Protokoll der Sitzung vom 05.05.2017

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Sie müssen sich nicht beklagen!)

Wer Gleichheit überzieht, Herr Wolf, wird ganz schnell zu Unfreiheit kommen. Das müssten Sie doch auch aus der Geschichte kennen.

Wer Gleichheit zum Prinzip der Bildungspolitik erhebt, wendet sich gegen die Vielfalt der Menschen. Und wer Gleichheit politisch missbraucht, stellt letztlich eine subjektorientierte Bildung infrage. Oder einfacher: Linke und rechte Gleichmacherei in der Bildungspolitik geht an den individuellen Voraussetzungen und Zielsetzungen unserer Schülerinnen und Schüler, unserer Kinder und Jugendlichen völlig vorbei.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft wird von Bürgern mit unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten getragen. Dieser individuelle Reichtum ist die Grundlage für das Zusammenhalten unserer leistungsfähigen Gesellschaft. Um Freiheit und Wohlstand zu erhalten, müssen wir deshalb unseren Kindern die Möglichkeit eröffnen, entsprechend ihren Fähigkeiten und Voraussetzungen die für sie optimale Bildung und Wissensvermittlung zu ermöglichen. Das Fördern und Fordern darf aber nicht erst in der Schule beginnen, denn jedes Kind kommt mit individuellen Begabungen und Fähigkeiten auf die Welt. Diese gilt es in einem gerechten und nicht gleichmachenden Bildungssystem von klein auf zu stärken und weiterzuentwickeln. Kurz gesagt: Bei dem einen platzt der Knoten eher, bei dem anderen platzt der Knoten später,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Bei manchen gar nicht. Bei der AfD gar nicht!)

bei manchen auch wegen Krankheitsbildern – Herr Kuschel, richtig – leider nie oder nur sehr langsam. Deshalb muss das Bildungssystem absolut durchlässig und leistungsorientiert gestaltet sein. Einheitliche Leistungskontrollen und Qualitätsstandards sind dabei sowohl für die Kinder als auch für die Bildungseinrichtungen unabdingbar. Ein durchlässiges und leistungsorientiertes Bildungssystem ermöglicht allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft eine qualifizierte und ihren Fähigkeiten und Begabungen entsprechende Ausbildung, da es

zahlreiche Übergangs- und Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Ziel dabei ist, dass jedes Kind befähigt wird, später für sich selbst und für seine Familie sorgen zu können. Deshalb stehen wir, die CDU-Landtagsfraktion, auch weiterhin für ein konkurrenzfähiges, öffentliches, differenziertes Schulsystem mit individueller Förderung, klarer Leistungsorientierung und einheitlichen Qualitätsstandards. Der Antrag der AfD zu diesem Thema greift mal wieder deutlich zu kurz. Deshalb haben wir mit unserem Alternativantrag unsere Leitlinien dargestellt – mehr können es tatsächlich bei so einem großen Thema, was ja irgendwie jede Schulart, jeden Baustein unseres Bildungssystems berührt, auch nicht sein. Die AfD sollte vielleicht im Ausschuss besser zuhören und sich bei ihren Anträgen nicht nur auf Pressemeldungen konzentrieren. Lektüre aller Originalquellen ist Ihnen sehr zu empfehlen, denn man sieht einmal mehr, dass dieser Antrag nicht von Menschen geschrieben wurde, die das Thüringer Schulsystem erlebt haben, weder als Lehrer noch als Schüler.

Während die Linkskoalition alles unternimmt, um Schulen zu zentralisieren und die Weichen – wo immer möglich – in Richtung Gemeinschaftsschule zu stellen, besteht die CDU-Fraktion auf einem vielfältigen, gegliederten Schulsystem. Wir setzen auf eigenverantwortliche Schulen mit gleichen Entwicklungsmöglichkeiten: Grundschulen, Regelschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien, berufsbildende Schulen und freie Schulen und ganz selbstverständlich gehören für uns Förderschulen auch dazu, und zwar überall in Thüringen. Es ist schlichter Unsinn und ein Schlag ins Gesicht aller Förderschulen, wenn Minister Hoff und Staatssekretärin Ohler in ihrem neuen Papier pro Gebietskörperschaft – und Frau Rothe-Beinlich, vielleicht hören Sie mir aufmerksam zu,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich höre zu!)

Sie haben das Papier vielleicht an der Stelle etwas oberflächlich gelesen –

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, nein, nein!)

fordern, pro Gebietskörperschaft eine Förderschule vorzuhalten. Das würde bedeuten, von 80 Schulen, die wir derzeit im Förderschulbereich haben, bleiben am Ende zwölf übrig. Sie wollen 85 Prozent aller Förderschulen in Thüringen schließen, das ist aus unserer Sicht ein bildungspolitischer Skandal.

(Beifall CDU)

Wir haben ja eben wieder die Pirouetten von Frau Rothe-Beinlich beim Thema Förderschulen erlebt. Sie wollen nicht die Förderschulen in ihrer Gänze, in ihrer Vielfalt, in ihrer Differenzierung erhalten. Wahrscheinlich sind Ihnen nur die Förderschulen für die schwer geistig Behinderten noch irgendwie

so ein Ding, was man erhalten sollte. Alles andere wollen Sie plattmachen, jedenfalls deuten die Zahlen, die von Herrn Hoff und Frau Ohler vorgelegt sind, deutlich auf diese Entwicklung hin.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Völliger Blödsinn!)

Wichtig ist uns dabei, dass alle Schularten gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dieser Grundsatz schließt eine Bevorzugung von Schularten gegenüber anderen konsequent aus. Aus diesem Grund wollen wir auch die Besserstellung der Gemeinschaftsschulen gegenüber der Regelschule bei der Lehrerzuweisung abschaffen. Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, geplante künftige Maßnahmen während der Bevorzugung wie eine bessere Bezahlung von Gemeinschaftsschul-Lehrkräften zu unterlassen.

Neben diesen schulstrukturellen Fragen sind es aber vor allem Fragen der Schul- und Unterrichtsqualität, die uns beschäftigen, denn gute Bildung, denn gute Erziehung kann nur gelingen mit gut qualifizierten Kolleginnen und Kollegen, mit engagierten Schulleiterinnen und Schulleitern und mit sehr viel erfahrenen Erzieherinnen. Ihre Arbeit – sowohl von Schulleitungen, von Lehrern, von Erziehern – verdient Wertschätzung, Anerkennung und eine angemessene Entlohnung. Sie müssen sich auf ihre pädagogischen Aufgaben konzentrieren können und endlich von Bürokratie entlastet werden. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte muss qualitativ hochwertig und verpflichtend sein sowie den Erfordernissen des differenzierten Schulsystems entsprechen. Die Einheitslehrerausbildung bzw. eine schulstufenorientierte Lehrerbildung lehnen wir strikt ab. Das Studienangebot soll Querschnittsthemen wie inklusive Bildung, interkulturelle Angebote, mehrsprachigen Unterricht, gesundheitliche Elementarerziehung sowie Medienkompetenz aufnehmen. Die fachwissenschaftliche und die fachdidaktische Ausbildung sind gleichermaßen wichtig und Praxisanteile unverzichtbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sachsen und Thüringen haben das beste Bildungssystem. Sachsen und Thüringen liegen in Bildungsstudien vorn. Thüringen belegt in Bildungsstudien erneut den vorderen Platz. Sorgen wir alle dafür, dass diese Schlagzeilen auch weiter die Thüringerinnen und Thüringer erfreuen. Schleswig-Holstein, NordrheinWestfalen, Brandenburg oder Bremen müssen uns dabei warnende Beispiele sein.

(Beifall CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Tischner. Als Nächster hat Abgeordneter Matschie für die SPDFraktion das Wort.

(Abg. Tischner)

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, zum Antrag der AfD will ich nicht allzu viel sagen, dazu hat Frau Rothe-Beinlich inhaltlich das Notwendige gesagt.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Gar nichts hat sie dazu gesagt!)

Vielleicht nur so viel, Herr Höcke, zu Ihrem Antrag: Dieser Antrag mit der Überschrift „Frontalangriff auf ein gegliedertes Schulsystem“ ist in Wahrheit ein Frontalangriff auf die menschliche Intelligenz.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man Ihrer bildungspolitischen Logik folgt, dann warte ich auf den nächsten Antrag, den Sie hier stellen, dass Mädchen und Jungen in der Schule wieder getrennt werden, weil das auch irgendwann mal gesellschaftlicher Konsens war, und danach kommt dann der Antrag, die Prügelstrafe wieder einzuführen. Das ist Ihre pädagogische Vorstellung und damit möchte ich nichts zu tun haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber zum Antrag der CDU muss ich dann doch ein paar Sätze verlieren. Werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, entweder Ihr Antrag ist scheinheilig oder Sie verfügen über ein gespaltenes Bewusstsein. Ich will Ihnen das mal an drei Beispielen deutlich machen. – Da müssen Sie gar nicht mit dem Kopf schütteln. Ich mache es Ihnen an drei Beispielen deutlich.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Ja, den falschen Weg sind wir mitgegangen!)

Erster Punkt: Im ersten Punkt erwecken Sie den Eindruck, als würden die Förderschulen jetzt abgeschafft und es müsste jede einzelne Förderschule bestehen bleiben. Jetzt denken Sie mal einen Moment zurück und einige von Ihnen saßen schon hier. 2003 hat die CDU die absolute Mehrheit gehabt und hat ganz allein in diesem Landtag ein Förderschulgesetz beschlossen. Der zentrale Punkt in diesem Förderschulgesetz war, zukünftig gibt es einen Vorrang für den gemeinsamen Unterricht, einen Vorrang für inklusive Bildung. Kaum hatten Sie das beschlossen, sind die CDU-Abgeordneten draußen rumgerannt und haben gesagt, es bleibt aber alles beim Alten. Das ist die Schizophrenie in Ihrer Bildungspolitik. Sie beschließen den nächsten Schritt, nämlich hin zur Inklusion, und Inklusion heißt, weniger Kinder in der Förderschule und mehr im gemeinsamen Unterricht, und gleichzeitig laufen Sie draußen herum und sagen, macht euch keine Sorgen, es passiert nichts, es bleibt alles beim Alten. Nein, so kann man Bildungspolitik nicht machen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern man muss dann verantwortlich beschreiben, wie der Weg aussehen soll, wenn gemeinsamer Unterricht und Inklusion Vorrang haben sollen. Und das haben wir dann getan mit einem Landeskonzept zur Inklusion, wo wir uns angeschaut haben, wo jede Region steht. Dieses Landeskonzept „Inklusion“ haben wir in der letzten Legislaturperiode auch gemeinsam beschlossen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alle gemeinsam – alle!)

Dort stehen genau die Schritte drin, die wir in der Zukunft gehen wollen, nämlich dass mehr Kinder im gemeinsamen Unterricht sein sollen, dass mehr Kinder die Chance haben sollen, inklusiv unterrichtet zu werden. Das haben Sie mit beschlossen und jetzt stellen Sie sich hin und sagen, es bleibt aber alles, wie es war.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Ihr wollt doch nur alles niedermachen!)

Wer will denn alles niedermachen?

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Es ist doch so!)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir nicht!)

Werter Kollege, schalten Sie mal einen Gang zurück.

(Unruhe CDU)

Niemand hat bis jetzt infrage gestellt, dass es auch in Zukunft Förderschulen geben wird. Und Kinder, die nicht inklusiv beschult werden können, werden auch in Zukunft Förderschulen brauchen. Aber die Förderschullandschaft wird sich verändern.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ist ein Witz, was ihr macht!)

Daran führt doch mit dem von Ihnen eingeführten Grundsatz überhaupt kein Weg mehr vorbei.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und politische Verantwortung heißt, mit allen Beteiligten diesen Weg zu diskutieren und zu beschreiben, wie der gehen kann.

Zweiter Punkt für Ihr schizophrenes Verhalten: Besserstellung der Thüringer Gemeinschaftsschule beenden. Werte Kolleginnen und Kollegen, auch da muss ich Ihnen sagen, Sie haben mit uns gemeinsam in der letzten Legislaturperiode mit der Einführung der Thüringer Gemeinschaftsschule ein neues Schulgesetz beschlossen. Und kaum war das be

schlossen, sind Sie draußen rumgerannt und haben alles versucht, um die Einführung dieser Thüringer Gemeinschaftsschule zu verhindern. Also einerseits sagen Sie: „Wir bringen das mal auf den Weg“, und andererseits tun Sie aber alles, damit das nicht kommt. Es kam anders.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ja, zu einem Gassenhauer sind Sie geworden!)