Seit Bestehen des Landesprogramms, und das möchte ich jetzt mal den verehrten Kollegen von der CDU durchaus unter die Nase reiben, weil dieses Programm, dieses Landesprogramm, das ich gerade schon erwähnte, unter ihrer Ägide – ich glaube, es war 2009, aber korrigieren Sie mich bitte – ins Leben gerufen worden ist:
Seit Beginn dieses Landesprogramms wurden für den Kampf gegen Linksextremismus, also die Hauptquelle für Gewalt in diesem Land, was politischen Extremismus angeht, und jetzt kommt es, lediglich 250, aber nicht tausend, sondern 250 Euro ausgegeben. Hört, hört!
Die Landesregierung verharmlost nicht nur die linksextreme Gefahr für die innere Sicherheit, sondern leider auch die islamistische. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz stellt der Salafismus die größte Bedrohung für die innere Sicherheit Deutschlands und in Zukunft wahrscheinlich auch für die Zukunft Thüringens dar. Die Zahl der Salafisten stieg von 5.500 im Jahr 2013 auf 8.350 im Jahr 2015. Herr Innenminister, sind Ihnen diese Zahlen bekannt?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich – ich zitiere –: „Mit dem Strom der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak wittern islamistische Organisationen in Deutschland die Chance, ihre Anhängerschaft zu vergrößern, indem sie versuchen, Flüchtlinge unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe für ihre extremistische Ideologie zu gewinnen.“ Diese Bestrebungen werden andauern. Trotz dieser offensichtlichen und bekannten Bedrohungslage werden für den Verfassungsschutz in Thüringen nicht genügend personelle und materielle Ressourcen bereitgestellt, um etwa konkrete Erkenntnisse über islamistische oder sogar dschihadistische Propaganda bzw. Rekrutierungsbemühungen in und um Flüchtlingsheimen zu gewinnen. Die Landesregierung – und das ist tatsächlich ein Skandal, Herr Innenminister – weiß nicht nur nicht, ob Salafisten unter Asylbewerbern rekrutieren. Sie weiß auch nicht, wie viele Islamisten aus Thüringen nach Syrien, in den Irak oder in andere Konfliktherde reisen, und natürlich genauso wenig, wie viele von diesen, die dann im Dschihad ihren Dienst geleistet haben für ihre, so denken sie, gerechte Sache, wieder radikalisiert zurückkehren. Das weiß die Landesregierung nicht. Von westdeutschen Milieus, in denen der Islamismus gedeiht, sind wir ja Gott sei Dank in Thüringen noch weit entfernt. Doch auch in Thüringen steigt die Anzahl der Islamisten, seit 2013 um mehr als die Hälfte, von 100 auf aktuell 150. Davon sind die Hälfte Salafisten. Die im letzten Jahr erfolgten Durchsuchungen bei Islamisten, auch in Thüringen, sollten auch dem Allerlinkesten klarmachen, dass wir in unserem Freistaat leider nicht mehr auf einer Insel der Seligen leben, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete. Islamistische Schläfer, sehr geehrter
Diese Landesregierung – meine Vorredner haben auf die kritische Sicherheitslage hingewiesen – ist weder willens noch in der Lage – und auch das ist ein großes Problem –, die sogenannte kritische Infrastruktur zu definieren und Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen. Kritische Infrastruktur ist etwa die Strom- und Wasserversorgung oder das Gesundheitswesen unseres Landes. Ein Terroranschlag auf sogenannte kritische Infrastruktur kann dramatische Folgen für die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung haben. Der Islamische Staat, al-Qaida und Konsorten haben bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass sie fähig sind und dass sie gewillt sind, gerade sogenannte weiche zivile Ziele, also diese kritische Infrastruktur, anzuvisieren und zu beschädigen. Das sollte, sehr verehrter Herr Innenminister, Ihnen Ansporn genug sein, hier bitte ganz, ganz schnell zu handeln.
Diese Landesregierung ist nicht willens und in der Lage, die Polizei personell und ausrüstungstechnisch der neuen Bedrohungslage anzupassen. Die Anzahl der unbesetzten Dienstposten im Vollzugsdienst unserer Polizei hat einen neuen traurigen Höchststand erreicht, 516 Stellen sind dort unbesetzt. Diese Polizisten im Vollzugsdienst fehlen auf der Straße, sie fehlen vor Ort, wenn es darum geht, Wohnungseinbrüche zu verhindern, wenn es darum geht, den Schutz von Frauen sicherzustellen, wenn es darum geht, Drogenkriminalität zu verfolgen. So zerstört man das Sicherheitsgefühl der Menschen in diesem Land.
Die Abgänge bei der Polizei nehmen jedes Jahr zu und diese werden langfristig nicht durch die Einstellung neuer Polizeianwärter adäquat und nachhaltig ersetzt. Der Kollege Fiedler hat hier schon die Zahlen vollständig transportiert, sodass ich das nicht erneut tun will. Aber klar ist auch: Hier muss dringend nachgearbeitet werden. Unsere Sicherheitslage gebietet das. Sehr geehrter Herr Innenminister, sehr geehrte Landesregierung, es sollte Konsens sein im Hohen Haus: Bei Bildung und bei der Polizei dürfen wir nicht sparen! Ich bitte die Landesregierung, das zu berücksichtigen.
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag ist eine Oppositionsfraktion und das Kerngeschäft der Oppositionsfraktion ist natürlich die Kritik an der Regierung. Aber wir kritisieren nicht nur Missstände, sondern wir machen auch Vorschläge, wie man diesen Missständen beikommen kann, wie man Abhilfe schaffen kann. In unserem Alternativantrag schla
gen wir ein Maßnahmenpaket vor, das für eine Verbesserung der Sicherheitslage in Thüringen sorgen dürfte. Die Inhalte unseres Maßnahmenpakets wurden vom Kollegen Henke schon vorgestellt. Deswegen möchte ich im Detail nicht noch mal darauf eingehen, möchte aber die drei zentralen Hebel kurz in Erinnerung rufen.
Erstens: Wir brauchen eine wirkliche Strategie für die Polizei in Thüringen, und zwar eine Strategie aus einem Guss, was mein Kollege Henke vollkommen richtig erwähnt hat. Wir dürfen unsere Kraft nicht in Blitzmarathons verschwenden. Wenn die Sicherheitslage in diesem Lande erodiert, dann muss man einfach Polizeikräfte abziehen, verstärkte Streifen in Wohngebieten ansetzen
Zweitens: Wir müssen der Identitätsverschleierung bei Zuwanderern endlich Herr werden. Anis Amri, der Attentäter von Berlin, hatte vier Identitäten. So etwas darf in Zukunft nicht mehr vorkommen!
Drittens: Wir brauchen das sogenannte Neuköllner Modell der viel zu früh verstorbenen Richterin Kirsten Heisig, um die Jugendkriminalität wirksam bekämpfen zu können. An dieser Stelle, Herr Innenminister Dr. Poppenhäger, möchte ich noch mal kurz auf etwas eingehen, was Sie hier am Rednerpult erwähnt haben. Sie sagten, wir hätten die Probleme Berlins ja noch nicht oder nicht, deshalb brauchten wir dieses sehr gut funktionierende und erprobte Neuköllner Modell nicht. Ich sage, wir haben die Probleme noch nicht. Aber Ihre Politik, die Politik von Rot-Rot-Grün und leider auch der CDU unter der Ägide von Angela Merkel, ist ja darauf angelegt, die Zustände, die wir jetzt in Neukölln haben, die Zustände, die wir in den großen Ballungsgebieten des Westens haben, in wenigen Jahren auch hier in Thüringen zu realisieren. Wir wollen das nicht. Wenn wir diese Zustände für Thüringen verhindern, dann bedeutet das, dass wir eine nachhaltige Sicherheitspolitik für unseren Freistaat machen. Dafür steht die AfD-Fraktion.
Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Polizisten im Raum und am Livestream, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, wir, die AfD, stehen für einen Staat, der seine Bürger schützen will und schützen kann. Wir von der AfD sind in Sorge, dass dieser Staat seinen zentralen Daseinszweck, und das ist die Garantie der Sicherheit seiner Bürger, in Zukunft immer weniger und immer schlechter erfüllen kann.
Sehr geehrte Landesregierung, gefährden Sie bitte nicht weiter das Vertrauen der Bürger in diesen, ihren Staat. Dieses Vertrauen, ist es einmal verspielt,
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Fiedler, ich habe, glaube ich, noch nie so oft meinen Namen in einem Redebeitrag gehört, bevor ich geredet habe. Dafür möchte ich Ihnen danken. Sie haben an einer Stelle bedauert, dass ich nicht klatsche. Ich will Ihnen aber sagen: Ich habe an einer Stelle geklatscht, und das war während Ihrer einführenden Bemerkungen bei der Begründung Ihres Antrags hinsichtlich der Äußerungen des Fraktionsführers der AfD in der vergangenen Woche in Dresden. Dieser bezeichnete dort die Entnazifizierung als „Entwurzelung des deutschen Volkes“ und meint damit einen Prozess, den die Alliierten 1945 in Gang gesetzt haben, der als Gegenstück zur Gleichschaltung sämtlicher staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen mit der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus in Gang gesetzt wurde. Das war ein Prozess, der auf drei Säulen aufbaute: der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, der Entmilitarisierung der deutschen Gesellschaft und der Verfolgung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Und diesen Prozess bezeichnete Höcke als „Rodung der Wurzeln deutscher Identität“ und verlangt vor diesem Hintergrund eine Rückbesinnung auf die positiven Seiten deutscher Geschichte. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz deutlich: Höcke mag keine Gefahr für die innere Sicherheit unmittelbar sein, aber seine Ideologie, die er nun selbst in die Kontinuität zum Nationalsozialismus gestellt hat, ist eine Gefahr für die Demokratie, für die Freiheit und für die Humanität.
Herr Kollege Fiedler, das war auch der Grund, warum ich an dieser Stelle Ihren Ausführungen meinen Beifall gezollt habe und ich möchte das von dieser Stelle nochmals wiederholen. Genauso auch, wie ich den Kollegen der GdP, die ich ganz herzlich neben den anderen Gewerkschaften der Polizei hier begrüße, danken möchte für ihre Pressemitteilung, indem sie deutlich gemacht haben, welche Verantwortung auch Gewerkschaften hinsichtlich einer gesellschaftspolitischen Diskussion jenseits auch von Auseinandersetzungen, in welche Richtung man vielleicht dieses Land im Einzelnen entwickeln möchte, welche Anschauungen man zu einzelnen konkreten Vorstellungen, die im politischen Raum diskutiert werden, haben, aber deut
lich gemacht haben, dass wir eine Gesamtverantwortung auch für gesellschaftspolitische Prozesse tragen, die von eben diesen Grundsätzen, die ich gerade genannt habe – Demokratie, Freiheit und Humanität – getragen sind, und dass sie deutlich signalisiert hatten, dass die AfD mit Höcke eben mit diesen Werten nicht mehr in Übereinstimmung steht und das, denke ich, auch mit einer Vielzahl der Beschäftigten in der Thüringer Polizei.
Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen ist viel über Artikel der Thüringer Verfassung diskutiert worden. Wir haben über den Artikel 82 diskutiert, wir haben über den Artikel 92 diskutiert, wir haben zuletzt im Innenausschuss auch eine Diskussion über den Artikel 59 und dessen Bedeutung geführt. Ich glaube, es wäre gut gewesen, hätten in den letzten Tagen einige in diesem Hohen Haus auch mal den Artikel 57 der Thüringer Verfassung angeschaut und insbesondere auch den Verfassungskommentar zur Kenntnis genommen, der dazu ausführt, dass die Einberufung und Durchführung einer Sondersitzung des Landtags als Minderheitenrecht in besonderer Weise einem Missbrauchsverbot unterliegt.
Meine Damen und Herren, Herr Fiedler, ich komme nicht umhin auch deutlich zu sagen, dass ich es schon ein Stück weit für politisch unverfroren halte –
und das ordnet sich dann eben auch in eine Bewertung ein, die ich nachfolgend Ihrem Antrag vornehmen würde –, wenn man tatsächlich auf dieses Instrument zurückgreift, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, das Thema von sicherheitspolitischen Maßnahmen, auch von der veränderten aktuellen Situation, auf die reguläre Tagesordnung des Landtags zu setzen. Es beschleicht mich auch das Gefühl, dass es Ihnen gar nicht darum geht, hier eine sachgerechte Debatte um einzelne Maßnahmen mit uns gemeinsam zu führen, sondern wenn man die Beschlüsse Ihrer Fraktionsklausur, die Beschlüsse der Fraktionsvorsitzendenkonferenz von Brüssel neben Ihren Antrag legt, wird wieder einmal deutlich, dass Sie das Parlament hier in Thüringen als politische Bühne missbrauchen wollen, die letztendlich zum Beschlussfassungsorgan für in Ihren Parteiorganisationen gefasste Beschlüsse umfunktioniert werden soll. Ich glaube, das entspricht eben nicht dem wichtigen Instrument der Sondersitzung, sondern es ist das, was als Missbrauch in der Kommentierung zu diesem Verfassungskommentar beinhaltet und ausgeführt ist.
Aber, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ich will Ihnen in einem Punkt durchaus recht geben. Es gibt in diesem Land natürlich ein sehr nachvoll
ziehbares und berechtigtes Interesse, mit den Menschen über Sicherheit ins Gespräch zu kommen und auch in der Politik gemeinsam darüber zu diskutieren, was die richtigen Antworten auf die Fragen sind, die Menschen in diesem Land tatsächlich stellen. Nur sollte man sich in der Ausgangssituation auf eine begründete Darstellung der Faktenlage beschränken. Ich halte es eben, Herr Fiedler, nicht für angemessen – und ich werde das auch begründen –, hier vorn immer zum wiederholten Mal seit 2015 von gravierenden Veränderungen der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland zu reden oder in Europa und weltweit. Weil mich diese überzeichnende Darstellung der natürlich eintretenden Veränderung und vor allen Dingen auch die wirklich deutsche Zentriertheit dieser Darstellung ärgert, will ich Ihnen einfach mal ein paar Zahlen entgegenhalten, die tatsächlich verdeutlichen, dass wir in einem viel längerfristigen Kontext über Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit diskutieren müssen, als wir das hier vermeintlich nach jedem Anschlag, nach jedem Terroranschlag und nach natürlich jedem verurteilenswerten Übergriff an Ihrer Stelle tun sollten.
Seit 1970 gab es in der Welt 156.000 Terroranschläge. In den 70er- bis in die 90er-Jahre gab es in Westeuropa pro Jahr zwischen 100 und 400 Todesopfer. Im Jahr 2015 betrug der Anteil der Todesopfer von terroristischen Anschlägen in Westeuropa, gemessen an den weltweiten Opfern von Terroranschlägen, 0,3 Prozent. Aber Sie haben auch recht, der Terrorismus nimmt seit 2005 weltweit wieder zu: weltweit 14.806 Terroranschläge 2005, 80 Prozent der Opfer waren Muslime. Ich glaube, wenn wir diese Zahlen dann auch für Westeuropa weiter fortsetzen, noch mal einige Zahlen in Beziehung setzen: 500 terroristische Vorfälle 2006, 211 Vorfälle mit 151 Todesfällen 2015. Ich denke, es ist vor diesem Hintergrund schon anmaßend, so zu tun, als ob dieses Problem ein neues Phänomen wäre oder als ob man sich dem in den letzten Jahren nicht gestellt hat und ob es gravierende Veränderungen gibt. Weltweit leben tatsächlich Menschen seit vielen Jahren unter der Angst vor dem Terrorismus, ohne dass wir uns ausreichend beispielsweise in Fragen der Entwicklungspolitik, beispielsweise in Fragen der internationalen Beziehungspolitik, in der Außenpolitik, aber eben auch in der Frage der Wirtschafts- und Migrationspolitik genau diesen Ängsten dieser Menschen gestellt haben. Ich finde es vor diesem Hintergrund – Frau Marx hat es schon deutlich gesagt – tatsächlich verheerend, wenn Sie diese Entwicklung auch noch in Zusammenhang mit der humanitären Verantwortungswahrnehmung im Jahr 2015 bringen, die zur Aufnahme von 890.000 Flüchtlingen in der Bundesrepublik führte.
Der Innenminister hat in seiner Rede darauf verwiesen, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht ge
ben wird und bei staatlichen Maßnahmen zur Schaffung von objektiv mehr Sicherheit man ein sehr ausgewogenes Verhältnis in Beziehung zu Grundund Schutzrechten schaffen muss, die grundlegend für eine freie Gesellschaft sind. Diese Einschätzung teilen andere im politischen Raum. Sie haben die Äußerung von Angela Merkel angesprochen. Selbst im Beschluss der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU findet sich eine entsprechende Bemerkung. Man muss sich natürlich, wenn man das schon feststellt, auch die Frage stellen: Was folgt dem eigentlich an konkreter Politik, wenn man diese Einschätzung zugrunde legt? Das heißt, man muss in der Politik durchaus die Frage diskutieren: Wie begegnen wir eigentlich den alltäglichen Risiken, die das Leben ohne Angst tatsächlich mit beeinflussen? Welche Risiken sind kalkulier- oder beherrschbar? Welche Eingriffe und Korrektive zur Stärkung der Sicherheit sind nötig? Wie können diese in einer ausreichenden und angemessenen Balance zum Grundrechtsschutz gebracht werden? Dabei, meine Damen und Herren – und das wird in Redebeiträgen der verschiedenen Politiker hier in diesem Plenum deutlich –, müssen wir eines beachten: Sicherheit ist in erster Linie ein individuelles Gefühl. Es ist kein messbarer Zustand, den wir mit Kennziffern beschreiben können. Natürlich können wir Statistiken zurate ziehen. Aber die Statistiken, die Thüringen als das sicherste Bundesland ausweisen – wir müssen gar nicht nach Bayern gucken, Herr Minister – und auch deutlich machen, dass die Thüringer Polizeibeamten, was die Aufklärung anbetrifft, hervorragende Arbeit leisten, wiegen eben ein Unsicherheitsgefühl, was entsteht und vorhanden ist, nicht auf. Sie kennen das Beispiel vielleicht von anderen Diskussionen: Die Angst vor Hunden wird nicht dadurch beseitigt, wenn der Hundebesitzer zuruft: Keine Angst, der will nur spielen. Stattdessen ist es tatsächlich ein individuelles Gefühl. Jeder von uns ordnet seinen Lebensalltag so, dass kaum ein Gefühl der Unsicherheit auftritt, jedenfalls so, dass es nicht überhand nimmt und unser Handeln beeinflusst. Dazu gehören Organisation von Abläufen, Aneignung von Fähigkeiten und Erfahrungen und dennoch müssen wir konstatieren, dass unser Leben alltäglich mit Risiken und mehr oder weniger kleinen und großen Risiken verbunden ist, die wir nicht zwingend meiden, aber die doch kalkulierbar und beherrschbar scheinen. Dazu kommt natürlich auch unser Wissen, dass es für den Fall des Eintritts eines Schadens bestimmte Regularien, Korrektive gibt, die diesen Schaden mildern oder vollständig regulieren können. Das heißt dann eben auch zusammengefasst, Sicherheit ist dann, wenn die Möglichkeit besteht, Fähigkeiten zur Grundlage meiner Handlungsentscheidung zu machen, um unter den vorhandenen Bedingungen die Risiken des Lebens ohne Angst auf sich selbst nehmen zu können.
Aber, meine Damen und Herren, diese Balance, die Freiheit der Entscheidung, wird durch gesellschaftliche Bedingungen beeinträchtigt. Sie wird auch durch veränderte Regelungen, die auf diese Bedingungen einwirken, permanent gestört. Ich sage, diese Balance und die Freiheit, sich entscheiden zu können, werden zunehmend auch durch die Manipulation des Sicherheitsempfindens angegriffen. Risiken werden vielfach in politischen Debatten überbetont, abstrakte Gefahren werden zu konkreten umgedeutet. Auch das Vertrauen in Ermittlungsund Strafverfolgungsbehörden wird erschüttert, und dann kommt in der Politik oftmals noch ein Sicherheitsversprechen dazu, das einlösbar werden würde, wenn Handlungs- und Informationsfreiheit geopfert werden. Das Versprechen für mehr Sicherheit wird somit also zum Trojanischen Pferd im Kampf gegen Bürgerrechte, aber schließlich auch im Kampf gegen die Möglichkeit, dass Menschen frei entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten. Genau an dieser Stelle, bei der Störung dieser Balance, sind wir wieder beim Reflex der CDU, der genau aus politischen und aus parteipolitischen Gründen diese Debatte weiter forciert.
Das wird, meine Damen und Herren, umso deutlicher, wenn man die vorgeschlagenen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit einer Überprüfung unterzieht in der Möglichkeit des Erreichens der behaupteten Ziele, die Sie in Ihrem Redebeitrag, Herr Fiedler, erwähnt haben. Aber wir müssen zunächst auch ein Stück weit konstatieren, dass egal – Sie haben es ja dankenswerterweise ausgeführt, Sie haben Ihre Anträge aus den letzten anderthalb Jahren im Thüringer Landtag benannt, nach jedem Anschlag, nach jedem Amoklauf haben Sie schnelle Maßnahmen gefordert, haben sofortige Lösungen angekündigt und Sie haben verzichtet, sich überhaupt einmal einer fundierten Analyse zu stellen, und Sie haben in der Regel Ihre Forderung oder Ankündigung damit bereichert, dass Sie immer wieder Gesetzesverschärfungen gefordert haben. Das Ziel war, Handlungsfähigkeit zu suggerieren oder einen wehrhaften Staat tatsächlich darzustellen. Dabei kennzeichnet dieser Reflex – Sie haben es sicherlich alle nachlesen können beim „Spiegel“Kolumnisten Sascha Lobo – eine Sicherheitsesoterik, was nichts anderes bedeutet: Es werden Maßnahmen vorgeschlagen, von denen nicht beweisbar ist, dass sie überhaupt funktionieren. Für Sascha Lobo bedeutet Sicherheitsesoterik, dass diese auch mit der Emotionalisierung der Überwachung in der Öffentlichkeit arbeitet, weil Angst das Urteilsvermögen trübt. Vor allem aber hilft Sicherheitsesoterik dabei, in der öffentlichen Diskussion Argumente zu verwenden, die in allen anderen Bereichen als völlig absurd entlarvt würden wie eben bei der klassischen Esoterik. Er führt das dann sehr anschaulich
weiter am Beispiel der Vorratsdatenspeicherung und stellt hier eine Parallele zu Horoskopen her. Wenn Sie schon meine politischen Ansichten nicht teilen, so nehmen Sie doch zumindest auch so einen Wortbeitrag mal zur Kenntnis und werten Sie ihn und überprüfen Sie mal, ob nicht ein Stück weit auch dessen, was er hier kritisiert, auf Ihren Antrag zutrifft. Es wird, glaube ich, deutlich, dass es in solchen Debatten weniger um objektive Sicherheit geht oder um wirksame Maßnahmen. Ich glaube, es gibt hier noch nicht einmal das wirkliche Interesse, Maßnahmen, die sicherheitspolitischer Natur sind und in den letzten Jahren eingeführt worden sind, tatsächlich zu überprüfen.