gut so.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum schreiben Sie das nicht in Ihre Überschrift?)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Überschau- bar ist schon zu viel!)

Dennoch gibt es sie. Es bedeutet noch lange nicht, dass wir die Berichte darüber in Zweifel ziehen. Wir betrachten das Problem dennoch differenzierter und ohne populistische Trommelei.

(Beifall CDU)

Selbst die Organisation Open Doors, die sich an einer bundesweiten Erhebung zu religiös motivierten Übergriffen auf Christen versucht hatte und die Frau Herold bei diesem Thema immer als Anlassquelle dient, stellte inzwischen richtig, dass nicht von flächendeckenden Fällen, sondern von lediglich gehäuften Einzelfällen gesprochen werden muss. Im Gegensatz zu einem unserer politischen Mitbewerber verfallen wir nicht in undifferenzierten, verängstigten Aktionismus. Gleichwohl erkennen wir an, dass es breiter Anstrengungen bedarf, um religiös motivierten Angriffen vorzubeugen, ganz unabhängig, ob sie in unserem Kulturkreis fremden Wertvorstellungen, in beengten und prekären Lebensumständen oder in religiöser Interpretation begründet sind.

Es ist unstrittig, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, um die Toleranz der Mehrheitsbevölkerung gegenüber Minderheiten zu stärken. Toleranz endet aber dort, wo unsere Werte und Normen keine Anerkennung von unseren Gästen erfahren. Wir leben in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, die es gegen Angriffe egal aus welcher Richtung zu verteidigen gilt. Für uns sind Toleranz und ein Miteinander verschiedener Religionen daher selbstverständlich. Politischen Streit auf dem Rücken der Religionen lehnen wir in unserer aufgeklärten pluralistischen Gesellschaft ab.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Landesmitteln wird in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl beispielsweise ein Erstorientierungskurs für Asylbewerber angeboten. Diese im Grundsatz zu begrüßende Maßnahme stellt sich aber im Praktischen als durchaus nutzlos heraus. Der Lehrplan beinhaltet das Wesentliche, damit Asylbewerber, denen die deutsche Kultur und Gesellschaft fremd sind, einen ersten Überblick zu erhalten. Das Problem an diesem Lehrangebot ist aber, dass kein Asylbewerber lange genug in Suhl bleibt, um den Kurs vollständig zu besuchen. Entweder sollte die Verweildauer in Suhl wenigstens die vollständige Teilnahme am Kurs ermöglichen oder aber anders sichergestellt werden. Da sind wir völlig bei Ihnen,

Frau Rothe-Beinlich, dass wir mehr Plätze in solchen Kursen brauchen. Aber es liegt nun im Wesentlichen an der rot-rot-grünen Landesregierung, dort diese Plätze auch auszubauen. Deswegen teilen wir dahin gehend Ihre Kritik, da haben Sie vollkommen recht.

(Beifall CDU)

Weiterhin sollten die Kurse stattfinden, bevor eine Verteilung auf die Landkreise stattfindet, und zwar als flächendeckende Erstorientierungskurse. Wenn allenfalls zwei der insgesamt zehn Module dieses Kurses besucht werden, ist die Investition nämlich gänzlich zwecklos, zumal inzwischen die räumlichen Voraussetzungen in Suhl wie auch in Gera gegeben sind. Wir fordern die Landesregierung ausdrücklich auf: Wenn Sie etwas machen, dann machen Sie es bitte richtig und setzen Sie das Steuergeld so effizient ein, dass wir das Ziel dieser Kurse erreichen können.

Wir nehmen diesen Antrag auch zum Anlass, um noch einmal grundlegend Stellung zur Frage der religiösen Neutralität im Spannungsverhältnis der von der AfD vehement vertretenen staatlichen Sterilität – aus Ihrer Sicht das Neutralitätsgebot – zu nehmen. Wir halten den von der AfD in diesem Thema eingeschlagenen Weg für grundhaft falsch. Folgt man der hier immer wieder zutage tretenden Linie, wären wir gezwungen, unsere Kultur und unsere christliche Prägung aufzugeben, meine Damen und Herren. Wir wollen weder einen sterilen Staat noch eine sterile Schule oder gar eine sterile Gesellschaft.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren aus der AfD-Fraktion, Sie müssen sich einmal entscheiden – das habe ich vorhin schon angesprochen –, was Sie eigentlich wollen. Entweder geben Sie in Gestalt von Frau Herold hier vorn die Verteidiger des Christentums, auch wenn das mit dem alten Antrag hier nur ein Aufguss vom April dieses Jahres ist, oder Sie geben in Gestalt von Herrn Möller die Vorkämpfer für Laizismus und das Verbot jeglicher religiöser Symbole vom Minister bis hin zum letzten kleinen Mitarbeiter in der Stadtreinigung, die im Dienst nicht mehr ihr Kreuz oder auch nur in irgendeiner Weise ein religiöses Symbol am Körper tragen dürfen. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren, deswegen bitten wir doch in Zukunft darum, hier ein bisschen mehr Stringenz in Ihre Argumentation zu bringen und nicht einmal, wie es passt, in die eine Richtung, und wie es dann wiederum zu einer anderen Zielgruppe passt, in die nächste Richtung zu springen.

Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes ist gekennzeichnet von Offenheit gegenüber Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und gründet dies auf ein Menschenbild, das von der Würde des

Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit und Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geprägt ist. Diesen Grundwert unserer christlich-abendländischen Tradition gilt es mit Stolz und Selbstbewusstsein zu verteidigen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Weder ein staatliches Neutralitätsgebot noch überstürzter Aktionismus dürfen zur Eliminierung des Religiösen aus dem öffentlichen Bereich hin zu einer laizistischen Trennung von Staat und Kirche führen. Ein Rückzug auf ein laizistisch-steriles Staatssystem, mit dem die kompromisslose Verbannung christlicher Symbolik einherginge, würde unsere christlich-abendländische Tradition mit all ihren Errungenschaften verraten.

(Beifall CDU)

Die richtige Antwort auf extreme Bewegungen, welche die Religionen zur Durchsetzung von politischen Zielen und Zwecken missbrauchen, sind eine differenzierte Betrachtung und der rechtsstaatliche Kampf gegen gewaltbereiten Salafismus und Islamismus.

Nun komme ich ganz kurz auf den Antrag der AfD als Alternativantrag zu sprechen. Es ist tatsächlich nur ein lauwarmer Aufguss vom April. Denn wenn Sie Ihren Antrag selbst einmal vorher durchgelesen hätten, dann könnte Ihnen auffallen, dass die geforderte Benennung einer Dunkelziffer in einem Antrag relativ sinnfrei ist. Eine Dunkelziffer ist eine Ziffer, die wir nicht kennen. Wenn die Landesregierung eine Dunkelziffer benennen könnte, dann wäre das relativ schwierig, denn auf welcher Grundlage soll sie diese denn benennen? Soll sie sich die ausdenken?

Zum Stand – Frau Herold ist nun gerade nicht mehr anwesend, doch, da oben sitzt sie bei den Referenten, Entschuldigung – der Änderungen der GUSVO haben Sie, Frau Herold, selbst am 21.09.2016 im Gleichstellungsausschuss die aktuellen Daten und den aktuellen Bericht der Landesregierung gehört, genau wie alle anderen Mitglieder des Parlaments. Deswegen kommen wir auch in unserem Antrag nicht auf dieses Thema zu sprechen, weil die Landesregierung bereits dazu berichtet hat. Aber wenn man im Gleichstellungsausschuss sitzt und mit Einstimmigkeit Anträge durchwinkt, die man hinterher hier wieder kritisieren will, dann wundert es nicht, dass auch solche Fragen weiterhin in einem Alternativantrag enthalten sind, obwohl sie bereits vor einer Woche beantwortet wurden, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Wir wollen, meine Damen und Herren, mit Ihnen ins Gespräch kommen, wie wir interreligiöse Kompetenz stärken und antichristlicher Gewalt gemeinsam

entgegentreten können. Da begreifen wir antichristliche Gewalt als einen ersten Schritt bei der antireligiös motivierten Gewalt. Wir können gern auch über Gewalt gegen andere religiöse Gruppen hier insgesamt sprechen, meine Damen und Herren. Daher beantrage ich die Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und freue mich auf die Diskussion mit Ihnen.

(Beifall CDU, SPD)

Als Nächste hat Frau Abgeordnete Mühlbauer, Fraktion der SPD, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz zur Klarstellung, natürlich haben wir jetzt die Sprecherfunktionen nicht getauscht in unserer Fraktion. Da Frau Marx momentan anderweitig gebunden ist, habe ich gesagt, das ist ein Thema, da wollte ich auch ganz gern mit dem Blickpunkt des Glaubens ein paar Dinge hier mit beibringen. Ich denke, das ist auch ganz angemessen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Darüber freue ich mich!)

Lassen Sie mich bitte zwei, drei Punkte – bevor Sie sich zu sehr freuen, Herr Mohring – im Vorfeld ganz klar unterstreichen. Frau Kollegin Rothe-Beinlich hat Ihnen die Definition zur Hasskriminalität hier wörtlich vorgelesen, hier passt kein Blatt zwischen unsere Punkte, auch die Auslegung und die Klarziehung des Bewachungsgewerbes ist sehr klar von der Kollegin schon geschildert worden. Wir haben – das ist mir an der Stelle noch wichtig – viele Freiwillige, die diese Kurse anbieten. Natürlich haben wir da noch viele Dinge zu tun und das werden wir auch tun. Ich bin frohen Mutes, dass die Kurse zur Integration sich hier weiter verbessern werden.

Lassen Sie mich bitte jetzt ein Zitat aus Ihrem Antrag vorbringen. Ich denke, das ist gerechtfertigt, sehr geehrter Herr Präsident, letzte Seite Ihres Antrags, letzter Absatz, Sie können mitlesen: „Schließlich bleibt festzuhalten, dass Deutschland seit den Tagen des Bonifatius ein christlich geprägtes Land ist.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren der CDU-Fraktion, Deutschland und Bonifatius in einem Satz und nur mit einem Komma aufzuarbeiten, dazu gehört sogar beim historischen Laien Mut. Ich bitte! Erster Punkt ist: Dieses Deutschland, unter dieser Bezeichnung, wie Sie es heute sehen, hat mit den Regionen, wo Bonifatius tätig war, wirklich nichts zu tun.

(Abg. Herrgott)