Wenn die CDU, Herr Heym, bei einer solchen Debatte, in der es wirklich um eine große Frage geht, als Fraktion nichts anderes anzubieten hat als rhythmisches Klatschen und sich wiederholende Sprechchöre, über die Sie selbst lachen müssen hinterher, dann darf ich Ihnen sagen: Das ist absolut kindisch.
der Vorschlag, der heute hier unterbreitet wurde, ist konsequent und damit gerecht. Ich will versuchen, in 10 Minuten das noch einmal etwas intensiver zu erläutern. Die Gebietsreform ist richtig, weil wir weniger Thüringerinnen und Thüringer sein werden. Waren wir 1990 noch 2,61 Millionen, sind wir heute nur noch 2,17 Millionen. Manche Landkreise, wie zum Beispiel Greiz oder der Kyffhäuserkreis, werden 23 bis 24 Prozent ihrer Einwohner in den nächsten Jahren bis 2035 verlieren. Sie sagen: Das ist nur eine Prognose. Das sagen Sie auch immer wieder den Menschen. Aber diese Prognose ist mehr als gut begründet. Wurden in den drei DDRBezirken Gera, Suhl und Erfurt zwischen 1981 und 1990 noch durchschnittlich 13,2 Kinder je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner geboren, waren es in den Jahren 1991 bis 2000 nur noch 6,2 im Durchschnitt. Schaut man sich die konkreten Zahlen zum Beispiel für das Jahr 1994 an, da waren es sogar nur noch fünf Kinder je 1.000. Wenn man dann noch dazunimmt, was wir an Abwanderung hatten, wo wir alle wissen, dass es besonders eine Abwanderung von jungen Frauen war, sodass der Männerüberschuss in Thüringen, aber insgesamt in Ostdeutschland signifikant ist, dann wissen wir, dass wir das Ganze auf eine ganz einfache Formel bringen können: Kinder, die nicht geboren wurden, gründen 20 bis 30 Jahre später auch keine Familie. Und Familien von nicht geborenen Kindern bekommen auch keine neuen Kinder, die dann in 20 Jahren – das wird das Jahr 2035 sein – als gut ausgebildete Facharbeiter eine Arbeit aufnehmen. Um diese wenigen Thüringerinnen und Thüringer im Jahr 2035 wird es einen extremen Wettbewerb geben, und zwar wird es in Industrie, Handwerk,
Einzelhandel, dem öffentlichen Dienst insgesamt, Polizei, bei Lehrerinnen und Lehrern, Schule, in der allgemeinen Verwaltung, einen Wettbewerb geben und wir werden nicht genug Menschen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, um unsere Aufgaben zu lösen, wenn wir die Strukturen jetzt nicht anpassen. Deshalb ist Handlung jetzt geboten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und Sie verweigern sich
und wollen das auch immer noch damit begründen, dass Sie Thüringen etwas Gutes tun. Sie tun Thüringen nichts Gutes, wenn Sie die Realität nicht erkennen und weiter ignorieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe, Frau Meißner, aber Sie können es ja vielleicht am Pult noch sagen. Wenn Sie keine Kinder brauchen – ich kann das nicht verstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, oft wird von Ihnen ja argumentiert: Wir haben im letzten Jahr so viele geflüchtete Menschen aufgenommen, wir wachsen ja dadurch. Schaut man sich an, wie viele Geflüchtete wir aufgenommen haben, dann kann man konstatieren, dass wir tatsächlich im letzten Jahr in Thüringen nicht geschrumpft, sondern gewachsen sind. Das ist zwar heute nicht das Thema, aber ja, wir Grüne wissen das seit Langem und wir Grüne sagen das auch sehr deutlich: Ein modernes Einwanderungsrecht wäre wichtig. Es wäre nicht nur gerecht, sondern es würde viele Probleme lösen!
Aber an dieser Stelle verweigern Sie sich auch. Ich glaube, darüber werden wir eher morgen noch mal diskutieren.
Die Opposition im Thüringer Landtag hat die große Chance – und das machen Sie auch immer wieder –, diesen demografischen Wandel für ein Bild zu benutzen. Das ist das Bild: Wir leben in einer kleinen Ortschaft, einer kleinen Gemeinde, einem Ortsteil in Thüringen und erleben, dass wir weniger werden. Und man hat das Gefühl, dass man dann allein gelassen wird, wenn Leute im Umfeld leider versterben oder es ziehen welche weg.
Es sind weniger Kinder im Kindergarten. Man muss in den nächsten Ort fahren, um noch einen Kindergarten zu haben. Damit rühren Sie an dem Gefühl, es wird weniger, wir sind allein gelassen worden. Diesem Bild, was Sie dabei zeichnen und – mit Verlaub – auch zu einer gewissen Depression beitragen, setzen wir ein anderes Bild gegenüber. Unser Bild ist dieses: Ja, wenn ich das erlebe, dass es in meiner Region weniger Menschen werden, dass vieles nicht mehr so funktioniert wie früher, dann darf ich nicht in meinem Kämmerchen sitzen bleiben. Dann darf ich nicht eigenbrötlerisch oder altbacken bleiben und sagen: „Wir haben das immer so gemacht“, sondern dann muss ich vor die Tür treten, beim Nachbarn klingeln und sagen: „Lass uns rüber nach B-Dorf fahren, wir werden das zusammen schaffen. Das ist unser Bild. Das setzen wir Ihnen entgegen.
Wir wollen die Menschen in Thüringen wieder zusammenbringen. Wir wollen und werden die Menschen in Thüringen wieder zusammenbringen, denen Sie immer noch erzählen: Bleibt bei euren Positionen. Bewegt euch nicht. Geht nicht auf die anderen zu, dann wird es besser werden. – Das ist der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben ein neues Bild von Thüringen.
Sie rufen uns immer wieder zu: Nehmt doch einfach genug Geld in die Hand, dann können wir alle Probleme lösen. Das ist ja Ihr Grundtenor, den Sie immer wieder anschlagen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf alles, was der Finanzminister a. D., Herr Dr. Voß, gesagt hat, und erinnere noch einmal daran – das ist heute hier auch schon gesagt worden –: Alle Pro-Kopf-Einnahmen, die Thüringen hat – weil wir auch im Verhältnis zu den anderen Bundesländern in der Einwohnerzahl sinken, werden wir weniger Einnahmen pro Kopf haben.
Wir werden aus dem Länderfinanzausgleich deutlich weniger haben. Wir haben jetzt schon ein sehr starkes Absenken der EU-Mittel, zum Teil in manchen Säulen 20 Prozent weniger. Wer da immer noch dabei bleibt und sagt, dass wir einfach nur mehr Geld ausgeben müssen, der arbeitet nach einer sehr alten und überholten Idee der CDU: Wenn wir kein Geld haben, nehmen wir Schulden auf. Wir haben versprochen, die erste Landesregierung zu sein, die während ihrer Legislatur keine Schulden aufnimmt.
noch schaffen. Sie haben, nur um das deutlich zu sagen, sich noch in der letzten Legislatur von diesem Parlament 800 Millionen Euro genehmigen lassen. 800 Millionen Euro Schulden wollten Sie aufnehmen. Und Sie erzählen uns immer wieder, dass wir die Schulden machen würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man weniger wird, dann muss man raustreten, dann muss man sich zusammentun. Dieses Bild wollen wir auf den Weg bringen. Und schauen wir bitte noch mal …
Ja, Herr Heym, das ist genau der Punkt, auf den ich gern noch mal eingehen wollte. Was sind denn Ihre Alternativen? Nein sagen? Herr Mohring hat sich vorhin bemüht, um ein Bild zu zeichnen, das ungefähr so aussieht: Die CDU hat doch viele Vorschläge gemacht.
Wir waren alle in den letzten Jahren aufgerufen, gute Vorschläge auf den Weg zu bringen. Was ist davon übrig geblieben? Das Expertengutachten – von Ihrer Landesregierung auf den Weg gebracht –, Sie haben es selbst zerrissen, weil Sie nicht hinhören wollten. Dann gab es ein Projekt, das fanden wir Grünen sogar gut. Wenn Sie sich durchlesen, was wir zu dem Thema gesagt haben:
Wir fanden das ziemlich gut, und zwar ist das die interkommunale Zusammenarbeit. Super ausgestattet mit Geld,
das große Projekt von Jörg Geibert, Innenminister a. D. Das ist mit Pauken und Trompeten gestartet worden, wie ein Tiger losgesprungen und – ganz sprichwörtlich – kaum hörbar gelandet.
Aber, Herr Fiedler, was soll ich als Beweis dafür, dass Sie keine Antworten auf die Herausforderungen dieses Jahrtausends haben, noch mehr anbieten?
Sie hatten über Jahrzehnte die Chance, alles wunderbar zu fügen. Sie müssen heute sagen, das einzige Projekt, das Ihnen als Antwort darauf eingefallen ist, das haben Sie auch noch schlecht gemacht. Jetzt beschimpfen Sie uns, dass wir sagen, wir müssen uns mal anschauen, was unter dem Strich bleibt. Dann kommen wir auf das Konzept, das in vielen Bundesländern niemals ohne Kontroverse mit der Opposition, aber immer funktioniert hat,
nämlich eine Fusion, ein sich Zusammentun. Wenn es eng wird, muss man sich zusammentun. Wenn es eng wird, darf man nicht wie die CDU die Arme verschränken und sagen: Wir machen aber nicht mit. Wenn es eng wird, muss man solidarisch sein, Frau Tasch. Solidarität, das ist ein Bild, das wir den Menschen nach Thüringen tragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer ignoriert, dass wir mindestens aus Skalierungseffekten, das heißt, wenn ich etwas für mehr Menschen mache, wird es je Mensch oder je Einzelfall, je Fallbearbeitung günstiger, wer das ignoriert, der behauptet auch, dass ich pro Nase weniger Geld brauche, wenn ich 25 Leute zum Grillen einlade, als wenn ich fünf Leute einlade. Übersetzt auf die Landkreise heißt das doch – und das sind doch die Fragestellungen, denen wir uns stellen müssen: Wenn ich für 4.000 Kfz die Zulassung mache, dann kann ich Effizienzpotenziale schöpfen, anders, als wenn ich das nur für 2.000 mache. Das müssen doch sogar Sie begreifen. Diese Effekte können wir nur zusammenbringen. Sie haben nur eine Antwort gehabt: 18,71 Euro pro Kopf. Das wollten Sie den Leuten mehr geben und damit wollten Sie die Thüringer Probleme lösen. Damit sind Sie gescheitert, genauso wie bei der interkommunalen Zusammenarbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Bündnisgrüne begrüßen es außerordentlich, dass das Innenministerium eine wissenschaftliche Begleitung bei der doch diffizilen Frage, wie Kreise zu fusionieren sind, hinzugezogen hat. Denn wie man die Kreise zusammenfügt, das ist nicht trivial.
Damit bin ich eigentlich auch schon bei der von Frau Tasch angesprochenen Frage: Wie sieht es eigentlich mit dem Eichsfeld aus? Wie sieht es eigentlich mit Nordhausen – Herr Primas ist gerade zufällig nicht da –, dem Kyffhäuser und Sömmerda aus? Ich will auf diese Regionen ein bisschen spezieller eingehen.