Protokoll der Sitzung vom 11.11.2016

(Ministerin Siegesmund)

Zusammenfassend bleibt: Eine Novelle der Verordnung wird vor allen Dingen eines tun: Sie wird den Ausgleich zwischen naturschutzfachlichen auf der einen und fischereiwirtschaftlichen Fragen auf der anderen Seite suchen. Sie wird zum Zweiten die weitgehende Regelung an dieser Stelle modernisieren und dem anpassen, was tatsächlich den Kormoranbestand betrifft. Und zum Dritten gibt es seit heute auf der Seite des Umweltministeriums FAQ – Frequently Asked Questions. Ich lade Sie ein, sich dort alle nötigen sachbezogenen Informationen anzuschauen, durchzulesen und sich dann solide, sachlich, seriös an der Debatte zu beteiligen. Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Schaft, DIE LINKE)

Beratungen zu Berichten der Landesregierung werden grundsätzlich in doppelter Redezeit verhandelt. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht? Alle Fraktionen wünschen die Beratung zum Sofortbericht. Ich eröffne die Beratung auf Verlangen der Fraktionen zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Zu Wort hat sich Abgeordnete Tasch, Fraktion der CDU, gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, die CDU-Fraktion hat heute einen Antrag vorgelegt, der darauf abzielt, die bisher geltende Kormoranverordnung für Thüringen über den 31.12. dieses Jahres hinaus fortzuführen. Richtig ist, dass der Kormoran ein prominenter Vogel ist. Der NABU hat ihn zum „Vogel des Jahres 2010“ ausgerufen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Bestände erholt haben. Wenn wir jetzt feststellen, dass eine Population aus dem Ruder läuft, muss man auch den Mut haben, Maßnahmen zu ergreifen und sich diesen Herausforderungen zu stellen.

(Beifall CDU; Abg. Rudy, AfD)

Genau das wurde vom damaligen CDU-geführten Umweltministerium mit dem Erlass der hier in Rede stehenden Kormoranverordnung im Jahr 2008 getan. Widersprüchliche Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, eine teilweise uneinheitliche Rechtsprechung und unzählige unterschiedliche Meinungen und Bewertungen machen eine ausgleichende Betrachtung sehr schwierig. In diesem Fall ist gerade der Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen wichtig. Der Konflikt zwischen Fischerei und Kormoran hat sich dabei längst zu einem Wertekonflikt zwischen Fischerei- und Naturschutzverbänden entwickelt.

Man muss einerseits festhalten: Die enorme Flexibilität des Kormorans bezüglich fischführender Gewässer und seines Nahrungsspektrums lassen für die Zukunft keine natürliche Reduzierung der Kormoranbestände erwarten. Seine bereits eingetretenen negativen Wirkungen auf die Fischgewässer bleiben bestehen und würden sich nach der angestrebten Verschärfung der derzeit geltenden und bewährten Kormoranverordnung in Thüringen weiter verstärken. Eine zukünftige Erholung der betroffenen Fischbestände wäre dann nicht zu erwarten. Die Auswirkungen beständig steigender Kormoranbestände auf die Fischfauna und auf die Ökosysteme in Thüringen dürfen deshalb nicht verharmlost oder unbeachtet gelassen werden.

(Beifall CDU)

Wir als CDU-Fraktion wollen dem Rechnung tragen. Deshalb ist es uns wichtig, hier ein Kormoranmanagement auf den Weg zu bringen, das die Dinge insgesamt betrachtet und erfolgreich wirkt.

(Beifall CDU)

Der Kormoran selbst ist ein Fischfresser. Er ist schnell, hartnäckig und kann bis zu 40 Meter tief tauchen. In größeren Gewässern treibt er im Druck sogar Fischbestände zusammen – das beherrscht er hervorragend – und jagt so lange, bis nicht mehr viel davon übrig bleibt.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Interessant!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zugegeben schwierige Aufgabe der Thüringer Umweltministerin muss es nun sein, in diesem Konflikt eine von allen Seiten, Frau Siegesmund, akzeptierte Lösung zu finden bzw. fortzuschreiben. In unseren kultivierten Gewässern kann bei Anwesenheit von geschickten Fischjägern ein naturnaher Fischbestand nur mit einem tragfähigen Kormoranmanagement erhalten werden.

(Beifall CDU)

Für die CDU-Fraktion – das möchte ich hier betonen – hat der Fischartenschutz den gleichen Stellenwert wie der Vogelschutz oder der Tierschutz allgemein. Die Erhaltung der Biodiversität muss allumfassend behandelt werden und harmonisch erfolgen. Wir als CDU-Landtagsfraktion, aber auch besonders ich persönlich, wollen das Miteinander von Umweltinteressen und wirtschaftlicher Entwicklung. Bei dem Thema „Biodiversität und Artenschutz“ darf das Gleichgewicht nicht in Vergessenheit geraten.

(Beifall CDU)

Einem ausgewogenen Artenschutz kann nicht mit dem Schutz nur einer ausgewählten Art Genüge getan werden, sondern wir müssen alle verschiedenen Dinge und den Artenschutz aller FFH-Arten und vom Aussterben bedrohter Tiere im Blick ha

(Ministerin Siegesmund)

ben. Das ist schwierig, das wissen wir auch. Die rasante Bestandszunahme des Kormorans in den letzten 30 Jahren hat gravierende Auswirkungen auf unsere natürliche Fischfauna. Europaweit – Thüringen ist klein, der Vogel macht ja nicht an Landesgrenzen halt – sind mittlerweile etwa 800.000 Brutvögel vorhanden. Die Gesamtzahl wird auf über 2 Millionen Vögel geschätzt. Die Zahl der Brutpaare in Deutschland ist seit den 80er-Jahren von damals knapp 800 auf 23.500 im Jahr 2009 angestiegen. Mit 47.000 Brutvögeln und der Gesamtvogelzahl von 130.000 hat sich der Bestand der Kormorane zwischen 1990 und 2011 vervierfacht. Neben der eingängigen Thüringer Kormorankolonie an den Haselbacher Teichen im Altenburger Land, die aber durch das Einwirken eines weiteren Neozoon, dem Waschbären, im Bestand zurückgehen, sind es vor allem die durchziehenden Kormorane, die in den Thüringer Gewässern auf Jagd gehen. Ursache dafür ist der wachsende Kormoranbestand in unseren nordeuropäischen Nachbarländern. Die Zahl der durchziehenden oder überwinternden Vögel in Deutschland ist dadurch in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Neben der durch zahlreiche Schutzmaßnahmen in den letzten Jahren ständig gestiegenen Kormoranpopulation müssen wir leider feststellen, dass die bisherigen Erfolge der Artenschutzprogramme für die einheimische Fischfauna eher bescheiden ausgefallen sind. Arten wie Lachs, Äsche, Meeresforelle, Neunauge oder Aal gelten weiterhin als ernsthaft gefährdet. Trotz Verbesserung der Wasserqualität sind europaweit bereits 38 Prozent der Süßwasserfischarten in Gefahr. In Deutschland gelten nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz sogar 74 Prozent einheimischer Rundmäuler und Fischarten als gefährdet oder ausgestorben. Dabei spiegelt ein gesunder Fischbestand die Qualität eines Gewässers wider.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kormoranmanagement mittels der geltenden Kormoranverordnung ist für uns ausgewogener Artenschutz. Wir können nicht nur auf eine Art setzen, sondern wir setzen auf das Gleichgewicht in der Natur und wir setzen auf die Artenvielfalt, das ist uns wichtig. Es gilt, die Artenvielfalt langfristig zu sichern und zu erhalten. Deshalb würden wir uns freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen. Danke.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Kobelt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst erst einmal: Frau Tasch, ich freue mich wirklich sehr, dass Sie heute ausge

sprochen haben, sich als CDU-Fraktion für den Schutz von allen Tierarten einzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Schon im- mer!)

Schon immer!

Ich würde mich natürlich auch freuen, wenn das Gleiche für 5.000 Schweine oder 20.000 Hühner gilt, die teils in engen Zuständen in einem Stall zusammengepfercht sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Thema ver- fehlt!)

Wir als Bündnis 90/Die Grünen stehen für Naturund Artenschutz. Das gilt sowohl für schräge Vögel als auch für dicke Fische. Wir sind als Koalition von Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen dafür angetreten, dass Thüringen auch ökologisch vorangebracht wird. Daher ist es für uns als Grüne nicht akzeptabel, die bestehende Kormoranverordnung einfach weiterlaufen zu lassen.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Windräder! Wald abholzen!)

Denn in keinem anderen Bundesland war es bis jetzt so einfach möglich, eine geschützte Art wie den Kormoran sogar in Naturschutzgebieten zu töten und damit auch noch andere geschützte Vogelarten zu gefährden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber wenn sie von den Windrädern zerhackt werden, die anderen Vögel, das interessiert euch nicht!)

Wenn jetzt von Herrn Malsch zum Beispiel der gefühlte Untergang der Fischereiwirtschaft und des Anglerdaseins prophezeit wird, erlauben Sie mir auf drei Fakten zur Versachlichung hinzuweisen.

Trotz bisher unbegrenzter Abschussmöglichkeiten sind die Kormoranbestände nicht zurückgegangen. Ich bin ja selbst kein Jäger. Aber ich frage zum Beispiel Herrn Primas, warum Sie nicht mit Ihren Kollegen in den 16 Jahren Tag und Nacht losgezogen sind und die Kormoranbestände reduziert haben!

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Ich antwor- te gleich!)

Es gibt eine einfache Antwort: Weil Sie es als Jäger nicht konnten. Die Kormoranbestände haben sich trotz Bejagung nicht verringert. Es hat sozusagen an den Ursachen nichts bewirkt, dass es ein vollkommen freies Abschussgebot gegeben hat.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Weil die schwer zu bejagen sind, weil Sie jeden Schuss selbst bezahlen müssen!)

(Abg. Tasch)

Ich finde es gut, dass in der CDU-Fraktion schon nach Antworten gesucht wird, aber wir müssen feststellen, die bisherigen Maßnahmen haben nichts für die Fische bewirken können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das ist doch Unsinn, was Sie erzählen!)

Deswegen müssen wir über andere Maßnahmen nachdenken, über nachhaltigere Maßnahmen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das steht in unserem Antrag drin!)

Ich bin froh, dass in dem vorliegenden Entwurf der neuen Kormoranverordnung auch weiterhin Ausnahmen möglich sind. Zum Beispiel soll sich für Fischereibetriebe und Gewässer außerhalb von Naturschutzgebieten nichts ändern und der Abschuss generell möglich sein. Sie können damit dieses Instrument als Fischereibetrieb weiter nutzen. Auch in Naturschutzgebieten soll auf Antrag und in begründeten Fällen eine Abschusserlaubnis möglich sein und erteilt werden

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Erkläre das mal den Leuten da oben!)

und diese soll möglichst auch für mehrere Jahre gelten. Somit wird deutlich, dass das Umweltministerium Anregungen der Anglerverbände und der Fischereibetriebe aufgenommen und meiner Meinung nach einen guten Kompromiss gefunden hat. Deutlich möchte ich auch sagen, dass diese Kompromisse auch möglich wurden durch die Anregungen meiner Kollegen Dagmar Becker und Tilo Kummer, die zu dem Punkt gleich auch noch sprechen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Bündnis 90/Die Grünen haben wie viele Angler und Naturschützer ein großes Interesse daran, gute Lebensbedingungen für die Fische zu gewährleisten. Daher habe ich auch eine Bitte an alle Fischer, Angler, Naturschützer und Fischliebhaber: Unterstützen Sie uns im Kampf um einen guten ökologischen Zustand unserer Gewässer!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)