Protokoll der Sitzung vom 23.02.2017

Aber nein, das wissen Sie doch.

Wer also einen abgelehnten Asylantrag hat und vollziehbar ausreisepflichtig wird, aber möglicherweise geduldet hier lebt, weil es Gründe gibt, nicht in das jeweilige Herkunftsland zurückzuschieben, der soll überhaupt keinen Anspruch mehr haben auf gesundheitliche Versorgung. Außerdem will die rechtspopulistische Fraktion, dass Geflüchtete in sogenannten internationalen Ambulanzen behandelt werden und damit sozusagen eine Zweit- oder Drittklassenmedizin für Geflüchtete errichtet wird. In Leipzig übrigens wird gerade eine Ambulanz bis zum Ende dieses Jahres geschlossen – eine, die nicht der Ausrichtung der AfD entspricht, das will ich natürlich dazu sagen, und zwar begründet nicht

nur mit den rückläufigen Asylbewerberzahlen, sondern die Stadt Leipzig hat das damit begründet, dass es darum gehe, eine gelingende Integration in unsere Gesellschaft und damit auch in das reguläre Gesundheitssystem zu befördern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Man nimmt also gerade Abstand von einer Sonderbehandlung der geflüchteten Menschen.

Ich weiß, dass der Minister vorhat, sehr ausführlich darzustellen, was es mit der elektronischen Gesundheitskarte auf sich hat und wie sich die Auswirkungen gestalten, dass sich beispielsweise gerade – Herr Zippel hat das auch schon gesagt – unter anderem der Verwaltungsaufwand verringert. Ich will vielleicht mal eine Prognose wagen: Schon nach dem, was Herr Zippel berichtet hat, und nach dem, was Minister Lauinger berichten wird, werden die Fragen beantwortet sein. Und wenn die nicht nur pro forma, nicht nur als – ich würde es Hetze nennen, das darf ich hier wahrscheinlich nicht sagen –, sondern um Ressentiments zu befördern und eben Behauptungen in die Welt zu setzen, die in das Weltbild der AfD passen, wenn die Fragen also nicht nur deshalb gestellt worden sind, müsste eigentlich dieser Antrag zurückgezogen werden – das wird die AfD aber nicht machen. Ihr Rassismus ist ihr nämlich einiges wert. Ich würde das „Diskriminierung um jeden Preis“ nennen. Und der Preis in dem Falle wäre der wieder höhere Verwaltungsaufwand der Kommunen und die damit wieder höheren Kosten zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, wie gesagt: Darum geht es der AfD ja nicht. Und dem setzt die rot-rot-grüne Koalition ihren menschenrechtsorientierten Anspruch an den Umgang mit Menschen entgegen. Und ich werde nicht müde zu zitieren: „Flüchtlinge finden in Thüringen eine humanitäre Aufnahme, die Achtung der Grundund Menschenrechte jedes und jeder Einzelnen ist Grundlage der Thüringer Flüchtlingspolitik. Allen, egal ob sie als Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge oder aus anderen Gründen nach Thüringen geflüchtet sind, soll mit Respekt und Würde begegnet werden“ – und dabei bleiben wir, egal welche Anträge die AfD hier noch zur Debatte bringt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Dann hat Minister Lauinger für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Zuhörer, wenn ich mir den Vortrag oder die Rede von Frau Herold angehört habe, dann hatte man den Eindruck, niemand wollte diese Gesundheitskarte. Wenn Sie allerdings mit den im Gesundheitswesen Tätigen geredet hätten, ganz egal ob das die Kassen waren, ob es die Ärzte sind oder ob es die Kommunen sind, die diesen Bereich bisher geregelt haben, dann hätten Sie unisono die Antwort bekommen, dass alle in dem System Beteiligten grundsätzlich die Einführung der Gesundheitskarte begrüßt haben und das auch unbedingt wollten.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb lassen Sie mich vielleicht, bevor ich zu der Gesundheitskarte komme, noch ein paar Ausführungen dazu machen, wie sich die medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Thüringen grundsätzlich darstellt. Der § 4 Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes bestimmt, dass die zur Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen zu gewähren sind. In den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts mussten sich Geflüchtete bislang, wenn sie krank wurden, erst einen Behandlungsschein bei der Kommune holen. Es war also so, dass kommunale Beamte darüber entscheiden mussten, ob jemand so krank ist, dass er zum Arzt gehen darf. Für die Geflüchteten war der Weg zur medizinischen Versorgung damit bürokratisch und schwierig, worunter ihre Versorgung unter Umständen gelitten hat. Daneben war es so, dass die Bediensteten in den Kommunen in der Regel ohne medizinische Ausbildung entscheiden mussten, ob eine akute Erkrankung vorlag und damit ein Arztbesuch erforderlich war. Wenn Sie sich jemals die Mühe gemacht hätten, mit den Beamtinnen und Beamten zu reden, dann hätten Sie erfahren, wie dankbar diese jetzt sind, dass sie diese Aufgabe nicht mehr machen müssen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass dies insgesamt ein sehr unbefriedigender Zustand war, ist – glaube ich – jedem klar. Dieser Zustand hat sich mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Geflüchtete in Thüringen seit dem 1. Januar 2017 erfreulicherweise geändert und konnte beseitigt werden. Die elektronische Gesundheitskarte bietet den Asylsuchenden nunmehr einen diskriminierungsfreien Zugang zu ärztlicher Versorgung und sorgt zudem ganz eindeutig für einen Bürokratieabbau auf Seiten der Kommunalverwaltung.

(Abg. Berninger)

Als ich Ende Dezember im Landratsamt in Ilmenau die ersten Karten mit ausgegeben habe, hat die Landrätin noch mal sehr ausführlich darauf hingewiesen, was das für das Landratsamt bedeutet und wie viel Personal tatsächlich in den Landratsämtern eingespart werden kann, dadurch dass diese bisherige Regelung nicht mehr praktiziert wird, sondern durch die neue ersetzt wurde. Ein Absehen von der Einführung der elektrischen Gesundheitskarte, wie Sie es jetzt fordern, wäre also völlig kontraproduktiv und würde den erreichten Fortschritt zurückdrehen.

Seit dem 1. Januar 2017 wird also entsprechend einer Rahmenvereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Gesundheitsvorsorge mit Hilfen der Krankenkassen gewährt. Diese Rahmenvereinbarung wurde mit der AOK, der BKK Landesverband Mitte, der Knappschaft, der DAK und der IKK classic geschlossen. Auch wenn Sie jetzt an dieser Stelle oder von diesem Pult immer betont haben, wie schrecklich diese Vereinbarung für die Kassen wäre: Glauben Sie mir, die Verhandlungen waren sehr lang und sehr intensiv und die Kassen hätten keinen Vertrag unterschrieben, wenn er tatsächlich so massiv zulasten der Kassen gegangen wäre, wie Sie es versuchen hier darzustellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danach, um das auch mal zu verdeutlichen, haben wir mit den Kommunen geredet. Inzwischen sind alle Thüringer Kommunen dieser Rahmenvereinbarung beigetreten. Glauben Sie denn, diese Thüringer Kommunen treten einer solchen Rahmenvereinbarung bei, wenn das Szenario, das Sie hier schildern, dass das ganz schrecklich wäre für die Kommunen, tatsächlich Realität wäre? Niemals wäre das passiert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dadurch, dass sämtliche Thüringer Kommunen dieser Rahmenvereinbarung beigetreten sind, konnte die elektronische Gesundheitskarte auch flächendeckend in Thüringen eingeführt werden. Und was für ein Erfolgsmodell das ist, zeigen Ihnen die folgenden Zahlen: Nach einer ersten Abfrage bei den beteiligten Landesverbänden hat die AOK 1.500 Gesundheitskarten, die DAK 3.000 Gesundheitskarten, die IKK classic 1.300 und der BKK Landesverband Mitte 1.000 Gesundheitskarten an Flüchtlinge ausgereicht. Das – alles in einer relativ kurzen Zeit – belegt, glaube ich, sehr deutlich, wie stark das Interesse daran war, und mit welchem Engagement sich die Kassen daran gemacht haben, diese Karten auszureichen.

Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Asylsuchende geht aber gerade nicht, wie es

die Fraktion der AfD suggerieren will, zulasten der Gemeinschaft der gesetzlichen Versicherung. Das ist nicht die Wahrheit. Die Kosten dafür werden weiterhin vom Land getragen. Die Krankenkassen rechnen die ihnen entstandenen Aufwendungen quartalsweise mit dem Landesverwaltungsamt ab. Auch da gibt es eine große Erleichterung bei den Kommunen, dass sie aus dieser Abrechnung heraus sind. Auch das hatte innerhalb der Kommunen für erheblichen Arbeitsaufwand gesorgt.

Mittels dieser Rahmenvereinbarung zur Gesundheitskarte wird nunmehr eine professionelle, effiziente und effektive Krankenbehandlung der Leistungsberechtigten gewährleistet. Wie viele Asylsuchende in diesem Jahr nach Deutschland kommen und sodann nach Thüringen verteilt werden, kann derzeit nicht eingeschätzt werden. Abhängig von den Zugangszahlen wird sich auch die Höhe der Krankenkosten gestalten. Das war bereits in der Vergangenheit so. Daran ändert sich durch die Einführung der Gesundheitskarte überhaupt nichts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Krankenkassen entstehen mit der Umsetzung der Rahmenvereinbarung und der damit verbundenen Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte Verwaltungsaufwendungen. Auch das ist richtig. Aber auch das war Teil der Vereinbarung mit den Kassen. Diese Verwaltungsaufwendungen werden vom Land erstattet. Auch da ist Ihre Behauptung also nicht zutreffend.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsaufwand der Kommunen reduziert wird. Ich habe darauf hingewiesen, dass sämtliche Kommunen dieser Rahmenvereinbarung beigetreten sind und kann nur noch einmal die Aufforderung an Sie richten: Sprechen Sie mit den kommunalen Verantwortlichen. Sie werden Ihnen das bestätigen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit anderen Worten: Zu einer Verwendung von Krankenversicherungsbeiträgen für die mit der Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende verbundenen Aufwendungen, die Sie hier suggerieren wollen, kommt es tatsächlich nicht. Weiterhin wird in der Rahmenvereinbarung das Meldeverfahren geregelt. Die Landkreise und kreisfreien Städte melden die Leistungsberechtigten bei der zuständigen Krankenkasse an und übernehmen auch deren Abmeldung. Die Gültigkeitsdauer der elektronischen Gesundheitskarte wird auf maximal 15 Kalendermonate beschränkt. Wie das technisch funktioniert, hat Ihnen zumindest Herr Zippel versucht zu erklären. Ob es angekommen ist, weiß ich nicht. Vielleicht nehmen Sie sich das noch einmal an und überlegen, ob das nicht vielleicht doch zutreffend sein könnte, was er Ihnen gesagt hat.

(Minister Lauinger)

Mit der Abmeldung sind die Landkreise und kreisfreien Städte verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte von den bisher Leistungsberechtigten einzuziehen. Wenn die elektronische Gesundheitskarte nicht eingezogen werden kann, erfolgt auch unmittelbar eine Mitteilung an die zuständige Krankenkasse.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie meinen Darlegungen entnehmen konnten, bestand keinerlei Grund, die Aussetzung der elektronischen Gesundheitskarte vorzunehmen. Vielmehr sage ich: Das war ein ganz wichtiger Schritt, den diese Landesregierung gemacht hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich bin stolz darauf, dass wir das geschafft haben. Die Verhandlungen – das habe ich auch mehrfach betont – haben sich länger hingezogen, als es mir lieb gewesen wäre. Ich hätte das gern noch früher eingeführt, aber diese Verhandlungen mit den Kassen und den Kommunen haben im Ergebnis auch dazu geführt, dass es zu dieser breiten Unterstützung gekommen ist und dass es nicht so war, wie in anderen Bundesländern, dass Karten eingeführt wurden und es dann große Probleme gab. Teilweise haben die Kommunen mitgemacht, teilweise nicht. Dann entsteht tatsächlich ein Problem. Dadurch, dass es etwas länger gedauert hat, als ich mir gewünscht hätte, aber zum Schluss alle Kassen unterschrieben und alle Kommunen mitgemacht haben, denke ich, es ist eine sehr gute Sache für Thüringen, eine Erfolgsgeschichte, wie die Zahlen der ausgegebenen Karten zeigen. Ich bin stolz und freue mich, dass uns dies gelungen ist. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor und es ist keine Ausschussüberweisung beantragt, deswegen stimmen wir direkt über den Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/2924 in der Neufassung ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Mitglieder der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind alle anderen Abgeordneten des Hauses. Damit ist der Antrag der AfD abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich schlage Ihnen vor, jetzt bis 13.25 Uhr in die Mittagspause zu gehen. Mit der Fragestunde setzen wir dann fort. Gibt es dagegen Widerspruch, weil wir 5 Minuten eher in die Mittagspause gehen? Das ist nicht der Fall, also verfahren wir so.

Die vereinbarte Zeit ist herangerückt. Es ist 13.25 Uhr. Wir setzen die Plenarsitzung fort mit dem Aufruf des Tagesordnungspunkts 34

Fragestunde

die ich hiermit eröffne. Der erste Fragesteller ist Abgeordneter Schaft aus der Fraktion Die Linke und seine Frage hat die Drucksachennummer 6/3321.

Vielen Dank.

Ländergemeinsame Rahmenverordnung für das Akkreditierungsverfahren

Auf der 365. Sitzung der Kultusministerkonferenz haben sich die Bundesländer ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen auf einen Entwurf eines Staatsvertrages über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen geeinigt. Dieser Staatsvertrag soll seine Umsetzung in einer ländergemeinsamen Rahmenverordnung für die Akkreditierungsverfahren finden. Diese soll unter anderem Regelungen zur Ausgestaltung folgender Aspekte beinhalten: Näheres zu den formalen und fachlich-inhaltlichen Kriterien, zum Verfahren der Akkreditierung, den fachlichen Anforderungen der Begutachtenden, Akkreditierungs- und Reakkreditierungsfristen sowie den Voraussetzungen, unter denen eine Akkreditierung oder Reakkreditierung entzogen werden kann. Einige Akteurinnen und Akteure, wie beispielsweise die Hochschulrektorenkonferenz, aber auch Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften befürchten nun, dass mit landesspezifischen Sonderregelungen zu rechnen ist und die Präzisierung der genannten Regelungsinhalte nicht konkret ausgestaltet werden könnten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist aus Sicht der Landesregierung eine Rechtsverordnung als gesetzgeberische Grundlage im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ausreichend?

2. Wann soll eine ländergemeinsame Verordnung für die Akkreditierungsverfahren voraussichtlich vorgelegt werden?

3. Welche Akteurinnen und Akteure werden in die Erarbeitung der ländergemeinsamen Verordnung einbezogen?

4. Wie soll verhindert werden, dass im Rahmen der Erarbeitung der Verordnung landesspezifische Sonderregelungen entstehen, um die Einheitlichkeit der

(Minister Lauinger)

Kriterien und damit beispielsweise die Studierendenmobilität nicht zu gefährden?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Herr Staatssekretär Hoppe.