Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

(Staatssekretär Götze)

Inhaltlich ist zu sagen, dass dieser Gesetzentwurf die volle Zustimmung zur vorgesehenen Erhöhung des Blindengelds von monatlich 130 Euro zusätzlich in drei Schritten auf insgesamt 400 Euro bekommen hat. Es wäre überfällig, sagten viele Anzuhörende, darunter die LIGA der Wohlfahrtsverbände.

Zweitens: Außerordentlich positiv wurde die Einführung einer zusätzlichen Zahlung von 100 Euro für Taubblinde als Nachteilsausgleich bewertet. Das gibt es bei uns in Thüringen erstmalig. Hierzu hat Frau Irmtraud Sieland als Betroffene ganz eindrucksvoll vor dem Ausschuss gesprochen.

Einen dritten Punkt möchte ich anfügen: Der Landesverband der Gehörlosen, der auch zur Anhörung eingeladen war, kritisierte, dass die Gehörlosen in Thüringen keinen Nachteilsausgleich bekommen. Sie haben sehr ernsthaft darum gebeten, dies in Zukunft mit einem Sinnesbehindertengesetz auszugleichen und zu beachten.

Der Ausschuss – und das zeigt die Zeitspanne vom 29.09.2016 bis zum heutigen Tag – hat in großer Übereinstimmung die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf beschlossen und wir empfehlen heute hier dem Thüringer Landtag die Annahme des Gesetzes. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich eröffne die Aussprache und als Erste hat das Wort Frau Abgeordnete Herold, Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucher auf der Tribüne und im Internet! Der vorliegende Entwurf des Blindengeldgesetzes wurde im Ausschuss für Soziales ausgiebig diskutiert. Wie bereits berichtet wurde, fand dazu auch eine Anhörung statt. In dieser wurden die Fragestellungen, die mit diesem Gesetzentwurf verbunden sind, deutlich aufgezeigt. Blindheit ist Ursache für viele Mehraufwendungen, die Betroffenen im Alltag entstehen. Haushaltsgeräte, die auch für Blinde nutzbar sind, Vorlesegeräte, Bücher, Zeitschriften in Brailleschrift, Kosten für Taxifahrten und nicht zuletzt die Kosten für eine persönliche Assistenz belasten blinde Menschen finanziell. Ein Ausgleich scheint an dieser Stelle nur zu angebracht.

Darüber hinaus ist mir jedoch auch aufgefallen, dass Menschen mit anderen Behinderungen, allen voran die ebenfalls angehörten Taubblinden, einen Mehrbedarf haben, der über die von der Landesregierung vorgeschlagenen 100 Euro weit hinausgeht. Die Hoffnung der Behindertenverbände, über das Bundesteilhabegesetz deutschlandweit zumin

dest ähnliche Entschädigungen für einen Mehraufwand zu erhalten, wurden enttäuscht, sodass weiterhin die Länder am Zug sind. Es muss darum gehen, Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrem Bedarf und ihren Fähigkeiten die Chance zu geben, sich in die Gesellschaft einzubringen. Dazu gehört zweifelsfrei eine Form des Ausgleichs für Mehraufwendungen, die sich aus einer Behinderung ergeben.

Es ist an dieser Stelle für mich persönlich bedauerlich, dass Thüringen als bundesweites Schlusslicht mit dem Blindengeld auch hier wieder knickert und knausert und die längst überfällige Anhebung auf wenigstens den Bundesdurchschnitt in zwei Schritten vollziehen möchte. An anderen Stellen wird das Geld mit vollen Händen ausgegeben, ich erinnere nur an den Demonstrationstourismus für Hobbyanarchisten.

Wir werden dem eingebrachten Entwurf nicht im Weg stehen, sagen jedoch ganz deutlich, dass eine gute Lösung im Sinne aller Behinderten, die Mehrbedarfe haben, noch aussteht. Es muss langfristig darum gehen, Behinderte entsprechend ihren Bedürfnissen für Heil- und Hilfsmittel so auszustatten, dass innerhalb des zur Verfügung gestellten Finanzrahmens auch Wahlfreiheit möglich wird und Einzelfallprüfungen und willkürliche Verwaltungsentscheidungen irgendwann einmal der Vergangenheit angehören. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Stange, Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Interessierte, heute können wir sagen: Das Warten auf die Novelle des Thüringer Blindengeldgesetzes ist mit dem heutigen Abend vorbei – zum Glück.

(Beifall DIE LINKE)

Die Betroffenen waren in den letzten Wochen und Monaten schon etwas angespannt und haben immer wieder die Frage gestellt: Wie steht ihr, wie steht Rot-Rot-Grün zu dem formulierten Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, das Thüringer Landesblindengeld an den Durchschnitt der Bundesländer anzupassen? Mit dem Gesetzentwurf heute werden wir dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag in drei Schritten umsetzen. Und es bedeutet auch, dass die Menschen, die taubblind sind, zusätzlich zu ihrem Blindengeld 100 Euro dazubekommen. Das ist ein guter erster Schritt, den wir und die Landesregierung hier an der Stelle gemeinsam gehen.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Leukefeld)

Aber – und darauf hat bereits meine Kollegin Leukefeld in der Begründung zur Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf hingewiesen – die Anhörung hat auch formuliert, dass natürlich ein Mehr erwartet wird. Bereits in der ersten Rede zur Einbringung des Gesetzentwurfs habe ich geäußert, dass mit den Schritten, die wir tun, ein erster Weg gegangen wird, nachdem über mehrere Jahre zum Thema „Blindengeld in Thüringen“ de facto Stillstand eingezogen war. Somit kommen wir vorwärts mit den Erhöhungen des Blindengelds rückwirkend zum 01.07. dieses Jahres um 50 Euro auf 320 Euro. Aber wie bereits erwähnt, reicht es nicht und wir sollten gemeinsam als rot-rot-grüne Koalition – der Landesregierung an unserer Seite – überlegen, wie wir dann Stück für Stück über die Koalition, über das Koalitionsende 2019 hinaus das Thema „Blindengeld“ wieder aufgreifen, um auch den angepassten oder eingeforderten Durchschnitt der Bundesländer wirklich zu erreichen. Hier, denke ich, sollten wir uns noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt darauf verständigen, dass wir eine Überprüfung auf den Weg geben, um genau einschätzen zu können, wo Thüringen steht.

Diese Anregungen, die in der Anhörung von den Verbänden gekommen sind, denke ich, nehmen wir gemeinschaftlich mit und werden sie noch mal diskutieren. Auch die Äußerung des Gemeinde- und Städtebunds, dass sie davon ausgehen, dass der § 9 des Thüringer Blindengeldgesetzes nicht ganz konform geregelt sei, nehmen wir einfach als Hinweis mit auf und werden uns das in der Umsetzung noch mal genau anschauen. Denn ich gehe schon davon aus, dass die Auszahlung und die Bestätigung des Nachweises für diejenigen Personen, die Blindengeld oder Taubblindengeld erhalten, vor Ort in den Kommunen korrekt geklärt wird.

Einen letzten Punkt möchte ich an der Stelle noch aufzeigen, das ist das Thema „Gehörlosengeld“. Auch hier haben wir nicht nur in der ersten Lesung darüber gesprochen, dass es auf den Weg gebracht werden muss. Ich sehe es auch so, dass es im Sinne der Gleichbehandlung der Menschen mit Sinnesbehinderungen unbedingt eingeführt werden sollte. Andere Bundesländer haben es uns vorgemacht, dass auch gehörlose Bürgerinnen und Bürger hier unbedingt einen Nachteilsausgleich benötigen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auch hier, werte Kolleginnen und Kollegen, greife ich noch mal auf meine Rede in der ersten Lesung zurück: Die circa 870 Menschen, die das Merkzeichen „GL“ sowie einen Schwerbehindertenausweis mit 100 Prozent haben, sind eine überschaubare Menschengruppe, denen es sicher auch guttäte, einen Nachteilsausgleich zu bekommen. Aber alles in allem – und das sage ich an der Stelle auch mit

Stolz – haben wir es geschafft, die Sechste Änderung des Thüringer Blindengeldgesetzes noch in diesem Jahr zu verabschieden. Mit der heute auf den Weg gebrachten Verabschiedung haben die Bürgerinnen und Bürger, die Anspruch auf den Nachteilsausgleich haben, die Chance, noch in diesem Jahr die Nachzahlung vom 01.07. bis Dezember dieses Jahres zu erhalten. Das ist, denke ich, ein gutes Zeichen.

Ich bedanke mich noch mal bei den Fraktionen, die es heute gemeinsam ermöglicht haben, dieses Gesetz vorhin auf die Tagesordnung zu setzen und es abschließend zu beraten. Danke schön, ich denke auch im Interesse der betroffenen Menschen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Abgeordneter Zippel, Fraktion der CDU, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zuallererst einmal betonen, dass es der CDU-Fraktion wichtig ist, dass die Förderung von blinden Menschen nicht nur eine rein monetäre Sache ist. Wir laufen bei der Diskussion, wenn wir um das Blindengeld reden, Gefahr, nur das Geld im Blick zu haben, aber die Förderung behinderter Menschen ist natürlich weit darüber hinaus ins Auge zu fassen.

(Beifall CDU)

Wir haben heute diesen Gesetzesentwurf vorliegen, zu dem wir auch eine Anhörung im Ausschuss hatten. Ich will gleich voranstellen: Die CDU-Fraktion steht zu ihren Aussagen, die wir hier auch im Plenum schon das letzte Mal getroffen haben, und wird diesen Beschluss mittragen. Wir tragen die Erhöhung des Blindengelds und auch die Einführung eines Taubblindengelds in Höhe von 100 Euro mit. Inhaltlich ist dem nichts entgegenzusetzen.

Aber es ist meine oppositionelle Pflicht, zumindest zwei Dinge kritisch anzumerken – das eine ist ein prozessualer und das andere ist ein inhaltlicher Aspekt. Prozessual will ich betonen, dass wir es waren, die gesagt haben, wir brauchen keine Anhörung. Wir sind immer noch fest davon überzeugt, dass die Anhörung im Ausschuss tatsächlich nicht notwendig war. Sie haben es nicht geschafft, uns vom Gegenteil zu überzeugen. Es wurden keine neuen Aspekte angebracht. Es war informativ – natürlich –, aber wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie eingestehen, dass wir keine neuen Erkenntnisse aus dieser Anhörung bekommen haben. Das einzige Ergebnis der Anhörung war, dass Sie den Beschluss schuldhaft verzögert haben. Und wenn wir

(Abg. Stange)

nicht zugestimmt hätten –die CDU hat das mitgetragen, dass wir es heute hier im Plenum beraten –, dann wäre es eben noch weiter verzögert worden – nur so viel dazu.

(Beifall CDU)

Wenn Sie schon eine Anhörung machen, dann haben Sie natürlich auch – Frau Stange, das geht in Ihre Richtung – aufgezählt, was alles so mitgenommen wird. Aber wenn Sie ehrlich sind, wird nichts von dem, was erzählt wurde, im Gesetz stehen. Und wenn Sie schon betonen, was an Aussagen alles so mitgenommen wird, dann wäre es schön, dass Sie die eine allerwichtigste Aussage, die vielleicht getroffen wurde, nämlich dass kritisiert wurde, dass Sie das Blindengeld nur in drei Stufen anheben, wenigstens noch umsetzen.

Damit kommen wir zu meiner inhaltlichen Kritik, dass Sie eben nur diese zögerlichen Schritte gehen und dass Sie nicht sagen: Wir machen das in einem Ruck, wir ziehen das Ganze nicht unnötig bis 2018 hinaus, sondern sind konsequent. Aber es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen gegenüber Ihren Koalitionsvertrag anzumahnen, das müssen Sie schon selbst machen und die Konsequenzen in Ihrem Handeln müssen Sie schon selbst erkennen.

(Beifall CDU)

Ich will abschließend nur noch einmal betonen, dass die CDU-Fraktion dem Blindengeld zustimmt und auch das Taubblindengeld mit einführen möchte, weil uns klar ist, welche besonderen Belastungen auf diesen Bevölkerungsgruppen lasten, auch das ist in der Anhörung klar geworden. Wir sind im ständigen Austausch und ständigen Gespräch mit den betroffenen Personen – das wissen Sie, wir wissen das auch von Ihnen. Deswegen an dieser Stelle nur noch einmal: Herzlichen Dank trotzdem für die Initiative. Die CDU-Fraktion wird das Ganze mittragen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als Nächste hat Frau Abgeordnete Pelke, Fraktion der SPD, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich mich auch bei allen bedanken, insbesondere den Mitgliedern im Sozialausschuss, für die sachgerechte Diskussion, auch innerhalb der Anhörung, die wir, denke ich, berechtigterweise durchgeführt haben. Ich bedanke mich heute dafür, dass wir dieses Gesetz auf die Tagesordnung setzen konnten und heute abschließend beraten können, weil ich glaube, dass das im Interesse der Betroffenen ganz, ganz wichtig ist. Auch

das waren Aspekte, die in der Anhörung gesagt wurden.

Nun kann man noch über ganz viele Dinge philosophieren, was hätte besser gemacht werden können, was können wir noch schneller machen. Herr Zippel, gerade Ihre Fraktion ist immer diejenige, die sagt, ihr müsst auch immer auf das aufpassen, was finanziell überhaupt möglich ist, und immer mal schön langsam und immer mal gucken. Das kenne ich noch an Argumentation, als es andere Konstellationen in der politischen Zusammenarbeit gegeben hat. Und auch jetzt machen wir uns als RotRot-Grün Gedanken, was wir schnellstmöglich umsetzen, damit wir dem, was die Leute brauchen, auch Rechnung tragen können. Zum anderen achten wir natürlich darauf, dass wir mit den Finanzen ordentlich umgehen.

(Beifall SPD)

Deswegen diese dreistufige Variante. Natürlich haben die Anzuhörenden angesprochen, dass die Erwartungshaltung durchaus war, dass es etwas schneller sein könnte. Aber sie haben auch – und ich glaube, das war noch viel wichtiger in der Anhörung – ganz deutlich gesagt, dass wir uns dann rechtzeitig wieder zusammensetzen müssen – darauf hat Frau Stange hingewiesen –, damit wir sozusagen mit der Zahlung des Blindengelds in der jetzt angesprochenen Höhe, also bis zu 400 Euro, nicht schon wieder ins Hintertreffen geraten, sondern dass wir dann über Anpassungen reden müssen, sowohl bei der Frage des Blindengelds als auch, was den Nachteilsausgleich im Bereich von Taubblinden angeht.

Ja, liebe Kollegin Stange, es ist natürlich auch noch mal darauf hingewiesen worden, dass es eine Entschädigung für die gehörlosen Menschen geben muss. Das ist vom Landesverband der Gehörlosen ganz deutlich gesagt worden. Wir werden sicherlich über das eine oder andere noch reden müssen. Ich habe schon immer gesagt, dass uns das Hin- und Herschieben in der Koalition da nicht weiterhilft. Wir werden schauen müssen, dass wir eine gemeinsame Lösung hinbekommen. Aber ich will zugleich darauf hinweisen, dass Herr Pfeffer, der Vertreter des Außerparlamentarischen Bündnisses für Menschen mit Behinderung, auch noch mal deutlich gemacht hat, dass es noch weitere Behindertengruppen gibt, über die man möglicherweise nachdenken müsste. Er hat als Beispiel die Rollstuhlfahrer angesprochen und ich glaube, es gibt noch eine ganze Menge mehr. Da komme ich wieder an den Punkt, dass wir, denke ich, alle wollen, dass Nachteile ausgeglichen werden, dass wir als Landesparlament und als zuständiges Ministerium unserer Aufgabe gerecht werden, den Menschen das zu geben, was sie brauchen. Aber wir wissen natürlich auch, dass noch viele Aufgaben auf uns warten.

(Abg. Zippel)

Wir haben noch das eine oder andere zu tun und wir werden das Notwendige tun unter Berücksichtigung der finanziellen Situation. Ich glaube, wir können sagen, das kann man auch mal positiv erwähnen, dass wir mit der heutigen Verabschiedung des Thüringer Blindengeldgesetzes bzw. der Novelle des Thüringer Blindengeldgesetzes einen Schritt in die richtige Richtung gehen. Ich glaube schon, dass wir darauf stolz sein können und dass es uns gelungen ist, das noch heute und nicht erst im Dezember zu verabschieden. Ab und an muss man auch mal sagen, wenn was gut läuft. Herzlichen Dank! Ich bitte um Zustimmung zum Gesetz.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Pfefferlein.