Protokoll der Sitzung vom 30.09.2016

(Abg. Herrgott)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Bonifatius hat die germanischen Stämme missioniert!)

Frau Tasch, hören Sie mir zu, es ist noch Redezeit übrig. Sie können gern danach noch.

Eine Christianisierung, auch wenn Sie das Territorium meinen, fand tatsächlich schon vor Bonifatius statt, wenn Sie den Bereich südlich, im bayerischen Regensburg, der Augsburger Region, die Römerbereiche sehen. Das ist schon etwas fraglich.

Dann der zweite Punkt, den ich Ihnen heute in die Diskussion gebe, denn wir sollten es tatsächlich unter Fakten diskutieren: 2011 waren im Freistaat Thüringen 24 Prozent der Einwohner protestantisch gebunden, 8 Prozent der Einwohner katholisch. Das war 2011 weniger, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, als Ihr Wahlergebnis. Das will ich in der Deutlichkeit unterstreichen, denn hier stellt sich ja jetzt die Frage: Wie ist denn Thüringen tatsächlich geprägt? Ich bin Katholikin, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich sage das jetzt für alle, die es vielleicht nicht so wissen wie Sie, meine werten Kolleginnen und Kollegen: Hier stellt sich die Frage, ob das Thema „Christentum“ nicht eine Minderheitsdiskussion ist, die wir auf einem akademischen Niveau führen in Thüringen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Aber, Frau Mühlbauer!)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das gibt Fegefeuer. Tausend Jahre Fegefeuer!)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Wie gesagt, es ist hier noch Platz. Es ist auch hier wirklich ernst gemeint. Ich möchte bitte, dass wir uns den Spiegel zuerst vor das Gesicht halten. Karfreitag, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich unterstelle jedem im Raum, dass er die Bedeutung von Karfreitag kennt. Aber jeder in diesem Raum weiß auch, dass wir eine breite gesellschaftliche Diskussion haben über Tanzverbote an Karfreitag. Das heißt, wenn Sie auf der einen Seite fordern, dass die Symbole unserer christlichen, kirchlichen Kultur hier so einen Stellenwert haben, sollten wir in der gleichen Diskussion überhaupt uns bewusst machen, welchen Stellenwert denn diese Symbole für die Mehrheit noch haben. Lassen Sie mich – neben Karfreitag – das noch ergänzen: Wer kennt die Bedeutung von Nikolaus?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ich!)

Das ist mir bekannt, Frau Tasch.

(Heiterkeit CDU)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sie haben doch gefragt!)

Und last, but not least glaube ich nicht, dass jeder Kollege und jede Kollegin hier im Land den christlichen Hintergrund von Fronleichnam, ohne Google – jeder, nicht Sie, Frau Tasch –, hier darstellen kann. Ich bitte, dass man genau unter diesem Bezug, unter dem Spiegel, unter der Selbstreflexion, unter der Frage, wie wir denn eigentlich wirklich geprägt sind, in einer Zeit, wo Menschen, die nicht einer Glaubensgemeinschaft angehören, eine deutliche Mehrheit in unserer Gesellschaft haben …

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Bei was für einem Thema sind wir denn jetzt überhaupt?)

Ich nehme Jena-Lobeda. In Jena-Lobeda kenne ich kein Symbol der christlichen Kultur im öffentlichen Raum. Wir leben nicht in Bayern und wir leben nicht im Barock und das ist auch gut so. Wir leben in einer aufgeklärten, toleranten Gesellschaft, die es uns ermöglicht zu glauben, christlich, genauso wie den islamischen, genauso wie den buddhistischen Glauben oder andere Glauben anzunehmen oder auch nicht zu glauben. Alle Menschen können mit ihrem Gewissen und ihrem Zugang ihren Ansatz umsetzen und das wünsche ich mir auch weiter so. Diesbezüglich erwarte ich zukünftig eine Diskussion auf Augenhöhe, das heißt, wie viel Christentum wir denn definitiv noch in unserer Gesellschaft haben, und eine Ehrlichkeit im Zugang und einen fairen Umgang und ein Hand zu Hand zu Menschen, die glauben, egal welche Glaubensrichtungen. Diesbezüglich werbe ich hier für Ablehnung dieses Antrags und bedanke mich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir lassen die Worte noch kurz wirken und ich stelle die Frage nach weiteren Wortmeldungen. Frau Abgeordnete Mitteldorf, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich bin jetzt geneigt zu sagen, ich bin nach dem Redebeitrag meiner Kollegin Mühlbauer fast ein wenig beseelt,

(Heiterkeit DIE LINKE)

möchte aber trotzdem zum Ernst der Diskussion zurückkommen. Im Übrigen, ich weiß, das ist wahrscheinlich auch gerade für die Kolleginnen und Kollegen der CDU immer schwer sich vorzustellen, aber auch ich bin Christin, obwohl ich Mitglied der Linken bin. Aber auch das ist heute nicht das Thema. Es schließt sich auch nicht aus.

Es ist eigentlich zum Antrag der CDU durch meine Kollegin Astrid Rothe-Beinlich alles schon gesagt

(Abg. Mühlbauer)

worden, was ich nicht wiederholen will, weil ich den Punkt, „es ist alles schon gesagt worden, nur noch nicht von mir“, der auch immer gern in diesem Hohen Haus passiert, irgendwie so ein bisschen doof finde. Ich würde nur gern noch einen Satz sagen: Herr Herrgott, Sie haben zum Ende Ihrer Rede – das fand ich wirklich bemerkenswert und auch sehr positiv – formuliert, dass Sie gern bereit sind, auch über Hasskriminalität zu reden, die sich gegen andere Religionen als das Christentum wendet. Ich finde das gut, ich frage mich nur, warum Sie dann nicht den Antrag gleich so formuliert haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn der Antrag so formuliert gewesen wäre, wie Sie es jetzt zum Schluss angeboten haben, dann hätten wir sicherlich über alles reden können, aber in dem Fall, das muss ich Ihnen auch im Namen der Linke-Fraktion sagen – die Begründung haben sowohl Astrid Rothe-Beinlich als auch die Kollegin Mühlbauer schon geliefert –, wird das so nicht funktionieren.

Ich will noch einen ganz kurzen Punkt zur AfD sagen: Die Propaganda der AfD war heute wieder wie folgt: Grenzen schützen vor angeblicher Landnahme, Multkulti stoppen, alles ist so schlimm.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das ist so!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich kann das nicht mehr hören. Deswegen würde ich das gern zusammenfassen mit – so wie die Zeitung neulich getitelt hat –: Hass, Hetze, Höcke. Das haben Sie heute wieder bewiesen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Brandner, AfD-Fraktion.

Nach der Christin Mitteldorf spricht der Christ Brandner, meine Damen und Herren. Ich wollte eigentlich noch abwarten, bis der Ordnungsruf für „Hass, Hetze, Höcke“ erteilt wird, aber da kommt scheinbar keiner. Das finde ich schade.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das war ein Titel in der Zeitung!)

Meine Damen und Herren, es gab vor Frau Mitteldorf drei andere Redner, zu denen will ich noch gern Stellung nehmen. Frau Mühlbauer – das mache ich kurz –: Klamauk, Gelaber, weit am Thema vorbei, Haken dran, nichts weiter Substanzielles. Herr Herrgott – da kam schon ein bisschen mehr –: Verängstigten, verengten Aktionismus – habe ich mitgeschrieben – werfen Sie uns vor. Ich glaube, als Sie das geschrieben haben, haben Sie in den

Spiegel geguckt, oder? Denn wie sonst soll man erklären, dass die AfD

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch mal eine glatte Belei- digung!)

wieder mal der CDU ungefähr vier Monate voraus war? Sie hecheln wieder mit der hängenden Zunge, die Zunge an den Knien, hinter den Themen her, Herr Herrgott. Ich sage das sehr häufig von hier vorn. In vier Wochen machen Sie wieder das Gegenteil von dem oder machen das, was wir heute beantragt haben – oder in fünf Wochen. Es gibt eine Drucksache 6/1763, beraten am 22.04.2016, zum Thema „Religionsfreiheit schützen – Übergriffe auf christliche Asylbewerber verhindern“. Darüber haben Sie sich noch vor einigen Monaten aufgeregt. Das würde aufgebauscht, das könne man gar nicht machen, das wäre ein typisches AfD-Thema. Herr Herrgott, keine vier Monate später bringen Sie Ihren Antrag heute hier ein, abgekupfert von uns. Ich muss jetzt sagen: Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir Anträge wiederholen, das mag sein. Aber noch schlimmer als Anträge zu wiederholen, ist es einfach, Anträge von anderen abzuschreiben und dann so zu tun, als wären es die eigenen.

(Beifall AfD)

Das Gleiche machen Sie bei dem Demokratiethema, das Gleiche machen Sie bei den Windrädern, da hecheln Sie auch mit der Zunge in den Kniekehlen hinter uns her, sehen uns aber, Gott sei Dank, noch von hinten. Deshalb denke ich mal, das wird alles gut, demnächst sind wir wieder voll auf Linie.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von hinten sind Sie auch nicht schöner als von vorn!)

Frau Rothe-Beinlich, wer von hinten schöner aussieht als von vorn, das zu beurteilen, überlasse ich Ihnen. Möglicherweise gehen da unsere Meinungen etwas auseinander.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das hat sie ja gerade ge- sagt!)

Aber ich wollte auch mal ganz versöhnlich auf Sie zukommen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, danke!)

Sie haben vielleicht bemerkt, dass ein Teil der AfDFraktion jetzt nicht da ist und auch am Anfang gar nicht da war. Das hat einen einfachen Grund und das hat mit dem Thema „Islamfeindlichkeit“ zu tun, was Sie uns immer vorwerfen. Wir haben nämlich oben – und Sie alle waren eingeladen, es war komisch, dass keiner da war –, wir haben in den Fraktionsräumen eine Ausstellung zeitgenössischer indonesischer Kunst eröffnet, und zwar von indonesi

(Abg. Mitteldorf)

schen muslimischen Malern, die Gegenwartskunst in Indonesien angefertigt und diese unter großen Problemen nach Deutschland gebracht haben.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird noch peinlicher für Sie, hören Sie zu! Das hängt bei uns in den Räumen aus,

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: So etwas ma- chen Sie!)