Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Weil alles schon drin war!)

Ach, das stimmt ja nun mal gar nicht!

Aus meiner Sicht bleibt es daher bei meiner Kritik aus der ersten Lesung im Mai 2016 und unserer ablehnenden Haltung zum Antrag insgesamt.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das stimmt nun aber doch!)

Herr Tischner, in Ihrem Antrag waren die DaZ-Lehrkräfte zum Beispiel überhaupt nicht enthalten. Sie haben später einen Antrag hinterhergeschoben, das hat Herr Wolf hier schon schön dargestellt.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Quatsch!)

Das ist kein Quatsch! Schauen Sie doch rein und lesen Sie es. Die Forderungen von Ihnen gehen

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Voriges Jahr ging es um eine andere Problematik!)

zu einem beträchtlichen Teil in die falsche Richtung. Ich will es exemplarisch deutlich machen: Ein

zelfallentscheidung bei der Schulpflicht, separate Vorschaltklassen – wir halten dies fachlich und sachlich für falsch.

Andererseits fordert die CDU im Antrag Dinge, die bereits jetzt möglich und gesetzlich normiert sind. Zum Beispiel ist die längere Verweildauer in einer Kindertagesstätte schon jetzt durch eine Rückstellung möglich. Der Auftrag der Vermittlung von Werten und Normen ist in § 2 Abs. 1 Schulgesetz – ich habe es umfänglich vorgelesen – verankert.

Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tischner?

Aber natürlich.

Herr Tischner, bitte.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Können Sie bestätigen, dass sich unser Antrag im Wesentlichen auf die Beschulung von Flüchtlingskindern konzentriert hat und dass wir deswegen nicht explizit auf die DaZLehrer eingegangen sind, sondern im letzten Jahr Diskussionen aufgegriffen haben, die an uns alle vonseiten der Schülervertretungen, vonseiten der Gewerkschaften, vonseiten der Elternvertretungen herangetragen wurden, und dass wir deswegen den Schwerpunkt in unserem Antrag gesetzt haben? Und können Sie bestätigen, dass genau das auch in den Anhörungen im Grunde wiedergegeben wurde und dass unser Antrag große Zustimmung gefunden hat?

Herr Tischner, Sie haben jetzt versucht, eine Suggestivfrage zu stellen, ob ich was bestätigen kann, was Sie gern bestätigt wissen möchten, nämlich dass Sie schon vorher recht hatten. Nein, das kann ich eben nicht bestätigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe ja gesagt: Wir haben dazugelernt und wir haben etliche Punkte aufgenommen. Manchmal tut es gar nicht weh, zu sagen, okay, da hat das eine oder andere noch gefehlt. Wenn Sie von der CDU vorher schon alles wussten – nun ja. Bei uns war das ein bisschen anders. Wir setzen auf den Sachund Fachverstand gerade derer, die in der Praxis tätig sind.

Jetzt lassen Sie mich zum Schluss kommen: Mit den Beratungen und dem heutigen Beschluss im Landtag ziehen wir ein erstes Zwischenfazit einer intensiven Diskussion zur Verbesserung der schulischen Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Unser Dank – das will ich an der Stelle noch einmal deutlich sagen – gilt allen, die sich im Rahmen des umfangreichen Anhörungsverfahrens mit Ihrer Expertise an der Qualifizierung unseres Antrags beteiligt haben und tagtäglich einen unverzichtbaren Beitrag bei der Beschulung geflüchteter Kinder und Jugendlicher leisten. Festzuhalten bleibt, dass allen beteiligten Lehrkräften, der Schulverwaltung und den befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kommunen und Landkreisen unser Dank für die sofortige und erfolgreiche Integration von Kindern mit Flucht- und Migrationshintergrund in den Schulen in den letzten Jahren gilt. In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, Herr Tischner, springen Sie über Ihren Schatten, Sie haben vorhin selbst gesagt, unser Antrag ist sehr viel besser geworden, nachdem wir diese Anhörung durchgeführt haben, stimmen Sie diesem zu, denn er ist richtig und er ist wichtig! Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Als Nächste habe ich Frau Abgeordnete Rosin für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir beraten heute abschließend einen Antrag der Koalitionsfraktionen vom Juni 2016. Auf unsere Initiative hin haben wir uns im Bildungsausschuss sehr intensiv mit dem Thema befasst. Dabei gab es umfangreiche und intensive Fachdiskussionen mit dem Bildungsministerium und mit der CDU. Im November des letzten Jahres haben wir im Bildungsausschuss zudem eine mündliche Anhörung zu unserem Antrag und zu einem ähnlich gelagerten Vorschlag der CDU durchgeführt. Dabei zeigte sich deutlich, dass die Koalitionsfraktionen mit ihrem Vorhaben das bisherige Verfahren zur schulischen Integration von zugewanderten und geflüchteten Kindern und Jugendlichen einheitlicher, effizienter und für die Betroffenen vor allem gewinnbringender gestaltet sehen wollen.

Seitens der eingeladenen Bildungspraktiker der kommunalen Spitzenverbände und auch der Schulaufsicht hat es im Grunde nur Zustimmung zu unserer Initiative gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen das an einigen Beispielen erläutern. Es bestand bei den Anzuhörenden Einigkeit darüber,

dass es sehr sinnvoll ist, für die an der Schule neu aufzunehmenden zugewanderten oder geflüchteten Kinder und Jugendlichen zunächst ein ClearingVerfahren durchzuführen, um den jeweiligen Stand vorhandener Kompetenzen und Lernstände, die bisherige Schulbesuchsdauer und auch das vermittelte Niveau schulischer Bildung zu erfassen. Auf dieser Basis können dann individuelle Lernpläne erstellt werden, die bis zur vollständigen Integration in den Regelunterricht umgesetzt werden. Bislang fehlen den Schulen leider nur allzu oft dringend notwendige Informationen, die es ihnen erlauben würden, die neuen Schülerinnen und Schüler von Anfang an zielgerichtet zu beschulen, schrittweise in die Schulgemeinschaft zu integrieren und individuell zu fördern. Notwendig, und darauf warten unsere Schulen schon seit Beginn des Flüchtlingsstroms, sind Handreichungen für Schulen, Schüler und Eltern in verschiedenen Sprachen, die alle offenen Fragen hinsichtlich unseres Thüringer Schulsystems beantworten. Sachsen-Anhalt hat hier einen sogenannten Elternbrief erarbeitet, der sehr positive Resonanz bei allen an Schulen Beteiligten erfahren hat. Das Bildungsministerium muss hier handeln und einfach mal in Sachsen-Anhalt nachfragen.

Weiterhin ist in der Anhörung thematisiert worden, dass die vom Bildungsministerium vertretene Rechtsauffassung, dass die in § 19 Abs. 1 des Thüringer Schulgesetzes angeführten zur Erfüllung der Vollzeitschulpflicht zwingend erforderlichen zehn Schulbesuchsjahre mit Erreichen des 16. Geburtstags automatisch als absolviert zu betrachten seien. Frau Astrid Rothe-Beinlich hat das auch schon angeführt, hier braucht es ein besonderes ClearingVerfahren, denn es muss eine aufbauende Einzelfallentscheidung im Sinne des jeweiligen Betroffenen, um ihm eine Bildungsintegration zu ermöglichen, gefällt werden. Dabei ist es natürlich klar, dass ein 16-Jähriger mit zuvor nur drei oder vier Schulbesuchsjahren in seiner Heimat nicht schematisch in eine Grundschulklasse oder in eine fünfte Klasse eingeschult werden kann, sondern dass ihm andere schulische, eventuell aber auch außerschulische Bildungszugänge eröffnet werden müssen. Die bisher präferierte Standardlösung, 16-Jährige in Thüringen und ältere jugendliche Flüchtlinge in die BVJ-S-Klassen zu schicken, hat sich jedenfalls auch aus Sicht der Anzuhörenden nicht bewährt. Zum einen ist die Vorgabe von A2 als grundlegendes Sprachanforderungsniveau des BVJ-S für viele Flüchtlinge einfach unrealistisch. Zum anderen hat sich herausgestellt, dass Flüchtlinge mit nur geringer Schulbildung nicht durch einen bloßen zweijährigen Besuch einer BVJ-S-Klasse und anschließendem BVJ ausbildungsreif sind. Das ist schlichtweg illusorisch. Hier braucht es auf jeden Fall Einzelfallentscheidungen und individuelle Ansätze, die durchaus auch im außerschulischen Bereich liegen können.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so viel zu einigen wesentlichen Aspekten unseres Antrags, die durch die Anhörung in ihrer Richtigkeit und Notwendigkeit bestätigt worden sind. Zentrales Anliegen der Anzuhörenden ist es doch gewesen, dass es bei der zunächst befristet erfolgten Anstellung der Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrkräfte zu einer auf Dauer angelegten Lösung kommen muss. Auch dieses Vorhaben findet sich bereits in unserem Antrag. Die CDU dagegen – das ist schon mehrfach hier angesprochen worden – hat den Punkt in ihrem Papier überhaupt nicht thematisiert. Die Koalitionsfraktionen haben über eine längere Zeit, das muss ich zugeben, auf eine Lösung hingearbeitet, aber wir haben eine Lösung genau für diese Fragestellung. Diese liegt nun vor. Ich freue mich, dass der kontinuierliche Druck der Koalitionsfraktionen mit dazu beigetragen hat, dass nun nahezu allen befristet angestellten DaZ-Lehrkräften eine unbefristete Beschäftigungsperspektive im Thüringer Schuldienst geboten werden kann. Wir brauchen die Expertise dieser Lehrkräfte schon aus Sicht der Schule, weil wir hier eine Kontinuität brauchen, und das schaffen wir mit den Einstellungsmöglichkeiten, die jetzt die Landesregierung auf den Weg bringt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, dieser Antrag ist ebenso notwendig wie richtig gewesen. Es ist uns in der Anhörung des Bildungsausschusses von allen Seiten auch so bestätigt worden. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist es daher auch nur zu recht überschaubaren Änderungen am Antragstext gekommen. Zumeist sind Daten und Terminleisten aktualisiert worden. Es hat außerdem einige sprachliche Präzisierungen und kleine redaktionelle Änderungen gegeben.

Aus diesen Gründen ist die Beschlussempfehlung aus unserer Sicht ergänzt worden, und aufgenommen wurde, dass die Rechtsauffassung der Koalitionsfraktionen im Hinblick auf die Erfüllung der Vollzeitschulpflicht nach § 19 des Thüringer Schulgesetzes hiermit Einklang findet. Es gibt eine aktualisierte Formulierung der Passage zu den Deutschals-Zweitsprache-Lehrkräften, welche die vom Bildungsministerium inzwischen gefundene Lösung bereits skizziert. Und wir haben im Ergebnis der Anhörung einen Absatz eingebaut, wonach jungen Menschen, die nicht mehr der Schulpflicht unterliegen, ein besonders individueller Ansatz, ein passgenauer zugeschrieben wird. Das kann auch ein außerschulisches Angebot sein. Für meine Fraktion ist der Koalitionsantrag mit den genannten Änderungen komplementiert und wir werden ihm daher zustimmen und den konkurrierenden Antrag der CDU-Fraktion ablehnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rosin. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten habe ich – doch, Frau Abgeordnete Muhsal.

Vielen Dank, Herr Präsident. Da mich die bildungspolitischen Sprecher alle so vermisst haben, möchte ich Ihnen doch den Gefallen tun, noch ein paar Worte zu sagen, auch wenn Herr Möller das natürlich schon getan hat.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ich habe Sie nicht vermisst!)

Ich glaube, so wie Sie sich hier aufregen, sehen wir eigentlich auch, wo das grundlegende Problem ist. Das grundlegende Problem ist, dass Sie das Problem nicht erkennen. Denn das Problem bei den angeblichen Flüchtlingskindern – wie sie so schön heißen – ist die verfehlte Asylpolitik, die wir auf Bundesebene haben und auch auf Länderebene. Sie alle haben sich ja geweigert, unserem Antrag zuzustimmen, überhaupt erst mal festzustellen, wie viele Kinder sich denn dauerhaft auch hier in unserem Land aufhalten werden. Das wäre doch die erste Voraussetzung dafür, um weiterzusehen. Herr Wolf hat vorhin hier geäußert, ein Kind aus Syrien ist uns hier genauso willkommen wie eins aus Sachsen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Genau so ist es!)

Das mag subjektiv so sein, aber rein von der Rechtslage her hat jeder Deutsche, der beispielsweise in Sachsen wohnt, wenn seine Eltern sich hier nach Thüringen bewegen wollen, einfach das Recht hierherzukommen. Wenn sie aus Syrien kommen, ist das Verfahren ein wenig anders. Damit sollte sich die Koalition dann vielleicht auch mal beschäftigen.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Dann möchte ich noch mal auf Ihren Antrag eingehen, der enthält erstaunliche Dinge. Herr Möller ist – glaube ich – auf die Sache schon eingegangen. „Der Besuch des Hortes als Integrationsmaßnahme ist durch geeignete Maßnahmen aktiv zu unterstützen.“ Das finde ich schon interessant, dass Sie den Leuten hier vorschreiben wollen, dass sie ihre Kinder in den Hort zu stecken haben. Ich bin da – ehrlich gesagt – anderer Ansicht. Ich glaube, wenn es Personen gibt, die auf legalem Wege hier nach Deutschland kommen und die die Offenheit bringen, sich hier einbringen zu wollen, sich hier – wie es so schön heißt – integrieren zu wollen, dann brauchen sie keine Maßnahmen, das machen die ganz von alleine. Dementsprechend stimme ich Frau Rothe-Beinlich auch sogar zu, wenn sie sagt,

(Abg. Rosin)

wir brauchen keinen Normen- und Werte-Unterricht. Diese Integrationsmaßnahme, also den Hort als Integrationsmaßnahme, müssten Sie dann eigentlich auch ablehnen, weil eben diese Offenheit von jedem, der hier dauerhaft leben will, erwartet werden kann.

(Beifall AfD)

Dann finde ich in Ihrem Antrag interessant, dass Sie auch noch sagen, dass Sie lösen wollen, wie denn die Zugangsvoraussetzungen zu den Gymnasien sein sollen zur Regelung der zweiten Fremdsprache. Das heißt doch auf der anderen Seite dann auch nichts anderes, als dass Sie hergehen und sagen wollen, für Kinder, die – wie es so schön heißt – „neu zu uns gekommen“ sind, machen wir andere Regeln als für alle, die „jetzt schon hier leben“. Auch dazu sage ich Nein, denn selbstverständlich soll jedes Kind, das hierherkommt, erst einmal ordentlich Deutsch lernen und dann gern auch eine erste Fremdsprache lernen, und wenn es eine fremde Muttersprache hat, dann gern auch eine zweite. Das hat noch keinem Kind geschadet.

Dann finde ich noch interessant, dann kommen Sie mit Ihrem „individuellen Lernplan“. Da muss ich auch sagen, Sie haben noch nie was von allgemeiner Schulbildung gehört. Diese individuelle Komponente ist auch nichts anderes als irgendwie ein Reden um den heißen Brei und ein Nicht-eingestehenWollen, dass man die angebliche Integration einfach mit den Maßnahmen, die Sie machen wollen, nicht schafft.

Dann finde ich auch interessant, dass über das Verfahren und angebotene Unterstützungsmöglichkeiten den Lehrkräften an den Schulen übersichtliche Informationen und eine Handreichung zur Verfügung gestellt werden sollen. Mensch, das ist ja super und es ist vor allem interessant, dass wir das in einen Antrag schreiben. Man sollte doch denken, dass das eigentlich eine Grundvoraussetzung wäre, die man gar nicht erwähnen muss.

(Beifall AfD)

Zum Abschluss haben wir hier noch das Stichwort „interkulturelle Kompetenz“.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kennen Sie nicht!)

Das ist in der Tat ein Leerwort, das immer kommt, wenn man nicht zugeben möchte, dass das, das man machen möchte, nicht funktioniert. Auch da kann ich sagen, ein Leerwort, was wir eigentlich nicht brauchen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für Sie ist das eher Lernstoff!)