Protokoll der Sitzung vom 03.05.2017

Nein? Doch die Ministerin Taubert. Entschuldigung! Heike stimmt in jedem Fall. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, wir teilen zumindest den gleichen Vornamen und stehen auch fest an der Seite der Familien in Thüringen, Frau Werner und ich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Vollzug des Haushalts 2016 war für Thüringen erfolgreich und er war erfolgreicher, als wir erwarten durften. Das Jahresergebnis 2016 mit einem Überschuss vor Verwendung nach den Bestimmungen des Haushaltsgesetzes betrug 582 Millionen Euro. Betrachtet

(Abg. Dr. Pidde)

man die Herkunft dieses Überschusses genauer, so wird aber deutlich, dass nahezu ausschließlich Minderausgaben diese Überschüsse verursachtet haben. Währenddessen 23 Millionen Euro Mehreinnahmen zu verzeichnen sind, betragen die Minderausgaben 559 Millionen Euro.

Einnahmenseitig gleichen sich Steuereinnahmen und Mindereinnahmen aufgrund einer langsamer als gedacht anlaufenden neuen europäischen Förderperiode weitgehend aus.

Ausgabenseitig sind wesentliche Punkte zu benennen: Ende 2015 – zum Zeitpunkt der Beratung des Doppelhaushalts 2016/2017 – hatten wir eine Situation im Bereich der Flüchtlingsunterbringung, die Anlass dazu gab, mit einem anhaltenden Zustrom von Schutzsuchenden und damit weiter steigenden Ausgaben zu rechnen. Dieser Situation haben wir mit dem Haushalt 2016/2017 Rechnung getragen. Allerdings haben sich die Bedingungen weltweit in 2016 deutlich verändert, sodass von den zu erwartenden Ausgaben 154 Millionen Euro nicht abgeflossen sind.

Meine Damen und Herren, auch der langsamere Anlauf der neuen europäischen Förderperiode führte auf der Ausgabenseite zu Entlastungen mit Minderausgaben in Höhe von 117 Millionen Euro im Vergleich zum Haushaltsplan.

Was ich mit diesem Punkt deutlich machen möchte, ist, dass ein wesentlicher Teil des Überschusses auf Ereignissen beruht, die nur sehr begrenzt im Einfluss dieser Landesregierung liegen und die sich jederzeit – ich sage jederzeit – verändern können, wie die Ausgaben im Bereich der Flüchtlinge. Es ist schon erstaunlich, dass gerade die AfD-Fraktion die Minderausgaben im Bereich der Flüchtlingsausgaben anführt, um Wohltaten zu verteilen, wo doch gerade diese Partei der Öffentlichkeit regelmäßig und drastisch weismachen möchte, dass mit einem massiven weiteren Zustrom von Asylsuchenden und Flüchtlingen und damit folgerichtig mit aus Sicht der AfD weiter untragbaren Belastungen für die öffentliche Hand zu rechnen sei.

Oder nehmen Sie den Europäischen Strukturfonds. Minderausgaben im Jahr 2016 werden in den kommenden Jahren zu Mehrausgaben gegenüber der Planung führen, denn es ist das erklärte Ziel auch dieser Landesregierung, die vom Bund und von Europa bereitgestellten Fördermittel vollumfänglich in Anspruch zu nehmen. Nicht nur Bedarf, sondern auch Nachfrage gibt es genug.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, es muss also – anders als Ihr populistischer Antrag suggeriert – darum gehen,

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Das ist im- mer noch eine Aktuelle Stunde!)

den Landeshaushalt nachhaltig und solide aufzustellen, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Ich empfehle an dieser Stelle immer, die Landeshaushaltsordnung zu lesen, darin steht ganz viel Schlaues, was man beachten muss. Dann weiß man ganz genau, dass einmalige Überschüsse natürlich auch nur einmal ausgegeben werden können und nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Es gilt also, Wünschenswertes und Machbares für die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen umzusetzen und dabei belastbar und dauerhaft zu finanzieren und zugleich das Land auch fiskalisch, solide und nachhaltig aufzustellen.

Und genau das haben wir beim Jahresabschluss 2016 gemacht. Wir haben als Landesregierung das getan, was der Haushaltsgesetzgeber uns vorgegeben hat. § 2 des aktuellen Haushaltsgesetzes bestimmt, dass der Landeshaushalt im Ergebnis des Vollzugs in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen ist. Hierfür gibt das Gesetz im Falle eines Überschusses der Landesregierung zwei Möglichkeiten in die Hand: zum einen den Verzicht auf Kreditaufnahme für Umschuldungen und zum anderen die Zuführung an die Haushaltsausgleichsrücklage. Beide Möglichkeiten hat die Landesregierung genutzt. Wir haben 166 Millionen Euro des Überschusses dazu verwendet, um auslaufende Kredite im Landeshaushalt nicht zu erneuern. Dies ist, meine Damen und Herren, die nachhaltigste Form der Vorsorge für das Land und seine Bürgerinnen und Bürger und damit natürlich auch die hier wohnenden Familien, denn wir schaffen uns über zurückgehende Zinsausgaben finanzielle Spielräume für die Zukunft.

Lieber Herr Kowalleck, ich habe ja schon gesagt: Gut gebrüllt! Mir fiel bei Ihrer Rede ein, es gab in der DDR einen Spruch – Sie sind vielleicht zu jung, ich bin da schon lebenserfahrener als Sie –,

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Ich bin älter, als ich aussehe!)

der hieß: „Überholen ohne einzuholen“. Bei der CDU ist es oftmals so, es bleibt irgendwie hängen, auch von damals wahrscheinlich, denn genau das wollen Sie. Sie sagen immer, „ein Haufen Mehrausgaben und machen und machen und machen“ und auf der anderen Seite, „ein Haufen Tilgung“. Beides zusammen bekommen auch Sie nicht hin, haben Sie auch in der Vergangenheit nicht hinbekommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern erinnert das schon sehr an die …

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Sie ha- ben nicht aus der Geschichte gelernt! Jetzt arbeiten Sie mit den Kommunisten zusam- men! Ihre Altvorderen würden sich schä- men!)

(Ministerin Taubert)

Herr Kowalleck, ich war nicht in so einer Partei wie Sie oder Ihre Kolleginnen und Kollegen, die in der DDR schon in der CDU waren, ich war es nicht, das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern müssen Sie mir keine Vorwürfe machen. Wissen Sie, nicht jeder prahlt mit der Stasi-Akte, das muss alles nicht sein. Man kann da sehr fair und ordentlich miteinander umgehen und genau unterscheiden: Was war damals gewesen, was ist in diesem Staat, der ja ein Unrechtsstaat war, nicht gelaufen, und was ist heute? Was müssen wir aus der Geschichte lernen? Ich denke, auch die CDU hat da hin und wieder Nachholbedarf.

(Beifall DIE LINKE)

Aber das ist gar nicht unser heutiges Thema.

Meine Damen und Herren, ich will an diesen Beispielen verdeutlichen und zeigen, dass wir eines populistischen Antrags, wie den der AfD, nicht bedürfen. Mit dem aktuellen Doppelhaushalt haben wir – das ist schon erwähnt worden – die örtliche Jugendpauschale um jährlich 1 Million erhöht. Wir wollen natürlich auch die Mittel und die guten Steuereinnahmen für die Zukunft nutzen und an der Stelle weiter kontinuierlich arbeiten.

Wir können die Schulsozialarbeit an den Schulen flächendeckend in Thüringen umsetzen und das sage ich auch voller Stolz: Die Gemeinden müssen nichts dazubezahlen. Wir haben an dieser Stelle eine 100-Prozent-Förderung. Ich denke, das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann. Wir investieren in den Jugendbereich in beiden Jahren rund 225 Millionen Euro, es ist erwähnt worden. Das ist so viel wie noch nie. Diese klare Linie werden wir auch mit der Vorlage des Haushalts 2018/2019 konsequent und gewissenhaft weiterverfolgen. Das gebührenfreie Kindergartenjahr ist auch schon angesprochen worden: Wir rechnen mit den 29 Millionen Euro. Ja, es ist so, wir haben das Landeserziehungsgeld gestrichen, weil wir eine andere Auffassung davon haben, wie wir Familien unterstützen sollten. Ich finde, da haben uns auch die Leute trotz dieser Aussage

(Beifall DIE LINKE)

vor der Wahl in Summe mehrheitlich gewählt. Insofern sind wir auch nur konsequent und setzen den Koalitionsvertrag an der Stelle eins zu eins um. Herr Kowalleck hat auch so eine schöne Bemerkung gemacht, er hat gesagt: jetzt am Ende der Legislaturperiode. Das mögen Sie sich wünschen, kann ja sein, aber wir sind in der Mitte der Legislaturperiode, wir werden also genau das, was wir versprochen haben, auch einhalten und Sie werden wohl oder übel mit uns hier noch eine Weile sitzen

müssen bis 2019. Nichts ist mit Ende der Wahlperiode.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen also Familien unmittelbar, vollständig und auch dauerhaft. Das dazugehörige Gesetz werden wir in Bälde hier besprechen. Zur Finanzierung setzen wir die frei werdenden Mittel aus dem Erziehungsgeld ein, das hatte ich schon erwähnt. Mit dem aktuell im Landtag beratenen kommunalen Investpaket für 2017 und 2018 kommen weitere 5 Millionen Euro für die Verbesserungen in Kitas im Freistaat Thüringen dazu.

Im Einzelplan meiner Kollegin Werner sieht daneben ein eigenes Kapitel Maßnahmen für Familien und die Familienförderung vor. Darin enthalten sind unter anderem die Bereiche der Familienhilfe, deren Ansätze in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Daneben fördern wir Frauenzentren, haben in 2016 das Programm „Thüringer Eltern-Kind-Zentren“ finanziell aufgestockt und mit der Konzeptionierung des ab 2018 beginnenden Landesprogramms „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“ angefangen. Für dieses Landesprogramm sind 10 Millionen Euro vorgesehen. Wenn Sie Schule noch dazunehmen, da gab es ja hier einen großen Aufschrei, dann wird es noch mehr. Auch die 8 Millionen Euro Kofinanzierung dieses Bundesprogramms, für das wir, denke ich, alle gemeinsam sehr dankbar sind, um Schule gut aufzustellen, kommen noch dazu.

Also es sind eine Menge Beispiele, dass wir gerade für Familien attraktive Bedingungen in Thüringen schaffen wollen. Das äußert sich natürlich nicht nur in diesen paar Beispielen. An allen Stellen, wenn Sie im öffentlichen Dienst mal schauen: Die Landesregierung hat für ihre Beschäftigten, die Familie haben, natürlich auch außerordentlich viele Dinge bereitgestellt, wenn Sie nur an die variablen Arbeitszeiten denken, also keiner muss mehr ganz starr arbeiten, man kann sich absprechen. Es ist sehr verantwortungsbewusst für beide Seiten. Oder wenn Sie daran denken, was wir auch für Forschung und Entwicklung ausgeben. Auch da steckt ganz viel Familie mit dabei. Wenn wir die Wirtschaftsförderung sehen, da sichern wir Familien auch finanziell etwas zu, nämlich dass sie solide Arbeitsplätze haben, dass sie gut verdienen können.

All das gehört auch indirekt zur Förderung von Familien dazu und nicht ausschließlich die Frage, ob das Kindergeld jetzt um 2 Euro oder 5 Euro erhöht wird. Ich denke, darauf kann man es nicht reduzieren. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerin Taubert)

Vielen Dank, Frau Ministerin Heike Taubert. Ich schließe damit den zweiten Teil.

Ich rufe auf den dritten Teil der Aktuellen Stunde

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Tag der Pressefreiheit – Thüringer Journalismus stärken“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/3829

Frau Abgeordnete Henfling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Heute, am 3. Mai, begehen wir mittlerweile zum 23. Mal den internationalen Tag der Pressefreiheit, ein Tag, an dem auf Verletzungen der Pressefreiheit aufmerksam gemacht werden soll. Weltweit sind zahlreiche Journalistinnen und Journalisten in Gefängnissen, bei ihrer Arbeit getötet oder verletzt worden. Prominent ist hier natürlich zu nennen, dass auch im Februar ein deutsch-türkischer Journalist, Deniz Yücel, in der Türkei inhaftiert wurde und dort auch nach wie vor inhaftiert ist.

Als Konsens bei einer Diskussion zum Thema „Pressefreiheit“ darf wohl gelten, dass eine freie Berichterstattung Basis für die Existenz von Demokratie überhaupt ist. Die Pressefreiheit ist in Deutschland ein Grundrecht, und das aus gutem Grund. Jürgen Habermas hat bereits 2010 in einem Essay in der „Süddeutschen Zeitung“ festgehalten – ich zitiere –: „Die Öffentlichkeit leistet zur demokratischen Legitimation des staatlichen Handelns ihren Beitrag, indem sie politisch entscheidungsrelevante Gegenstände auswählt, zu Problemstellungen verarbeitet und zusammen mit mehr oder weniger informierten und begründeten Stellungnahmen zu konkurrierenden öffentlichen Meinungen bündelt. Auf diese Weise entfaltet die öffentliche Kommunikation für die Meinungs- und Willensbildung der Bürger eine stimulierende und zugleich orientierende Kraft, während sie das politische System gleichzeitig zu Transparenz und Anpassung nötigt. Ohne die Impulse einer meinungsbildenden Presse, die zuverlässig informiert und sorgfältig kommentiert, kann die Öffentlichkeit diese Energie nicht mehr aufbringen.“

Diese Freiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt es ständig wieder und auch neu zu schützen und zu verteidigen. Die Organisation Re

porter ohne Grenzen macht mit einem jährlichen Bericht auf weltweite Missstände der Pressefreiheit aufmerksam. Dazu wird auch ein Länderranking erstellt. Als Europäer kann man sich hier vermeintlich entspannt zurücklehnen. So belegen die bekannten internationalen Superschurken die letzten Plätze; Deutschland bleibt unverändert auf Platz 16 im europäischen Mittelfeld. Der genauere Blick lohnt sich aber auch hier. Die Reporter ohne Grenzen kommen unter anderem zu folgenden Einschätzungen – ich zitiere –: „2016 registrierte Reporter ohne Grenzen erneut eine erschreckend hohe Zahl von tätlichen Angriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Journalisten. Zu Gewalt kam es vor allem bei Demonstrationen rechtspopulistischer oder rechtsradikaler Gruppierungen.“ Viele Journalistinnen und Journalisten empfinden diese Gewalt und diese Anfeindungen als Problem für ihre Berufsausübung und sie sprechen von einer sogenannten Schere im Kopf. Sie überlegen einmal mehr, ob sie beispielsweise ein Thema aufgreifen, das sie solchen Anfeindungen erneut aussetzt. Besonders am Rande von rechtsextremen Demonstrationen, wie beispielsweise vom III. Weg oder auch von der AfD, sind solche Fälle bekannt.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Na, na, na!)

Auch die Reporter ohne Grenzen konstatieren: „Im Jahr 2016 zählte Reporter ohne Grenzen 18 gewalttätige Angriffe auf Journalisten. Bis auf zwei Ausnahmen ereigneten sich diese Fälle auf Demonstrationen der Partei Alternative für Deutschland, diverser PEGIDA-Ableger oder rechtsextremer Gruppen […].“ Dies berichten uns auch Thüringer Journalistinnen und Journalisten.

Eine Geringschätzung journalistischer Arbeit weisen alle rechtsextremen Gruppen auf.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wird die generelle Abschaffung der öffentlichrechtlichen Staatsverträge gefordert, wie jüngst von der AfD-Fraktion auch hier im Thüringer Landtag, Medien-Bashing betrieben und behauptet, so beispielsweise von Björn Höcke in einer seiner Reden auf einer Erfurter Demonstration, die Lügenpresse hätte sich ihren Namen redlich verdient. In diesem von einigen Politikerinnen enthemmten Raum sind Übergriffe auf Reporterinnen leider möglich. Wir haben jüngst erst einen in Erfurt erlebt, als ein MDRFilmteam bei seiner Arbeit angegriffen wurde.